15
Nov 2009

Ostzone 2009: www.politbüro.ddr?

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ddr

In diesen Tagen wird ja wieder viel über die DDR geschrieben, bzw. deren Untergang. Dazu kann ich nichts beitragen, was nicht schon anderweitig hundertmal aufgekocht wurde. Ich habe den Fall der Mauer und die Wiedervereinigung aus der Ferne (Düsseldorf, bzw. München) erlebt, und war seinerzeit nun wirklich mit anderen Dingen beschäftigt. Es galt schließlich, als Zeilenschinder beim GONG anzufangen, und das Abendprogramm von SAT.1 beschäftigte mich daher mehr als das 10 Punkte-Programm der Bundesregierung.

Was ich über die “friedliche Revolution” weiß, stammt aus dem SPIEGEL, und aus den “Tagesthemen”. Ich glaube, ich denke da wie viele: das ging alles zu hopplahopp, die Wiedervereinigung war zwar politisch gewollt, wäre bei einer Volksabstimmung zumindest im Westen mit Paukenschlag durchgefallen, und am Ende zahlen wir noch heute für die falschen Weichenstellungen der Jahre 1989-1993. Das macht die Wiedervereinigung allerdings nicht weniger richtig, allein schon im historischen Kontext.

Gestern kam mir allerdings ein – wie ich finde – hübscher Gedanke, den ich euch zur Diskussion stellen möchte: wie stünde es heute um die DDR, wenn es die Ereignisse von 1989 nicht gegeben hätte, und der Staat auch nicht an seinen Schulden erstickt wäre? Wie sähe ein real existierender Sozialismus (unter einem Honecker-Nachfolger, z.B. Krenz) heute aus?

Ich frage aus einem ganz bestimmten Grund: Ich kann mir die DDR mit Internet und Handys, mit Wlan und iPods, einfach nicht vorstellen. Schon in den 80ern hinkte der Osten böse hinterher, was Elektronik anging, Unterhaltungselektronik ganz besonders. Nennenswerte Heimcomputer gab es so wenig wie Videospiele, und vom Kombinat Robotron auf Messen stolz gezeigte Platinen waren oft nicht funktionsfähig. Man sich vorstellen, wie sehr sich dieser Graben in den 90ern vergrößert hätte.

Trotzdem lässt sich eine Situation in der DDR 2009 nicht einfach aus den Erfahrungen der 80er extrapolieren. Was in den 90ern passierte, war die Globalisierung auf informations-technologischem Gebiet. Internet und Handys bilden ein schwer kontrollierbares System, mit dem sich normale Bürger frei austauschen können. Wie hätte sich die DDR, mitten im technologisch hochgerüsteten Europa, dagegen abschotten sollen?

Hätte es irgendwann ein staatseigenes F-Netz für zum Westen inkompatible, altmodische Mobiltelefone gegeben? Eine Transferprotokoll, um ein in sich geschlossenes sozialistisches Internet zu ermöglichen? Hätte man, wie in China, eine gigantische Zensurbehörde aufgebaut, um das unaufhaltbare WWW wenigstens inhaltlich im Zaum zu halten? Hätte Margot Honecker heute eine Facebook-Seite? Gäbe es einen Ost-Codec, der MP3 Paroli bieten soll, und eine eigene Handhabung von Lizenzrechten der DDR-Musiker? Ein Ost-”Brauser” statt Firefox?

Mich würde interessieren, was ihr denkt: hätte sich die DDR (nach Gewöhnungsschmerzen) in das westliche/globale Informationssystem eingeklinkt? Hätte man nach eigenen, typisch spießig-hilflosen Alternativen gesucht? Hätte man die DDR zu einer “Insel der Ahnungslosen” im globalen Informationsmeer verkommen lassen? Oder wäre das ganze System DDR an den Widersprüchen zerbrochen?



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17 Kommentare
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dopey
dopey
15. November, 2009 18:59
kopfkratzer
kopfkratzer
15. November, 2009 20:24

es ist wirklich schwierig sich das vorzustellen…

vieles was ich mir vorstellen könnte hast du ja auch schon geschrieben(z.b. zensurbehörde,ost-browser usw.)…..

ich finde diesen gedanken aber wirklich ziemlich spannend.nur man muss da echt etwas länger drüber nachdenken(ich gebe mir mindestens 2 tage.warum?kp)

wenn in spätestens 7 tagen kein beitrag mehr zu diesem thema hier von mir stehen wird hast du eigentlich schon alles zusammengefasst,was mir auch eingefallen wäre.

pjotr
pjotr
15. November, 2009 21:09

es wäre uebrigens politbuero.dd gewesen. dd war naemlich die tld der ddr. 🙂

Simon Johnson
Simon Johnson
15. November, 2009 23:19

Angela Merkel wäre seit 10 Jahren Staatsratsvorsitzende der DDR (den senilen Honecker auszubooten war ein Klacks) und ich würde mich wie Bolle über den Amiga 1200 von meiner “Westverwandtschaft” freuen. 😉

Aber ernsthaft könnte ich mir eine “DDR 2009” nicht vorstellen. Der große Bruder UdSSR war nicht mehr bereit (oder in der Lage?) militärisch zu intervenieren und ein Einsatz der NVA Truppen hätte nur eines bedeutet: Bürgerkrieg.

Denn man darf nicht vergessen, die Unzufriedenheit über die politischen und wirtschaftlichen Zustände waren nicht nur in der Zivilbevölkerung sehr groß. Die Hälfte der Armee hätte die Seite gewechselt und…

Naja, das wäre bestimmt sehr blutig geworden. Aber zum Glück ist ja nichts passiert und die Diktatur konnte weitgehend gewaltfrei abgewickelt werden.

Lari
Lari
16. November, 2009 00:22

Die Frage erscheint mir in sich völlig verquer – im Prinzip fragst Du, was passiert wäre, wenn die DDR als Staat funktioniert hätte. Dann aber hätte auch kaum jemand ausreisen wollen, das heißt, eine Abschottung nach außen wäre überflüssig gewesen. Es hätte offene Grenzen gegeben, die Stasi wäre für den Durchschnittsostbürger so von Belang wie für unsereins der BND, die Robotron-Technik hinge durch die durchlässigen Grenzen nicht meilenweit hinterher und das Internet und andere Informationstechnologien unserer Zeit würde nicht zensiert, weil die DDR-Bürger mit dem System Ost im Großen und Ganzen zufrieden wären und es keinen Bedarf für Revolutionen gäbe.

Howie Munson
Howie Munson
16. November, 2009 00:31

Würd auch sagen das die DDR ohne kalten Krieg und großen Bruder nicht länger als paar Jahre länger existiert hätte.

Aber falls doch, würde es mich nicht wundern, wenn man 200X halt vom Westen das Cnetz inklusive Endgeräte erbettelt hätte und dafür die Störsender rund um Berlin fürs D & E Netz abgeschaltet hätte…
und Quelle wär jetzt nicht pleite *g*

Zwischennetz gäb es nur fürs Politbüro, Robotron würde aber das “D”TX-Modem “fertigen”, was einen zumindestens ermöglich würde als Partei oder FDJ Mitglied über schwarze Bretter Nachrichten auszutauschen, allerdings nur in schwarzweiß, weil die Secam Fernseher nicht mit dem Pal kodierten Signal zurechtkommen würden, was nunmal bei den umgelabelten Boxen hinten raus käme…

ne ernsthaft, das Problem war ja nicht das man keine fähigen Techniker gehabt hätte, sondern es einfach nicht genug Rohstoffe gab, die man ohne teurer Divesen beschaffen konnte…

Simon Johnson
Simon Johnson
16. November, 2009 01:16

Howie Munson, du bist aber fies gegenüber Robotron 😉 Ein KC85/4 http://bit.ly/2Ctqys war 1990 mein erster Computer – Datasette, war das ein Scheiß. Aber mit 12 ist man noch leicht zu begeistern.

Oh Gott. Eine DDR nach chinesischen Muster wäre für Internetuser bestimmt die Hölle! Eine moderne Stasi, nur 16 Mio. Einwohner, kleines Land – perfekt zur Rundumüberwachung. Privater Internetzugang ist verboten und nur in staatlich kontrollierten Internetcafes erlaubt. Internetporn ist “praktisch” unmöglich- ständig schaut einen jemand über die Schulter. Ne das geht ja gar nicht.

Kein Internetporn – das hätte ganz sicher auch zum Bürgerkrieg geführt. 😉

Was sie nicht verhindern konnten und/oder wollten war der Radio- und Fernsehempfang. http://bit.ly/21jgmi . ARD/ZDF hatten eine Abdeckung von 70-80 % der DDR plus ein paar dritte Programme und später die Privaten.

Wird Zeit Feierabend zu machen, war ein hartes Wochenende.

PabloD
PabloD
16. November, 2009 12:32

Wenn Robotron noch existieren würde, müsste ich jetzt freitags woanders trainieren gehen (da wäre vermutlich nix mit schicker Multifunktions-Sporthalle). 🙂

@Lari: “das Internet und andere Informationstechnologien unserer Zeit würde nicht zensiert, weil die DDR-Bürger mit dem System Ost im Großen und Ganzen zufrieden wären”

Da wäre ich mir nicht so sicher, so unmöglich erscheint mir eine chinesiche Lösung nicht. Freies Internet für Wandlitz, Stasi und Universitäten (natürlich für systemkomforme MAs), die Zivilbevölkerung bekommt in wenigen Hotspots eine abgespeckte Version. Auf dem flachen Land reicht es ja auch erstmal, wenn der Bürgermeister einen Email-Account hat. Wir haben damals bspw. erst 1995 (!) unser erstes privates Telefon bekommen, an ein flächendeckendes Netz war Ende der 80er überhaupt nicht zu denken. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass die SED-Führung (ohne Gewinnabsicht wie die Telekom) den Ausbau so flink vorangetrieben hätte. Die Hacker-Szene wäre allerdings interessant geworden 🙂

Wortvogel
Wortvogel
16. November, 2009 12:46

@ Lari: Ich habe nicht gesagt, dass die DDR als System funktioniert hätte – nur dass sie für dieses Gedankenexperiment 10 Jahre länger hätte durchhalten müssen. Das ist durchaus nicht unmöglich. Unterstellen wir, dass der Zusammenbruch der DDR von innen heraus geschah – wäre er nicht 10 Jahre später genau so zwangsläufig von außen geschehen, weil sich die Widersprüche zwischen globalisierter Restwelt und Inselsozialismus nicht mehr hätten vertuschen lassen? Der Westen hätte einfach starke WLAN-Router an die Grenzen stellen müssen, um DDR-Bürgern mit minimaler Ausstattung einen vollen Zugang zur Informationsgesellschaft zu ermöglichen. Der Browser wäre zum umgeschraubten Volksempfänger geworden. Mit einfachen Verschlüsselungstechnologien wäre die Telefon-Abhörung der Stasi dank Handys unmöglich geworden.

Meine These: Ein System wie die DDR kann nur existieren, wenn es Widerspruch unterdrückt, und die eigenen (oft auch offensichtlichen) Missstände bestreitet. Das wäre aber 1999 im Gegensatz zu 1989 gar nicht mehr gegangen.

Zweitens: Ich finde den Gedanken einfach lustig, mir ein VEB Kombinat für den “Musikabspieler digital Modell Leipzig K12B54, tragbar, mit Stoffschlaufe” vorzustellen…

Paralyta
16. November, 2009 18:29

Handys:
Ich denke man hätte Handymasten gar nicht aufgestellt, aus Angst davor, dass potenzielle Fluchtwillige diese Technologie zweckentfremdend nutzen würden. Damit im Grenzbereich zum Westen oder West-Berlin niemand mit einem eingeschleusten Handy aus der DDR telefoniert, hätte man wohl weitreichende Störsender aufgestellt, die ein Telefonieren nahezu unmöglich machen würden (so handhabte man es auch mit westlichen Radiosendern/-frequenzen).
Begründung um die Bevölkerung ruhig zu halten:
“Handystrahlen sind gesundheitsgefährdend. Wissenschaftler der UdSSR haben dies in aufwendigen Untersuchungen nachweisen können. Die DDR möchte deshalb nicht das Wohl der Bevölkerung gefährden. Anders im kapitalistisch-faschistischen Westen: wo die Gesundheit des einzelnen keinen Wert hat und man lieber Minderjährige in teure Jamba-Abo-Falle locken möchte, damit diese sich verschulden und in der Prostitution landen.”
Hätte die DDR doch noch ein paar Devisen übrig und hätte man es trotz aller Bedenken der Stasi dennoch gewagt Handymasten aufzubauen, hätte die DDR Lizenzen für das ausgediente C-Netz eingekauft oder ein kommunistisches Pendant entwickelt/eingekauft. Da man auf Handygeräte bis zu 30 Jahre warten müsste, würde die Stasi immer genug Zeit haben die wenigen hundert Handybesitzer auszuspionieren, um sie dann wegen Bagatellen-Hochverrats einzubuchten, damit deren freigewordene Handys dann an die nächsten Kandidaten vergeben werden könnten. Agenda 2010 hieße für die Stasi bis dahin ihre gesamte Bevölkerung einzubuchten.
Bamja-Werbespot würden dann so gehen:
“Na, Genosse, keine Freunde? Bock auf eine Feier mit anderen Genossen? Dann schicke “SCHEISS STASISPITZEL” egal an wen!”

Internet:
Ohne PC, Modem und Router kann man schwerlich ins Internet. Carepakete von Rosinenbombern abgeworfen würden sicher auffallen. Zudem wäre es ein leichtes Providernummern in den Telefonzentrale der DDR zu sperren oder auch den Datenverkehr zu beobachten. So könnte man ziemlich einfach eine antifaschistische Feuermauer (neuenglisch für Firewall) errichten, damit sich nicht massenhaft staatszersetzende Subjekte über die Datenleitung in den Westen uploaden.
Hätte die DDR wirklich das Geld für PC-Technologie und deren Resourcen und Herstellung gehabt, wäre das sicher selbst entwickelte DDR-Ware oder ausrangierter Mist aus dem Westen. Das Zwischennetz (neuenglisch für Internet) wäre natürlich wie in China der Zensur unterworfen. Wolfgang Schäuble und Zensursula von der Leyen würden dieser Zwischennetz-Behörde vorstehen und dafür sorgen, dass die Ossis nicht beim Anblick von Bildern von Südfrüchten nicht aufgeilen und kapitalistische Gedanken bekommen. Wenn sich bei jedem Ansurfen auf güügle.dd erst ein großes rotes “Halt, Genosse!”-Warnschild über die 16kbit Leitung zwängen muss, hätte die meisten DDR-Bürger dem neumodischen und unnützem Kram aus dem Westen sogar freiwillig den Rücken gekehrt.
Das wäre ein herber Schlag für die Opensource-Gemeinde, da das Politbüro sicher auf die vom Proletariat entwickelte Weichware (neuenglisch für Software) wie Linux oder Firefox gesetzt hätte. Das wiederum hätte die Welteroberungspläne des Sozialismus zerstört, der eigentlich vorsah über die kostenlosen Software und Massen von perfekt ausgebildeten Linux-Ossis und Opensource-Russenbombern den Kapitalismus erst mit Linux und Co. zu unterwandern um dann einerseits den kommunistischen Geist in der Welt zu verbreiten und andererseits mit dem teuren WissenWie (neuenglisch für KnowHow) so viel Devisen in den Osten zu pumpen, dass man die Berliner Mauer verlängern, vergrößern und und mit Laserkanonen und SaiberDein-Robotern (neuenglisch für Cyberdyne-Cyborgs) so weit verbessern könnte, dass keine Wessis mehr in die DDR hätten flüchten.

Fake
Fake
16. November, 2009 19:04

Naja, ich finde so eine oberflächliche Betrachtung etwas “typisch Wessi” 😉 . Meine Meinung dazu: Ich hab noch 1989 als 13jähriger im “Pionierhaus” einen Computerkurs gemacht und mich damals auch intensiv mit DDR Elektronik beschäftigt. Ich fand diese Zeit sehr interessant da 89 plötzlich einiges möglich wurde was vorher nicht ging was, wie ich später erfuhr, auch daran lag das die DDR 70% ihrer elektonischen Produkte in die SU exportierte (Rüstung) was nach dem “Ende des kalten Krieges” nicht mehr gebraucht wurde. Daher wäre auch in Sachen Computer und Unterhaltungselektronik etwas mehr möglich geworden. Meiner Erfahrung nach wäre aber “20 Jahre später” unspektakulärer und wenig drastisch: mit etwa 5 jähriger Verspätung hätte es alles auch in der DDR gegeben. MC gabs ja auch “Workmen” war “in Planung”. Internet gab es ja auch schon (afaik in 2 Unis). “Politisch” und wirtschaftlich könnte ich mir die Situation ähnlich China vorstellen …

Wortvogel
Wortvogel
16. November, 2009 19:24

@ Fake: Gestatte, dass ich eher deine Betrachtung für sehr naiv halte. “Alles bloß fünf Jahre später” stimmte schon 1989 nicht, und lässt völlig außer acht, dass die DDR ja nicht nur technologisch hinterher hinkte. Internet, Handy, etc. sind nicht nur Fortschritte auf technischem Gebiet, sondern globale Kommunikationsmittel, die den Zugang zu Information und die Demokratisierung der Meinungsäußerungen neu definiert haben. China hat massive Probleme, sich da abzuschotten – obwohl das Land wirtschaftlich stark, sehr isoliert, und mit einer eigenen Sprache gesegnet ist, die es vereinfacht, virtuelle Grenzen zu ziehen. Die DDR – mitten in Europa, den westdeutschen Zwilling durch Berlin quasi “im eigenen Haus”, hätte das wohl kaum gekonnt. Von der Frage ganz abgesehen, ob eine solche Informationsdiktatur etwas gewesen wäre, auf das man hätte stolz sein können…

Fake
Fake
16. November, 2009 19:49

“Etwas naiv” ist ja auch dieses Gedankenexperiment 😉
Etwas wie “die Wende” oder “Revolution” oder “Bürgerkrieg” hätte es imo sowieso gegeben. Das System kam ja nicht mal mehr mit den Veränderungen im eignem politischen Lager (Ostblock) klar, daher bin ich etwas ratlos wie ich mir das System (was ja dann irgendwie funktionieren müsste) vorstellen soll, um es dann am Internet usw “scheitern” zu lassen.

Lari
Lari
16. November, 2009 20:20

@WV: Du hast vollkommen Recht damit, dass eine repressiver und isolierter Staat wie die DDR heute einer wäre, in einer weltweit vernetzten Gesellschaft nicht existieren könnte, zumindest nicht mitten in Europa (die Situation in Ländern wie China, Nordkorea oder Iran wäre nur schwer damit zu vergleichen). Andererseits gehe ich davon aus, dass die DDR Ende der Achtziger vor dem totalen Kollaps stand und niemals noch zehn oder gar zwanzig Jahre die Grenzen hätte dicht halten können, weil spätestens mit dem Untergang der Sowjetunion die Lebensqualität ins Bodenlose gestürzt wäre. Länger hätte der Laden nur durchhalten können, wenn er wirtschaftlich rund gelaufen wäre, nur ist dann allerdings, wie gesagt, fraglich, ob irgendwer in diesem Arbeiter- und Bauernparadies an Revolution auch nur gedacht hätte.
Gehen wir aber davon aus, dass Internet und Mobilfunk bei einem etwaigen Umsturz von unten verfügbar gewesen wären, dann hätten sie vermutlich eine tragende Rolle gespielt.
Die Ironie an diesem Gedankenexperiment ist, dass die vorgeblich sozialistische DDR zu Fall gebracht worden wäre durch den tatsächlich sozialistischen Charakter der neuen Medien.

Mencken
Mencken
18. November, 2009 15:12

Der Gedanke ist lustig, aber ich stimme Lari zu – das Szenario ist so kaum vorstellbar, da die DDR eben vor dem völligen Kollaps stand und nicht in der Lage gewesen wäre, noch 10 oder 20 Jahre durchzuhalten. Da der Fehler aber eben im eigentlichen System bestand, müsste man von einer Parallelentwicklung ab spätestens der zweiten Hälfte der 60er Jahre ausgehen (was den Sozialismus killt, ist letztendlich die dann im Westen einsetzende Entwicklung von Freizeitindustrien und nicht länger “planbaren”, weil eigentlich nicht rationalen, Märkten).

Wenn ich dennoch eine Vermutung anstellen würde, würde ich denken, daß die DDR vermutlich schlichtweg an der Technik gescheitert wäre, bzw. allenfalls für die Eliten importierte Ware aus dem Westen zur Verfügung gehabt hätte. Wir reden hier schließlich von einem Land, das nicht mal in der Lage war, vernünftiges Toilettenpapier herzustellen, und zusätzlich auch noch die Unterstützung der UdSSR verloren hätte (oder gehen wir davon aus, daß der gesamte Ostblock weiterexistiert hätte?), insofern sehe ich nicht, wie sich die DDR gegenüber der BRD hätte behaupten können.

Davon mal abgesehen, wären vermutlich andere (bereits 1989 überaus drückende) Probleme wichtiger gewesen – mangelnde Devisen, Probleme beim Wohnungsbau und nicht ausreichender Wohnraum, Vollbeschäftigung kaum noch erreichbar, zusehends kritischere Bürger usw.

Jim
Jim
18. November, 2009 17:21

Mein Gedanke dazu ist, dass die (ganz allgemein gesprochen) Informationstechnologiewelle nur funktionieren konnte, weil der Ostblock zusammenbrach. Denn plötzlich stand ein ganzer Haufen Technologiehungrige dem Weltmarkt zur Verfügung und entsprechend der Nachfrage gab und gibt es auch mehr Entwicklung mit den uns heute bekannten Ergebnissen. Warum hätte es aber speziell in der DDR nicht Dinge wie ein Intranet geben sollen oder Spielekonsolen, man kann ja schlecht sagen, ob ein neues Staatsoberhaupt der DDR nicht gewillter und gewissenhafter gewesen wäre, den Problemen des sozialistischen Staates zu begegnen.
Aber ich sage mal, hätte meine Tante Eier, wär sie mein Onkel…

Kur
Kur
19. Mai, 2011 00:07

Sehen wir und ein Beispiel an: Apples “Facetime” Dienst für`s iPohone 4! Und ich denke, dass auch ein “DDR-Netz” über diese Schiene gelaufen wäre: Internet zum Daten-Transfer(Damit hätte man dann auch angeben können), beschränkte Geräte, beschränktes Netz. Apple macht`s möglich 😉