Gucken, aber nicht reden: Wenn Medienjournalisten gesperrfristet werden
Themen: Film, TV & Presse, Neues |Ich habe vorgestern den Film "Ich bin Nummer Vier" gesehen. Das darf ich euch sagen. Worum es in dem Film geht, darf ich euch noch nicht sagen. Oder ob und wie er mir gefallen hat.
Hierüber kann ich allerdings reden, wenn ich das richtig interpretiere:
Zuerst einmal: Sperrfristen sind legitim und bleiben den Verleihern vorbehalten. Ich bestreite nicht das Recht, sie zu setzen. Ich erwarte auch von Kollegen, die nach der Unterschrift im Kinosaal sitzen, dass sie sich dran halten.
Über die Versuche der Verleiher, Informationen nicht bereit zu stellen, sondern zurück zu halten, hatte ich vor einiger Zeit ja schon mal geschrieben. Und hier auch.
Trotzdem finde ich hier einige Sachen auffällig.
In Deutschland startet "Ich bin Nummer Vier" am 10. März. Man achte aber mal auf das Datum, an dem die Sperrfrist ausläuft: 18. Februar.
18. Februar ist der US-Start. Es soll also keine Kritiken zum Film geben, bevor er in den amerikanischen Kinos läuft. Warum nicht? Muss man als Journalist und als Zuschauer nicht unterstellen, dass es nur einen Grund geben kann, aus dem der Verleiher Vorabreviews verhindern will? Welcher das ist, das müsst ihr schon selber folgern.
Und warum dann überhaupt eine Pressevorstellung fünf Wochen vor dem Kinostart?
ENDLICH könnten auch mal Redakteure, die nicht zur Tagespresse gehören, zeitnah über einen Film schreiben, den sie tatsächlich gesehen haben.
Konkretes Beispiel: Ich arbeite gerade an der neuen Kinoseite für gleich mehrere TV-Zeitschriften (TV piccolino, TV für mich, TV Sünde). Ich könnte "Ich bin Nummer Vier" darin also kompetent besprechen. Nur: Ich darf nicht. Damit verhindert Disney, dass der Film in diesen Magazinen überhaupt vorkommt. Das KANN nicht im Sinne des Verleihers sein.
Nach Ablauf der Sperrfrist können nur noch Online-Medien, Tageszeitungen und vielleicht die eine oder andere Wochenzeitschrift einen Review unterbringen. Der Rest der Journaille schaut in die Röhre. Obwohl der Film gezeigt wurde. Obwohl Pressematerial und Bilder vorliegen. Obwohl sicher JEDER Redakteur nach dem Screening eine Meinung hatte.
Ich weiß nicht, ob sich der Verleiher mit diesem Verhalten einen Gefallen tut. Fakt ist: Als Kinoredakteur sieht man jede Woche mehrere Filme. Einige mies, die meisten okay, die wenigsten herausragend. Ein Totalausfall verursacht allenfalls genervtes Schulterzucken und die Verärgerung über zwei verlorene Stunden Lebenszeit. Business as usual. So what?
Es ist die Sperrfrist, die erst den Verdacht nährt, dass der Verleiher selbst nicht an den Film glaubt. Die den Fokus auf die Qualität des Streifens richtet. Die einen Redakteur nach Fehlern und Defiziten suchen lässt, die er vorher vielleicht ignoriert hätte. Die aus einem "Na ja…" ein "Selbst der Verleih scheint nicht zu glauben…" macht.
In den USA gilt die Faustregel, dass die Formulierung "The film was not screened for press" ein schlechtes Omen ist. Schadensbegrenzung. Man kann unterstellen, dass diese Schadensbegrenzung den Schaden vielleicht erst verursacht.
Was, wenn ich "Ich bin Nummer Vier" sensationell gut finde?
> 18. Februar ist der US-Start. Es soll also keine Kritiken
> zum Film geben, bevor er in den amerikanischen Kinos
> läuft. Warum nicht?
Gegenfrage: Wie häufig sind solche Sperrfristen bis zur Veröffentlichung? Natürlich drängt sich der Verdacht auf, dass man schlechte Kritiken so lange wie möglich zurückhalten will. Aber ob man daraus gleich auf ein "Verleih glaubt nicht an den Film" schließen kann?
> Konkretes Beispiel: Ich arbeite gerade an der
> neuen Kinoseite für gleich mehrere TV-Zeitschriften
> (TV piccolino, TV für mich, TV Sünde). Ich könnte
> “Ich bin Nummer Vier” darin also kompetent
> besprechen. Nur: Ich darf nicht.
???
Es erscheint zwischen dem 18.2. und dem 10.3. keine neue Ausgabe einer dieser Zeitschriften, auf die Du jetzt noch Einfluss nehmen kannst? Irgendwas verstehe ich hier absolut nicht.
@ Ingix: Nein, der Vorlauf ist zu kurz, um den Film dann noch in die Hefte aufnehmen zu können.
Sperrfristen sind eher selten. Ich meine, im letzten Jahr vielleicht drei gesehen zu haben. Insofern fallen sie auf. Auch bei miserablen Filmen sind sie die Ausnahme.
OK, dann hat das Nichtberichten in den TV-Zeitschriften also nichts mit der Sperrfrist zu tun sondern nur damit, dass die Vorführung bereits zu spät war.
Mich würde das auch stutzig machen, zumal bisher jeder Film mit Sperrfrist, an den ich mich erinnere, wirklich bestenfalls durchschnittlich war.
@ Ingix: Nein, du hast es nicht verstanden – wenn die Sperrfrist rum ist, ist es für mich zu spät. JETZT könnte ich den Film problemlos in die Hefte bringen, darf aber nicht.
Ist dieser Blogbeitrag keine Werbung? (vergleiche Flyer, Absatz 2, Zeile 4)
Ich will hier nicht klugscheißen, es verwirrt mich.
Also nochmal: Die Vorstellung war am 3.2., das hätte gereicht, um einen Artikel für eine Ausgabe einer Zeitschrift zu schreiben, die vor dem 18.2 erscheint (was aber nicht sei darf laut Sperrfristbestätigung). Es ist aber nicht möglich, einen Artikel für eine Ausgabe einer Zeitschrift zu schreiben, die zwischen dem 18.2. und dem 10.3. erscheint??? Das will mit nicht in den Kopf.
Du kannst doch vor dem 18.2. Dinge über den Film schreiben und an eine Redaktion geben, wenn das erst nach dem 18.2. veröffentlicht wird.
@ Brandenburgerin
..nein, er darf nur nichts zum Film sagen, stattdessen reden wir über Sinn und Unsinn von Sperrfristen.
Mir gefällt der Trailer, ich mache aber die potentielle Geldausgabe an der Kasse von Wortvogels Besprechung abhängig, hoffe, dass der Film HAMMA ist und warte auf den 18. Februar..
@Brandenburgerin
Werbung /= Wertung
Also, der Trailer sieht für mich wie eine Mischung aus X-Men und Jumper aus. Kann gut werden, kann aber auch zum Rohrkrepierer der Marke "The Covenant" werden.
@ Ingix: Nach dem 18.2. ist (teilweise) zu spät für die Hefte, die ich JETZT und nächste Woche schreibe, und die in den deutschen Kinostart von "Ich bin Nummer Vier" fallen. Der Vorlauf ist dafür einfach zu lang. Mir ist nicht ganz klar, was daran schwer zu verstehen ist.
"Du kannst doch vor dem 18.2. Dinge über den Film schreiben und an eine Redaktion geben, wenn das erst nach dem 18.2. veröffentlicht wird." – was nutzt das, wenn das Heft VOR dem 18.2. gedruckt wird?
"Mir gefällt der Trailer, ich mache aber die potentielle Geldausgabe an der Kasse von Wortvogels Besprechung abhängig"
Und wenn er von ’ner Brücke springt…
"@ Ingix: Nach dem 18.2. ist (teilweise) zu spät für die Hefte, die ich JETZT und nächste Woche schreibe, und die in den deutschen Kinostart von “Ich bin Nummer Vier” fallen. Der Vorlauf ist dafür einfach zu lang. Mir ist nicht ganz klar, was daran schwer zu verstehen ist."
Das ist auch schwer zu verstehen. Nochmal: Du hast den Film am 3. gesehen. Bis zum 18. darfst du nichts sagen. Der deutsche Kinostart ist ein paar Wochen später. Jetzt meint er (so hab' ich’s verstanden), dass du deine Kritik zwischen dem 3. und dem 18. schreibst, damit sie in ein Heft kommt, dass zwischen dem 18. und Kinostart veröffentlicht wird.
Nun ja, eigentlich macht das ja Sinn, oder… ?
Ahhh, sorry, jetzt verstehe ich das Argument.
Ja, könnte man so machen. Nur leider wird z.B. die TV Sünde und die TV 4×7 gerne VOR dem 18.2. veröffentlicht, und gilt dann über den 10.3. hinaus. Ergebnis: Sie läge mit dem Review am Kiosk, BEVOR das sein darf.
"Sperrfristen sind eher selten. Ich meine, im letzten Jahr vielleicht drei gesehen zu haben. Insofern fallen sie auf."
Zurzeit häuft es sich wieder. In den letzten Wochen nicht nur der hier, sondern auch "Adler der neunten Legion" und "Meine erfundene Frau".
Es liegt also im wesentlichen am 4-wöchigen Erscheinungsrhythmus der beiden Zeitschriften, dass die zusätzlichen 15-Tage Sperrfrist genau den Unterschied zwischen "vor dem 18.2" und "nach dem 10.3" ausmachen. Ich hatte nur die TV Piccolino gegoogelt und mich gewundert, warum bei 14-tägiger Erscheinungsweise das ein Problem sein soll.
Die Aussage vom Wortvogel:
"Nach Ablauf der Sperrfrist können nur noch Online-Medien, Tageszeitungen und vielleicht die eine oder andere Wochenzeitschrift einen Review unterbringen."
erscheint mir damit aber erheblich übertrieben: Eigentlich sollte *jede* 14-tägige Zeitschrift das locker hinkriegen, denn die nächste Ausgabe nach "vor dem 18.2" ist ja dann "vor dem 4.3." und damit rechtzeitig.
Ach ja, da die Fristen immer mit dem US-Kinostart enden, vermute ich, dass das ein Edikt aus Amiland ist, dem die deutschen Verleiher hier folgen müssen.
Vielleicht greift hier aber auch die Logik, dass man niemandem verbieten kann, über einen bereits veröffentlichten Film zu schreiben, auch wenn diese Veröffentlichung in einem anderen Land geschah.
Der Film ist sicher supi. Kann ich mir gar nicht anders vorstellen! Ich kann kaum abwarten, dass ich in geschätzt 2 Jahren halb verschlafen an einem grauen Samstagnochmorgen auf irgendeinem Fernsehkanal über ihn stolpern werde. 😀
18. Februar, 10. März.
Ist das für TV Spielfilm und Konsorten wirklich zu spät?
Aha, es kommt auf das Erscheinen an, nicht auf den Drucktermin.
Also, die 14tägigen werden das schaffen, deine vierwöcher nicht.
@ Achim: Nun liegt die Sperrfrist jedes Mal anders – verallgemeinern lässt sich das nicht. Und ob ein Redakteur, der über die Filmauswahl entscheiden kann, von der Sperrfrist motiviert wird, sei mal dahingestellt.
@ alle: Ein bisschen Probleme, sich auf den Kern des Beitrags zu konzentrieren?!
"@ alle: Ein bisschen Probleme, sich auf den Kern des Beitrags zu konzentrieren?!"
Du warst im Kino. Super !
Sperrfristen sind doch immer ein gutes Zeichen für Filme die man nicht wirklich braucht, was sich auch dann in der Regel meistens bestätigt wenn man die jeweiligen Filme mal gesehen hat.
Ich habe bisher zumindest noch keinen Film entdeckt wo die Sperrfrist überraschend gesetzt war, weil sich der Film im Nachinein doch noch als Meisterwerk entpuppt hat.
Natürlich sind Sie auch hauptsächlich aus diesem Grunde vom Verleih erfunden wurden und ich glaube auch dass Sie ihre Wirkung für das Marketing durchaus erzielen, denn wenn vielleicht 2 oder 3 Journalisten den Film super fanden muss dass ja nicht auch für die restlichen 99% gelten, ohne dir dabei jetzt eventuell deine journalistischen Fähigkeiten abzusprechen wollen 😉
Andererseits denke ich auch oft: Wird Prollo Karl wirklich Filmkritiken lesen um sich ein ausgewogens Bild über "The Fast and the Furious LXXVI" und "Ich bin Nummer 4" vor dem Kinobesuch bilden? Warscheinlich eher nicht…
Ich werde mir "Ich bin Nummer 4" jedenfalls nicht ansehen, nach den bisherigen Trailern zu urteilen. Eine liebloser Direct to DVD Bastard aus "Final Destination" und "Jumper"-Elementen der es eher aus Versehen auf die Leinwand geschafft zu haben scheint. Kann man mal nebenbei auf DVD, muss aber nicht.
Gab es eigentlich mal bisher wirklich brauchbare Sperrfristen, z.B. bei Filmen wie "Shutter Island", um Plottwists und wichtige Storyelemente für den Zuschauer im geheimen zu halten?
"Gab es eigentlich mal bisher wirklich brauchbare Sperrfristen, z.B. bei Filmen wie “Shutter Island”, um Plottwists und wichtige Storyelemente für den Zuschauer im geheimen zu halten?"
Ich glaube nicht. In manchen Presseheften wird man jedoch höflich gebeten, Plottwists nicht zu spoilern.
@Kes-von-Mauseohr: Arg. Verlesen. Danke für den Hinweis.
@Thema: Vielleicht hoffen die Verleger ja, das man, wenn man das Ding scheße fand, dass man dann sich nicht mal mehr die Mühe macht, nach 4 Wochen noch ne Rezension rauszuhauen. Obwohl es ja angeblich keine schlechte Publicity gibt…
@ Vincent: Es ist in der Tat eher selten, dass sich die versammelte Journaille uneins ist, was die Bewertung eines Films angeht. Man bleibt meistens in einer Konsens-Blase, die gewisse Variationen ermöglicht (einer fand einen bestimmten Schauspieler toll, ein anderer die Musik scheiße), aber echte Ausreißer sind die Ausnahme.
@ Peroy
..ist doch ganz einfach:
wenn der Wortvogel vor der Besprechung von ner Brücke springt, gibt´s den Film höchstens auf DVD^^
@Comicfreak: Der Wortvogel hat in der Vergangenheit häufiger gezeigt, das er sogar direct-to-DVD-Werke angeschaut hat. Und sich auch nicht schämt darüber hier zu schreiben…
Und hier der Kurz-Inhalt: http://www.ich-bin-nummer-4.de
Und diese Infos gab’s auch schon ewig im Netz: http://www.cinefacts.de/kino/53284/ich_bin_nummer_vier/filmdetails.html
Der Versuch dem Netz den Mund zu verbieten, geht immer nach hinten los!
@ Watcher: Ich hatte ja auch schon im ersten Absatz auf die Inhaltsangabe der Wikipedia verlinkt.
@ Anonym
..ich mache von der Besptechung nicht abhängig, ob der Film kulturell wertvoll ist oder ob ich ihn mir ansehen will, sondern nur, ob ich ihn mir im KINO ansehen will;
da lag der Wortvogel die letzten Jahre eben für meinen Geschmack richtig (= Erfahrungswerte)
im Grunde ist mit einer unterdrückten Berichterstattung vor Kinostart eins erreicht…. Mangels Auswahl gehen einige in den Film….sind vieleicht enttäuscht und hätten ihr Geld doch lieber für ein paar Burger ausgegeben….aber man nimmt es so hin….
Wenn es im Fernsehen einen schlechten Film gibt, schaltet man um. Im Kino bleibt man sitzen (ist ja bezahlt).
Leider ist man erst nach dem Bezahlen enttäuscht und eine Mängelgewährlesitung gibt es nicht.
Ich kenne es nur aus Amerikanischen Kinos, dass teilweise nach 20min Film nochmal in einen anderen Film gewechselt wird….. Zapping!
Komme grade aus der Pressevorführung; hierzulande gab’s keine irgendwie geartete Schweigeklausel. Wieso es *überhaupt* eine gibt, kann ich mir auch nicht so recht erklären – die Angst vor negativen Kritiken kann es eigentlich nicht sein.
"die Angst vor negativen Kritiken kann es eigentlich nicht sein."
Denke doch das es das ist:
http://www.metacritic.com/movie/i-am-number-four
http://www.rottentomatoes.com/m/i_am_number_four/
40 bzw. 28 Punkte ist jetzt mal nicht besonders berrauschend.
ich muss nun ja auch nimmer schweigen. ist ein ganz, ganz übler Langweiler.
Also, in den USA gab es vor dem Filmstart Reviews in der Presse, und da die Sperrfrist am 18. Februar auslief und der Film erst am 17. März in Deutschland in die Kinos kam, war dies in Deutschland auch möglich. Ich verstehe daher die Aufregung nicht.
Es kann ja einem Filmvertrieb nicht daran gelegen sein, daß alle Artikel über den Film so früh erscheinen, daß der Leser sie schon wieder vergessen hat, wenn der Film endlich erscheint.