06
Dez 2011

Die Zukunft – wie sie gewesen sein wird (1)

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Okay, wie versprochen präsentiere ich euch ein paar Gedankenspiele, die nicht (oder so nicht) in Manuskripte für Uebermorgen.tv umgesetzt wurden. Beachtet bitte, dass die Texte nicht geschliffen ausformuliert sind, weil sie Vorschläge nur für den internen Gebrauch waren.

Vox populi

Die Welt wird globaler, die Infrastrukturen sind längst interdependent. Doch in vielen Bereichen der Logistik, der Wissensvermittlung, der IT hakt es bei den vielen unterschiedlichen Sprachen, die weltweit gesprochen werden. Bis 2020 setzt sich ein vereinfachtes Englisch als grober Konsens durch, danach erlauben mächtige Echtzeit-Übersetzungmodule die Beibehaltung der Muttersprache unter verbesserter Austauschbarkeit mit Fremdsprachen. Aber es ist nur eine mäßige Lösung, die besonders durch einige übersetzungsbedingte Unglücke in Verruf gerät. Auch um der Kinder willen, die virtuell wie real kaum noch Landes- und Kulturgrenzen kennen, wird eine Expertengruppe beauftragt, eine weltweite "Einheitssprache" zu entwickeln – ein Esperanto für die digitale Global Community. Daher auch der Name: "Global". "Gek Global?" ("Do you speak Global?") wird der Schlachtruf der nächsten 20 Jahre, mehr als eine Milliarde Kinder wächst 2044 schon zweisprachig auf. Der Erfolg ist bahnbrechend: 2066 sind die Kinder weltweit fast wieder einsprachig. Global hat sich in Sprache und Schrift durchgesetzt, "Muttersprachen" werden nur noch in Kunst- und Traditionsvereinen gepflegt. Doch die Jugend der Welt ist damit auch kulturell abgekoppelt; Sie kann weder die alten Bücher lesen noch die alten Filme schauen, ohne auf unschöne Übersetzungsprogramme zurückgreifen zu müssen. Die poetische Schönheit der neuen Sprache darf bezweifelt werden, Romantik ist verbal nur noch schwer auszudrücken, weil Global auf einfache, unbeugbare Formulierungen setzt. Aber "nature finds a way": Beginnend in den Slums und den intellektuellen Künstlerzirkeln gleichzeitig, bilden sich erste "wilde" Formulierungen heraus, bricht sich ein neues emotionales Bewusstsein in Global Bahn. Die Sprache wächst, verwächst, wird unstrukturierter und damit wieder freier. Forscher prognostizieren, dass Menschen je nach Background und Herkunft in kaum 100 Jahren einander nicht mehr verstehen können, weil aus neuen Begriffen neue Dialekte, aus neuen Dialekten neue Sprachen werden…

Genug für alle

Sieben Milliarden Menschen auf der Erde, die ernährt werden müssen. In einem wegweisenden Schritt legt die UNO 2017 das einklagbare Recht auf genug Nahrung zur Erhaltung von Leben und Gesundheit fest. Die reichen Industrienationen werden in die Pflicht genommen, was zu einer rapiden Beschleunigung bei der Entwicklung neuer und einfacher "Grundnahrungsmittel" führt, die fast schon an Soylent Green erinnern. Der Großteil der Welt wird allerdings weiter aus der Landwirtschaft ernährt – diese ist in gigantischen Agrarfarmen automatisiert. Genmanipulation ist an der Tagesordnung, es gibt Kartoffeln, die Vitamin C enthalten, drei Jahre lagerfähig sind und auch mit Kirschgeschmack auf den Markt kommen. Getränke sind fast ausschließlich künstlich aromatisiert. Die Pflege, Kontrolle und Aussaat übernehmen computergesteuerte Schwärme von Insektenrobotern oder Fischrobotern (bei Aquafarmen). Immerhin: 2045 ist der Welthunger offiziell beendet. 10 Jahre später wird die Tierhaltung zur Nahrungserzeugung endgültig ad acta gelegt. Echter Kaffee? Echtes Fleisch? Praktisch unbezahlbar, teilweise sogar illegal. Ein Paradies? Nein. Die Nationen sind sich immer noch spinnefeind und es beginnt eine dramatische Ära des Agrar-Terrorismus: Die Pflegeroboter werden mit Viren verseucht, umprogrammiert, gegen die Ernte eingesetzt. Und dann tauchen die ersten Schwärme auf, die zu miitärischen Zwecken hergestellt wurden…

NuSex

"Real Dolls"  und Teledildonics sind erst der Anfang: In den nächsten 15 Jahren wird der virtuelle Sex so sehr perfektioniert, dass er dem Erlebnis nach der echten Kopulation überlegen ist. Wer es sich listen kann, kauft atmende, sprechende und warme Sexpuppen, die weniger Begüterten vergnügen sich rein virtuell mit aus dem Netz gesteuerten Sex Toys (die virtuelle Frau kann dabei, wie heute beim Telefon-Sex, von einer echten "Anbieterin" mit Leben gefüllt werden). Zuerst sind die Auswirkungen positiver als erwartet: Sex und Beziehung sind nicht mehr unabdingbar verbunden, die Zahl der "echten" Seitensprünge und Vergewaltigungen sinkt, die Zahl der Geschlechtskrankheiten auch. Es gibt in der wirklichen Welt die "neuen Romantiker", die Ästhetik und Liebe als rein platonisches, vergeistigtes Konstrukt verstehen. Doch schleichend zeigt sich die Kehrseite der Medaille: Die Geburtenrate geht drastisch zurück (und wird nur mäßig durch die immer beliebtere künstliche Befruchtung abgefedert), soziale Vereinsamung nimmt zu, familiäre Strukturen zerbrechen. Die rein hedonistische Gesellschaft, so zeigt sich, ist praktisch nicht lebensfähig. Ein "neuer Humanismus" verlangt die Zurückdrängung des virtuell geprägten Körperbildes – Männer und Frauen demonstrieren gemeinsam gegen den Sexismus durch willenlose und perfektionierte künstliche Gespielinnen. Doch die Natur sorgt selbst für die Lösung des Problems, denn nur die "Naturisten" pflanzen sich fort, während die "Virtualerotiker" binnen ein, zwei Generationen wegsterben. Denn sie haben gegen das Kardinalsinteresse jeder Spezies verstoßen: Fortpflanzung um jeden Preis.

Lang lebe der Mensch

2030 kommen Zelltherapien und Genmanipulationen in Mode, die es dem Menschen erlauben, bei hoher Gesundheit 150, 180, 200 Jahre alt zu werden. Schon nach der ersten Generation werden die Probleme der "Long Ager" ersichtlich: Das Rentenalter muss auf 100 herauf gesetzt werden, die Schulausbildung wird auf 20 Jahre verlängert – trotzdem ist der Deutsche noch durchschnittlich 80 Jahre werktätig. Es stellt sich schnell heraus, dass diese Zeitspanne psychisch und emotional kaum durchzuhalten ist. Eine "Brückenphase" wird im Gesetz verankert – 20 Jahre darf jeder Bürger nach der geschätzten Hälfte der Berufszeit aussteigen und vorgezogene Rente kassieren. Danach geht es in die zweite "Halbzeit". Aber das hohe Alter bringt noch andere Probleme mit sich: Es ist normal, seine Ururururenkel noch kennen zu lernen, ein neues Netzwerk von Großfamilien erfordert neue soziale Strukturen. Vor allem aber: es zeigt sich, dass viele Menschen ein natürliches "gefühltes Alter" haben, dessen Überschreitung zu Depressionen und Lethargie führt. Zwar kann die Lebenserwartung des Körpers gestreckt werden, die Psyche verträgt diese Marathonstrecke allerdings nicht. Als weitere Verbesserungen in der Medizin die Alters-Obergrenze sogar auf 200-280 Jahre verschieben, wird der natürliche Tod ein immer selteneres Ereignis. Die meisten Menschen haben mehr Lebenszeit, als sie wünschen – und begehen irgendwann Selbstmord. Es wird eine neue Kultur geben: die des freien Sterbens, staatlich gefördert, im emotional verträglichen Umfeld. Im Laufe der nächsten 300 Jahre pendelt sich die "gewollte" Lebenszeit bei 120 ein, während die mögliche bei 350 liegt.

Die schöne Diktatur

Neue medizinische Laser werden ab 2020 auf breiter Front zur Schönheitskorrektur eingesetzt. Die Freigabe von pränatalen Diagnosen und die Verbesserung bei der Genmanipulation (die nach einem massiven Schwarzmarkt 2029 "endlich" legalisiert wird) erlaubt Eltern eine immer präzisere Einflussnahme auf das Aussehen und die körperlichen Eigenschaften der Kinder. Als in einer hochrichterlichen Entscheidung festgelegt wird, dass Eltern die alleinige Hoheit über die "Gestaltung" ihres Kindes haben, solange dieses nicht gesundheitlich zu Schaden kommt, brechen alle Dämme: Der Alptraum vom Designer-Kind wird die Mode der 2030er Jahre. Gesund reicht nicht mehr, es gibt "perfekte Schnitte", Schönheits-Formeln, künstlich manipulierte Tendenz zu starker Muskulatur (bei Jungs) und großen Brüsten (bei Mädchen). Glatzen, Plattfüße und fliehendes Kinn sterben aus. Es gibt Trendhaarfarben und modische Schuhgrößen, wie es heute angesagte Vornamen gibt. Die Welt gehört den schönen Menschen. Hässlichkeit ist out. Leider wird diese Generation durch das bevorzugte Aussehen auch massiv unter Druck gesetzt, erfolgreich zu sein, Sport zu treiben, durch Charme zu glänzen. Wer natürlich schön ist, steht unter Verdacht, dass seine Eltern "dran gedreht" haben. Nicht die Schönen verhöhnen die Hässlichen – das bullying läuft nun anders herum. Unter den genetisch perfektionierten Jugendlichen ist die Selbstmordrate um zwei Drittel höher als bei den "Natürlichen". Und da es nun eine Übermenge "schöner" Menschen gibt, sinkt der Wert der Schönheit. Der Wissenschaftler Mirco Monroe behauptet allerdings 2076, die Lösung für die Depressionen und den Wettbewerbsdruck der Menschen gefunden zu haben: "intelligence design" – die im Labor gezüchtete Brillanz für die Reichen und Schönen. Der perfekte Mensch braucht nur den perfekten Intellekt, dann werden sich alle seine Probleme sicher in Luft auflösen. Der nächste Designer-Goldrausch lässt nicht lange auf sich warten…

Digitale Autoren

Im Zuge der Kostenoptimierung fangen News-Webseiten an, Agenturberichte und Kurzmeldungen von Schreibbots in ausformulierte Artikel umwandeln zu lassen, die sich mit eingekauftem Know How bald kaum noch von menschengeschriebenen Artikeln unterscheiden lassen. Schnell übernehmen die Schreibbots News, Wetterbericht, Horoskop, Sport. Einen Eklat gibt es, als der STERN eine Reportage aus dem digitalen Baukasten optimiert für einen Journalisten-Preis einreicht – und den dritten Platz macht. Es entbrennt die Diskussion, ob digital erstellte oder durch Schreibbots strukturierte Artikel grundsätzlich gekennzeichnet werden müssen. Die Meta-Diskussion ist natürlich, was den Wert des menschlichen Journalisten ausmacht, wenn die KI ihn so perfekt ersetzen kann. Obwohl versucht wird, der Entwicklung Einhalt zu gebieten, sind die Fachleute der Software-Firmen in Sachen Schreibbots längst einen Schritt weiter: Die erste Telenovela im Fernsehen (das sicher durchformatierteste Format) wird bereits von Dramabots verfasst…

Fotos (c) pixelio.de



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XXX
XXX
6. Dezember, 2011 22:42

"Es wird eine neue Kultur geben: die des freien Sterbens, staatlich gefördert, im emotional verträglichen Umfeld."

Das löst auch noch ein anderes Problem. Ich sag nur: "Soylent Grün ist Menschenfleisch."

Exverlobter
Exverlobter
6. Dezember, 2011 22:46

Jedes Jahr nehme ich mir aufs Neue vor endlich mal Esperanto zu lernen. Dann stelle ich die Sinnhaftigkeit des Unternehmens wegen der fast nicht vorhandenen Sprecheranzahl dann aber wieder in Frage und fange gar nicht erst an.
Gegen Ende des Jahres sinniere ich dann meist wieder darüber, das es tatsächlich sinnvoll wäre, wenn sich eine Plansprache wie Esperanto als Erste Fremdsprache für Alle endlich mal durchsetzen würde. Und dann nehme ich es mir wieder vor. Der Kreislauf schließt sich.

XXX
XXX
6. Dezember, 2011 22:50

Na wenn schon eine Plansprache für die Welt, dann bitte Klingonisch.

Exverlobter
Exverlobter
6. Dezember, 2011 23:09

Klingonisch ist wahrscheinlich schwieriger zu lernen als Mandarin, gerade weil sie laut Mark Ocrand ja nichts mit den existierenden Sprachen der Welt zu tun haben sollte.
Bin kein Experte habe aber gehört, dass Esperanto in der Tat als Zwischenlösung für Alle am angebrachtesten wäre, da diese Plansprache ziemlich leicht sein soll.

Wortvogel
Wortvogel
6. Dezember, 2011 23:14

@ Exverlobter: Es gibt mittlerweile diverse noch geeignetere synthetische Sprachen. Ich bezweifle allerdings, dass sich eine davon durchsetzen wird. Ich vermute, es wird auf den "cityspeak" aus "Blade Runner" hinaus laufen: englisch mit unzähligen Versatzstücken aus anderen Sprachen.

Exverlobter
Exverlobter
6. Dezember, 2011 23:27

@Wortvogel
Die Sache mit einem reduzierten Englisch als Weltsprache höre ich (noch) relativ häufig. Ich glaube aber, dass sich das in der Zukunft erledigen wird. Historisch gesehen war es immer so, dass die Nation, die global dominant war sich auch sprachlich durchsetzen konnte. Mit dem Aufstieg Asiens und dem Niedergang des Westens in seiner heutigen Form, wird sich das aber geben.
Ich höre immer wie einfach Englisch angeblich sein soll. In der Tat, für Deutsche ist es das auch, da beide Sprachen sehr verwandt sind. Ich habe aber ein paar japanische Freunde, die mir erzählen wie hart Englisch für sie ist. Ist wahrscheinlich so, als würde man uns dazu nötigen Japanisch zu lernen. In China (global player der Zukunft) wird das nicht anders sein. Unsere Kinder werden möglicherweise Mandarin als erste Fremdsprache lernen müssen, wer weiß? Dieser ewige Kreislauf des Sprachimperalismus kann erst durchbrochen werden, wenn man sich auf eine globale Plansprache einigt. KLingt naiv, man mag aber ja doch träumen dürfen.

Peter Krause
Peter Krause
6. Dezember, 2011 23:28

NuSex erinnert sehr an eine interessante These, die Randall Munroe neulich aufstellte:
http://xkcd.com/962/

XXX
XXX
6. Dezember, 2011 23:35

"Klingonisch ist wahrscheinlich schwieriger zu lernen als Mandarin, gerade weil sie laut Mark Ocrand ja nichts mit den existierenden Sprachen der Welt zu tun haben sollte."

Dann eben Elbisch.

Exverlobter
Exverlobter
6. Dezember, 2011 23:37

WArum nicht gleich Nadsat?

Peter Krause
Peter Krause
6. Dezember, 2011 23:42

Die letzte Story ist doch aber schon Schnee von gestern:
http://www.elsewhere.org/pomo/
Siehe auch: Sokal-Affäre
http://de.wikipedia.org/wiki/Sokal-Aff%C3%A4re

Tanja
7. Dezember, 2011 08:55

Diese Ideen finde ich auch alle gut, schade dass sie nicht umgesetzt wurden.

Was wohl wäre, wenn einige dieser Entwicklungen gleichzeitig einträten? Würden die virtuellen Erotiker dann doch nicht aussterben, weil sie 350 Jahre alt werden können? Wäre der virtuelle Sex gar nicht so interessant, weil es perfekt aussehende Menschen gibt? Sehen die dann auch mit 350 noch so perfekt aus oder liegt das Wunschalter auch bei 120 weil sich das künstlich erzeugte, perfekte Aussehen nicht so lange hält?

Wortvogel
Wortvogel
7. Dezember, 2011 09:24

@ Tanja: Interessante Gedanken, in der Tat!

Die Gründe, warum die meisten Ideen nicht umgesetzt wurden, sind eher banaler Natur: Ich habe deutlich mehr Vorschläge gemacht, als Skripts gebraucht wurden – und anfangs nicht klar genug verstanden, dass alle Skripts das Internet als relevanten Kern brauchen. Das ist hier oft nicht der Fall.

Wortvogel
Wortvogel
7. Dezember, 2011 09:26

@ Exverlobter: Die These, China würde die dominante Macht auf diesem Planeten werden, höre ich seit den 70ern. Und ich halte sie für grundfalsch. China mag eine Wirtschaftsmacht sein, auch eine politische, aber es wird niemals die kulturelle, in 2000 Jahren gewachsene Dominanz des Westens ersetzen. Das sieht man schon daran, dass sich China immer mehr verwestlicht (Menschenrechte, Lifestyle, Mode, Kunst) – nicht umgekehrt.

Brandenburgerin
7. Dezember, 2011 10:00

Ich mag die Theorie mit dem hohen Alter des Menschen. Vor allem die Lösung mit 20 Jahren Pause aus der Arbeitswelt finde ich klasse. Schon heutzutage ist ja mal ein Jahr Auszeit echt erfüllend und "läd die Akkus wieder auf"

Exverlobter
Exverlobter
7. Dezember, 2011 10:46

Selbst unter der Voraussetzung, dass der Westen seine dominante Stellung beibehält wäre eine einfache Plansprache dem Englischen vorzuziehen. Leute aus romanischsprachigen Ländern haben nämlich weiterhin ihre Probleme mit dem Englischen. Wer mal in Frankreich, Italien Spanien usw. gereist ist weiß, dass er mit dem Englischen außerhalb der Touristenhochburgen nicht sehr weit kommt.
BTW, selbst wenn der Aufstieg Chinas ausbleibt – Amerika ist auf dem besten Wege sich total zu hispanisieren. Was den "Westen" ausmacht wird nicht mehr zwangsläufig durch das WASP-Prinzip repräsentiert. Da dürfte es in Zukunft einen Wettstreit zwischen einer dominanten romanischen (Spanisch)und einer germanischen (Englisch) Sprache geben. In LA wird mittlerweile mehr Spanisch als Englisch gesprochen, und im Gegensatz zu früheren Einwanderergeneration ordnen sich die Latinos nicht mehr zwangsläufig dem Englischen unter. Diese ganzen Probleme könnten mit Esperanto (oder auch diversen Alternativen) gelöst werden.

Wortvogel
Wortvogel
7. Dezember, 2011 10:55

@ Exverlobter: Die Argumentation greift komplett zu kurz. Englisch ist als Basissprache über 2000 Jahre gewachsen, der Großteil der kulturhistorischen Werke (Bücher, Filme, Fernsehen, sogar Programmiersprachen und Handbücher) basiert darauf. Deshalb wird sich eine bei Null ansetzende Kunstsprache nie durchsetzen. Andere Länder haben Probleme mit Englisch? Stimmt, aber darum wird es auch immer weiter vereinfacht. Und es bleibt trotzdem die auch heute geltende Erkenntnis: mit englisch kommt man überall auf der Welt besser durch als mit jeder anderen Sprache. Und nur darum geht es: durchkommen in einer durchglobalisierten Welt.

"In LA wird mittlerweile mehr Spanisch als Englisch gesprochen" – das ist kulturpessimistischer Unfug, wie ihn die Republikaner verbreiten.

Exverlobter
Exverlobter
7. Dezember, 2011 11:31

"mit englisch kommt man überall auf der Welt besser durch als mit jeder anderen Sprache. Und nur darum geht es: durchkommen in einer durchglobalisierten Welt."

Das mag eine Momentaufnahme sein. Vor 200 Jahren haben das die Franzosen auch mal über ihre Sprache gesagt.Und im Gegensatz zur heutigen Situation mit Englisch war dieStellung des Französchen viel dominanter. Das ging sogar soweit, das man in höheren Kreisen seine deutsche Muttersprache sogar verleugnet hat (z.B Friedrich der Große). Die Dominanz des Französischen war unangefochten. Und trotzdem ist Französisch als Lingua Franca global signifikant abgestiegen. So schnell kann es gehen.

Wortvogel
Wortvogel
7. Dezember, 2011 11:40

@ Exverlobter: Das stimmt aber nur für den europäischen, von den Franzosen kontrollierten Kontinent und die Kolonien. Das britische Empire sprach und spricht Englisch. Außerdem ist die historische Lage eine völlig andere: Fast 300 Länder, 7 Milliarden Menschen, alle mehr oder weniger frei in der Wahl ihrer Kommunikationsmittel. Und trotzdem: Wenn ich online in Brasilien eine DVD kaufe oder in Frankreich ein Parfum – ich verständige mich (holperig) auf englisch.

Natürlich kann sich ALLES irgendwie irgendwann ändern. Ausgehend von der Annahme, dass wir uns bereits in der Globalisierung und Technisierung befinden, lassen der momentane Status sowie der Verlauf der Ereignisse aber eine weitgehende Dominanz des Englischen als am wahrscheinlichsten erscheinen.

Hinzu kommt: Die chinesische Sprache ist in Wort und Schrift absurd kompliziert und zersplittert (führende Sprachwissenschaftler sehen gerade darin die Inselexistenz dieser Sprache begründet). Wenn also die größte künftige Wirtschaftsmacht der Welt keine neue Gesamtsprache schenken kann, wird die Lösung keine komplett neue Sprache sein, die 7 Milliarden Menschen zum neuen Lernen zwingt und alle alten Bücher, Filme, etc. unlesbar macht.

Exverlobter
Exverlobter
7. Dezember, 2011 12:00

Ach ja noch dein Stichpunkt
"Verwestlichung in LIfestyle, Menschenrechten, Mode".
Die These von der unaufhaltsambaren Sogwirkung des Westens wurde jüngstens bei den gerade befreiten Ländern des arabischen Frühlings widerlegt. Sind die jahrelang vom Westen gestützen und hoffierten säkularen Machthaber mal erledigt, orientiert sich das Volk wieder stärker an östlichen morgenländischen Traditionen.
Libyen: Ankündigung der Scharia
Tunesien: Säkulare, westlich orientierte Eliten werden immer stärker diskrminiert. Wahlniederlagen der Säkularen usw.
Genau das gleiche in Ägypten.
Da lache ich noch über die naiven politischen Kommentatoren vom Anfang des Jahres, die den Arabischen Frühling mit dem Mauerfall 1989 verglichen haben.

Exverlobter
Exverlobter
7. Dezember, 2011 12:05

Und China hält sein System des zentralisierten Staatskapitalismus dem westlichen Freien Markt auch für überlegen.

Wortvogel
Wortvogel
7. Dezember, 2011 12:21

@ Exverlobter: Auch das stimmt alles so nicht. Die Länder des "arabischen Frühlings" nehmen an der Globalisierung und Technisierung gar nicht teil. Wenn es bei denen mal soweit ist, werden die im internationalen virtuellen Verkehr auch nicht mit ihren Stammesdialekten und Familienfehden reüssieren.

Was China angeht: Ob China sich für überlegen hält, hat mit der Diskussion nichts zu tun.

Nikolai
Nikolai
7. Dezember, 2011 12:34

Das Entscheidende ist nicht WER in Libyen, Tunesien und Ägypten regiert.
Sondern, was zählt ist alleine die Tatsache, dass die zukünftigen Regierungen demokratisch gewählt wurden/werden.
Das ist ein gewaltiger Fortschritt, der nicht zu übersehen ist.

Wenn Diejenigen, die den Umsturz herbeigeführt haben, sich nun nicht politisch beteiligen und deswegen wieder "Konservative" gewählt werden, so ist das ein Versäumnis….aber trotzdem Demokratie.

Wortvogel
Wortvogel
7. Dezember, 2011 12:40

@ Nikolai: Das halte ich für zu kurz gegriffen. Schaut man sich die Lage u.a. in Ägypten und Libyen an, dann muss man feststellen, dass es nicht immer aufrechte Demokraten waren, die den Wandel wollten. Eine undemokratische Regierung, auch wenn sie demokratisch gewählt wurde, kann nicht in unserem Interesse sein. Der massive Ausbruch an antisemitischer Rhetorik in Kairo könnte die ganze Region destabilisieren.

Letztlich ist es nicht populär, aber manchmal nötig zu fragen: Ist ein diktatorischer Bastard an der Regierung nicht besser – solange er UNSER Bastard ist? Ich behaupte nicht, dass die Antwort "ja" ist.

Exverlobter
Exverlobter
7. Dezember, 2011 12:42

"Was China angeht: Ob China sich für überlegen hält, hat mit der Diskussion nichts zu tun."

Doch, das hat etwas mit deiner Aussage zu tun, ob eine Verwestlichung des Ostens nun stattfindet oder nicht.
Der Westen trat nach Ende des Kalten Krieges auf und sagte: "Ihr müsst euch an uns orientieren, wenn ihr erfolgreich sein wollt". Russland hat das getan, und die Folge waren die chaotischen Jelzin-Jahre.
China hat seinen eigenen, erfolgreicheren Weg eingeschlagen, und entzieht sich damit der These, dass nur die westliche freie Marktwirtschaft Erfolg haben kann. Und wenn man mit Chinesen mal über Individualismus , Menschenrechte usw. redet, dann sagen viele, dass daran gerade darin die dekadente Schwäche des Westens begründet liegt. Der ihrer Meinung nach für den Fortschritt des Landes unabdingbare Kollektivgedanke stößt bei denen auch weiterhin auf große Zustimmung.

Wortvogel
Wortvogel
7. Dezember, 2011 12:56

@ Exverlobter: Das ist ALLES falsch, und es wird langsam echt zu uferlos, das zu diskutieren. Du machst ständig Nebenschauplätze auf, die am Thema vorbeigehen.

Es geht NICHT um eine "Verwestlichung des Ostens" (der ja sowieso nicht deckungsgleich ist mit China). Die Verwestlichung war auch nie von oben verordnet, weil das nicht funktionieren kann. Kulturelle Vereinnahmung läuft über Neugier, Angebot und Nachfrage, Coolness, Trends.

Noch mal: Ob die chinesische Führung den Westen für dekadent hält, ist komplett irrelevant für die Frage, was sich im Zuge der Globalisierung und Technologisierung als Konsenssprache durchsetzen wird.

Es ist übrigens bezeichnend, dass ich täglich mehrere Spam-Mails chinesischer Hersteller von Billigware im Email habe – auf englisch.

Shah
Shah
7. Dezember, 2011 15:27

Finds witzig, wie sehr sich manche SPrachen dann doch anpassen: http://en.wikipedia.org/wiki/Arabic_chat_alphabet

Earonn
Earonn
8. Dezember, 2011 07:13

Das Sprachproblem erinnert mich an die Probleme mit unterschiedlichen technischen Formaten (Dateien, Video – wer sich noch daran erinnert ^^ . etc.). Es setzt sich eben nicht immer der von außen betrachtet logisch beste Kandidat durch. Manchmal nur der am besten beworbene, oft der, den die Leute nutzen können, weil sie ihn schon kennen.
Gerade das Argument mit der Basis der technischen Dokumentationen im Englischen scheint mir sehr stichhaltig (wieso fällt mir so was nie ein?).

Eher schon kann ich mir die Verschmelzung von Sprachen bzw. Weiterentwicklung einer einzelnen zu einer neuen vorstellen – wie es ja mit dem römischen Latein auch geschehen ist, das mal eine "Weltsprache" war. Sind wir jetzt wieder beim Cityspeak?

Uli
Uli
8. Dezember, 2011 12:18

"Ich habe deutlich mehr Vorschläge gemacht, als Skripts gebraucht wurden – und anfangs nicht klar genug verstanden, dass alle Skripts das Internet als relevanten Kern brauchen."
Das finde ich lustig, denn es stellt für mich auch eine Zukunftsvision dar: Das Internet wird ein langweiliger Alltagsgegenstand wie das Telefon und in 10 Jahren fabuliert niemand mehr darüber wie das Internet angeblich "alles verändern wird", weil es entweder Humbug ist oder schlicht schon lange passiert.

Howie Munson
Howie Munson
9. Dezember, 2011 23:42

Endlich hatte ich die Zeit um alles zu lesen.

Das Letze zuerst: also das mit den automatisiertne news ist ja heut schon fast so, wenn man sich mal die Enten anschaut, die das Bildblog sammelt und das einfach noch mit googlen news kombiniert… ja noch sind es menschen die aus DPA Meldungen marginal umformulierte Meldungen machen und die maschine listet nur ähnliche treffer, aber wären frei Mitarbeiter besser bezahlt als freie Programier und nicht andersherum, wäre das jetz schoin alltag *duck*

Bei der Sprache wird es wohl auf englisch (und eventuell daneben ncoh chinesisch) mit vielen Dialekten und Vereinfachungen hinauslaufen, jedenfalls halt ich das für weitaus wahrscheinlicher als das sich irgendeine Kunstsprache durchsetzt. Sieht man ja auch an Ländern wie Belgien oder der Schweiz, das die einfach bei den vorhandneen Sprachen bleiebn und eher mehrere davon lernen als irgendwas anders… Latein aht auch hunderte Jahre als "tote Fachsprache" überstanden, also wieso sollte englisch schneller aussterben?

aber hey, ich bin eindeutig nicht die Zielgruppe der Sendung, die anderen Themen hab ich zwar glesen, hätte sie aber nicht zuende geschaut… (zum eine weil ich schneller lese und zum anderen weil die Präsentation in der Sendung von neulich für mich nicht sooo spannend war.)

Mencken
Mencken
13. Dezember, 2011 15:43

Wenn überhaupt, wird Indien die bestimmende asiatische Macht werden (ich tippe eher auf Südamerika, wenn man denn Westen denn unbedingt abgelöst sehen will). Mandarin brauchen nur die Kinder zu lernen, die später unbedingt mal als Altenpfleger arbeiten wollen.