London, Königliche Hochzeit 2011: Paraden, Pech & Pannen
Themen: Neues |Es hat eine Vorgeschichte: Meine LvA verbrachte den 29. Juli 1981 in London. Nicht ohne triftigen Grund:
Ehrensache, dass ich mich breitschlagen ließ, bei der aktuellen Königlichen Hochzeit mit dabei zu sein. Zumal mir jede Ausrede, in die britische Metropole zu reisen, recht ist.
Britta hatte dem Radio gelauscht und im Moment der Bekanntgabe des genauen Termins den Browser angeworfen, um uns ein noch verfügbares Hotel zu ergattern. Man mag es kaum glauben – bei so einem Event geht es um Minuten!
Zugegeben: Hätten wir den familiären und umzugsbedingten Stress geahnt, der uns in diesen Wochen heimsucht – wir hätten London nie gebucht. Aber eine Stornierung war nicht drin und es bot sich an, einfach mal ein paar Tage abzuhauen. Diesmal wieder mit Easyjet nach Stanstead, und dann rein in die Stadt mit dem Airport Express. Ich rate vom Cappuccino aus dem Rollwägelchen ab – der kommt aus der Pulvertüte.
Wir hatten diesmal ein Zimmer im “Bolton” am Earl’s Court gebucht – böser Fehler, aber dazu später mehr. Kleines, sauberes Hotel, modern renoviert, aber sicher nicht mit dem “The Grand” vergleichbar.
Schon am ersten Nachmittag hatten wir Programm: Afternoon Tea im “The Goring” gleich hinter dem Buckingham Palace. Üppig, edel, sehr lecker, und von hoher kultureller Eleganz. Man schlägt sich mit exquisiten Kleinigkeiten den Bauch voll und weil schließlich ein besonderer Event bevor stand, nahmen wir auch noch Erdbeeren und Champagner dazu. Das Ergebnis war ein gemästeter, in seiner Trägheit vollends zufriedener Wortvogel:
Irgendwann rannten auch ein paar kleine Mädchen in aufwändigen Kleidern zwischen den Tischen umher, die wir zwei Tage später auf dem Balkon des Buckingham Palace wiedersehen sollten – die Blumenmädchen von Kate und William.
Das Hotel war bereits von der Polizei gut bewacht, die Seitenstraßen waren abgeriegelt, überall drängelten sich Schaulustige und Paparazzi – schließlich wurden außer uns noch die Middletons erwartet…
Wir gönnten uns danach einen Spaziergang zum Palast und rauf bis an den Trafalgar Square. Überall wurde schon fleißig aufgebaut, reges Treiben, das man in dieser Parklandschaft sonst gar nicht so kennt. Ich entschied spontan, ein Foto für eine etwaige Unterhaus-Kandidatur machen zu lassen:
Direkt vor unserem eigentlichen Stammhotel “The Grand” entdeckte ich eine Bustour, die für das nächste Mal definitiv auf meiner Agenda steht:
Das sieht doch hoch interessant aus:
Für den ersten Tag war ich jedenfalls voll bedient – “ick latsch durch’n Park, hab’ Beene wie Quark”:
Am Donnerstag wurde wieder die Innenstadt abgestiefelt: Covent Garden, Soho, Piccadilly Circus. Um Silvester rum hatte ich ja berichtet, dass die eine Hälfte des Cinema Stores dabei war, dicht zu machen. Zu meinem Erstaunen ist auch der Nachfolger schon wieder in Liquidation:
Erschütternd finde ich, was demnächst am Leicester Square aufmacht – und was ich bisher nur aus Las Vegas kenne:
Am Abend sind wir dann ausnahmsweise ins Kino – “Arthur”. Die Kritik folgt dieser Tage. Aber man muss schon zwei- bis fünfmal zucken, wenn man pro Person mehr als 20 Euro für eine Kinokarte auf den Tisch legt – und dann trotzdem noch Werbung gezeigt wird. Nepp, dein Name ist London.
Danach haben wir uns noch einmal angesehen, was um den Palast herum los ist – Tatsache, viele Besucher waren entschlossen, nicht nur bei ARD und ZDF in der ersten Reihe zu sitzen:
Es herrschte allenthalben eine super Stimmung, die Leute waren nett, aufgeregt und hilfsbereit.
An diesem Abend wurde mir übrigens klar, dass wir die Auswahl des Hotels total verbockt hatten: Wie schon an Silvester lag unser Stammhotel “The Grand” inmitten aller Festivitäten, hätte uns also einen bequemen Zugang zur großen Parade erlaubt, auch nachdem die Polizei das Gelände wegen Überfüllung abgeriegelt hat. Weil wir aber im “Bolton” waren, mussten wir Freitag morgen sieben Stationen mit der U-Bahn fahren – nur um festzustellen, dass in Richtung Trafalgar Square kein Durchkommen mehr war! Wir sahen von der Trauung und der Prozession vermutlich weniger als die Fernsehzuschauer in Kalkutta:
Auch hier überraschte wieder, wie freundlich und umgänglich die Briten bei aller Begeisterung blieben – und für welch schräge Auftritte manche den Anlass nahmen:
Sieht so aus, als ob der Li-La-Launebär auch Royalist ist…
Angesichts der eher enttäuschenden Aus- und Ansichten wechselten wir die Uferseite und bestiegen endlich mal das “London Eye“, um die ganze Angelegenheit von oben zu betrachten. Mit der Idee waren wir nicht allein, auch Kamerateams sparten sich hier den Helikopter:
Man konnte von hier oben nicht nur prima die Absperrungen sehen, sondern auch eine umgedrehte lila Kuh – Wahrzeichen und Bühne eines Kulturfestivals an der South Bank:
Etwas Entspannung brachte ein Spaziergang durch den beeindruckend-gruseligen Brompton Cemetary, der ein paar Mausoleen bereit hält, die wie kleine Bunker aussehen:
Ein Blick ins Innere ist allerdings ernüchternd:
Kann ich bitte für mein nächstes Auto diese Lackierung haben?
Bei einem weiteren Spaziergang durch das Westend sah ich eine Ankündigung, die mir so schwitzende Hände machte wie meiner LvA das Theaterstück “Butley” mit Dominic “The Wire” West:
Das allein wäre Grund genug, gleich die nächste Reise zu buchen – ach was, gleich nach London zu ziehen!
Im Hotel hatten wir auf allen verfügbaren Sendern die Gelegenheit, die verpassten Highlights der Hochzeit wieder und wieder anzuschauen. Kuss und Schluss.
Freitag Abend stand dann ein klassisches Kammerkonzert (Vivendi Vivaldi, Händel, Bach) in der Kirche St. Martin-in-the-fields an. Übrigens wieder direkt NEBEN dem Hotel, in dem wir üblicherweise übernachten:
Sehr schön, sehr entspannend, sehr zen. Gerade angesichts des Hochzeitstrubels eine angenehme und willkommene Abwechslung. Man hört ja auch nicht mehr so oft das Spinett.
In der Nähe unseres Hotels befand sich übrigens eine Filiale der großartigen Frisch-Supermarkt-Kette “Marks & Spencer Simply Food“, für die wir externe Frühstücke aufgaben und bei der wir uns mit frischen Erdbeeren, großartigen Sandwiches und köstlichen Säften versorgten. Besser kann man nicht in den Tag starten.
Samstag war dann Zeit für das British Museum, das neben seinen Exponaten vor allem durch seine beeindruckende Architektur überzeugt:
Es ist schon toll, den Stein von Rosette mal live und in Farbe (na ja, in schwarz) zu sehen. Leider machten mir meine Erschöpfung und der schmerzhafte Kalk-Sporn in meiner Ferse (der demnächst mit Schallwellen zertrümmert werden soll) zu schaffen.
Wir waren schon dabei, uns für das großartig besprochene Theaterstück “The Children’s Hour” mit Keira Knightley am Abend umzuziehen, als ein Blick auf die Buchungsbestätigung verriet, dass es vergebene Liebesmühe war: Auch das Theaterstück hatten wir aus Versehen auf den Freitag gelegt. Ergebnis: Während wir in der Kirche der Kammermusik lauschten, blieben zwei Plätze vierte Reihe Mitte bei Keira Knightley leer.
Nun war guter Rat im wahrsten Sinne des Wortes teuer – wir hatten 140 Pfund für die Karten in den Wind geschossen und am Samstag immer noch nichts vor. Kurz entschlossen machten wir uns auf den Weg ins Westend, um Restkarten zu entstehen. Um die Kosten im Griff zu behalten, ließen wir uns experimentell auf eine ganz kleine Bühne ein:
Und tatsächlich lieferte die Truppe “Les Enfant Terribles” im winzigen und etwas muffig-heruntergekommenen Theater eine tolle Show ab: Es geht um den Besitzer eines etwas muffig-heruntergekommenen Theaters, der zu Beginn der letzten Vorstellung ermordet wird. In dramatisch-ironischen Rückblenden (mit tollen Songs) wird die dunkle Vergangenheit aller Verdächtigen beleuchtet. Jeder hatte ein Motiv: Der Messerwerfer, die siamesischen Stripper-Drillinge, der/die Magier, der Bauchredner.
Eine großartige Vorstellung zwischen Groteske und Grand Guignol, zwischen Hammer und Luhrman, mit Darstellern, die sich wirklich ins Zeug legen.
Und weil eh schon alles wurscht war, gönnten wir uns gegenüber bei “Herman ze German” eine erstaunlich gelungene Currywurst:
Mit dem Sonntag kam auch schon die Rückreise ins Blickfeld, und wir hatten nach dem Checkout noch ein paar wertvolle Stunden, die wir bestmöglich nutzen wollten. Weil es bahntechnisch gut lag, fuhren wir raus in die “Kew Gardens“, einen botanischen Garten, der zwar sauviel Eintritt kostet, die Sinne aber dafür mit Anlagen betört, die einem altenglischen Traum entsprungen scheinen:
Im Trophenhaus kann man Palmen besichtigen, die vor mehr als 300 Jahren dort gepflanzt wurden. Und es gibt durchaus auch was für hibbelige Spielkinder wie mich – ein Spaziergang in den mächtigen Baumkronen gefällig?
Wo bekommt man außerhalb der Vereinigten Staaten so prächtige Redwoods zu sehen?
Besonders witzig, wenn auch nicht artgerecht, sind die vielfältigen Tiere in Kew Gardens, besonders die Enten, Gänse, Schwäne und Pfauen – die sind über Generationen so angefüttert worden, dass sie fast schon unverschämt angewatschelt kommen und Leckerchen erwarten:
Damit war unsere Zeit in London auch schon wieder abgelaufen. Wir kauften als Andenken noch ein paar Zeitschriften, packten auch die Fähnchen mit Kate & William vorsichtig ein, und erstanden am Flughafen eine Teebüchse mit Hochzeits-Motiv – Royaltea, wenn man so will. Man möchte sich ja auch in 30 Jahren noch erinnern können.
What goes around, comes around…
Okay, die Sache mit dem Hotel war eine Pleite – ich ersuche das “The Grand” inständig um Abbitte, je an seiner Eignung gezweifelt zu haben. Und das mit dem verpassten Theaterstück war so dämlich wie teuer. Aber angesichts der eingangs beschriebenen Hektik hier in München verzeihen wir uns das. Man kann nicht immer auf 100 Prozent laufen.
Schön war es trotzdem – und sicher nicht zum letzten Mal…
Bin noch beim Lesen – “Vivendi, Händel, Bach”… He, psst… Vivaldi!
@ Lukas: Ups, wie peinlich. Ist korrigiert.
Ja wenn das The Grand ausgebucht war. Oder war es nicht?
Und umgerechnet über 20 Öcken für Kino? Nee, mir sind, und dazu stehe ich, auch 12/13Euro für 3D definitiv zu teuer, das sehe ich nicht ein. Wenn ich so viel oder mehr ausgebe, dann will ich auch Popcorn und was zu trinken. Und ich habe Popcorn doch vor kurzer Zeit noch so abgelehnt!
Und welcher Bach wurde gespielt? Der Londoner Bach? Ich weigere mich grundsätzlich, bei einer einfachen Nennung von Bach den Papi von Wilhelm Friedemann, Carl Philipp Emanuel und Johann Christian (das ist der Londoner) zu verstehen. Man schaue sich nur die Familie bei Wikipedia an. Und die drei genannten hatten noch nen Komponisten zum Bruder und noch mehr.
@ Achim: Es gilt die unausgesprochene Hausregel: Ohne zusätzliche Nennung immer Johann Sebastian.
Wenn du das Unterhaus-Kandidatur-Foto nicht selber brauchst, kannst du es ja an Brent Spiner verkaufen.
Hast du im Goring mal unter die Teller geguckt, was für ein Porzellan das ist? Sieht sehr schick aus.
Danke für den tollen Bericht. Apropos Fersensporn: Sooo schlimm kann es nicht sein, wenn Du noch wartest. Mein Tip: Statt Zertrümmerung eine spez. Edelstahl-Schuheinlage. Hat mir sofort geholfen. Oder muß der Arzt seinen Lithotripter auslasten?
@ Werner: Ich habe eine individuell gefertigte Einlage vom Orthopäden, die die Schmerzen halbwegs abfängt. Das reicht, bis ich das behandeln lasse. Kurioserweise bin ich in meinem Umfeld gerade nicht der Einzige mit dem Problem…
Ihr wart bei “Herman ze German” und im “Goring”…hmmm… *grins* Bei sovielen guten Shows im WestEnd wär meine Wahl aber klarer ausgefallen. Dennoch, London ist eine faszinierende Stadt.
Tja, vielleicht sollte ich dann doch auch mal bei Kew Gardens vorbeischauen, nachdem ich jetzt seit 6 Monaten gegenüber wohne… aber ich warte aufs schöne Wetter…
Und ich hab seinerzeit auch die versteckte Kamera gesucht, als 21 Pfund für HP7 aufgerufen wurden…
Hm, nicht schlecht, so ein London…vielleicht sollte ich mir auch eines zulegen…
@ DMJ: In der Tat – jeder sollte ein London haben…
Mein London wäre ja Paris, aber mein Französisch hat sich durch Nichtbenutzung immer mehr verabschiedet.
Aber London könnte ich mir als mein Paris abspeichern, da kommt man ja auch mit dem Zug hin.
Ich weiß nicht, ob ich Flugangst habe, ich bin noch nie geflogen.
@ Achim: Dann halt Bus & Bahn.
Klasse Bericht 🙂
Den Ghostbus werde ich mir auch mal angucken 😀
..etwas off topic, aber stimmt das hier
http://wahrheitueberwahrheit.blogspot.com/2012/02/europareise-der-inkompetenz-1.html
?
Wenn ja, generell, also auch in Hotels?
@ Comicfreak: Nein. Ist ja auch als “Satire” gelabelt. Natürlich gibt es gute und schlechte Mischbatterien in England, aber es ist wieder mal so eine krude Verallgemeinerung um des Humors willen.
gibt es die guten Mischbatterien wenigsten seltener? Oder wie kommt man auf sowas? (weil wenn so rein gar nix dran it, find ich es auch nicht lustig..)
@ Howie: Gerade im Großraum London ist die Kanalisation und die Wasserversorgung sehr veraltet. Verbunden mit alten Armaturen mag es da durchaus statistisch mehr schlechte Mischbatterien geben als bei uns. Aber die Briten können genau so einen Boiler von Vaillant kaufen und einen Wasserhahn bei Ikea. Es steckt ja ein physikalisches Prinzip und mechanisches Prinzip dahinter – und nicht eine landesspezifische Magie.
..ah, danke.
In dem Blog ist vieles auch deshalb als Satire gelabelt, um einer Beleidigungsklage vorzubeugen
😉
in der Scheibenwelt womöglich schon *g*
Ok, also wahrscheinlich zu wenig dran, als das ich es wirklich lustig oder unterhaltsam finde.