“Dr. Hope” Special (2): Regie-Tagebuch
Themen: Film, TV & Presse, Neues |"Die Zeitreise gelingt"
Drehtagebuch von Regisseur Martin Enlen
Am 6. Dezember 2008 wurde nicht nur in ganz Deutschland Nikolaus gefeiert, sondern auch im Münchner Wirtshaus am Schlachthof das Abschlussfest vom Dreh "Dr. Hope". Weit über hundert Mitwirkende (Team und Schauspieler) waren mit dabei, um das Ende der 50 Drehtage zu feiern. Ein emotionaler, bewegender Abschied, da für die allermeisten die Zeit und Arbeit mit "Dr. Hope" hier wirklich endete (für mich sollte sie noch bis Ende Juni 2009 weitergehen). In meiner traditionellen Abschlussrede kam ich auf einige ganz persönliche "magische Momente" während des Drehzeitraums zu sprechen. Sicherlich hat jeder Mitarbeiter so seine eigenen Erinnerungen, manche überschneiden sich auch bestimmt – aber dies sind meine:
((c) ZDF und Erika Hauri)
1. Drehtag
Wir beginnen im Park von Schloss Nymphenburg (den wir für Leipzig verkaufen) an einem großen See. Ursprünglich sollte die Szene mit Hope in einem Ruderboot stattfinden, aber da der See und die darin lebenden Tiere unter Naturschutz stehen, gibt es keine Boote – stattdessen viele Komparsen, die flanierend über Wege und Wiesen laufen. Und es ist ein wahrhaft großer Moment, als unsere Darsteller in ihren Originalkostümen an diesem besonderen Ort auftauchen. Es liegt noch ein leichter Morgennebel über dem See, die Sonne bricht zaghaft durch die Bäume, als nach meinem ersten "Bitte" diese eingefrorene, historische Postkarte das erste Mal zum Leben erwacht. Mein großer Respekt gilt auch Tim, meinem zweiten Regieassistenten, der es tatsächlich schafft, im Kostüm auf einem riesigen Hochrad durch das Bild zu fahren – ohne umzukippen! Und Heike (Makatsch), soviel ist nach wenigen Augenblicken klar, wird Dr. Hope mit soviel Leben füllen, dass ich mir um eine historische Starre keine Gedanken machen muss.
3. Drehtag
Hope und Otto heiraten standesamtlich. Das ging schnell, erst der dritte Drehtag, aber schön zu sehen, wie gut die Chemie zwischen Heike und Justus (von Dohnányi) stimmt. Nach seinen anfänglichen Bedenken hat er offensichtlich nun auch Freude, sich selber mal 20 Jahre jünger zu sehen…
5. Drehtag
Der erste Auftritt von Carl (Martin Feifel) – und dann gleich eine absolut mitreißende Rede vor über hundert "Arbeitern und Sozialisten" in einem engen, dampfigen Wirtshaussaal. Und Martin (Feifel) reißt uns alle mit. Nach einer Woche kann man sagen: Die Zeitreise gelingt!
11. Drehtag
Wir drehen in der Münchner Ruhmeshalle, direkt an der Bavaria. Das Oktoberfest ist gerade erst am Wochenende zu Ende gegangen, die Abbauarbeiten sind in vollem Gange. Wir versuchen, einen Blickwinkel zu finden, die unsere historische Illusion nicht stören, während der Tonmann einen hoffnungslosen Kampf führt: gegen den Lärm der Abrissarbeiten auf der "Wiesn".
12. Drehtag
Der Münchner Hofgarten ist unser Motiv. Großartig, wie viel man hier fast im 360 Grad Winkel zeigen kann (inkl. Frauenkirche), ohne später eine digitale Retouche vornehmen zu müssen – alles echt! Aber natürlich hat man an einem so zentralen Platz auch viele Zuschauer – leider nicht historisch gekleidet. Das weitläufige Absperren ist ein wahrhaft kompliziertes, logistisches Unterfangen mit vielen Zusatzhelfern. Aber es gelingt.
16. Drehtag
Wir sind an den sogenannten Osterseen (südlich von Starnberg), und der Wettergott meint es (wieder mal!) sehr gut mit uns: klare Sicht auf das fantastische bayerische Alpenpanorama! Heut hat "Baby" seine Premiere – das ist Hopes Oldtimer, der für diesen Film speziell angefertigt wurde, da es ja nicht nur historisch korrekt aussehen, sondern auch über Stock und Stein (und Wiese …) fahren soll. Ein großer Moment für uns alle, als der Wagen angetuckert kommt – und Heike lernt wirklich schnell, ihn zu beherrschen. Und auf dem Kühler (dem Fabrikatennamen) haben wir unsere Produzentin (Claudia) "Rittig" verewigt. Eine Überraschung, sie sieht es an diesem Tag das erste Mal und ist sichtlich gerührt. Wie schön – sie hat es mehr als verdient!
20. Drehtag
Ein sehr langer Tag bzw. eine sehr lange Nacht, da wir die Ankunft von Ottos Kutsche zum Jahrhundertwechsel drehen und dafür auch künstlichen Schnee erzeugen. Und zwar einen besonderen Schnee. Ich möchte einen, der durch die Luft schwebt, nur ganz langsam zu Boden fällt. Das ist in Wirklichkeit eine Art Asche, die sanft durch den Wind gleitet. Der Haken: Die "Fackeln", wie die speziellen Schnee-kanonen genannt werden, können nur bis zu zwei Minuten am Stück laufen. Schon deshalb erweist sich dieses Nachtbild als sehr mühsam, es ist sehr kalt und nass, und alle sind am Frieren.
21. Drehtag
Ich glaube, dieser Drehtag steht stellvertretend für die nächsten zehn – und das unglaubliche Glück, was wir haben. Nachdem wider Erwarten unser Antrag auf Filmförderung aus Baden-Württemberg abgelehnt wurde (und das Projekt dank dem ZDF noch gerettet wurde!), wurden alle Motive, die wir im Schwarzwald und Umgebung bereits angedacht hatten, wieder abgesagt. Ich vertrete die Meinung: Wieso auch Geld in einem Bundesland ausgeben, dass uns nicht haben will? Als Ersatzmotiv haben wir einen alten Bauernhof bei Kiefersfelden (nahe der österreichischen Grenze) gefunden, der als Dr. Hopes erstes Sanatorium dient. Ein magischer Ort, das war uns von der ersten Motivbesichtigung an schon klar. Die ansässige Familie ist unglaublich hilfsbereit, nett und verständig. Nur nicht die engagierte Katze, die auf Kommando durchs Bild laufen soll. Sie will einfach nicht auf ihren Tiertrainer hören. Zum Glück hatte der Kameramann sie einmal zufällig vor der Linse, und unsere Schnittmeisterin kann wahre Wunder bewirken. Doch die Natur hier draußen belohnt uns mit kaiserlichem Wetter und wirklich spektakulären Ausblicken. Wir sonnen uns in den Drehpausen auf den Almwiesen und genießen wirklich jeden Tag wie ein Geschenk.
((c) ZDF und Erika Hauri)
31. Drehtag
Der letzte Drehtag in der traumhaften Alpenkulisse! Das Motiv nennt sich ganz harmlos "Wanderweg" und wurde nach langer Suche am Kitzbüheler Horn in großer Höhe gefunden. Der Weg sollte gefährlich aussehen (Carl und Otto im Zweikampf) – und er ist es auch. Die Bergwacht hat viel zu tun mit dem Absichern von Team und Schauspielern. Und insbesondere für Justus und mich ist es gelinde gesagt "schwierig", da wir beide leider überhaupt nicht schwindelfrei sind. Eins ist klar – ein falscher Tritt, und man findet sich 500 Meter tiefer wieder… Doch die Naturkulisse ist einmalig: Über uns der Gipfel, in der Ferne das gesamte Alpenpanorama und über den Tälern die geschlossene Wolkendecke wie ein riesiges Meer aus Watte. Niemand, der hier mit dabei ist, wird diesen Tag je vergessen. Und allen, die diese Szene jetzt im Film sehen, sei gesagt: dies ist alles echt!
33. Drehtag
Ab heute drehen wir fast bis zum Ende auf dem Gelände der Bavaria Filmstudios. Viel Arbeit für die Ausstattung, diverse gebaute Wohnungen und Arztpraxen, aber ein Drehen mit der Logistik eines Studiogeländes. Großer Lichtblick: Der Caterer wird ausgetauscht. Nun gibt es endlich gutes Essen, liebevoll zubereitet und freundlich serviert! Der vorige Caterer war zumindest beim Wirtschaften gut. Er hatte den Inhalt der halbleeren Wasserflaschen als Spülwasser genutzt: Herpes-Gefahr!
39. Drehtag
Carl zieht in den Krieg, und Hope kann ihn nicht halten. Technisch nicht besonders aufwändig, aber ein echtes Paradestück für unsere beiden Schauspieler. Wie sie da stehen in ihren beeindruckenden Altersmasken und sich ein letztes Mal in den Arm nehmen! Man spürt sofort den epischen Rahmen unserer Geschichte. Beide schaffen es durch ihr intensives Spiel, die Anwesenden und mich zu Tränen zu rühren. Ein stiller, großer Moment.
49. Drehtag
Ein sehr langer Tag mit ausführlich geplanter Logistik, der uns in eine alte Arbeitersiedlung nach Augsburg führt. Da es die letzten Tage schon geschneit hatte, wurde bereits in mühsamer Arbeit der ganze Schnee an unserem Motiv "entfernt" – der Anschluss im Film hätte sonst nie gepasst – und so können Hope und ihre Mutter bei Sonnenschein ihre Wäsche auf der Wiese aufhängen.
50. Drehtag
Letzter Drehtag, wieder zurück in München. Der Drehort liegt ganz in der Nähe von Hopes wirklichem Wohnort in München. Und so schließt sich also der Kreis. Wehmütige Stimmung am Set, natürlich auch gepaart mit Erschöpfung und Erleichterung, es geschafft zu haben. Dies waren drei Monate intensivster Lebenszeit für alle Beteiligten, und es ist bereits Abend, als die letzte Klappe fällt. Viele Gedanken, Erinnerungen gehen mir durch den Kopf, und einiges davon werde ich am nächsten Abend in meiner Abschlussrede erwähnen. Magische Momente – mit all diesen Menschen, die sie erst möglich machen. Ich bin erschöpft, ich bin glücklich – und ich bin zutiefst dankbar.
Abdruck mit freundlicher Genehmigung des ZDF
Das letzte Bild erinnert mich etwas an "Wanderer über dem Nebelmeer".
Ich bin gespannt auf den Film.
@ pa: Die Ähnlichkeit ist gewollt, und in der Miniserie selbst noch frappierender.
Das liest sich wunderbar!
Hm, irgendwo habe ich wohl schon mal erwähnt, dass ich mich auf diesen Zweiteiler freue …
Schöner Bericht. Man sollte als Produktionsland "Bayern" nennen 😉
Ah, das war interessant. So langsam will ich den Film dann doch sehen… schade, dass das nichts wird. Werde erst im April wieder in der Nähe eines Fernsehers sein…
@Nobby: Fernsehverbot? Hausarrest?
*gnihihi*