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Mrz 2009

Ruhe da vorne! Movie-Mania 2009 (45) Heute: The Crooked Circle

Themen: Film, TV & Presse, Movie-Mania 2009, Neues |

crookedcircle1USA 1932. Regie: H. Bruce Humberstone. Darsteller: Zasu Pitts, C. Henry Gordon, Ben Lyon u.a.

Ahhh, die Filme aus der “Poverty Row”. Kann ich mal wieder ein wenig über Filmgeschichte schwadronieren.

In den USA gab es (vor allem in den 20er und 30er Jahren) eine Reihe von sehr kleinen Studios, die oftmals in übrig gebliebenen Sets aus anderen Produktionen drehten, und deren Filme meist in kleineren Kinos oder als Zweitfilm der sogenannten “Double Feature” liefen. Selten waren sie länger als eine Stunde, selten spielten sie in mehr als zwei oder drei Sets, und selten waren sie mehr als Füllware für den hungrigen Markt.

Diese Studios (mit Namen wie Tiffany, Mascot, oder Chesterfield) fasste man unter dem Begriff “Poverty Row” zusammen. Die meisten ihrer Produktionen sind heute, wenn nicht vergessen, dann zumindest verschollen. Mangels gut budgetierter Archive wurden die Negative nicht gelagert, und waren oft nach zehn Jahren schon unauffindbar. Im Gegensatz zu den großen Studio-Filmen ist es mitunter fast unmöglich, Material über diese kleinen Heuler aufzutreiben. Der Vorteil: das, was noch existiert, ist meistens “public domain”, und darf kostenlos gezeigt werden. Aus diesem Grund kann sich der geneigte Leser den heutigen Film auch online an vielen Orten im Netz ansehen. Hier nur ein Beispiel:

[veoh]http://www.veoh.com/collection/s14853/watch/e41097[/veoh]

Man merkt schon: Weil niemand mehr Geld mit dem Film verdient, ist auch niemand daran interessiert, in eine kostspielige Restauration zu investieren. “Crooked Circle” ist halt nicht “Metropolis”.

Warum “Crooked Circle”? Das kann ich gar nicht sagen. Ich wollte für die “Movie-Mania” einfach auch mal einen Poverty Row-Film besprechen, und dieser hier fiel mir als augenscheinlich recht repräsentatives Beispiel vor die Füße.

Als historische Fußnote sei noch vermerkt, dass der Film bereits 1940 (!) im amerikanischen Fernsehen ausgestrahlt wurde – damals gab es schätzungsweise 2000 Geräte landesweit, und der technische Standard NTSC existierte noch nicht. Die großen Filmstudios weigerten sich bis in die 60er, ihre Kinofilme für das Fernsehen zu lizensieren.

Es geht in dem Film… tja, worum eigentlich? Das ist gar nicht so einfach zu erklären. Als grober Leitfaden sage ich mal: der kriminelle Geheimbund “Crooked Circle” will Colonel Wolters, den spirituellen Leiter des “Sphinx Club”, beseitigen. Der Club aus reichen New Yorker Schnöseln hat den Verbrechern nämlich schon mehrfach die Tour vermasselt. Im alten Haus des Colonels kommt es zu multiplen Konfrontationen zwischen dem Circle, dem Club, und diversen Charakteren, deren Loyalität schwer zu bestimmen ist.

Wer hier einen gediegenen Krimi erwartet, sieht sich schnell getäuscht – “Crooked Circle” ist eher so eine Art “Edgar Wallace auf Speed”. In einer knappen Stunden werden mehr Falltüren, Verräter, Geheimgänge, falsche Geister, echte Verräter, Doppelgänger, und Skelette durch die Handlung gescheucht, als man mitschreiben kann. Ständig kreischt jemand, es wird geschossen, und wer nun genau dahinter steckt, ist bis zur Auflösung unmöglich zu erraten. Nach ungefähr zehn Minuten habe ich hoffnungslos den Faden verloren.

Es hilft nicht, dass “Crooked Circle” eigentlich keinen wirklichen Protagonisten hat. Zwar wird Ben Lyon als “Star” geführt, aber seine Figur verschwindet regelmäßig aus dem Blickfeld des Zuschauers. Als interessanter Charakter fällt am ehesten der “Inder” Yoganda auf, dessen Motive aber ebenso lange diffus bleiben.

Dieses konfuse “Türchen auf, Türchen zu”-Spiel aller Beteiligten wird dadurch verschlimmert, dass niemand die dramatischen Elemente ernst zu nehmen scheint. Was der ganze “Crooked Circle” eigentlich will, und wieso ein paar neureiche Bubis als “Sphinx Club” Verbrechen lösen (und dabei die Polizei nach Belieben rumkommandieren), erklärt das Drehbuch an keiner Stelle. Der Krimi-Teil ist so abgeschmackt und albern wie in alten “Drei Fragezeichen”-Büchern. Das Tauziehen zwischen Circle und Club scheint so eine Art Gentlemen-Sport zu sein, ein nobles Spiel für langweilige Abende vor der Erfindung des Fernsehens. Letzten Endes wird ja auch niemand wirklich ermordet.

Die statische Kamera und die wenigen Sets lassen “Crooked Circle” über weite Strecken wie ein verfilmtes Theaterstück wirken. Die Darsteller liefern solide Arbeit ab, auch wenn das, was Zasu Pitts unter Comic Relief versteht, sein Haltbarkeitsdatum schon um 50 Jahren überschritten hat.

crookedcircle2

Es gehört schon Sitzfleisch dazu, sich einen derartig wirren Ringelpietz anzutun, noch dazu in katastrophaler Bild- und Tonqualität. Aber es ist trotzdem interessant, auch diese Nische der Hollywood-Geschichte mal beleuchtet zu haben. Man muss sich so etwas ja nicht jede Woche antun.



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comicfreak
14. März, 2009 15:04

..ich hab hier einen “Elvira”-Film rumliegen, der in alten Vincent Price-Sets gedreht wurde :))

Wortvogel
Wortvogel
14. März, 2009 15:06

@ Comicfreak: Dabei wurden schon die viele Vincent Price-Filme in Sets anderer Filme gedreht 😉

comicfreak
14. März, 2009 17:54

..soll ich dir den Film schicken, und do stellst dann Location-Screenshots mit Auflistung der gedrehten Filme hier ein?

😀

Wortvogel
Wortvogel
14. März, 2009 18:06

Nö, lass mal.