27
Feb 2010

Journalismus 2010: Drecksarbeit

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Wenn ich mir die Meldungen der letzten Wochen so ansehe, dann muss ich mir selbst eingestehen, 20 Jahre lang naiv gewesen zu sein: Schmierenkampagnen scheinen ebenso an der Tagesordnung zu sein wie Bespitzelungen, und eine Branche verlangt nach Bestandsschutz, die nicht mal mehr die eigenen Mindeststandards erfüllt, mit denen sie sich angeblich von Bloggern und Online-Medien abhebt.

Mir sind diese Woche gleich zwei Dinge widerfahren, die aktuelle Probleme der gedruckten Presse dokumentieren, ohne gleich hochtrabende Begriffe wie “Qualitätsjournalismus” oder “redaktionelle Autonomie” zu strapazieren.

landidee Fall 1: Ich schreibe für die “LandIdee”. Das ist bekannt. Ein wertiges Heft, und wirklich befreiend, weil es grundsätzlich um positive Dinge geht, um das Schöne im und am Leben. Leser, Schreiber und Beschriebene bilden eine wohlfühlige Einheit, es ist eine win-win-win-Situation, die ohne Enthüllungen, üble Nachrede, und Panikmache auskommt. “LandIdee” ist gut für mein journalistisches Karma. Viel Arbeit ist es trotzdem.

Derzeit rödeln wir fleißig an der neuen Ausgabe, und dafür telefoniere ich ständig in der Republik herum, um alte Werkstätten und Familienbetriebe zu finden, die wir porträtieren können. Meistens ergibt sich eine freundliche, manchmal sogar herzliche Zusammenarbeit, die sich in liebevollen Reportagen niederschlägt.

Doch bei zwei möglichen Betrieben, über die wir eine Geschichte machen wollten, wurde ich mit einer skeptischen Zurückhaltung konfrontiert, die in fast identisch gestellten Fragen mündete: “Was soll uns das denn kosten, wenn Sie über uns berichten?”

Es stellt sich heraus, dass die Firmen mehrfach, manchmal sogar regelmäßig, von “Journalisten” kontaktiert werden, die einen Deal bieten: Berichterstattung gegen Geld, oder – juristisch sauberer – gegen Anzeigenschaltung. Es gibt auch die Variante mit dem Buch: Ein Betrieb wird in einem Prachtband über seine Region gefeatured. Dafür verpflichtet er sich, dem Verlag 100 Bücher abzukaufen. Bei 100 porträtierten Betrieben ist das eine exzellente verkaufte Auflage von 10.000 Stück, und das ohne wirtschaftliches Risiko. Das Geschäftsmodell ist üblicher, als man denken (und hoffen) sollte.

Nun höre ich nicht das erste Mal, dass “Berichterstattung gegen Anzeige” in der Printbranche kein Tabu ist. Gerade in Service-Zeitschriften, die Produkte vorstellen (Autos, Stereoanlagen, Videospiele) ist das gang und gäbe. Mehr noch: Auch die Bewertung der Produkte wird an das Anzeigenaufkommen geknüpft. Im Videospiel-Bereich werden Tester mitunter nur dann mit Mustern bestückt, wenn sie versprechen, dass der Titel eine Top-Wertung bekommt. Manchmal wehren sich die Kollegen, oft wird es aber auch als notwendiges Übel hingenommen.

Pfeif auf Begriffe wie Standesehre und journalistischer Auftrag: Ich habe keine Ahnung, wie manche Kollegen es mit ihrem simplen Selbstverständnis vereinbaren, ihre Arbeit und ihr Integrität derart schäbig zu verhökern. Die wirtschaftlichen Notwendigkeiten können doch nicht alles rechtfertigen.

Für mich kommt sowas nicht in Frage. Hätte ich im Auftrag von Firmen Waren unters Volk bringen wollen, wäre ich in die Werbung gegangen. In beiden Fällen habe ich den Betrieben versichert, dass wir kein Interesse an einer solchen “Kooperation” haben – wir berichten im Interesse unserer Leser, und das ist nicht käuflich. Sichtliche Erleichterung war die Reaktion, und das Resultat sind bezaubernde Reportagen, die in der nächsten LandIdee (kommt Ende März) zu lesen sein werden.

TVsuende Fall 2: Ich schreibe für die “TV Sünde”. Das ist bekannt. Ein Radau-Heft der fast schon satirischen Sorte, rüde im Ton, luderig im Bild, und mit einer hohen Preis/Möpse-Ratio für Leute, die ihre TV-Zeitschrift “nach Gewicht” kaufen (darf’s ein bisschen Fleisch mehr sein?). So wie die LandIdee gut für mein journalistisches Karma ist, so wird die TV Sünde mich in die Hölle bringen. Aber es macht Spass, auch mal über Rockstars und ihre Penisse zu schreiben. Die TV Sünde ist vielleicht kein Sturmgeschütz der Demokratie, aber sie ist “harmless fun” für eine Leserschaft, die in jedem Werbeblock nach Mitternacht rüdere Kost geboten bekommt.

Nun war ich kürzlich in den USA unterwegs, und stolperte bei meinen “Recherchen” (ähem) auch in ein Etablissement der “Coyote Ugly”-Kette. Franchise hin oder her: Diese Saloons mit dem billigen Bier und den sexy Girls hinter dem Tresen haben mir gefallen. Irgendwann dachte ich: Schicke Grundlage für einen Artikel in der TV Sünde. Dann kann ich sogar das Bier absetzen, und die zwei Dollar, die ich beim “booze ball” verloren habe.

Grundlage jedes Artikels in der TV Sünde sind die Fotos – da ist das Heft nicht anders als die LandIdee. Wir kontaktierten also Coyote Ugly USA und Coyote Ugly Deutschland mit der Bitte um Pressefotos. Ich beschrieb den Amerikanern unser Heft folgendermaßen: “We have a few nude and semi-nude pictorials, but nothing too raunchy (that would get us banned from distribution, anyway). The articles mainly focus on cool places to go, how to look good for the ladies, and crazy sex laws from around the world. Harmless fun, really. We have done a similar feature with “Trashy Lingerie” from Los Angeles recently, an both parties were really happy with the result.”

Außerdem schickte ich noch einen aktuellen Cover-Scan, damit die US-Boys wussten, womit sie es zu tun hatten. Wir schämen uns für die TV Sünde nicht, und vermarkten sie deshalb auch nicht “sauberer”, als sie tatsächlich ist.

Tatsächlich bekamen wir einen ganzen Haufen toller Bilder von den Bars und den Babes, alles jugendfrei, versteht sich. Eine Kollegin besorgte noch ein paar weniger professionelle, aber allemal verwertbare Fotos aus den beiden deutschen Dependancen von “Coyote Ugly”. Sie versprach dem deutschen Lizenzbesitzer, er könne vor dem Abdruck einen Blick auf den Artikel werfen, um sicherzugehen, dass seiner Franchise dadurch kein Schaden entstehe. Das ist okay, und nicht unüblich. Quid pro quo.

Nun geschah ein blöder Fehler: Eine andere Kollegin schickte das Layout des Artikels als PDF zum Lizenznehmer mit der Notiz, der Artikel könne nun abgenommen werden. Problem: Der Text war noch Blindtext aus einer alten Ausgabe (was über Sexsucht bei Promi-Schauspielern, wenn ich mich recht erinnere), der richtige Text noch gar nicht geschrieben. Erbost rief der Lizenznehmer an und polterte, in dem “Artikel” kämen die Bars ja gar nicht vor. Ich erklärte ihm die Sachlage, bat um Verzeihung für den Fehler, machte aber auch klar, dass ich ihm sowieso nicht die Hoheit einräumen könne, den Tenor oder die einzelnen Formulierungen des Artikels zu bestimmen. Da bin ich bei der TV Sünde so strikt wie beim SPIEGEL.

Trotz aller testosteron-geschwängerten Streitigkeiten einigten wir uns schließlich darauf, dass der Artikel erscheinen können, sofern er vorab vom Lizenznehmer abgesegnet würde. Es wurde auch Zeit, denn das Heft sollte in Druck gehen. Angesichts meiner Begeisterung für die “Coyote Ugly”-Bar schrieb ich einen sehr positiven Text mit deutlich werbendem Charakter und einem besonderen Fokus auf der Tatsache, dass es sich bei aller Sexyness eben nicht um einen Bumsschuppen handelt, in dem man die Bargirls abschleppen darf. Titel: “Die heissteste Theke der Welt”

An dem Tag, an dem das Heft in Druck gehen sollte, kippte der Lizenznehmer den Beitrag. Warum? Es lag nicht an meinem Artikel. Konnte es ja auch nicht, der war respektvoll und enthusiastisch. Ich kann nur vermuten, dass sich der zuständige Herr endlich mal eine TV Sünde am Kiosk gekauft hatte – denn man wollte plötzlich “in so einem Umfeld” (ich paraphrasiere) nicht präsentiert werden.

Nun hätte er sich vorher schlau machen, und die Kooperation gleich von Anfang an ablehnen können. Hat er nicht. Man hat kooperiert, ohne sich zu informieren. Uns am Tag vor Druck ins Kreuz zu treten ist nicht gerade im “spirit” einer guten Zusammenarbeit. Wir haben von Anfang an mit offenen Karten gespielt, und der Artikel ist so positiv, wie er nur sein kann. Aber egal: Ohne die lizensierten Bilder war der Beitrag undruckbar, und genau diesen Hebel nutzte der Lizenznehmer.

Binnen von zwei Stunden musste ich eine doppelseitige Alternative finden, recherchieren, bildmäßig ausstatten, und schreiben – so kam es zu dem oben genannten Beitrag über “Rockstars und ihr bestes Stück” (der ziemlich gut geworden ist). Brutal, aber es braucht schon mehr, um mich aus der Ruhe zu bringen.

Was lernen wir daraus? So wie es viele Journalisten gibt, die sich mittlerweile auch als Anzeigenakquise ihres Verlages sehen, so gibt es viele kommerzielle Partner, die ernsthaft glauben, sich redaktionell einmischen zu können/dürfen/müssen. Für die ist “win-win” ein Deal, bei dem beide gewinnen – nur der Leser wird halt angeschmiert. Auf beiden Seiten ist der Respekt vor dem journalistischen Produkt erodiert, es ist zur reinen Rohmasse verkümmert, in die jeder seine Interessen und Vorgaben injizieren kann.

Mir bleibt als letzte Bastion der journalistischen Weißweste dieser Blog, und erfreulicherweise kann mir niemand verbieten, meinen gekippten Text zur “Coyote Ugly”-Bar hier zu posten. Das werde ich dieser Tage machen. Und zu den Bildern kann ich dann ja verlinken. Bätsch.



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Burner
Burner
27. Februar, 2010 20:53

Einer der Gründe, warum ich dieses Blog lese, ist Deine Berufsauffassung. Schön, dass Typen wie Du trotz allem weder aussterben noch kleinzukriegen sind. Keep on writing!

Lari
Lari
28. Februar, 2010 03:18

Ich hab vor ein paar Jahren mal für den Lokalteil einer Tageszeitung geschrieben – Szenarien wie die von Dir beschriebenen habe ich nicht erlebt, aber immerhin bat man mich, “keine schwierigen Wörter” zu verwenden, denn “das verstehen unsere Leser nicht.”

ben_
28. Februar, 2010 12:02

Mal abgesehen, davon dass ich für das Konzept von Landliebe eine denzente Sympathie hege (was vermutlich von meinem romantischen Wunsch ausgeht, auf dem Land zu wohnen) … finde ich von dem ganzen Artikel zuerst den letzten Absatz gut und schön und spannend.

Man führt sich das kaum genug vor Augen, aber was wir Blogger hier tun ist fan-tas-tisch … mir fehlen da die Worte. Aber ist das nicht toll. Ich meine … was für Fortschritt im Vergleich zu vor 20 Jahren. Was für eine Entwicklung.

Wortvogel
Wortvogel
28. Februar, 2010 14:36

@ Lari: Ich halte es für legitim, die Sprache an den Durchschnitt der Leser anzupassen, und dann ein paar Dezimeter höher zu zielen. Man schreibt schließlich, um sein Publikum zu informieren, nicht um es zu erziehen.

Johannes
28. Februar, 2010 14:42

Ähnliches wie Lari habe ich auch erlebt; wurde auch beim Schreiben für so ein kostenloses, regionales Käseblatt gebeten, nicht so schwierige Sätze zu bilden, sondern eher (Zitat!) “auf BILD-Niveau” zu schreiben, weil verständlicher. Bei selbem Blatt gab es auch “redaktionelle” Berichte über neue Geschäfte, für die diese Berichterstattung kostenlos, aber an eine Anzeigenschaltung gebunden war.

Und ich habe mal für ein Online-Videospielmagazin geschrieben und Spiele getestet. Bei einem Spiel wurde ich gebeten, die Wertung um ~10 Punkte abzusenken, weil die Wertung somit etwa im Wertungsschnitt der Konkurrenz liege: man wollte nicht so aus dem Rahmen fallen. Puh.

Tornhill
Tornhill
28. Februar, 2010 18:44

Oh Gott!
Dass es in dem Feld auch seinen Schnitt schwarzer Schafe gibt, war mir klar, aber Johannes’ Story schockt mich jetzt irgendwie direkt noch mehr, als der Artikel selbst. – Ich kann es ja (auch wenn ich es verurteile) nachvollziehen, wie sich Blätter kaufen lassen, aber Angst vor dem Herausstechen…? Das ist schon schräg.

Die Empfindlichkeit der “Kojoten” ist aber auch lächerlich…Mag sein, dass sie keine Bordelle sind, aber bei ihrer doch wohl…hm…eindeutigen Ausrichtung, sollten sie nun auch nicht gerade die konservative Sittlichkeitsfahne schwenken.

Dr. Dope
Dr. Dope
28. Februar, 2010 19:39

Ich bin gespannt, ob “Dr. Hope” das trashige Image des Wortvogels aufhübschen kann.

Lari
Lari
28. Februar, 2010 20:04

@Torsten: Mokiert wurden weder Fach- noch Fremdworte, sondern (meine ich) ein paar eigentlich harmlose Konjunktionen. Erziehen wollte ich niemanden, und wie Du denke auch ich nicht, dass man aus jedem Text gleich eine Haupt- und Staatsarbeit machen muss, aber präzise formulieren sollte man schon dürfen.

fwolf
28. Februar, 2010 20:13

Auch sehr beliebt: “Stell uns doch einfach ein paar Gratisexemplare deines Produkts” – in diesem Fall ging es um geräuscharme bzw. -lose PCs, die je nach Kundenwunsch konzipiert werden – seitens verschiedener großer Computermagazine. Man hat durchblicken lassen, dass dann auch die Bewertung gut ausfallen würde.

Na klar .. Mal schnell 3 – 4 Kisten im umgerechneten Wert von ca. 10 – 15k Euro für lau raushauen, und dann nur hoffen, dass man dann auch ne hübsche Bewertung bekommt .. sehr großzügig.

cu, w0lf.

w-P
w-P
28. Februar, 2010 20:19

“Ein wertiges Heft, und wirklich befreiend”, “Leser, Schreiber und Beschriebene bilden eine wohlfühlige Einheit, es ist eine win-win-win-Situation”, “Meistens ergibt sich eine freundliche, manchmal sogar herzliche Zusammenarbeit, die sich in liebevollen Reportagen niederschlägt.”, “und das Resultat sind bezaubernde Reportagen”

Mal ganz ehrlich – mir wird schlecht.

Heini
Heini
28. Februar, 2010 20:57

@w-P
Du lebst nicht auf dem Dorf – gell?

Wortvogel
Wortvogel
28. Februar, 2010 21:09

@ w-P: Mal ganz ehrlich – ist mir wurscht.

Achim
Achim
28. Februar, 2010 22:08

Warum soll man nicht auch positive Berichte schrieben dürfen, ohne dafür bestochen worden zu sein? Solche Artikel sind für die Leserschaft doch umso positiver, auch wenn sie vielleicht nichts davon wissen.

Mir fällt außerdem noch ein, dass ich nichtmal für die Schülerzeitung geschrieben habe. Ich erinnere mich jedoch an den Artikel “and justice for Metallica” von einem Bekannten, das war ein wahrer Headbanger, entsprechend fiel der Artikel auch aus.

Dude-N
Dude-N
28. Februar, 2010 22:18

@Lari: Präzise formulieren darf man. Also: “moniert”, nicht “mokiert”. Darüber hinaus: Leser 08/15 blendet sich, sobald er eine Formulierung nicht versteht, aus dem Text aus. Bei Wiederholung aus dem Heft. Portemonnaie zu, Affe tot.

Lari
Lari
28. Februar, 2010 22:32

@Dude: Flüchtigkeitsfehler. Touché.
Natürlich überfordert man Herrn und Frau 08/15 besser nicht, ich war damals allerdings leicht fassungslos, wie niedrig man seitens der Redaktion das Niveau ansetzte.

Jack Crow
Jack Crow
28. Februar, 2010 22:51

Ob das TV Sünde-Beispiel in diesem Zusammenhang soviel taugt weiß ich nicht so recht, eigentlich wollte sich da ja niemand in redaktionelle Angelegenheiten einmischen – dass das keine Art der Zusammenarbeit ist ist allerdings klar.
Ansonsten wusste ich das mit den “suventionierten” Bildbänden noch nicht, besonders überaschend find ich das allerdings auch nicht – im Wissenschaftsverlagswesen läuft das ganz ähnlich. Das Problem ist halt, dass solche Sachen eben über reine Verkäufe nicht genug Profit abwerfen. Solange es dabei um inhaltlich harmlose Sachen geht ist das sicher bedauerlich, aber schwer zu vermeiden ohne viele solcher Formate einfach sterben zu lassen. Gefährlich wird es aber natürlich im (zumindest potentiell) investigativen Journalismus, da dieser nicht nur einen Markt bedient, sondern eine öffentliche Aufgabe erfüllt. Meiner Meinung nach ist das absolut gleichrangig zu kulturellen Angeboten und muss ebenso vor reiner Kommerzialisierung geschützt werden. Wie das genau funktionieren könnte ist mir auch unklar, aber im Prinzip sehe ich nicht was hier Verlage fundamental von Theatern unterscheiden sollte.

Dietmar
Dietmar
28. Februar, 2010 23:33

@Lari: Ich war´s nicht! Ich bin nicht Dude-N! Nicht, dass Du das denkst, weil ich schon ein paar Mal trollige Typen mit Grammatik and stuff geärgert habe.

Und ich stimme mit Dir überein btw. 😉

blue
blue
1. März, 2010 01:37

Was für eine Selbstbeweihräucherung der Bloggergemeinde. Dabei hält man sich doch selbst im professionellen Leben nicht an irgendwelche Qualitätsstandards. Diese dann zweifelnden Anzeigengebern anzukreiden während man selbst über Populärgenitale schreibt – das bleibt erst einmal nachzumachen. Dann lieber bloggender Schreiner.

Julian
1. März, 2010 01:51

Es freut mich über die Maßen, dass Du diesen Post geschrieben hast. Ich glaube, naiv sind wir alle, die wir diesen Job einst aus einer Moralvorstellung heraus angetreten haben. Über uns sitzen Geschäftsleute, keine Journalisten, und nicht jeder von uns kann der “dunklen Seite” widerstehen.

Dietmar
Dietmar
1. März, 2010 01:54

Sieh mal einer an: Ein Beinpinkler (blue)!

Sir CumAlot
Sir CumAlot
1. März, 2010 03:28

Lieber Torsten,

auf der einen Seite schreibst du: “Im Videospiel-Bereich werden Tester mitunter nur dann mit Mustern bestückt, wenn sie versprechen, dass der Titel eine Top-Wertung bekommt.”, “Ich habe keine Ahnung, wie manche Kollegen es mit ihrem simplen Selbstverständnis vereinbaren, ihre Arbeit und ihr Integrität derart schäbig zu verhökern.” und “Für mich kommt sowas nicht in Frage. Hätte ich im Auftrag von Firmen Waren unters Volk bringen wollen, wäre ich in die Werbung gegangen.”

Auf der anderen Seite lese ich dann weiter unten: “Grundlage jedes Artikels in der TV Sünde sind die Fotos…”, “Sie versprach dem deutschen Lizenzbesitzer, er könne vor dem Abdruck einen Blick auf den Artikel werfen, um sicherzugehen, dass seiner Franchise dadurch kein Schaden entstehe.”, “quid pro quo” (was soviel heißt wie eine Hand wäscht die andere…), “…Angesichts meiner Begeisterung für die “Coyote Ugly”-Bar schrieb ich einen sehr positiven Text mit deutlich werbendem Charakter…” und “Wir haben von Anfang an mit offenen Karten gespielt, und der Artikel ist so positiv, wie er nur sein kann.”

Vielleicht verstehe ich es ja falsch, aber du schreibst da doch das du für den Herrn Kojoten einen werbenden Text anfertigst der seine Ware unters Volk bringen soll, für den du als Gegenleistung tolle Bilder bekommst und von dem auch die Zeitschrift für die du arbeitest profitiert. Also genau das was du weiter oben bei deinen Kollegen kritisierst und wofür du dich niemals hergeben würdest?

Bist du vielleicht doch in die Werbung gegangen?

Eisboer
Eisboer
1. März, 2010 03:55

@Sir Lanzelot:

Der Unterschied ist eignetlich offensichtlich. Diese Videospieltester bewerten das Spiel nicht objektiv, es wird ihnen vorgegeben.

Wortvogel allerdings hat auch schon ohne die Meinung von den Besitzern lobende Worte für die Bar gehabt und möchte nur um sie so zu drucken noch tolle Fotos dafür haben…Wodurch die Win-Win-situation entsteht.

Bei den Videospielen ist es wohl eher eine Win (entwickler) Lose (Videospielmagazin, weil nicht objektiv und möglicherweise zu gute Bewertung, als eigentlich verdient) – situation.

comicfreak
comicfreak
1. März, 2010 09:22

@ Wortvogel
..falls du mal über kleine Familienbetriebe in Rheinland-Pfalz schreiben willst, schick´ich dir gerne Kundenlisten und Betriebsfotos dazu
😉

Zum Thema:
Berichte über Firmenjubiläum, Neueröffnung etc. werden selbstverständlich gratis veröffentlicht!
Es wird einem nur seeeeehr nahe gelegt, den Bericht doch mit einer Anzeigenserie zu umrahmen, in der auch alle Kunden und Lieferanten mit auftauchen. Die Zeitung möchte nur die Namen und Telefonnummern und klappert dann alle ab, ob sie im Umfeld des Jubiläumsberichtes ihres guten, langjährigen Kunden, der sie ausdrücklich als Referenz angegeben hat, nicht eine kleine 4c-.Annonce schalten wollen…

Dietmar
Dietmar
1. März, 2010 11:31

Ich bekomme im Kultursektor unserer Region nur einen Artikel, wenn ich auch genügend Anzeigen schalte. Dazu kommt dann eine gewisse herablassende Haltung der Zeitung Künstlern gegenüber dazu.

Lobend sind die Artikel dann auch nur, wenn ich das Lob selbst schreibe, was ich nicht tue, weil das in meinen Augen nicht ehrenhaft ist, denn: Die Artikel muss ich trotz der Anzeigen selber schreiben, weil kein Redakteur zu den Veranstaltungen kommt.

So gesehen entspricht der Beitrag vollkommen meinen Erfahrungen.

Radio-Gott
Radio-Gott
1. März, 2010 12:07

lol, die TV Sünde hab ich mir mal um Silvester rum gekauft, weil sie die einzige TV-Zeitschrift war, in der noch die aktuelle Woche zu finden war. Ist doch die Zeitschrift mit Girl des Tages oder verwechsel ich da was?
(an dieser Stelle muß ich einfach noch mal erwähnen, dass ich Deinen Namen immer noch mit dem “Gong” verbinde 🙂 Hach, diese Foto-Fortstetzungsgeschichten damals(tm) )
Allerdings wundert es mich, dass Du erst jetzt mit der Frage “Wieviel kostet mich das?” konfrontiert wurdest. Wenn ich als Lokaljournalist jedes Mal einen Euro kriegen würde, wenn ich den Satz höre, hätte ich ein nettes Nebeneinkommen… 🙂
Und ich gebe voller Scham zu, damals ™ zu Lokalradiozeiten auch an einen redaktionellen Werbebeitrag mitgearbeitet zu haben. Allerdings mit schlechtem Gewissen.
Wenn ich von Kollegen höre, wieviel nicht gesendet wird in der Angst, Werbekunden zu verlieren, dann wird mir ganz anders und ich kann immer nur wieder sagen: Gut, dass es die öffentlich-rechtlichen gibt.

Klaus
Klaus
1. März, 2010 12:32

Das, was Sie schreiben, ist natürlich “wertig” und der Rest ist natürlich Schund. Soweitsogut. Und natürlich haben Sie Recht.
Nebenbei: Das schicke (?) Wort “wertig” gibt’s alleine gar nicht; nur im Zusammenhang als “hochwertig”, “minderwertig”, “zweiwertig” und ähnliches.

Dietmar
Dietmar
1. März, 2010 12:44

Was Steifärsche natürlich nicht verstehen: Sprache ist kreativ und Wortschöpfungen erlaubt, Klaus (schon wieder so ein Beinpinkler).

Fab
Fab
1. März, 2010 12:52

Zu Lari:
>>[…]bat man mich, “keine schwierigen Wörter” zu verwenden, denn “das verstehen unsere Leser nicht.”<<

Ich schreibe für eines der großen deutschen Kindermagazine. Mich bat man, schwierige Worte ruhig zu verwenden, aber am Zeilenende nicht zu trennen, um den Kindern das lesen zu erleichtern. Der Gedanke ist mehr derjenige, den Kindern die Sprache nahezulegen und ruhig auch mal bei schwierigen Worten die Eltern zu fragen.
So ähnlich sollten meiner Vorstellung nach Zeitungen auch denken. Nur durch das Lesen anspruchsvoller Texte kann sich ein Sprachverständnis überhaupt entwickeln.

Wortvogel
Wortvogel
1. März, 2010 13:06

@ Fab: Ich stimme durchaus zu – eine erkleckliche Menge an Fremdwörtern und Phrasen habe ich aus den anspruchsvollen Texten/Übersetzungen von Asterix, Donald Duck, etc.

@ Klaus: Aus dem “Wörterbuch der Jetztsprache”: “”Wertig” ist oder fühlt man sich, wenn man sich positiv von Minderem unterscheidend oder eine innewohnende Qualität besitzt.”

ich
ich
1. März, 2010 13:37

Ist “Landidee” eine Art Gegenentwurf zur “Landlust”? Wer war denn zuerst da?

Wortvogel
Wortvogel
1. März, 2010 13:44

@ ich: Die LandIdee verdankt ihre Existenz sicher dem Erfolg der Landlust. Das zu bestreiten wäre albern und unredlich. Aber das Heft setzt schon eigene Akzente, und wird von uns mit Liebe und Mühe gemacht. Man verzeihe mir da Parteilichkeit. Im Übrigen verweise ich auf die Suchfunktion dieses Blogs – ich habe über das Thema schon mehrfach geschrieben.

Wondraschek
Wondraschek
1. März, 2010 15:21

@Wortvogel
Wenn LandLust gelegentlich Artikel von der Nordseeküste braucht, kann die Redaktion sich gerne an mich wenden. Ich bin nämlich ein erstklassiger PR-Journalist mit exzellenten Themanangeboten. Das heißt, ich schreibe Artikel, bei denen Zeitschrift, Leser und Inserenten so richtig schön miteinander kuscheln können.
Will sagen: LandLust, wenn es Landleben in etwa entspricht, ist auf seine Art auch schöne heile Werbewelt: es setzt sich nicht kritisch sondern einseitig positiv und auf vorgefasste Art mit dem Landleben auseinander – also werbend. Und das sexy-hexi TV-Magazin macht bestimmt keine distanziert-objektive Medienberichterstattung, sondern lebt von der Symbiose mit den Werbeminutenverkäufern namens Fernsehsender.
Heißt wiederum: Gut gemachte PR wird eher dort indiskutabel, wo es für den Konsumenten nicht mehr spürbar wird. In kostenlosen Urlaubermagazinen, für die ich u.a. schreibe, wird nimand eine unabhängige Restaurant-Kritik erwarten. Also ist es legitim, wenn vor mir die Werbefrau anklopft und nach Anzeigen fragt – was durchaus nicht immer der Fall ist.
Und für LandLust schreibe ich auch gerne ohne Werbekoppelung.

Mencken
Mencken
1. März, 2010 16:20

@Wondraschek: Demzufolge ist die Idee also, daß ohnehin niemand die Restaurantbewertungen liest oder ernst nimmt und insofern kann man da ruhig allein nach der Anzeigenschaltung gehen?

Stefan
1. März, 2010 17:13

Als Fotograf sehe ich die Geschichte mit Coyote Ugly noch mal etwas schlimmer, denn das Problem wäre nicht gegeben gewesen, wenn eine Zeitung, die von Bildern lebt auch bereit wäre für Bilder Geld auszugeben. Macht mein Leben, und dass des Redakteurs nicht einfacher…

Wortvogel
Wortvogel
1. März, 2010 17:20

@ Stefan: Ich kann das gut verstehen – aber wo kein Geld da ist, kann auch keins ausgegeben werden. Magazine wie “TV Sünde” gäbe es nicht, wenn es nicht preiswerte und teilweise sogar kostenlose Bildquellen gäbe. Ob das begrüßenswert ist, sei dahingestellt. Fakt ist: Coyote Ugly hatte tolle Fotos von einer Agentur in New Orleans machen lassen. Hätte man sich nicht verkracht, wären die allemal toll fürs Heft gewesen.

Außerdem hätten auch eigene Fotos nichts geholfen – auch die müssen bei so einer Bar vom Besitzer abgesegnet werden.

Für die LandIdee reisen wir selbst, und lassen für die Reportagen auch professionell fotografieren.

Saffi
1. März, 2010 17:24

“Distanz” und “Objektivität”, das sind doch Märchen. Wir glauben da nur zu gern dran, doch sind wir (im Sinne von Menschen) nicht dafür gemacht.

Marko
1. März, 2010 20:13

@ Stefan: War grad mal auf Deiner Seite, Hammer Fotos! Kann ich mich gar nicht sattsehen dran.

Ich kann Deinen Einwand gut nachvollziehen, bin selber zwar kein Fotograf, kämpfe aber mit ähnlichen Problemen.

Gruß,
Marko

Wortvogel
Wortvogel
1. März, 2010 21:41

@ Saffi: Wo genau wurden Distanz und Objektivität erwähnt?

Saffi
1. März, 2010 22:20

@Wortvogel
Bezogen auf den Kommentar von @Wondraschek “distanziert-objektive Medienberichterstattung”, ging gar nicht gegen Dich, sorry.

Stefan
1. März, 2010 22:21

@Marko: Danke für Deine lobenden Worte zu meinen Bildern, wobei mein Blog vermutlich der bessere Ort für Dein Lob gewesen wäre 😉

Wortvogel
Wortvogel
1. März, 2010 22:25

@ Saffi: Aber Wondraschek bezieht sich ja darauf, dass die Hefte eben NICHT objektiv oder distanziert sind.

Saffi
1. März, 2010 22:32

@ Wortvogel:
Und ich glaube nicht, dass es sie wirklich gibt, die “distanziert-objektive Medienberichterstattung”, die Wondraschek da hoch hält, jedenfalls ist sie eher die Ausnahme. Aber ist schon richtig, das ist ziemlich off topic.

w-P
w-P
1. März, 2010 23:43

“@ w-P: Mal ganz ehrlich – ist mir wurscht.”

Ja, mir sind Rückmeldungen zu meinem Geschriebenen auch immer wurscht 🙂
Ich hab am Anfang wirklich überlegt, ob dass da oben Ironie sein soll – auf der einen Seite klagst du über die nicht vorhandene journalistische Unabhängigkeit, auf der anderen Seite machst du mit den schmalzigsten Worten, die die deutsche Sprache dir zur Verfügung stellt Werbung für dein “bezauberndes” Magazin.
Ist schon klar das du ein bisschen Eigenwerbung machen willst, aber in einem solchen Ausmaß? Daher das Zusammenkrampfen meines Magens. Aber naja… Wasser predigen und Wein trinken? 🙂

Dietmar
Dietmar
2. März, 2010 00:13

@w-P: In dem Artikel geht es knapp gesagt darum, dass Artikel von unabhängig scheinenden Blättern quasi gekauft werden. Was hat das damit zu tun, auf einem eigenen Blog eigene Werbung für ein eigenes Produkt zu machen? Nichts.

Den Moralapostel gibst Du hier gerade, und mit dem Magen würde ich mal zum Arzt gehen.

Wondraschek
Wondraschek
2. März, 2010 15:24

@ Mencken: Ne ne, meine Artikel sind stilistisch gut, informativ und werden gern gelesen. Nur die redaktionelle Unabhängigkeit ist nicht gegeben. Fast genausowenig unabhängig sind eine Softporno-TV-Zeitschrift und Magazine, die zu Freude der Inserenten das Landleben verkitschen und verniedlichen, bis es im Heft nirgendwo mehr nach Schweinegülle stinkt.
@ Saffi: Mit liegen überhöhte Forderungen an klassischen Journalismus fern. Ich will aber darauf hinweisen, das Wortvogel offensichtlich keinen klassischen Journalismus betreibt. Sein hohes Roß hat er lediglich bestiegen, um davon sofort wieder herunter zu fallen.
Da ich bisher nicht verstanden wurde, muss ich das jetzt wohl deutlicher ausdrücken: Wortvogel ist von der journalistischen Prostitution auch nicht viel weiter entfernt als unsereins. Umgekehrt gibt es für anzeigengesteuerten Journalismus Grenzen, die ich z.B. beachte: Schreibe positiv, aber nichts, hinter dem du nicht halbwegs stehen kannst.