Skandal: Wortvogel wütet nach verlorener Preisverleihung – große Schäden!
Themen: Film, TV & Presse, Neues |Informellen Befragungen nach möchten meine Leser gerne wissen, wie das Leben einer mittelprächtig erfolgreichen Tastaturschlampe so abläuft. Was macht ein Wortvogel den ganzen Tag, wenn er nicht “mexican mix” mampfend auf dem Sofa sitzt und alte Sitcoms guckt? Danke für die Nachfrage…
Er fliegt zum Beispiel nach Hannover, um an der Verleihung eines Preises teilzunehmen, von dem er nie gehört hatte, bis er selber nominiert wurde.
Tatsächlich war mir der “Juliane Bartel-Medienpreis” unbekannt, bis meine Ko-Autorin in einer Email erwähnte, dass wir da wohl in der näheren Auswahl seien. Nun rechne ich mir bei so etwas generell keine Chancen aus, aber Anwesenheit schien angemessen, und so buchte ich mit der Lebensgefährtin einen Flug in die Stadt, in der ich ungefähr so tot über dem Zaun hängen will wie in Essen oder Kassel. In Hannover war ich (außer einer Stippvisite zwecks Reportage) zuletzt Anfang der 90er gewesen, um die CeBit zu besuchen. Ist nicht hübscher geworden.
Blöd an den Flügen: Hin und zurück jeweils 7.30 Uhr. Also GANZ früh aus den Federn. Ich dachte ernsthaft darüber nach, einen späteren Flug zu nehmen, in der Hoffnung, die erste Stunde der Veranstaltung würde sowieso mit Häppchen und Ansprachen verschwendet. Aber meine Begleitung versicherte mir, dass solche Kapriolen als beziehungsschädigend ausgelegt würden. Ich fügte mich dem Schicksal und dem Wecker.
Es sei aber nicht verschwiegen, dass Hannover neben der grottenhässlichen Fußgängerzone ein hübsches Rathaus zu bieten hat, und einen netten See dahinter. Im “Henry’s” konnten wir außerdem mehr als passabel amerikanisch essen.
Was das Hotel angeht: Daumen hoch für die Möglichkeit, schon um 10.00 Uhr einchecken zu können (offiziell: 15.00 Uhr). Daumen runter für 8 Euro pro Stunde Internet. Das gab mir aber wenigstens einen Grund, gestern endlich den Web-Stick einzurichten, der seit drei Monaten in meiner Schublade liegt (samt 5 freien Tagen Nutzung). Ab jetzt zahle ich nur 3,50 Euro – pro Tag.
Gegen Abend dann ins gute Hemd geworfen (dasselbe übrigens wie in der oben verlinkten Reportage), prima Sakko an, saubere Schuhe, und los. Taxi für die 500 Meter – die Lady trägt hohe Absätze.
Es ist unglamourös – Zweckevent in einem Zweckbau. Die Abendgarderobe der meisten Gäste ist nur eine Stufe über Arbeitskluft, das Catering reicht Weißwein und Apfelschorle. Es gefällt mir hier.
Ein paar Gesichter erkenne ich sogar: Lisa Ortgies, gehired und gefired von Alice Schwarzer als “Emma-Chefin”. Moderatorin Maria Gresz, deren SPIEGEL-TV-Beitrag über Ufologen von 1988 ich heute noch gerne auf Parties zeige. Ich komme mir vor wie bei den unzähligen Presse-Events, die ich seinerzeit für den GONG besucht hatte. Doch diesmal bin ich nicht Randfigur, sondern Mitspieler. Ich habe ein Namensschild, das mich als Nominierten ausweist, und ein Programmheft. Ein Fotograf knippst mich, und ich mache eine mentale Notiz, später um die Bilder nachzufragen – meine eigene Digicam habe ich vergessen.
Die ganze Veranstaltung wird erfreulich straff gehalten – nach 20 Minuten scheucht man uns in den Saal des NDR. Unsere Stühle sind mit Zetteln markiert. Das habe ich seit der Kino-Premiere von “Dr. Hope” auf dem Münchner Film Fest auch nicht mehr erlebt. Schön. Ich nutze die Zeit, das Programm zu lesen. Es gibt drei Kategorien: Radio-Beitrag, TV-Produktion fiction, TV-Produktion Doku. “Dr. Hope” tritt gegen drei Highlights an: “Schutzlos”, “Frau Böhm sagt Nein”, und “Klimawechsel”. Große Kaliber. Zweimal Senta Berger.
Die Moderatorin des Abends ist freundlich-aufgeräumt, es gibt nur drei kurze Ansprachen, und dann kann der Spass schon losgehen. Doch vorab gibt es noch – Musik. Ich weiß nicht, warum. Aber zu meiner Freude ist die Band Hafennacht wirklich toll, und wenn es so etwas wie melancholische norddeutsche Chansons gibt, dann kommen sie von dieser Combo:
Die Radio-Features sind dran. Tolle Sachen dabei. Ich weiß schon, warum ich so gerne Deutschlandradio höre. Es gewinnt ein Beitrag über eine Radio-Pionierin aus den USA, den ich mir mit Sicherheit beizeiten mal besorgen werde.
“Meine” Kategorie ist dran. Ich glaube keine Sekunde zu gewinnen. Aber die Clips sind schön ausgewählt. Sie beweisen: Keine Chance. Besonders “Frau Böhm sagt Nein” und “Klimawechsel” sind ganz großes Fernsehen. Dagegen zu verlieren ist ein Ritterschlag. Zu meiner Überraschung hat sich die Jury allerdings für “Schutzlos” entschieden, das Drama einer illegalen hondurischen (honduranischen? honduranesischen?) Putzfrau. Tja, man steckt nicht drin.
Nochmal Hafennacht. Ich will die CD.
Gleich zwei Dokus bekommen den letzten Preis. Ich bin zerrissen, denn an beiden regt sich Kritik in mir: Das Porträt von Julia Franck stammt von einer engen Freundin, was ich nicht wirklich gutheißen kann. Und die Doku über “Das Tabakmädchen” wirkt zu perfekt, zu glatt – die Kamera ist immer exakt dann da, wenn einer der Protagonisten einen geschliffenen Satz sagt. Es widerspricht allen meinen (begrenzten) Erfahrungen mit Dokumentationen. Davon abgesehen sind beide Beiträge (den Clips nach zu urteilen) sehr sehenswert. Eine der Reden zum Preis hält die altgediente Journalistin Carmen Thomas.
Dann ist die Preisverleihung auch schon rum – alles in allem gerade mal 2 Stunden. Sauber. Es gibt noch das obligatorische Gruppenfoto der Nominierten, Jury, und Ausgezeichneten:
Hinterher noch Häppchen, und man steht friedfertig beieinander. Kein großes Getratsche, keine Diskussionen. Alles sehr mellow. Ich diskutiere mit Lebensgefährtin und Ko-Autorin (ZWEI Personen!) das Erlebte, hebe schwadronierend die Hände – und haue mir dabei das eigene Weißwein-Glas aus den Pfoten. Circa 150 Milliliter ergießen sich über Carmen Thomas und eine andere Dame. Ich entschuldige mich mehrfach, besorge Servietten, danke Dawkins für Weißwein und schwarze Kleidung, aber Frau Thomas moniert, ich hätte ihr dennoch eine Reinigung anbieten sollen. Die sie natürlich nicht angenommen hätte. Tut mir ja auch leid, aber ich bin so aufgeregt!
Mir fällt auf, dass ich kein bisschen traurig oder sauer bin, den Preis nicht bekommen zu haben. “Dr. Hope” war zusammen mit der Elite des deutschen Fernsehens nominiert, ist das nichts? Ich verstehe plötzlich die viel geschmähte Phrase “Es ist schon eine Ehre, überhaupt nominiert zu sein”. Es ist keine Phrase. Es stimmt. So eine Statue hätte ich aber gerne gehabt.
Da hinten stehen die Musiker von Hafennacht und ich entschließe mich spontan, ihnen für die tolle Musik zu danken. Sie freuen sich.
Ich bin kein Stehparty-Typ, also machen wir uns nach einer weiteren halben Stunde wieder auf den Weg ins Hotel – oder besser: in die Hotelbar. Dort warten noch Drinks. Am nächsten Morgen verschlafen wir den Wecker und müssen zum Taxi rennen, um den Flieger zurück nach München zu erwischen. Ich vergesse dabei meinen grauen Mantel im Hotel. Jetzt darf das Maritim Grand beweisen, ob es “Service” kann…
Jau, so war das. Und nicht anders.
“die Stadt, in der ich ungefähr so tot über dem Zaun hängen will wie in Essen oder Kassel.”
In Essen wurde ich geboren und kann gerne bestätigen, dass es sich um eine Scheiß-Stadt handelt.
Hm, war Hannover so öde, dass Du noch Frankfurt-Tipps in den Artikel packen musstest? 😉
Ach ja: Und natürlich noch nachträglichen Glückwunsch zur Nominierung.
Hannover Bashing. Das merke ich mir.
Allein heute sind Klitschko, Gottschalk, Lena und Denzel Washington hier…Eine Weltstadt ist das hier….
@ Baumi: Blöder Fehler, ist korrigiert.
@ reptile: Zu Hannover fällt mir nur Gerhard Schröder und Scorpions ein.
…was zum Teufel ist das für ein Viech, das den Web-Stick in den Nacken gedellert bekommt? 😯
“Moderatorin Maria Gresz, deren SPIEGEL-TV-Beitrag über Ufologen von 1988 ich heute noch gerne auf Parties zeige.”
Klingt gut, gibt es den bei Youtube? Bzw. wie lautet der genaue Titel (dann bekomme ich das schon selbst gegoogelt)?
@ Lukas: Das ist aus einer O2-Werbung: irgendwas mit “gegen Monster-Laufzeiten!”.
Wenn ich die DVD mit dem Beitrag mal wieder finde (habe die vor Jahren digitalisiert), stelle ich das online. Ergoogeln konnte ich es auf die Schnelle auch nicht. Handelte von jeder Menge Spinnern, die in Frankfurt auf einem Kongress von Energie-Pyramiden und UFO-Keksen schwallen.
Hannover, unbedeutende Veranstaltung, keinen Preis gewonnen, Carmen Thomas nass gemacht… brauchst dir nix drauf einbilden. In Hollywood lacht man über dich…
Yay! 8)
@Wvogel
Nana, wie kannst Du nur Lena vergessen? Und unseren Bundespräsidenten.
Ich war in den letzten Monaten zweimal in Hannover (Hangover oder Hannoi zu schreiben ist selbst mir mittlerweile zu blöd) und einmal in Kassel (“My home is my Kassel!”). Jetzt hab ich Angst, irgendwann mal nach Essen zu müssen…
@ Pablo: In Kassel hätte ich dir wenigstens das exzellente indische Restaurant “Himalaya” empfehlen können.
Und Essen ist allein deswegen nicht so schlimm, weil man von da schnell nach Düsseldorf kommt 🙂
Nur den ersten Absatz gelesen (Rest folgt jetzt): Hannover war schön, wurde dann aber im WWII komplett zerstört. Das schnelle Hochziehen der notwendigen Neubauten haben der Stadt nicht gutgetan.
Schön!
,,… hebe schwadronierend die Hände – und haue mir dabei das eigene Weißwein-Glas aus den Pfoten.” -Paddel! 😉
Und wieder erwarte ich das Update, ob der Mantel auch wirklich geschickt wird, was das denn kostet.
Und Du hast keine Urin-Witze gemacht, als Du Carmen Thomas mit Wein getränkt hast?
@ Lukas: Habe mich nicht getraut 😉
Ich hab wirklich nicht viel Verständnis dafür, wenn Besucher/Durchreisende meinen eine Stadt bewerten zu müssen. Ich habe anfang des Jahrtausends mal mehrere Monate in München gewohnt – und ich lebe lieber in Hannover als da. Hässliche Bereiche hat wohl jede Stadt, aber niemand kann mich überzeugen, dass die Qualität einer Stadt sich darin zeigt, wie viele Kirchen hinter jeder Ecke stehen. Lebt ein paar Monate oder Jahre aktiv hier, es wurden schon einige überrascht. Andere flüchten auch nach dem Studium. Jeder hat seinen Geschmack und für mich hat Hannover mehr Pluspunkte als München.
Das Henry’s hat mit dem Barbecue-Burger meinen absoluten Lieblingsburger der Stadt. Da war die Wahl oder der Tipp recht gut.
@Lukas
“In Essen wurde ich geboren und kann gerne bestätigen, dass es sich um eine Scheiß-Stadt handelt.”
Hagen Rether hatte in seinem Programm mal gesagt, wer Essen kennt dem gefällt es überall. Nur um dann nachzulegen: “Wenn das Essen ist, wie muß dann erst Kotzen aussehen?” 😀
Glückwunsch zur Nominierung! Aber wieso wird der Juliane-Bartel-Medienpreis in Hannover/Niedersachsen vergeben, obwohl Frau Bartel ihre journalistischen Meriten beim SFB erwarb (von dem ich sie noch in guter Erinnerung habe)?
Dass der Charme von Hannover etwas spröde ist, kann ich als Wahl-Hannoveraner gern bestätigen. Ich liebe diese Stadt mittlerweile allerdings. Sie ist das genau Gegenteil von “great to visit but you wouldn’t wanna live there”.
@Wortvogel
Erstmal Glückwunsch zu Nominierung. Der o²-Stick ist wirklich gut, den nutze ich mittlerweile sogar als Primäranbindung. Wenn es der Prepaid-ZTE100 ist: Die Mitgelieferte Software ist beim Monatspaket zu doof, die Drosselung einzuschalten *grins*.
Der Ufologen-Beitrag würde mich auch interessieren.
..och, komm mal nach Pirmasens, danach bist du FROH ueber jede Einladung woanders hin.
Und, war der Fotograf entgegenkommend mit Fotos?
Ich glaube, das ist einer der ganz wenigen Artikel/Posts/Beiträge/wasauchimmer in der Medienwelt, in denen Carmen Thomas vorkommt, ohne dass Ihr-wisst-schon-was erwähnt wird – find’ ich gut 🙂
Hattest Du eigentlich eine Rede vorbereitet für den Fall, dass Du doch gewonnen hättest, Torsten?
@ Comicfreak: Sonst wären ja keine Fotos in diesem Beitrag, newahr? 😉
@ Who knows: Nö. Das hätte ich improvisiert wie meinen Vortrag in Leipzig. Easy.
Schau an – Imre Grimm von der HAZ war auch da…
@ Who knows: WELTPRESSE!
keiner von der EW dabei gewesen? Dann ist das nicht relevant
@Thies: um das zu Erfahren musst du dich bei uns im schönen Havelland umschauen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Kotzen_%28Havelland%29
Da hier eh nie die 666 erreicht wird, sage ich hier gar nicht erst was. 😛
– Trotzdem Glückwunsch für die Nomi.
(Ja, ich weiß, dass es diese Kurzform für “Nominierung” nicht gibt, aber ich will auf biegen und brechen den Bogen zu “The Return of the Showgirls from Outer Space” schlagen.)
Hannover-Gerante les ich als Braunschweiger ganz besonders gern 😀
* kopfpatsch*
🙂
Ich habe da mal eine längere, mehrteilige Frage:
Hat man als Nominierter oder Preisträger eines Preises auch etwas von diesem Preis?
Hilft eine Auszeichnung z.B bei neuen Projekten, oder gibt es nur Ruhm und Ehre und schmeichelt es das eigene Ego?
Und ich Depp habe den Beitrag nur wegen des scheinbaren Skandals gelesen….
Der Plural von Party heißt übrigens Partys.
“Flug in die Stadt, in der ich ungefähr so tot über dem Zaun hängen will wie in Essen oder Kassel. In Hannover war ich ”
Damit hast Du dich jetzt echt mal unbeliebt gemacht. Hannover ist die schönste Stadt der Welt
Und Hannover hat eine großartige Hochschule für Musik und Theater.
Okay, sie haben Thomas Quasthoff als Studenten abgelehnt (gnihihi), aber jeder macht mal Fehler.
finde das sehr interessant, wie der titel in der url umgwandelt wurde:
/skandal-wortvogel-wutet-nach-verlorener-preisverleihung-grose-schaden/
Ach menno, ich war kurz davor auch in Hannover und hätte Dir sicher auch einen guten Inder zeigen können.