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Mrz 2009

Ruhe da vorne! Movie-Mania 2009 (51) Heute: Gumshoe

Themen: Film, TV & Presse, Movie-Mania 2009, Neues |

gumshoe1England 1971. Regie: Stephen Frears. Besetzung: Albert Finney, Frank Finlay. Billie Whitelaw, Fulton Mackay, Maureen Lipman u.a.

Mein Faible für den britischen Film der 60er und 70er Jahre ist angelernt. In meiner Kindheit liefen diese Streifen noch häufiger um Fernsehen, und sie haben mir nicht gefallen: seltsam farblos, schlechtes Wetter, Menschen mit schlechten Frisuren, und meistens sehr distanziert erzählt. Nichts, was einen Zehnjährigen zu Begeisterungsstürmen hinreißen könnte.

Aber jenseits der 20 änderte sich das – ich entdeckte den jungen Michael Caine, den manischen Malcolm McDowall, und die Filme von Nicolas Roeg. Es stimmt zwar immer noch, dass das britische Kino den Zuschauer nicht mit offenen Armen empfängt, und dass gewisse Tendenzen zur Exzentrik nicht zu leugnen sind – aber mittlerweile habe ich mit dem jungen englischen Film weniger Probleme als mit der Nouvelle Vogue/Vague.

Stephen Frears hat es in den letzten 40 Jahren trotz seiner nie abgelegten Indie-Attitüde zum etablierten Star-Regisseur gebracht: “Mein wunderbarer Waschsalon”, “Gefährliche Liebschaften”, “High Fidelity”, “Die Queen”. Der sperrige “Gumshoe” war 1971 sein erster Kinofilm, und schon ziemlich typisch für seine spätere Karriere.

Es geht um Eddie, der in einem drögen englischen Club als Ansager arbeitet, aber eigentlich von einer Karriere als Las Vegas-Entertainer träumt. Nebenher erschafft er sich eine fiktionale Existenz als Privatdetektiv vom Schlage Sam Spades, die er bis zur Lächerlichkeit konsequent durchspielt. Als er tatsächlich einen Fall bekommt, muss Eddie beweisen, dass er mehr ist als ein weltfremder Spinner: es geht um Drogen, Diplomaten, und schöne Frauen. Na ja, was man in England 1971 so für schöne Frauen hielt…

Was als erstes auffällt: “Gumshoe” verweigert sich einer klaren Einordnung in das Komödiengenre. Zwar scheint das Setup darauf hinzudeuten, dass der Film Noir parodiert wird, in der Erzählung bleibt der Film allerdings konsequent und durchaus ernst. Albert Finney gibt Eddie niemals der Lächerlichkeit preis, und milde humorvoll ist allenfalls der Kontrast zwischen Eddies amerikanischen Hardboiled-Dialogen und der sehr englischen Umgebung.

Obwohl “Gumshoe” manchmal in die Ecke mit “Tote tragen keine Karos” und “Eine Leiche zum Dessert” gestellt wird, gehört er doch eher ins Regal zwischen “Get Carter” und “Fahr zur Hölle, Liebling”, zu den ernsten Aufarbeitungen der Noir-Vergangenheit.

gumshoe2

Hat man sich erst einmal daran gewöhnt, dass “Gumshoe” wider Erwarten nicht lustig ist, stellt man erstaunt fest, dass die Mechanismen der “schwarzen Serie” auch 30 Jahre später, und auf einem anderen Kontinent noch prima funktionieren. Auch in England 1971 sind die Männer korrupt, die Frauen willig, und Faustschläge die besten Argumente. Ebenfalls authentisch der verzwickte Fall, in dem wir uns ein ums andere Mal hinterher von Eddie erklären lassen müssen, wie die genauen Zusammenhänge sind.

Die emotionale Isolation der meisten Figuren (ebenfalls aus dem Film Noir übernommen) erlaubt natürlich nur sehr reduzierte, aber durchaus intensive Darstellungen. Albert Finney ist dabei gewohnt souverän, und auch Billie Whitelaw als seine ihm hoffnungslos hörige Schwägerin kann wirklich überzeugen. Die anderen Frauenrollen sind eher ironisch angelegt, als Spielzeug für Eddies charmant gespielten Chauvinismus.

Nun bin ich wahrlich kein Experte für Soundtracks – ich habe einfach kein musikalisches Ohr. Trotzdem kamen wir einige Orchester-Passagen verdächtig bekannt vor. Diese hier zum Beispiel:

Ich meinte, darin das Musical “Sunset Boulevard” zu erkennen – aber das wurde ja erst zwanzig Jahre später komponiert. Umso größer war meine Überraschung, als ich im Nachspann las: “Music by Andrew Lloyd Webber”. Kein Wunder also – der Mann hat sich von seinem eigenen Soundtrack inspirieren lassen.

Kommen wir zum Abschluss, denn ich will auch nicht allzu viel verraten: “Gumshoe” ist eine weitere Perle des neuen britischen Kinos, das mitterlweile das zumindest gut gealterte britische Kino ist. Wenn man einen Draht zum Filmen wie “Alfie”, “Mona Lisa” oder “Sexy Beast” hat, macht man hier nichts falsch.

Da Youtube keinen Trailer bereit hält, habe ich euch die Eröffnungssequenz hochgeladen, die den Look und den Ton des Films prima wiedergibt:

http://www.youtube.com/watch?v=5Jg8h5fk6Hk



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Lutz
Lutz
20. März, 2009 11:55

Hätte nicht gedacht, dass du ALW’s Oevre so gut kennst, dass du selbst kleine Cues aus Sundest Boulevard wiedererkennst. Hätte ich nicht geschafft. Dazu muss ich allerdings zugeben, dass ich Sunset Boulevard nur teilweise und alles, was Webber danach gemacht hat, gar nicht mehr kenne. Aber Webber scheint mir neben James Horner sowieso der Komponist zu sein, der am meisten von sich abschreibt. Und dazu kommt dann noch etwas, das Roger Ebert sehr passend so beschreibt: “As soon as he finds one memorable tune, he starts rehearsing.”

Nach Betrachten der Eingangssequenz scheint es mir aber ganz passend, wenn er für Sunset Boulevard da abgeschrieben hat. Von der Zeit, in der das spielt, kommt das ja hin. Klingt auch noch nicht mal schlecht.

Von”Gumshoe” hatte ich bisher nichts gehört. Für mich sind aber englische Filme gerade aus dieser Zeit auch relativ unbekannt. Kommt aber jetzt auf die Liste der Filme, nach denen ich mal Ausschau halte. Danke für den Tipp.

Wortvogel
Wortvogel
20. März, 2009 12:02

@ Lutz: Wie gesagt – das mit dem Soundtrack war Zufall. Ich habe da echt kein Ohr für, aber das Ding lief jahrelang bei mir in der Dauerrotation, weil es mein erstes Musical war.

Der Komponist, der in meinen Augen am meisten bei sich selbst klaut, ist Jim Steinman. Wenn man sich z.B. den Instrumental-Soundtrack seines Frühwerks “A small circle of friends” anhört, dann findet man da die Cue praktisch aller großen Hits, z.B. “Making love out of nothing at all” und “Total eclipse of the heart”.

Wenn du in den britischen Film der 70er einsteigen willst, würde ich dringlich zuerst einmal “Get Carter” und “Sleuth” empfehlen. Michael Caine FTW!

gwildor
gwildor
20. März, 2009 12:46

Wer auf Film Noir oder Hard Boiled Detective stories steht sollte sich mal “Brick” reinziehen. Der versetzt das Setting in eine Amerikanische Highschool.

Wortvogel
Wortvogel
20. März, 2009 13:44

@ gwildor: um Film Noir geht es hier ja gar nicht, sondern um den britischen Gangsterfilm. “Brick” wurde mir mit zunehmender Laufzeit einfach zu konfus und albern. Ich bevorzuge (mit dem gleichen Hauptdarsteller) “The Lookout”, den ich auch auf dieser Seite schon besprochen habe.

Baumi
20. März, 2009 14:21

Michael Caine wurde mir jahrelang durch den affektiert näselnden deutschen Synchronsprecher verleidet. Erst als ich irgendwann mal einen Film mit ihm im Original sah, merkte ich, dass der Mann eigentlich ein ganz schön Guter ist.

milan8888
milan8888
20. März, 2009 15:27

Mir haben als Zehnjähriger zumindest die Carry On Filme gefallen 😉

Heino
Heino
20. März, 2009 16:53

Andrew Loyd Webber ist bei mir unten durch, seit ich vor 10 Jahren Starlight Express erleben durfte und dabei feststellen musste, dass der Kerl schamlos bei allen möglichen grossen Pophits abschreibt. Möge er in der Komponisten-Hölle schmoren.

Auch schlimm finde ich, dass Steinman`s “Tonight is what it means to be young” vom Streets of fire-Soundtrack inzwischen beim “Tanz der Vampire”-Musical recyclet wird.

Wortvogel
Wortvogel
20. März, 2009 17:08

“Tanz der Vampire” besteht ja zu einem nicht geringen Teil aus alten, umgetexteten Steinman-Hits. Für den größten Rockkomponisten der Gegenwart schreibt er erschreckend wenig Neumaterial. Allerdings müsste der schon kleine Kätzchen fressen, um sich es bei mir nach Bat out of Hell 1 & 2 und Original Sin noch zu verscherzen.

Heino
Heino
20. März, 2009 18:59

Naja, Steinman kann man wohl wirklich nur lieben oder hassen. Und Liebe konnte ich nie für ihn entwickeln……….

pa
pa
20. März, 2009 19:21

Der “junge Michael Caine” ist mir aus “Pulp” (IIRC “Malta sehen und sterben”?) von 1972 bekannt. Ist aber ein amerikansicher Film, aber doch recht amüsant. Ein Schriftsteller wird von einem Schauspieler, der gerne Mafioso wäre, angeheuert, seine Biographie zu schreiben. Die ganze Geschichte wirkt wie aus einem Pulp-Magazin.

Andreas Marx
Andreas Marx
20. März, 2009 21:52

Hmm der lief doch mal auf so einem bezahl ”Sender”?

also auf jeden fall gibt es ein Deutsche Syncro….

ah..ja..so hieß der: Auf leisen Sohlen .

Gruß

Andy

Lutz
Lutz
20. März, 2009 22:24

@ Baumi
Obwohl ich soweit möglich englische Originalfassungen von Filmen becorzuge, finde ich gerade Jürgen Thormann als Synchronstimme von Michael Caine immer sehr passend. So gehen die Geschmäcker auseinander.

@ Wortvogel
Ja ok, mit steinman hast du recht, den hatte ich allerdings nicht mit einbezogen, weil ich nur an Film- oder Musicalkomponisten dachte und ihn auch nicht auf der Rolle hatte, gerade weil ich “Tanz der Vampire” nur für ein einziges Best-Of seiner Melodien halte und immer dachte, dass es von vornherein so konzipiert war. Eigentlich kann jeder von den Dreien ziemlich tolle Arbeit machen (Steinman, Webber, Horner), aber alle drei haben auch schon ziemlich großen Mist hingelegt.

Wortvogel
Wortvogel
20. März, 2009 22:30

@ Lutz: Steinman hat NIE Mist gemacht! NIE! Kann der gar nicht!

Lutz
Lutz
20. März, 2009 22:44

@ Torsten: Nun, sicher ist es Geschmackssache und ich gebe zu, dass sich mir bei Celine Dion, so talentiert sie auch sein mag, grundsätzlich die Zehennägel kräuseln. Aber “It’s all coming back to me now” find ich trotzdem schlimm….

Ich danke dir übrigens jetzt hier mal eben für den Kommentar zu Eberts Blogeintrag bei “knowing”, um die Threads nicht vollzuspammen.

Übrigens.. omplett Off Topic, aber ich muss gerade mal meine Begeisterung kundtun. Ich habe mir heute die Pinocchio DVD zugelegt (habe noch kein Bluray) und bin absolut begeistert. Ich fand den Film schon immer großartig.. dieser Aufwand, der da betrieben wurde! aber durch diese restaurierte Fassung kommt das alles noch viel krasser Raus. Allein die Wasser-Effekte in der Schluss-Szene. Die DVD lohnt echt einen Blick, auch wenn man den Film schon kennt (was ich bei dir mal stark annehme) und wenn man ihn noch nicht kennt, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, zuzugreifen. Die Extras sind, zumindest teilweise, auch wirklich gut.

Wortvogel
Wortvogel
20. März, 2009 22:49

@ Lutz: “It’s all coming back to me now” stammt im Original von dem “lost classic” Jim Steinmans, der CD “Original Sin”. Da wird das Stück mit erheblich mehr “wumms” gesungen.

Lutz
Lutz
20. März, 2009 22:55

Wieder was gelernt…. dann sollte ich mir wohl die Version mal anhören. 🙂

Tinitus
21. März, 2009 05:19

Ich weiss leider nich mehr in welchem Beitrag es um Handys im Kino ging.

Aber das hab ich gestern im Kino gesehen.

http://www.youtube.com/watch?v=dLReOObc7Vo&feature=related

Nur geil. 😀

Peroy
Peroy
21. März, 2009 07:03

Steinman ?

“Bat out of Hell” !

Heilig.

Punkt.

Heino
Heino
21. März, 2009 09:59

@Tinitus:den hast du gestern erst im Kino gesehen? Der Spot lief parallel zu “Der Wixxer” andauernd im Kino, den hab ich bestimmt 30mal ertargen müssen. Anfangs fand ich den auch lustig, aber nach der 10. Wiederholung nervt das nur noch

Tinitus
21. März, 2009 15:58

So oft geh ich nich ins Kino. 😀

Die letzten beiden waren Ironman und Watchmen. Da is sowas neu für mich. 😉

Heino
Heino
21. März, 2009 17:13

@Tinnitus:”Der Wixxer” lief 2006 oder 2007, ist also nicht wirklich neu:-))

Tinitus
21. März, 2009 17:26

@Heino: Nichts Anderes habe ich gesagt.

Heino
Heino
21. März, 2009 19:56

@Tinitus:
“Die letzten beiden waren Ironman und Watchmen. Da is sowas neu für mich. ”

Dann hab ich das wohl falsch verstanden:-)