19
Aug 2011

Fantasy Film Fest 2011: Urban Explorer

Themen: Fantasy Filmf. 11, Neues |

DEUTSCHLAND 2011 / DIGITAL / 88 MIN / ENGLISCH/ Deutsche Omeu

REGIE ANDY FETSCHER

DARSTELLER NATHALIE KELLEY / NICK EVERSMAN / BRENDA KOO / MAX RIEMELT / CATHERINE DE LÉAN / KLAUS STIGLMEIER

Story (offizielle Synopsis): In der Hoffnung auf ein cooles Abenteuer folgt eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Backpacker-Twens ihrem Guide Kris in den Untergrund. Ziel der Alternativtouristen ist der streng verbotene „Fahrerbunker“, ein der Öffentlichkeit nicht zugänglicher Ort konservierter Nazikultur, 30 Meter tief unter der pulsierenden Clubszene Berlins. Doch was in den kilometerlangen Tunneln und Schächten auf die fünf lauert, ist ein Grauen der ganz besonderen Art …

Kritik:

Abteilung “Im Dunkeln ist gut munkeln”

Heute ist ein ganz besonders harter Tag, weil fast jeder Film Überlänge hat und zwischen den Vorführungen praktisch null Zeit bleibt, Reviews zu hacken. Während ich das hier tippe, steht der Regisseur von “Urban Explorer” auf der Bühne und beantwortet Fragen. Da kann ich leider nicht dabei sein. Vielleicht auch ganz gut so…

Schade. Sehr schade. Sehr, SEHR schade. “Urban Explorer” hat so viele Qualitäten, die ihn weit über den deutschen Genremüll heben: kompetente Darsteller, ein einzigartiges und frisches Setting, ein paar schräge Ideen, einen soliden Soundtrack und nicht zuletzt eine Kameraarbeit, die Hand in Hand mit der straffen Regie für wohlige Gänsehaut über nicht zu fordernde 88 Minuten sorgt.

Wer sich die Positivliste anschaut und mich kennt, ahnt was jetzt kommt: Das Drehbuch ist wirklich hummeldumm. Mehr noch: es ist darüber hinaus noch erschreckend hilflos und inkompetent. Die Dialoge kommen mit dem Holzhammer und lassen jede Natürlichkeit vermissen, sämtliche Beteiligten verhalten sich wie die letzten Vollpfosten, ständig werden Logiklöcher umschifft, in die andere Filme ganze Ozeandampfer versenkt hätten. Wir sehen keine Figuren, wir sehen Schauspieler. Wir hören keine Gespräche, wir hören Dialoge. An keiner Stelle schafft “Urban Explorer” trotz der authentischen und aufgeladenen Location das Kunststück, uns auch nur für eine Sekunde vergessen zu lassen, dass wir uns in einem Film befinden.
Es würde Tage dauern, die ganzen WTF-Momente aufzuzählen, die uns hier aufgetischt werden. Da stehen praktisch Tote wieder auf, als wäre nichts gewesen, da klettern Teenager behende Seile rauf und runter, als wären sie von Reinhold Messner adoptiert worden. Und der gesamte Berliner Underground ist anscheinend sehr gut ausgeleuchtet – auch Teile, in denen angeblich seit Jahrzehnten niemand mehr war. Wenn im zweiten Akt endgültig die Luft auszugehen droht, gönnt sich “Urban Explorer” plötzlich noch kräftig Splatter. Nicht gerade einfallsreich, aber mangels Alternativen gerne genommen.
Was ein deutscher “Descent” hätte sein können, ist am Ende doch nur ein deutscher “Creep” geworden. Es ist der Regie von Andy Fetscher hoch anzurechnen, dass man trotzdem nicht schlecht unterhalten aus dem Kino geht.

Fazit: Ein deutscher Survival-Thriller, der es bemerkenswerterweise schafft, trotz massiver Drehbuchschwächen halbwegs solide über die gesamte Laufzeit zu unterhalten – Extrapunkt für den großartigen Klaus Stiglmeier, unsere heimischen Angus Scrimm!


http://www.youtube.com/watch?v=h7qUeZLv4d0



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6 Kommentare
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DMJ
DMJ
19. August, 2011 21:33

“Was ein deutscher “Descent” hätte sein können”
Da Peroy nicht da ist, muss ich ihn wohl vertreten, daher: “Lahm und zu dunkel, als dass man was mitkriegt und voller dummer Tussis, die einem egal sind?”
Aber mein Neid für die Formulierung von Figuren/Schauspielern und Gesprächen/Dialogen. Sag bitte, die hattest du schon länger und hast sie nicht wirklich im Rummel zwischen zwei Filmen spontan gefunden.

Marcel
Marcel
19. August, 2011 22:30

Auch von mir noch mal ein dickes Danke für deine Quasi-Live-Berichterstattung. Die Kürze der Zeit tut der Qualität keinen Abbruch, im Gegenteil mir gefällt die Art wie du auf den Punkt kommst. Häufig brauchts ja auch nicht viel um zu erklären, wo ein Film scheitert.
Mehr Review braucht kein Mensch. 🙂

Wortvogel
Wortvogel
20. August, 2011 00:06

@ DMJ: “Sag bitte, die hattest du schon länger und hast sie nicht wirklich im Rummel zwischen zwei Filmen spontan gefunden” – wie viele Autoren arbeite ich unter extremem Zeitdruck nicht notwendigerweise schlechter.

Marcus
Marcus
28. August, 2011 02:42

Solider, schick gefilmter, nett gespielter Slasher-Fetzer. Die Drehbuchschwächen sehe ich (auch wenn originell natürlich anders ist) in der hier beschriebenen Deutlichkeit nicht, außer vielleicht im übertriebenen Ausreizen des “Der tote Killer steht wieder auf”-Tricks und der Frage, wozu denn die beiden anderen Mädels in der Gruppe und die beiden zwielichtigen Typen am Anfang mit den Hunden dramaturgisch gesehen gut sein sollten.
“Virus Undead” it ain’t – ein Lichtblick der deutschen Genreware. 7/10
Aber:
“da klettern Teenager behende Seile rauf und runter, als wären sie von Reinhold Messner adoptiert worden”
Lernt man doch im Sportunterricht. Na, Torsten, da spricht wohl der Neid der Unsportlichen, die das nicht können?! (I sympathize… 🙁 )
“Und der gesamte Berliner Underground ist anscheinend sehr gut ausgeleuchtet”
Haben wir denselben Film gesehen? Mir fiel gerade das Gegenteil auf – wie arschdunkel der Film sich teilweise zu sein traut. Das die Realität noch dunkler wäre, ist klar, aber der Film hilft hier wirklich gerade mal beim Erreichen des dem Zuschauer minimal zumutbaren Lichtlevels nach.
Und bei uns kam der Film von einer Blu-Ray. Sah man am Anfang, weil sie den Film erst einen Moment lang nicht gestartet bekommen haben…

Peroy
Peroy
28. August, 2011 03:26

Ein Seil komm’ sogar ich hoch und ich bin ‘ne Fettsau…

Dr. Acula
29. August, 2011 17:40

Ich fand, der ging gar nicht, aus teilweise den gleichen, teilweise anderen Gründen – das Fazit “der deutsche CREEP” unterschreibe ich aber ohne weiteres (wobei Creep dann doch noch ‘ne deutliche Ecke besser war). Schade drum. Ich wollte mir nach dem Film nicht mal mehr ein Gratisposter mitnehmen.