07
Jul 2010

München – Plakatopolis

Themen: Neues |

Ich bin froh, dass ich seit neustem immer eine preiswerte und kleine Digi-Kamera in der Tasche habe, um in Zweifelsfall schnell einen Schnappschuss machen zu können. Immer wieder fallen mir Sachen auf, die ich mit euch teilen möchte. Heute zum Beispiel.

In der Nähe vom Harras steht einer dieser PKW-Anhänger, die von Table Dance Bars Gebrauchtwagen-Händlern gerne als preiswerte Werbefläche abgestellt werden:

Laufhaus

Lasst euch von dem mir bis dato unbekannten Begriff “Laufhaus” nicht täuschen – es geht um einen Puff. Faszinierend, wie Prostitution durch edle Optik und Begriffe wie “Gentlemanbar” rausgeputzt werden soll. Tut mir leid, aber Bordell bleibt Bordell, und wer da am Tresen hockt, ist vieles – aber kein Gentleman. Ein Gentleman zahlt nicht für Sex. Mit Geld.

Kampfsport hat in Deutschland immer noch ein schlechtes Image. Besonders Kickboxing riecht nach osteuropäischer Halbwelt, Zuhälterei und Türstehern, die dich gerne mal in der Mitte durchbrechen. Schweiß, Blut und Tränen – nichts, mit dem man die Sekretärin nach einem harten Tag noch vom “Sex and the City”-DVD-Set locken kann.

Als Gegenstrategie hat sich in den letzten Jahren durchgesetzt, dass viele Kampfsportschulen mit Bildern von blonden Frauen werben, die im Judo-Anzug freundlich lächelnd den Ellenbogen hoch halten, während aufmunternd versichert wird, Jiu-Kung-Thai-Kido-Pilates sei “MEHR als nur Selbstverteidigung!”. Quasi Wellness mit Körperkontakt. Ayurveda mit Asskicking. Power für Pussies.

Ich finde es erfrischend, wenn sich ein Anbieter mal wieder traut, “back to the roots” zu gehen:

Thai

Denn machen wir uns nichts vor: Mit wutverzerrtem Gesicht auf einen wehrlosen Gegner am Boden eindreschen – genau DARUM geht’s doch, oder? Scheiß auf Philosophie und Lebeneinsstellung. Die helfen dir nicht, wenn drei Schränke morgens um 3 vor dem “Boomerang” dein Fahrrad haben wollen.

Egal. Wo wir gerade von Blondinen sprechen…

Kennt ihr das auch – Plakate, die euch irritieren, weil sie irgendwie… falsch sind? Weil da was drauf ist, das einfach nicht passt? Schlechtes Photoshopping, ein Gesichtsausdruck konträr zur Werbebotschaft?

Mich hat die letzten Wochen die Ankündigung von “Evita” im temporären “Deutschen Theater” so aus dem Ruder geworfen, dass ich beim Autofahren manchmal gefährlich die Konzentration verlor, wenn eine Plakatsäule in Sicht kam. Um zu verstehen, woran das lag, fange ich am Besten mal mit der echten Evita Peron an:

Evita Peron

Ein Klassiker. Eine Frau, die die Massen begeisterte. Ein Bild, das um die Welt ging. Kein Wunder, dass diese Pose ein zentraler Bestandteil von Film und Musical wurde.

Madonna gelang es, in Haltung und Ausdruck genau jenes überhöhte Drama darzustellen, das dem Musical zu diesem Thema gerecht wird – con pasión:

Evita Madonna

Für die Aufführung in München hat man nun diese junge Dame und dieses Foto gewählt:

Evita Musical

Sorry, das geht gar nicht!

Der Gesichtsausdruck völlig leer, der Mund debil halb geöffnet, die Arme ohne jegliche Spannung, und keinerlei Dramatik in der Bewegung. Diese Barbie stellt nicht Evita Peron dar, sondern eine Schaufensterpuppe. 100 Prozent Plastik. Leblos. Leidenschaftslos.

Es hat mich so verstört, wie man ein derart spannungsloses Bild für eine große Kampagne auswählen kann, dass ich sogar einen der Fotografen der LandIdee darauf ansprach. Er meinte nur: “Wahrscheinlich war das schon die beste Aufnahme, die sie mit der Frau hinbekommen haben. Du kannst als Fotograf hundert Mal sagen, sie soll ein wenig Ausdruck und Leidenschaft darstellen – wenn sie es nicht kann, kann sie es nicht. Habe ich oft genug erlebt.”

Mittlerweile ist das Plakat von den Säulen verschwunden, und ich kann wieder entgeisterungsfrei Auto fahren.



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Stephan
Stephan
7. Juli, 2010 12:22

Ein solcher Puff-Werbe-Wagen (tolles Wort) steht auch am Friedensengel und befindet sich auf den meisten Silvesterbildern von mir im Hintergrund. Hat dann doch zu einigen dummen Kommentaren geführt…

comicfreak
comicfreak
7. Juli, 2010 12:27

..oh-mein-Gott, nach diesem Evita-Plakat ist einem doch restlos die Lust am Musicalbesuch vergangen und man holt sich die CD..

Aiv
Aiv
7. Juli, 2010 12:37

Die Dame auf dem Plakat erinnert mich irgendwie an Barbie.

Dr. Acula
7. Juli, 2010 12:51

Hihi, der Vogel kommt nicht viel raus, wenn er Laufhäuser nicht kennt 🙂

Bei dem Kampfsportstudio kommt mir der alte Kung-fu-Klopper “Der Dampfhammer von Send-Ling” in Erinnerung…

G
G
7. Juli, 2010 13:10

Täusche ich mich, oder haben sie an dem Evita-Plakat nicht nur ein schlechtes Foto genommen, sondern auch noch die Proportionen bei ner NAchbearbeitung verpfuscht? Irgendwie wirkt ihr linker Oberarm länger als ihr rechter, oder täusche ich mich?

Mencken
Mencken
7. Juli, 2010 13:22

@G: Ich glaube, Du täuscht Dich nicht, sieht für mein Empfinden auch etwas merkwürdig aus.

Beim Kampfsport würde ich widersprechen wollen (und Thaiboxen ist nicht Kickboxen), aber da das Plakat in der Tat Spott verdient, spare ich mir das mal lieber.

Arnonym
Arnonym
7. Juli, 2010 13:29

Was mich an dem Evita-Plakat auch gewundert hat: Was macht der Titanic-Sonnenuntergang-Meereshintergrund bei Evita?

Marko
7. Juli, 2010 13:32

Die Evita-Dame sieht aus wie aus “Poser” rausgerendert. Grausig.

Gruß,
Marko

Dietmar
7. Juli, 2010 13:42

Der Dame fehlt der Muskeltonos.

Nein: Die hat es einfach nicht verstanden. Ist auch zu jung, um einen Bezug zu Evita zu haben.

Achim
Achim
7. Juli, 2010 13:58

Auch in Trier wird recht öffentlich für die Puffs geworben, allerdings für “Clubs”, nicht für Laufhäuser.
Nachmittags sah ich auf der Videowerbewand beim Stadion eine Werbung für so einen Club, abends noch nie, wer aus Wasserbillig vom Tanken kommt, den empfängt dann so ein Anhänger für einen anderen Club, und bei der Ausfahrt von einer Disko und einem Edeka steht ein Hinweisschild, dass die Villa Brillant nur noch 500 Meter entfernt wartet.

Und zu Evita, tolle Werbung, don’t cry for Barbie-Girl, Argentina.

@G und Mencken:
Der eine Arm ist von der Seite so ziemlich komplett zu sehen, während der andere Oberarm ein wenig seitlich von vorne zu sehen ist. Der Effekt lässt sich leicht nachvollziehen, wenn man ein Lineal auf den Tisch legt und ein wenig um den Tisch herum geht, einmal sieht man die komplette Länge, wenn man etwas mehr zur Seite ist, sieht man weniger vom Lineal, es nimmt einen kleineren Teil des Sichtfeldes ein, während das Sichtfeld gleich groß ist, das geht sogar bei konstanter Entfernung zum Lineal.

Mencken
Mencken
7. Juli, 2010 14:54

@Achim: Schon richtig, aber der linke Arm (aus Sicht der Darstellerin) kommt mir dennoch überlang (und etwas “verformt”) vor, selbst wenn ich den direkten Armvergleich mal ignoriere.

Marcus
Marcus
7. Juli, 2010 15:07

Mir war “Laufhaus” auch nicht geläufig (pardon the pun). Aber auch ohne dem ist ziemlich eindeutig, was die da bewerben, oder?

@Mencken: Eben. Das Problem ist nicht die Perspektive am rechten Arm, sondern die Proportion am linken. Man “klappe” den Arm vor seinem geistigen Auge mal runter – die könnte sich am Knie kratzen, ohne den Oberkörper runterbeugen zu müssen. Irgendwas mit dem Oberarm und der Schulter ist da verzerrt.

Aber davon mal abgesehen: hölzerner rüberkommen als Madonna ist ja auch ne Leistung.

Und ist “Don’t cry for me Argentina” nicht seit Samstag sowieso die Maradonna & Messi-Hymne? 😀

Marcus
Marcus
7. Juli, 2010 15:13

Und zur “Gentlemenbar”: nun ja, “Freiertresen” klingt halt doof.

In China (wo Prostitution ja verboten ist) nennt man sowas übrigens “Massagesalon”. Ich fragte mich immer, wie echte Masseusen das finden. 😉

milan8888
milan8888
7. Juli, 2010 15:17

Die Laufhaus-Anhänger stehen doch bestimmt schon seit 5 Jahren in ganz München herum

Lari
7. Juli, 2010 17:04

Hier an der Autobahnauffahrt steht ein solcher Anhänger mit dem sympathischen Slogan “Kommen Sie doch mal bei uns”.

Das Thaibox-Poster ist ultimativ. In dem Laden lernt man bestimmt auch den Todesstoß.

@Marcus: Masseusen dürften das ganz okay finden – das sind immerhin die, die in diesen Salons zugange sind. Die, die bei der Arbeit angezogen bleiben, sind Masseurinnen. 😉

realstar
realstar
7. Juli, 2010 17:04

Die dargestellte Kampfsport-Pose ist völlig realistisch beim GnP BJJ. Man is da als Trainierter auch alles andere als wehrlos.

Achim
Achim
7. Juli, 2010 19:05

Die Mikrophone, die verzerren das Bild des Armes, wenn das Püppchen den Arm runter klappt, also den Linken, erreicht die linke Hand nur den Oberschenkel ein wenig unter der Hüfte, das ist eine optische Täuschung, die ich nicht nachvollziehen kann.
Natürlich war an dem Bild eine Bearbeitung vorgenommen worden, aber ich glaube nicht, dass man den Arm verändert hat, man hat nur den Hintergrund hinter die Barbie und die Mirkos vor den Arm der Barbie getan; wenn ihr micht fragt.

Dietmar
7. Juli, 2010 23:23

Das mit dem Arm ist eine optische Täuschung, weil ihr rechter, also vom Betrachter aus der linke Arm, durch die Rundung der Litfaßsäule optisch gestaucht wird, während der andere perspektivisch nicht so stark verzerrt wird. Und außerdem steht sie etwas schräg mit ihrer rechten Schulter zum Betrachter, was eine optische Stauchung erzeugt.

Peroy
Peroy
7. Juli, 2010 23:28

Ja, erzählt mir mehr darüber, warum der eine Arm länger ist als der andere… *saufen*

Marcus
Marcus
7. Juli, 2010 23:31

@Achim: nee. Der Oberarm hinter den Mikros und die dazugehörige Schulter wirken irgendwie einen Tacken zu groß, das lässt sich doch wohl nicht bestreiten. Der Oberarm ist oben unter der Achsel doch fast dicker als der Hals!
Aber woran das liegt, kann ich mir auch nicht erklären. Die Perspektive ists nicht, der Arm liegt ja so ziemlich im 90-Grad-Winkel zur Kameraachse. Wieso die davorkopierten Mikros eine optische Täuschung erzeugen sollen, leuchtet mir nicht ein. Bliebe eine absichtliche Manipulation, aber wieso sollte man das machen? Oder ob es vielleicht was mit der gekrümmten Oberfläche der Litfaßsäule zu tun hat?

@Lari: grmpf. Meine initiale Reaktion war ja “Was redet der denn für’n Stuss?”. Bis mich mehrere Online-Wörterbücher eines Besseren belehrten. Man lernt nie aus…

Marcus
Marcus
7. Juli, 2010 23:36

@Dietmar: du schon wieder. 😀

Und ja, es ist vermutlich wirklich wegen der Krümmung. Leider findet sich keine “flache” Version des Plakats im Netz. (Wieso auch, es ist ja – wie vom Wortvogel schon festgestellt – potthässlich).
Aber egal – es sieht trotzdem irgendwie verboten aus.

@Peroy: Zufrieden? 😎

Peroy
Peroy
7. Juli, 2010 23:51

@Marcus: Dei Mudda…

Burner
Burner
7. Juli, 2010 23:55

Ein Laufhaus, soso… Hab´ ich bis jetzt auch nicht gekannt, aber mein Wortschatz wird auch in Zukunft ohne diese unsägliche Vokabel auskommen.

Dietmar
8. Juli, 2010 08:00

@Peroy: Gerne doch: Ihr rechter Arm erscheint nicht nur kürzer, sondern sogar auch dünner, weil alle raumparallelen Linien auf einen Fluchtpunkt zuzulaufen scheinen. Das ergibt einen gar lustigen Effekt, weil die zweidimensional abgebildete Barbie auf dem Plakat mit ihrer rechten Körperhälfte näher zum Betrachter steht, das Plakat aber auf die dreidimensionale Litfaßsäule aufgebracht eben den Arm dieser Körperhälfte nach hinten rückt, was dann wiederrum zweidimensional abgebildet wurde.

Jederzeit gerne. 🙂

Dietmar
8. Juli, 2010 08:09

Übrigens denke ich beim erneuten Betrachten, dass dieses Barbie-Posing auf das Konto des Fotografen/des Managements geht: Man wollte auf die Schönheit Evitas abheben. Wie üblich sind das wohl Leute, die glatt polierte Oberflächen wollen.

Sven
Sven
8. Juli, 2010 11:21

Da gibts btw das Bild auch ohne Litfaßsäule:

http://www.evita-musical.com/Evita.html

Es sieht dort meiner Meinung nach nicht so verzerrt aus, trotzdem aber komisch.

Dietmar
8. Juli, 2010 11:45

Ja, da sieht man es: Hochglanz-Attraktivität vs. Ausdrucksstärke.

TRESIE
8. Juli, 2010 15:25

In Berlin sind wir schon weiter. Für das größte Bordell der Stadt, das “Artemis”, macht die BVG (der Berliner Nahverkehrs(!)betrieb) auf ihren Bussen ganzflächig Werbung.

Die Litfaßsäulen-Evita erinnert mich an eine bekiffte Gwyneth Paltrow.

Tina
Tina
8. Juli, 2010 16:42

Ich las eben bei TRESIE: “… auf ihren Busen ganzflächige Werbung.” Bin verwirrt! 😛

Tankleader
Tankleader
8. Juli, 2010 17:00

In so einem Nachschlagewerk für Anzeigen habe ich mal eine für ein Kampfsportstudio gesehen:
“Wir lernen dich nicht den „Weg des Drachens“ aber dafür wie du die Scheisse aus dem Kerl prügelst der deine Freundin angrapscht“
„…der nachts in dein Haus einsteigen will.“ (sinngemäss). Fand ich auch noch schön.

björn l
björn l
8. Juli, 2010 18:07

zu Bordell, Laufhaus ist schon eine Untergruppe von Bordell. Zimmer sind angemietet, man läuft durch (daher wohl auch die Bezeichnung), kann man auch in der wiki nachlesen.
Beim Gentlemanclub denke ich auch nicht an Bordell, verbinde ich eher mit Strplokal mit gehobenen Ansprüchen, also auch kleinen, einstudierten Auftritten (mit dem deutlichen Unterton, dass es dort halt keinen käuflichen Sex gibt, sondern höchstens (wie auf der anderen Seite noch extra beworben) einen tabledance.

Sehe da also kein “um den heißen Brei herumreden”, sondern den Wunsch genau zu betiteln was man dort erwarten kann

Dietmar
9. Juli, 2010 00:19

@björn I: Wie gut, dass Du Dich in der Materie auskennst. 😉

pa
pa
9. Juli, 2010 13:19

Diese Evita wirkt eher so, als würde sie einem Lastwagen beim Parken helfen: “Noch einen Meter… nein, wieder etwas nach vorne…”