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Dez 2011

Die Zukunft – wie sie gewesen sein wird (2)

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Cinema futura

2017 sind 98 Prozent der Kinos weltweit voll in die digital Verwertungsstrecke integriert: Filme werden vom Studio über Broadband-Leitungen in die Säle gestreamt (Kopien auf Kino-eigenen Festplatten gibt es wegen der Gefahr von Raubkopien nicht mehr). Ausgestrahlt wird digital, eine simple Auswahl der Alterfreigabe überspringt automatisch Szenen, die für das Kinopublikum als ungeeignet getagged sind. Selbst die Kinokarte ist digital und mit Zusatzfunktionen bestückt: Wer 3 Euro mehr zahlt, kann mit ihr zu Hause Extras wie auf einer DVD abrufen, die den Filmgenuss ergänzen. Wer 5 Euro mehr zahlt, kann 60 Tage nach dem Kinobesuch den Film zu Hause “on demand” streamen. Um einen schwunghaften Handel mit “Xtra-Tickets” zu verhindern, sind die Berechtigungen personengebunden. Ab 2022 ist die Technik so weit, dass eine digitale Echtzeit-Übersetzung den Originalton mit wählbaren Stimmfarben perfekt an die Lippenbewegungen anpasst – Synchronisation wird überflüssig und endlich können auch die Menschen in Burkina Faso und Tibet Bruce Willis in der Landessprache reden hören. 3D hat sich nicht durchgesetzt. Vox-Boxen am Kinoausgang erlauben den Zuschauern, per Touchscreen konkretes Feedback zu geben, das sofort an die Studios weitergeleitet wird. Diese Form von “hot testing” führt zu großer Paranoia bei den Studios – immer öfter werden entscheidende Szenen in Filmen in mehreren Varianten gedreht, um sie nach dem globalen Rollout bei negativem Feedback austauschen zu können. 3D hat sich nicht durchgesetzt.

Amazon Global

Amazon begann 1994 als Buchversender. In den folgenden Jahren kamen praktisch alle versendbaren Waren dazu, plus ein mächtiges Geschäft mit Gebraucht- und Fremdwaren. 2011 stellt Amazon erstmals “Amazon Locker” auf, ein Pendant zu den deutschen Paketstationen. 2013 werden die Geräte aufgerüstet – es kann nun darüber auch versendet werden. Binnen fünf Jahren befinden sich 95 Prozent der Amerikaner in einem 5 Meilen-Radius um einen dieser “Locker” und als Jeff Bezos 2021 verkündet, damit auch Briefpost zu versenden, die keine Online-Waren enthält, wird das als Kampfansage an die marode US Mail verstanden. Auch auf anderen Gebieten weitete Amazon sein Programm aggressiv aus: “Amazon Cash” (2023) ist eine Onilne-Bank mit eigener Kreditkarte, “Amazon Now” ein eigenes Netz von Radio- und Film-Streams. Online-Shopping ersetzt immer mehr den regulären Einkauf, Innenstädte veröden, einstmals starke Ketten (H&M, Hugendubel, Kaufhof) schließen die Ladengeschäfte. Amazon stößt selbst in diese Lücke: mit “Amazon Here”, einer Ladenkette, die im Grunde nichts anderes ist als ein Ausstellungsraum von Amazonprodukten und Angeboten, in dem man jedes bei Amazon erhältliche Produkt in 24 Stunden abholen kann. Die Kosnumgesellschaft lehnt sich nur kurz auf, als es zum Trend wird, alte Waren neu aufzuarbeiten oder künstlerisch umzugestalten, damit sie in kleinen “Free shops” verkauft werden können. Das endet, als Amazon “Amazon Reborn” vorstellt – eine Verkaufsplattform für neu aufgearbeitete oder künstlerisch umgestaltete Produkte…

Digitalsport

Schiedsichterskandal und Wettpaten, “Sports Entertainment” und Show-Wrestling – schon heute wird Sport immer weniger nach der erbrachten Leistung bewertet, dafür immer mehr nach dem Unterhaltungswert. Was passiert, wenn die Begeisterung der Menschen für Videospiele und Sport in einer Fusionierung beider Welten mündet, einer digitalen Arena, die eigene (virtuelle) Stars hervor bringt? Wenn Menschen keine Sportler mehr anfeuern, sondern digitale Charaktere mit komplex geschriebenen Handlungsbögen? Welchen Wert hat Sport, wenn keine reale Leistung mehr dahinter steht, sondern lediglich die Entscheidung einer Marketingfirma, ihren “Champion” im “Virtual WM”-Finale 0,00005 Sekunden schneller als die Konkurrenz laufen zu lassen?

Die digitale Akte

Der Mensch hat immer weniger Kontrolle über die Daten, die von ihm durch das Internet geistern – die Politk sieht ihre Chance, virtuellen Boden gut zu machen, Zuerst in Deutschland, dann in der EU wird eine “Bürgerakte” Pflicht, in der alle Bewohner eines EU-Landes persönliche Daten auf Servern der Regierung hinterlegen können. Natürlich absolut geschützt und vertraulich. Der digitale Tresor, wie es der Innenminister hoffnungsfroh nennt, enthält auch digitale Varianten aller Ausweise und Bescheinigungen – Wohnungsbrand und Verlust der Brieftasche sind kein Problem mehr, Personalausweis und Impfpass können jederzeit beim Amt wieder neu ausgedruckt werden. Wer zum Arzt geht oder zur Bank, kann dem Gegenüber Zugriff auf die Daten nach “Stufen” erlauben: Stufe 1 gibt nur den Namen und die Anschrift preis (für Fahrkarten, Zeitschriften-Abos, etc.), Stufe 2 auch die Bankdaten, ab Stufe 3 geht es ans Eingemachte: Krankenakte, Schuldenstand, Arbeitsvertrag.  Aber wie sicher kann der Datenschaft bei der Regierung tastsächlich sein?

Analoge Archäologie

Bücher kann man nach 100 Jahren noch lesen, sie brauchen weder Strom noch Codecs. Aber schon ist es problematisch, eine Musikkassette abzuspielen, ein Tonband, eine VHS-Kassette. Was wird aus den Informationen, den Geschichten, der Geschichte, die auf Medien gespeichert sind, die sich überholt haben? Wenn die Welt ins Netz wandert, muss dann die analoge Kultur zurück bleiben? Ab dem Jahr 2020 startet das größte Digitalisierung- und Konservierungsprojekt der Menschheitsgeschichte: In von Google und der Unesco gemeinsam gegründeten “digital archive”-Zentren werden analoge Daten von praktisch allen Medien (inklusive Wachszylindern und 8-Track) so sorgsam digitalisiert, wie es seit 2000 mit den Büchern und Zeitschriften geschieht. Mehr noch: es werden “antiquated digital environments” geschaffen, in denen neu zu Tage geförderte analoge Medien aus Nachlässen und Archiven auch künftig noch abgespielt werden können. In den “digital archives”-Zentren flackern noch die Röhrenfernseher, spulen die Videos, rauschen die Schellack-Platten. Über den Nutzwert hinaus entwickeln sie sich zu Pilgerstätten für Technophile, die sich für die mechanisch-analoge Speicherung begeistern – auch wenn die Daten selbst längst bequem und digital über das Netz abrufbar sind.

Ad astra – zu den Sternen

2019 schicken die USA ein bemanntes Raumschiff Richtung Mars – nicht aus Nationalstolz, sondern um genau diesen in ökonomisch desaströsen Zeiten wieder anzuheizen (“Wir sind wieder wer!”). Mittlerweile sind die Übertragungstechniken soweit perfektioniert, dass die Menschen in 3D Umgebungen “mitfliegen” können – sie sitzen dabei in einer virtuellen Umgebung auf dem extra für diesen Zweck frei gebliebenen Platz in der Crew-Kabine. Es gibt Live-Chats, Blogs, Foto-Alben, Streams – nie war der Mensch näher dran, wenn Geschichte geschrieben wurde. Doch es kommt zu einer Katastrophe, die Kapsel detoniert beim Eintritt in die Marsatmosphäre. Tausende von Menschen erleiden weltweit virtuelle “Sterbeschocks”. 4/6 2020 wird das neue 9/11. Die Eroberung des Mars, immer noch als notwendig angesehen, wird neu strukturiert: Ein unbemanntes Raumschiff fliegt 2026 los, vollgepackt mit Kameras, Robotern und beweglichen Laboren. Die Landung beginnt und mit tausenden Mikro-Robotern kann der Mars nun von der Erde aus untersucht werden. Bald gibt es perfekte 3D-Modelle und Echtzeit-Simulationen, die den Menschen die Reise zum Mars erlauben – virtuell. Dabei stellt sich heraus, dass der Mars eben doch nicht dauerhaft bewohnbar ist.

Fotos (c) pixelio.de



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Uli
Uli
13. Dezember, 2011 13:40

“3D hat sich nicht durchgesetzt.”
So wenig das es gleich zwei mal im Text vorkommt 😉

Exverlobter
Exverlobter
13. Dezember, 2011 15:06

“Synchronisation wird überflüssig und endlich können auch die Menschen
in Burkina Faso und Tibet Bruce Willis in der Landessprache reden hören.”

Endlich??
Oftmals ist die Synchronfassung der Originalfassung sogar überlegen.
Gerade bei Bruce Willis! Manfred Lehmann hat eine viel männlichere Stimme als WIllis und passt zu seinem Macho-Image tausendmal besser als das Original.
Hier ein paar Beispiele die IMO besser sind als das Original

– Manfred Lehmann als Bruce Willis
– Gerd Günther HOffmann als WIlliam SHatner
– Heinz Petruo als Darth Vader
– Friedrich Schönfelder als First One Lorien
– Thomas Fritsch als Ed Olmos/Adama
usw.

Mencken
Mencken
13. Dezember, 2011 15:32

Kein 3-D Kino, aber 3-D Umgebungen, in denen Menschen “mitfliegen” können?

Jim
Jim
13. Dezember, 2011 19:23

@Mencken
Die Zukunft ist auch nicht perfekt oder so…

Brandenburgerin
Brandenburgerin
14. Dezember, 2011 09:24

Ich denke auch, dass sich 3D nicht durchsetzen wird. Ich empfinde das viel zu anstregend und unnötig. Aber vielleicht bin ich an der Stelle auch schon zu alt und will mich nicht mehr dem neuen Hype anpassen…

The Riddler
The Riddler
17. Dezember, 2011 00:26

So lange man sich für den 3D-Effekt extra Brillen aufsetzen muss, wird es sich nicht durchsetzen.