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Mrz 2009

Ruhe da vorne! Movie-Mania 2009 (52) Heute: Cannonball!

Themen: Film, TV & Presse, Movie-Mania 2009, Neues |

cannonball1USA 1976. Regie: Paul Bartel. Darsteller: David Carradine, Veronica Hamel, Dick Miller, Mary Woronov, Paul Bartel

Der Carcrash-Rennfilm der 70er Jahre ist in vielerlei Beziehung das legitime Kind der Biker Movies aus den späten 60ern: anarchischer Protest gegen das korrupte und autoritäre Establishment, die Freiheit der Straße als letztes Überbleibsel des amerikanischen Pioniergeistes. Das Heartland als Lawless Country, mit verschworenen Gemeinschaften aus Truckern, Rockern, und Whiskybrennern.  Innerhalb dieser lockeren Grenzen war Platz für Science Fiction (“Death Race 2000”), Avantgarde (“Two lane blacktop”), Komödie (“Smokey and the Bandit”), Horror (“Race with the Devil”), Action (“Breaker Breaker”), und sogar mythisches Drama (“Convoy”).

Das illegale Crosscountry-Rennen als Subgenre erreichte zwar erst mit den “Auf dem Highway ist die Hölle los”-Filmen des Stuntman Hal Needham seinen kommerziellen Höhepunkt, massiv präsent war es aber schon 1976, als Roger Corman mit “Cannonball!” den Nachfolger von “Death Race” auf die Straße schickte, und Regisseur Chuck Bail “Gumball Rally” drehte (zu dem komme ich demnächst noch).

Nachdem er sich an “Death Race 2000” eine goldene Nase verdient hatte, wollte Corman bei “Cannonball!” noch eine Schippe drauflegen: größeres Budget, bessere Stunts, breiterer Release. Eigentlich eine todsichere Angelegenheit. Aber wenn in Hollywood etwas gefährlich ist, dann ist es der Glaube an “eine todsichere Sache”…

Inhaltlich geht “Cannonball!” auf Nummer sicher, und etabliert das Grundgerüst aller weiteren Rennfilme des Jahrzehnts, auch wenn die Prinzipien schon aus den “Tollkühne Männer”-Klamotten bekannt waren: Verschiedene Teams (teilweise aus verschiedenen Ländern) versuchen, sich auf dem Weg zum Ziel auszustechen, mit allen Mitteln. Die Staatsmacht ist dabei ein noch größerer, übergeordneter Gegner, und das einzige Element, das die Fahrer zu einer Gemeinschaft schweißt.

Hauptfigur ist Ex-Knacki Coy “Cannonball” Buckman (Carradine), der mit dem Preisgeld von 100.000 Dollar ein neues Leben anfangen will. Von der Teilnahme abhalten will ihn seine Bewährungshelferin Linda, die gleichzeitig seine Freundin ist. Was Coy nicht ahnt: sein Bruder Bennie hat ganz eigene Gründe, ihn als Sieger sehen zu wollen. Auf dem Asphalt als Gegner unterwegs sind u.a. der Deutsche Wolf Messer, sexy Sandy (Woronov), und der skrupellose Cade. Die Strecke führt vom Santa Monica Pier bis nach New York.

Man sollte der Meinung sein, bei so einer gradlinigen Geschichte, und mit derartigen Profis vor und hinter der Kamera, könne gar nichts schiefgehen. Und der erste Eindruck gibt dem Recht: “Cannonball!” ist ein wunderschöner Film (Kameramann Tak Fujimoto kurbelte später diverse große Jonathan Demme-Filme, darunter “Das Schweigen der Lämmer”). Die Farben sind satt, die Rennszenen flüssig choreographiert, und immer wieder schwebt die Kamera über endlose Asphaltbahnen in kargen Landschaften. Allein der edle Look hebt “Cannonball!” schon aus der B-Liga, in der “Death Race” noch so deutlich spielte.

cannonball2

Allein, die schicke Kameraarbeit macht noch keinen guten Film, und sehr schnell wird klar, dass “Cannonball!” zwar alles mitbringt, was einen guten Carcrash-Film ausmacht, letzten Endes aber an der eigenen Einfallslosigkeit scheitert. Und bei der Autoanalogie zu bleiben: was nützt der tollste Wagen, wenn der spießige Fahrer keine Lust hat, aufs Gas zu treten?

Die Teams sind sehr schwach gebaut, und keiner hat letztlich einen wirklich zwingenden Grund, das Rennen tatsächlich gewinnen zu wollen, bzw. zu müssen: das junge Pärchen fährt eher aus Langeweile mit, der Countrysänger/Beifahrer ist schlichtweg pleite, und der junge Schwarze soll ja eigentlich nur den Wagen eines älteren Pärchens überführen. Cade will unbedingt Coy besiegen – aber warum genau, das wird nicht klar.

Weil die Teams keine nennenswerte Motivation besitzen, treten sie auch kaum direkt gegeneinander an: jeder fährt seine Strecke, Begegnungen sind eher zufällig, und wirkliche Fahrduelle bleiben die Ausnahme. Es ist bezeichnend, dass die meisten Situationen, die zum Aussscheiden eines Fahrers führen,  mit dem Rennen kaum etwas zu tun haben. Sogar der spektakuläre Massenunfall am Schluss betrifft unsere Helden nicht – die sind schon längst zehn Meilen weiter. Da ist es nur konsequent, dass am Schluss jemand das Rennen gewinnt, der am Sieg nur ein sehr peripheres Interesse hat.

Es ist wirklich erstaunlich, wie man einen Film über ein illegales Autorennen quer durch die USA derart lustlos und spannungsfrei schreiben und inszenieren kann. Nennenswerte Action? Fehlanzeige. Sex and Drugs and Rock’n’Roll? Nicht in diesem Theater. “Cannonball!” nimmt sich trotz der anarchischen Attitüde zu ernst – ein Fehler, den “Auf dem Highway ist die Hölle los” nicht wiederholen würde.

Wo die Figuren blass sind, können auch die besten Schauspieler nicht mehr viel retten, und so achtet man als Zuschauer mehr auf die vielen Gastauftritte von Leuten wie Roger Corman, Martin Scorsese, Joe Dante, Sylvester Stallone, und Jonathan Kaplan.

Ein weiteres Manko ist der Look von David Carradine – ganz so schwul mag ich meine Autohelden jenseits von “Speed Racer” dann doch nicht:

cannonball3Vielleicht ist “Cannonball!” ein guter Beweis dafür, dass man Filme eben doch nicht am Reißbrett entwerfen kann, dass zu einem erfolgreichen Kinostreifen neben den kommerziellen Notwendigkeiten auch der Funken Inspiration, das Quentchen Wahn, die Prise Risiko gehört. Alles, was “Death Race 2000” zu einem kleinen Klassiker machte, wurde hier mit dem schielenden Blick auf die Zielgruppe rausgeschliffen: das Ergebnis ist glatt, schick, massenkompatibel – und todlangweilig.

Wie üblich wollte ich einen Trailer zum Film posten, fand aber etwas ungleich Interessanteres: ein “Making of”, in dem die noch lebenden Macher ihre Meinung zum Film preisgeben – und die ist erfrischend ehrlich und selbstkritisch:

http://www.youtube.com/watch?v=65534tTkwg4



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4 Kommentare
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Dr. Acula
21. März, 2009 12:48

Ich verweise mal ganz schamlos auf mein Review 😉

http://wiki.badmovies.de/index.php/Cannonball

Wortvogel
Wortvogel
21. März, 2009 12:59

@ Jau, da sind wir uns ja wieder vergleichsweise einig. So muss das sein.

Dr. Acula
21. März, 2009 13:23

Du musst dich nur öfter uneingeschränkt der Wahrheit anschließen 🙂

Dr. Acula
21. März, 2009 13:44

Zum Making-of (erfrischend ehrlich, indeed) ist noch zu sagen, dass Mary Woronov sich wirklich gut gehalten hat *staun*