07
Jan 2009

Ruhe da vorne! Movie-Mania 2009 (5)Heute: Race with the Devil

Themen: Film, TV & Presse, Movie-Mania 2009, Neues |

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USA 1975. Regie: Jack Starrett. Darsteller: Peter Fonda, Warren Oates, Loretta Swit, Lara Parker

Ich habe vor ein paar Jahren, bedingt durch die neuerliche Verfügbarkeit über DVD, damit begonnen, ein paar obskure Perlen der 70er aufzuarbeiten. Filme, von denen ich dutzendmal in Standardwerken wie “Psychotronic Video” oder “Video Watchdog” gelesen hatte, ohne sie selbst gesehen zu haben. Durch diese Aktionen habe ich neuen Respekt für die Dekade bekommen, die als die schwierigste in der Geschichte Hollywoods galt.

Prä-“Star Wars” waren Filme noch wesentlich handgemachter, preiswerter, und unter dem Druck des Fernsehens kleiner. Was damals als “Blockbuster” durchging, waren meist Cinemascope-Schinken wie “Flammendes Inferno”, die durch Dutzende von Altstars zu kompensieren versuchten, dass die 70er kaum wirkliche Publikumslieblinge hervorgebracht hatten. Anspruch und Aufwand gingen damals noch sehr selten Hand in Hand. Ausnahmen: “Der weiße Hai”, “Der Exorzist”, etc.

Es war die Dekade, in der die Großmeister der 80er noch jung und hungrig waren, und retrospektiv betrachtet ihre besten Filme ablieferten: Lucas, Spielberg, Scorsese, Coppola, de Palma, Hill.

Zwar gab es in den 70ern noch keinen Videotheken-Markt, aber kleinere Produktionen konnten ihr Budget solide damit amortisieren, dass sie die Kopien von Stadt zu Stadt schicken, in kleinere Kinos und Autokinos. Das Business war noch nicht von den großen Verleihern monopolisiert, die heute ihre B-Ware mit Hilfe eigener Tochterfirmen selber produzieren, und so den Independents die Lebensgrundlage nehmen.

Aber was soll ich lang reden? Einen exzellenten Überblick über die Ära gibt es hier zu lesen.

Es zeigt sich, dass gerade unter den kleineren Filmen der 70er die meisten unentdeckten Perlen zu finden sind. Kollege Onkel Filmi ist ein geradezu fanatischer Freund italienischer “poliziotti”, Doc Acula hat es mehr mit textilbefreitem Frauenknast-Trash, und ich stehe auf knarzige Horror-Thriller abseits des Mainstreams.

“Race with the Devil” (in Deutschland: “Urlaub in der Hölle”) ist ein Film, der mich zuerst gar nicht ansprach. Die Story lässt sich mit dem Satz “Zwei Pärchen in einem Wohnmobil werden von Satanisten durch Colorado gejagt” ausreichend zusammenfassen, und mir hatte aus der Ecke eigentlich schon “The Devil’s Rain” gereicht (großartiger deutscher Titel: “Nachts, wenn die Leichen schreien”). Das roch nach drögem Backwoods-Grusel in TV-Film-Optik, und nach hilflosen Spezialeffekten.

Aber weit gefehlt: “Race with the Devil” ist genau die Sorte B-Movie, die Tarantino mit “Grindhouse” (erfolglos) wiederbeleben wollte: Schnell, schmutzig, fettfrei, und ohne nervige Message, dafür mit kruden Schockeffekten und erstaunlich effektiver Kameraarbeit. Von der einfachen, aber packenden Actionchoreographie könnten sich heutige Blockbuster prima eine Scheibe abschneiden. Ein Film, zu dem die Baseball-Kappe mit dem Bierdosenhalter und dem Gummischlauch passt. Da ruft man nicht begeistert “whoa!”, sondern “YEEEEE-haw!!!”

“Race with the Devil” leistet sich wirklich KEINE groben Schnitzer: die Besetzung ist exzellent, der Spannungsbogen straff, und in den Verfolgungsjagden (Wohnmobil und Enduro-Bikes) geht es richtig zu Sache. Ausnahmsweise schert uns das Schicksal unserer Helden, denn die beiden Pärchen sind so ganz anders als das Mobiliar moderner Thriller: in mittlerem Alter, in festen Beziehungen (und nein, hier werden keine künstlichen Konflikte gelegt, damit die Paare durch die Gefahr wieder zueinander finden können), beruflich erfolgreich, und mit moderner Lebenseinstellung. Die Männer verhalten sich auch nicht strohdumm, wie das seit den 80ern die Norm ist: beide haben im “wahren Leben” bewiesen, dass sie sich durchsetzen können, und nehmen es glaubwürdig und effektiv mit den Satanisten auf. Niemand verschwendet zehn Minuten damit, heulend in einer Ecke zu sitzen und zu schluchzen: “Warum nur? Warum tun die das? Was WOLLEN die von uns?” Herrgottchen, ihr habt Satanisten bei ihrem schändlichen Tun beobachtet, und nun wollen die keine Zeugen. So erfreulich einfach kann das sein.

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Gerade wenn man glaubt, der Film könne den dünnen Plot nicht über die gesamte Laufzeit strecken, baut RwtD eine geschickte Paranoia-Ebene ein – was, wenn die Satanisten schon überall sind? Wem können unsere Helden noch trauen? Wie weit reicht der Arm des Teufels? Die Szenen im Aqua-Freizeitpark sind “creepy as hell”.

Maßgeblich verantwortlich für den Erfolg des Films ist sicher die Tatsache, dass hier ein paar echte B-Action-Experten zusammenfanden: Regisseur Starrett drehte schon die Blaxploitation-Knaller “Slaughter” und “Cleopatra Jones”, während die Drehbuchautoren Bishop und Frost so Leckerchen wie “Chrome and hot leather” und “Chain Gang Women” in der Filmographie haben. Zusammen mit Fonda und Oates als Alphamännchen passt hier einfach alles perfekt zusammen.

Das Wohnmobil, welches mir anfangs ans extrem ungeeignet für spannende Verfolgungsjagden erschien, erweist sich als absoluter Glücksgriff: Es trägt die moderne urbane Welt der 70er physisch in die staubige Wüste, dient als Fort wie das Polizeipräsidium in “Assault – Anschlag bei Nacht”, und als Quelle immer neuer Möglichkeiten, die Satanisten abzuwehren. Das Belagerungs-Motiv wird kongenial mit einer Flucht-Dramaturgie verwoben.

Kurzum: unterhaltsamer können 88 Minuten kaum sein.

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Dr. Acula
7. Januar, 2009 10:29

Irgendwann muss ich dich aus purem Prinzip erwürgen – gestern abend dachte ich mir, “Race with the Devil”, den müsste ich auch mal kucken…

(Dafür knöpfe ich mir heute noch AvsP2 reviewtechnisch vor).

Peroy
Peroy
7. Januar, 2009 11:37

So toll war der jetzt auch nicht. Mittelmäßiges B-Movie…

Peroy
Peroy
7. Januar, 2009 11:56

“(Dafür knöpfe ich mir heute noch AvsP2 reviewtechnisch vor)”

Gudd Naht Kett, die Geiß hat Nahtschischd, dat Geld leiht uff da Fenschderbank…

Tornhill
Tornhill
7. Januar, 2009 12:07

Klingt nicht übel! Gerade der Verzicht auf unnötige “Tiefe” (also besagtes Heulen, sowie unwichtige Ehekrisen) könnte ungefilterten Spaß machen, der einem ja sonst selten gegönnt wird.

Ich meine…so toll überkomplizierte, versponnene Thriller mit lauter Finten und Intrigen auch sein können, so schön sind doch auch gerade die ultra-einfachen Konzepte wie “Autofahrer wird grundlos von LKW verfolgt” aus Spielbergs Erstling oder “Bus kann nicht anhalten” aus “Speed”.

Perry
Perry
7. Januar, 2009 13:11

““Race with the Devil” (in Deutschland: “Urlaub in der Hölle”)”

Als ich den vor etwa 20 Jahren im ORF gesehen habe, hatte der einen viel knackigeren deutschen titel: VIER IM RASENDEN SARG (oder: Vier im ROLLENDEN Sarg; da bin ich nicht mehr ganz sicher).

Peroy
Peroy
7. Januar, 2009 13:17

Es war der rasende Sarg…

Mencken
Mencken
7. Januar, 2009 14:23

Einer meiner Lieblingsfilme, super Besetzung, wesentlich bessere Action-Sequenzen als man erwartet hätte und eine wunderbare Optik – besser kann ein “Grindhouse-B-Movie” kaum sein (bis auf das etwas schwache Ende).
Rob Zombie hat übrigens einen Comic gemacht (The Nail – Verfilmung ist wohl geplant), der Race with the Devil in dummdreistester Manier kopiert, nur mal so als unnütze Zusatzinformation.

zu-schauer-lich
8. Januar, 2009 16:39

wo du gerade dabei bist alte gute filme zu besprechen: mich wunderts, dass ich hier zu “gonger” gar nix gelesen habe. wortvogel, du machst mich wundern….

Peroy
Peroy
8. Januar, 2009 17:43

Der war ja weder alt noch gut, ne…

Dr. Acula
8. Januar, 2009 18:16

Wenn ich mal für den Wortvogel kurz den Pressesprecher machen darf… den Gonger muss er sich noch ansehen, wird aber diese Woche wohl nicht mehr dazu kommen 🙂

Wortvogel
Wortvogel
8. Januar, 2009 18:47

Ich bin schlicht gerade in der Republik unterwegs, und komme erst Samstag Abend zurück. GONGER wartet im Festplattenrekorder auf mich.

zu-schauer-lich
9. Januar, 2009 09:05

argh, jetzt lese ich meinen off-topic-fragen-kommentar zu gonger erneut und bin erschrocken: man könnte wirklich, wie ich es bei peroy vermute, den eindruck haben, ich würde gonger in die kategorien “alt” und “gut” einordnen. beides ist nicht meine absicht gewesen.