Leading and leaving the life less ordinary: Zum Tode von Martin Gardner
Themen: Neues |Bei heise habe ich es eben erfahren – Martin Gardner ist tot. Nun kann man bei einem Alter von 95 nicht mehr lamentieren, jemand sei “zu früh abberufen” worden, zumal Gardner sich sicher gegen den Gedanken verwehrt hätte, Tod habe etwas mit einer bewussten Abberufung zu tun.
Gardner war einer der ersten und einer der wichtigsten Vertreter der modernen Skeptik und ein Vorreiter von Koryphäen wie Carl Sagan, Stephen Jay Gould, Michael Shermer, James Randi und Richard Dawkins (es lohnt sich, jeden dieser Namen zu googeln, wenn ihr sie nicht schon kennt).
Ich kam über Umwege zu Gardner. In Artikeln im “Skeptical Inquirer” und “Skeptic” bezog man sich immer wieder auf seine als wegweisend bezeichneten Arbeiten. Michael Shermer erwähnt ihn mehrfach in seinem exzellenten Buch “Why people believe weird things”. Gardners Kolumne für den “Scientific American” entsprach dem, was Ben Goldacre heute mit “Bad Science” beim britischen “Guardian” macht – sie lehrt Menschen, genauer hinzugucken, nachzufragen, und angebliche “Fakten” von schlichtem Unfug zu unterscheiden. Kurz: kritisches Denken.
Die konstanten Verweise machten mich irgendwann so neugierig, dass ich mir einen echten Klassiker bestellte: Gardners “Fads & Fallacies”. Ich las das Buch in einem Urlaub in Ägypten 2005, der ansonsten arm an Ereignissen war. Es ist zurückhaltend, aber dennoch unterhaltsam geschrieben und es räumte bereits 1957 kompakt mit vielen unkaputtbaren Mythen auf: Atlantis, Orgon, Ufos, Psionik – und die noch nagelneuen Theorien eines zweitklassigen SF-Schreiberlings namens L. Ron Hubbard bekamen auch ihr Fett weg. Gardner erklärte nicht nur, er vermittelte auch die Werkzeuge, um es ihm gleich zu tun. Aufklärer und Lehrer in der unaufdringlichsten Form.
Vieles, was Gardner schrieb, war mir längst bekannt – aber ich kann mir kaum vorstellen, wie es 1957 gewirkt haben muss, als es die Skeptiker-Bewegung noch gar nicht gab und der Wissenschaft die klare Widerrede noch nicht antrainiert war.
Einerseits ist es frustrierend, dass auch mehr als 50 Jahre nach “Fads & Fallacies” wirre Theorien wuchern und Menschen Geld und Glauben an Scharlatane nicht verlieren, sondern willig verschenken.
Andererseits: Leute wie Gardner sind mein Licht. Sie überzeugen mich immer aufs Neue, dass Vernunft vielleicht ein erschreckend begrenztes, aber doch nicht aussterbendes Gut ist.
Martin Gardner ist tot. Doch sein pracht- wie machtvolles Vermächtnis bleibt. Es ist Geschenk und Verpflichtung zugleich.
P.S.: James Randi hat auch drüber geschrieben: “My world is a little darker…”
“Gardner war einer der ersten und einer der wichtigsten Vertreter der modernen Skeptik und ein Vorreiter von Koryphäen wie Carl Sagan, Stephen Jay Gould, Michael Shermer, James Randi und Richard Dawkins (es lohnt sich, jeden dieser Namen zu googeln, wenn ihr sie nicht schon kennt).”
Oder man lässt es…
Klasse, ein Blogbeitrag, in dem ich von KEINEN EINZIGEN Namen jemals etwas gehört habe… 😉
R.I.P. auch wenn ich noch nie was von ihm gehört habe…werde aber jetzt mal recherchieren/googeln 😉
Pfft. Wenn Du wenigstens über den Tod von interessanten Leuten berichten würdest…
Ronnie James Dio ist vor ein paar Tagen gestorben. Paul Gray heute. Die waren nicht nur interessant, die waren auch unterhaltsam… :p
…und die kannte ich! 😛
“Ronnie James Dio ist vor ein paar Tagen gestorben.”
Gott ist tot.
Das ist ja nicht mit anzusehen…
Für mich war er auch der Einstieg in die Konzepte kritisches Denken und Skeptizismus. Wer mit solchen Themen einen Zwölfjährigen begeistern kann, muss es schon echt drauf haben. (Na gut, und der Zwölfjährige muss ein ziemlicher Geek sein…)
Oh Verlust.
Lieber Wortvogel, vielen Dank! Das ist einer der persönlichsten und lesenwertesten Nachrufe auf Martin Gardner, die ich in den letzten Tage gesehen habe. Gardner wird posthum noch viele Leser finden – und das ist auch dringend nötig.
Die Vernunft hat eine Stimme weniger. Hoffentlich kommen genug nach.
Wieder einmal ein schöner Nachruf!
Das mit dem posthum noch viele Leser finden hat sich mit mir gerade bestätigt, “Fads & Fallacies” ist soeben bestellt.
Was gibts in der Skeptizismusecke an lohnenswerten (Doku)Filmen?
@Snyder: Eine gute Wahl! 😉 Eine kleine TV-Doku über die deutsche Skeptiker-Organisation GWUP und ihre Psi-Tests hat der SWR 2008 gedreht, siehe: http://ht.ly/1PsFe Rund 120 weitere Lesetipps für Skeptiker und kritische Denker hat die GWUP hier gesammelt: http://ht.ly/1PsHC
@ Stefan: Danke für die Tipps. Was Dokus angeht: “Religulous” ist sehr unterhaltsam, YouTube hat tonnenweise Material unter “Atheism” und “Richard Dawkins” zu bieten, die TV-Serie “Bullshit!” ist ein Knaller, und generell beantwortet das Skepdic alle offenen Fragen:
http://www.skepdic.com/
Von Randi noch sehr lesenswert: “An Encyclopedia of Claims, Frauds, and Hoaxes of the Occult and Supernatural”
…1957 als es die skeptiker-bewegung noch nicht gab…
ich sag jetzt mal so dahin, der begin der bewegung ist mindestens 500 jahre her und heißt AUFKLÄRUNG…ok, wahrscheinlich hätte der vatikan 1957 g. bruno und g. gallilei immer noch verfolgt, eingekerkert oder verbrannt. ich bin ein großer fan von dawkins, randi und k.o., aber erfunden haben sie vernunft, empirismus und religionskritik nicht.
@ zu-schauer-lich: Ich sprach nicht von der Aufklärung, sondern der modernen Skeptiker-Bewegung. Und die beginnt (für mich, natürlich kann man das anders sehen) bei Gardner.
….und manche Leute sind auch noch stolz drauf dass Sie diese Namen alle nicht kennen, so stolz dass Sie Ihre Ignoranz auch noch unbedingt im Netz verewigen müssen. LOOOOOOL!!!!!
@LILI: hä?^^deinen kommentar muss man jetzt nich wirklich verstehen,oder?^^
@ wtf: Da hat LILI schon Recht – es ist eine Sache, diese Männer nicht zu kennen (der Frauenquote halber hätte man sicher auch noch Susan Blackmoore erwähnen sollen). Aber das stolz zu verkünden, finde ich auch ein wenig albern.
@Wortvogel: ja, stimmt.wollte meinen beitrag auch noch editieren,aber war zu spät.hab erst jetzt alle kommentare gelesen.sorry
Einen unwissenschaftlichen Scharlatan und Christenhasser wie Richard Dawkins in einer Reihe mit einem echten Wissenschaftler zu stellen halte ich für…gewagt.
@Stephan: Scharlatan. Hm. Ich habe nur eines seiner Bücher gelesen, habe daraus aber eigentlich einen ganz guten Eindruck mitgenommen. Warum denn Scharlatan?
(Und über den Christenhasser könnten wir vielleicht auch streiten, aber wozu?)
@Stephan: Von der polemischen Ausdrucksweise mal ganz abgesehen – was für ein Unfug! Dawkins ist Professor, und eine Koryphäe. Gardner hingegen war “nur” Journalist.
Christenhasser – wenn ich sowas schon höre. Dawkins hasst keine Christen, sondern die Kirche (wenn man überhaupt von so etwas Irrationalem wie “Hass” sprechen will). Und dafür gibt es nach den Kreuzzügen, der Inquisition, den Hexenverbrennungen, der Nazi-Kollaboration, und Millionen kleiner alltäglicher Schweinereien auch wahrlich genug Grund. He hates the game, not the player.
Tolle Worte. Penn & Tellers Bullshit kann ich auch wärmstens empfehlen. Ich freue mich schon sehr auf die neue Staffel die im Juni anläuft. http://atheistmovies.blogspot.com/ ist auch ne gute Adresse, regelmässig neues von Dawkins, Hitchens und vielen anderen wichtigen Atheists- und Brights-Vertretern
Stephan hat da sicher überzogen, aber ich hatte eine ähnliche Anmerkung im Sinn: Um Gardner ist es sehr schade, aber mit Dawkins in Verbindung gebracht zu werden hat er tatsächlich nicht verdient (ebenso wie Sagan etc. dies nicht verdienen).
@ Stephan: Dawkins ein Scharlatan? Beweise?
Gruß,
Marko
Seinen Videos nach ist er ein selbstgefälliger, arroganter Arsch…
Was, wenn Du Recht hättest, per se nicht bedeuten würde, daß er ein Scharlatan ist. Und Recht hast Du auch nicht. 😛
Gruß,
Marko
@Wortvogel: Danke für den Nachruf! Hab damals zu Schulzeiten “Mathematischer Karneval” (oder so) von meiner Mathelehrerin(!) empfohlen bekommen und es sogar gelesen. Danach hab ich dann alles von Gardner gelesen, was in unserer Bücherei zu kriegen war. Ich finde es immer noch unglaublich, dass ein Journalist einen Schuljungen mit Mathematik so unterhalten kann (ich war vielleicht etwas nerdig, aber auf keinen Fall ein Streber).
Ergänzend zur Frage nach skeptischen Filmen möchte ich auf einige der hervorragenden Podcasts hinweisen:
The Skeptics Guide to the Universe – wöchentlich etwa eine Stunde. Der immer unglaublich gut informierte Neurologe Dr. Steven Novella und seine Skeptical Rogues plaudern kompetent, aber witzig über aktuelle wissenschaftliche oder skeptische Themen oder interviewen interessante Leute.
http://theskepticsguide.org
Skeptoid: wöchentlich 10 Minuten. Brian Dunning nimmt sich ein Thema vor und nimmt es akribisch auseinander.
http://skeptoid.com
Are we alone
14-tägig 1 Stunde: Seth Shostak und Molly Bentley vom SETI-Institut nehmen sich in dieser Radiosendung ein Thema aus dem weiten Bereich “Leben auf der Erde und die Möglichkeiten anderswo” vor und interviewen Wissenschaftler und Journalisten dazu. Sehr informativ und kurzweilig
http://radio.seti.org
Rationally Speaking
Podcast von Massimo Pigliucci. Eher philosophischer Angang von Pseudowissenschaften.
http://www.rationallyspeakingpodcast.org
Zum Thema Penn & Tellers Bullshit: Die Jungs sind schon ganz klasse, aber manchmal schießen sie auch über das Ziel hinaus, wie z.B. beim Thema Klimawandel oder Passivrauchen. Auch politisch/gesellschaftlich geht ihre libertarianism/consumerism-Masche für meinen Geschmack hin und wieder etwas zu weit. Es ist z.B. schon OK, unreflektierten Ökoglauben kritisch zu beleuchten, aber die ganze Bewegung lächerlich zu machen…
Ich behaupte auch nicht der ist ein Scharlatan, der Typ hat nur viel zu viel Spaß daran Recht zu haben…
“der Typ hat nur viel zu viel Spaß daran Recht zu haben…”
Pot, meet kettle. Enjoy your blackness.
Ich wüsste nicht einmal, was daran falsch ist. Ich habe auch Spass daran, Recht zu haben.
@ Donalbain: Danke für die tolle Liste – musste ich wegen der Links erst freischalten!
Ich bin sicher, Gardner wäre stolz darauf gewesen mit Dawkins in Verbindung gebracht zu werden. Und das, obwohl er sich selbst als “simpleminded fideist” sah, während Dawkins keineswegs nur gegen die “Kirche” kämpft (das wäre zu einfach), sondern gegen (jedwe)den Glauben, also auch den von Gardner. Aber sie sind beide Skeptiker und schreiben bewundernswert klar. Trotz aller Gegensätze, Brüder im Geiste.
Hmpf, jetzt, wo Donalbain den Mathematic Carnival erwähnt, fällt mir natürlich ein, dass ich seit Jahr und Tag Gardner im Regal stehen habe… aber ich hatte den geistig wirklich unter “unterhaltsame Mathematiker” und nicht unbedingt unter “professionelle Skeptiker” abgelegt…
@Liedzeit: da würde ich widersprechen wollen, bei Dawkins ist das Problem tatsächlich die eigene Inszenierung und das Abstellen auf das “Recht haben”, während es Gardner viel mehr darum ging, daß man hinterfragt und diskutiert, aber eben nicht darum, daß “seine” Seite unbedingt siegen muss.
Peroy hat da schon recht, Dawkins mag kein Scharlatan sein, ist aber ein selbstgefälliges Arschloch und auf seine Art jeglicher Form von Diskussion und Auseinandersetzung genauso abträglich wie die christlichen Fundamentalisten auf der anderen Seite.
Gardner war ein Typ, mit dem man nach einer Debatte auch als Gegner noch gerne ein Bier getrunken hätte, Dawkins ist hingegen jemand, bei dem man sich im schlimmsten Fall noch dafür schämen muss, daß er die “eigene Seite” vertritt.
@Torsten
Sicher war mein Beitrag polemisch überspitzt, aber ich glaube damit kannst Du ja leben 😉
Mir ging es nicht um Dawkins (unbestrittene) wissenschaftliche Reputation als Biologe, sondern um seine Ausfälligkeiten gegen Kirche und Religion, in denen er sämtliche Erkenntnisse moderner Theologie ausklammert und von einem Religionsbild des Mittelalters ausgeht. Das mag für ein paar Käffer im bible-belt zutreffen wird aber modernem, aufgeklärten Christentum (wie ich es auch für mich in Anspruch nehme) nicht gerecht.
@Stephan
Dann fällt das halt unter “Wem der Schuh passt….”
Es muss doch trotz der zahlreichen, vernünftigen Christen, Hindus, Asatru… erlaubt sein, gegen die negativen Auswüchse der Religionen anzugehen?
Dawkins’ Art und Weise mag einigen unsymphathisch erscheinen, aber es geht beim skeptischen Denken eben nicht um Kuschelpunkte.
Und nach Sympathiepunkten fragt ja wohl ein Papst auch nicht.
Wirklich traurig, dass Gardner uns verlassen hat, aber hey, er konnte im Bewusstsein eines hervorragenden Erbes gehen. Das wäre uns doch allen zu wünschen.
@Earonn
Erlaubt ist alles. Wüsste nicht, wo ich Herrn Dawkins etwas verboten hätte.
Ich halte es einfach für unlauter negative Beispiele zu verallgemeinern und darauf Thesen aufzubauen. Und für unwissenschaftlich.
Aber sei es drum: Ich bin jetzt vier Tage in (Gehirn)Ferien und wünsche allen Gläubigen und Gottlosen eine gute Zeit 😉
@Mencken: Dawkins Art muss man nicht mögen, aber The God Delusion ist eine Kampfschrift, da finde ich einen etwas polemischeren Ton okay. Ein selbstgefälliges Arschloch zu sein und sein zu dürfen, muss man sich auch erst mal verdienen. Egoistisches Gen und Meme reichen allein. (Ein anderes Beispiel ist Dennett, der auch oft als arrogant rüberkommt, aber im Wesentlichen, wie Dawkins, ein scharfer, analytischer Denker ist, der Konflikte nicht scheut.) Übrigens steht auf Dawkins Homepage, dass er Gardner letztes Jahr besucht hat. Bedeutet zwar nicht, dass die beiden Kumpels waren, ist aber ein Beleg, dass Gardner und Dawkins “in Verbindung” gebracht werden können.
@Stephan
Wünsche einen angenehmen Urlaub.
Es wäre mir nicht bekannt, dass irgendwo die positiven Seiten der Glaubensinstitutionen komplett ausgeklammert worden seien. Doch sei’s drum, da zieht halt jeder unterschiedliche Grenzen.
@Liedzeit: Mag alles sein, trotzdem nicht das, wofür Gardner steht und insofern für mich keine glückliche Verbindung.
Die “ein Arschloch zu sein, muss man sich auch erstmal verdienen” Argumentation sehe ich allerdings immer noch nicht, mag ja so sein, ändert aber auch nichts daran, daß kein Arschloch zu sein mir immer noch bedeutend lieber ist und mit Sicherheit auch nicht den Wert der getätigten Aussagen schmälert.
Dawkins ist zweifelsohne recht intelligent, pickt sich als Gegner aber wirklich immer nur Extremfälle und Leute, bei denen klar ist, daß sie ihm geistig nicht gewachsen sind, heraus. Neue Leute gewinnt er so nicht für seine Sache, noch kann er sie überhaupt für die Diskussion an sich interessieren oder wenigstens zur Diskussion neue Aspekte beitragen. Letztendlich predigt Dawkins nur zu den bereits Bekehrten und gibt da genauso den Chefpolemiker, wie dies Leute wie O’Reilly oder Savage für die selbsternannten Hüter konservativen Gedankengutes in den USA tun.
Natürlich kann man sagen, daß dies bereits Legitimation genug ist und die eigene Seite auch ein paar Kettenhunde braucht, aber ich hänge da immer noch eher der “man muss sich nicht auf das Niveau des Gegners begeben” Linie an. Selbst wenn dies nicht so wäre, ändert das aber nichts daran, daß Gardner stets in einer anderen Liga gespielt hat (in Intention und Stil) und ich finde es schade, wenn man ihn in eine Linie mit Leuten stellt, die -zumindest wenn man sie als direkte Nachfolger betrachtet- eine ziemliche Enttäuschung sind.