Belanglose Erinnerungen, mit unangemessenem Enthusiasmus erzählt (1)
Themen: Neues |Weil ich gerade praktisch keine Zeit habe, den ganzen Bilderkram raus zu suchen, den ich für meine nächsten Artikel brauche, fange ich heute mal mit einer losen Serie an, die sinnloser nicht sein könnte: Ich erzähle Anekdoten. Keine relevanten. Die unwichtigen. Die albernen. Die nicht immer lustigen. Das Zeug, das ich bei Partys raus lasse, wenn ich drei oder vier Drinks hatte. Nicht alle Details mögen mehr der “ganzen Wahrheit” entsprechen, gerichtsverwertbar sein. Even the names have been changed to protect the innocent.
Den Anfang macht ein Geständnis: Ich musste während der Führerschein-Probezeit Anfang der 90er in die Nachprüfung. Irgendwo im Autobahn-Knäuel nördlich von Düsseldorf hatte ich leicht die Orientierung verloren, raste in eine lang gezogene Kurve an einer Stelle, an der ich keine lang gezogene Kurve erwartete (war ich doch nicht auf dem Weg nach Ratingen? Essen? Wuppertal?). Noch während ich versuchte, mich zu orientieren, kam eine Großbaustelle, wo keine sein sollte.
Schau an – ein “80”-Schild.
Besser mal abbremsen. Wenn der Motorrad-Polizist hinter mir nur nicht so dicht auffahren würde…
Aber das ist gar nicht die Geschichte, die ich erzählen will. Das ist nur die Basis der Geschichte. Ich musste also in München in die Nachprüfung. Den einwöchigen theoretischen Kursus mit der praktischen Endprüfung teilte ich mit vier anderen Autofahrern, die ebenfalls nach dem Prinzip “I fought the law, and the law won” im Straßenverkehr unterwegs gewesen waren.
An drei der Kursteilnehmer erinnere ich mich noch. Und von ihnen ist nun die Rede.
Julia tat mir einfach nur leid. Sie hatte zum Abitur den Führerschein geschenkt bekommen, hatte aber noch kein Auto. Stattdessen war sie von der uniformierten Staatsmacht dabei erwischt worden, wie sie bei Rot mit dem Fahrrad über eine Ampel fuhr. Keine große Sache: 10 Euro, und bei hübschen jungen Mädchen wird dann ja auch ein Auge zugedrückt. Der Beamte fragt sie streng: “Haben Sie einen Führerschein?”.
Julia, sag nein. Der schreibt sein Ticket, und das war es dann. Taschengeld.
Julia sagt: “Ich habe einen Führerschein, aber der liegt zu Hause. Soll ich den holen?”
Julia holt den Führerschein – und verliert den Führerschein.
Zweiter Kursteilnehmer ist Kai. Kai ist im Winterschnee mit seiner Proll-Karre (Sommerreifen) im Kuhkaff seiner Eltern ins Rutschen geraten und in eine steinerne Gartenmauer geschliddert. Der Einfluss des Papas beim Dorfcop war wohl nicht ausreichend, um den Lappen zu retten.
Kai stellt sich uns so vor: “Mein Name ist Kai, meine Hobbys sind Kampfsport und Autofahren.”
Mehr muss man über ihn nicht wissen. Wirklich nicht.
Und dann ist da noch Dirk. Dirk erzählt fast schon stolz, dass er in die fest installierte Radarfalle auf der Dachauer Straße gerast ist. Mit 80 innerorts.
Dreimal.
In zwei Wochen.
Selbst der Fahrlehrer ist ein wenig verdattert. Er stellt die nahe liegende Frage: “Aber wenn Sie doch wussten, dass dort eine Radarfalle ist – warum sind Sie immer wieder dort so schnell gefahren?!”
Dirk schaut ihn an, als würde er die Frage nicht verstehen. Schließlich antwortet er in einem Tonfall, der Überzeugung und Herablassung mischt: “Ich fahre immer so schnell.”
“Ich fahre immer so schnell”. Diese Aussage ist in seinen Augen absolut ausreichend und vollständig. Mein gesunder Menschenverstand schlägt die Hände vors Gesicht und weint bitterlich.
Es ist eine lange Woche, und am Ende, als wir alle bestanden haben, muss der Fahrlehrer noch die Frage aller Fragen stellen: “Was haben Sie denn für sich persönlich hier gelernt?”
Alle antworten brav, dass sie künftig mehr Rücksicht nehmen werden, im Winter entsprechende Reifen aufziehen, etc. Julia sagt nicht, dass sie künftig den Cops verschweigen wird, dass sie einen Führerschein hat.
Ich denke mir: In for a penny, in for a pound.
“Ich habe gelernt, dass man im Straßenverkehr vorsichtig sein muss, weil es nicht nur um meine eigenen fahrerischen Fähigkeiten geht. Es ist nie auszuschließen, dass der Typ vor oder hinter mir einer von den anwesenden Spacken ist. Da muss man doppelt aufpassen.”
Bis heute wundert mich, dass ich nicht verhauen worden bin. Auch nicht von Kai, dessen Hobby ja u.a. Kampfsport ist…
“Dinge, die in dieser Situation jeder sagen möchte aber praktisch niemand tatsächlich sagt”.
Kudos!
Julia ist vermutlich so eine, die einfach zu naiv für diese Welt ist. Ich kenne auch so welche…
Und komisch – wieso kam mir der Ausdruck “Hauptschulabbrecher” bei Kai und Dirk in den Sinn?
Und bei Kai musste ich seltsamerweise noch denken an… Nein, das lassen wir lieber jetzt. 😉
@Who knows: Ich auch! 😀
Übrigens: Ich dachte, das wären Anekdoten ohne Pointe. Betrug!
Oh Mann, da hat Julia aber Pech gehabt.
Bin auch schon mal bei rot über eine Ampel, mit dem Auto, hinter mir Polizei. Natürlich gleich Kelle raus. Führerschein, Papiere, dann passierte: Nichts. Konnte einfach weiterfahren. Danach mehr etwas davon gehört. Sehr seltsam…
Vielleicht war ich einfach nur hübscher als Julia. 😀
Oder der Fall Kai: Man kommt im Winter ins Rutschen und muss zur Nachschulung?!? Bayern, der Law-and-order-Staat…
“Es ist nie auszuschließen, dass der Typ vor oder hinter mir einer von den anwesenden Spacken ist. Da muss man doppelt aufpassen.”
Da stimme ich vollkommen zu! Toll sind auch die Leute die meinen: “Ich habe gute Bremsen.” Das mga ja auch gut und schön sein, aber was ist mit den anderen Beteiligten an einem möglichen Unfall? Wenn das Volldeppen sind (also ähnliche Volldeppen, wie die, mit den guten Bremsen…) dann gute Nacht.
Stimmt schon, aber meiner Erfahrung nach ist der umgekehrte Fall wahrscheinlicher. Ich hätte schon zig Unfälle gehabt, hätten andere Verkehrsteilnehmer nicht in bestimmten Momenten quasi für mich mit aufgepasst. Das gilt natürlich auch umgekehrt. Es ist halt ein Geben und Nehmen.
Nicht umsonst heißt es in §1,1 StVO: Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
Jau!
Erklärung des Vertrauensgrundsatz:
Alle außer mir sind Trotteln. 🙂
Also diese Julia ist ‘ne ganz Pfiffige. *g*