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Dez 2008

Die neue ARD-Soap “Made in Germany”: Subtiler Druck von ganz oben?

Themen: Film, TV & Presse |

Drüben bei DWDL gibt es ein vergleichsweise lesenswertes Interview mit dem Programmdirektor der ARD, Volker Herres. Besonders neugierig war ich auf den Teil, in dem Herres über “Made in Germany” spricht, die neue Soap für den tödlichen 18.50 Uhr-Sendeplatz. Im Vorfeld hatte man ja von Problemen mit der Qualität der Drehbücher, und einer damit verbundenen Verschiebung gehört. Herres lässt sich zu folgender, womöglich unvorsichtig konkreter Aussage hinreißen:

herres

Zuerst war ich instinktiv geneigt, zu widersprechen – wenn das deutsche Fernsehen in den letzten Jahren etwas bewiesen hat, dann doch wohl, dass die Gleichung “Qualität = Quote” in der Regel nicht aufgeht. Die qualitativ hochwertigen Quotenschleicher (“KDD”, “Stromberg”, “Pastewka”, “Dr. Psycho”) sind ebenso Legion wie die erfolgreichen Rohrkrepierer (von denen ich lieber keine nenne).

Aber dann fiel mir auf: Die Aussage des Programmchefs bietet noch eine zweite, viel spannendere Interpretationsmöglichkeit – nämlich den implizierten retrospektiven Umkehrschluß: “Wenn die Serie nicht gut läuft, dann ist sie nicht gut gemacht”. Baut Herres vor, um nach einem Mißerfolg die Schuld nicht beim Sender oder beim Sendeplatz, sondern bei der Produktionsfirma suchen zu können?

Das wäre sehr clever. Aber ich bin sicher, da bilde ich mir was ein. Der meint das nicht so.



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Horst
Horst
20. Dezember, 2008 00:56

leicht OT
herres.jpg, man sieht ziemlich deutlich die Kompressionsartefakte
ich hätte ja png benutzt, 2 Vorteile: verlustfrei und bei diesem Bild sicher kleiner als die jpg

Richard
20. Dezember, 2008 09:45

Die Implikation „Wenn sie gut gemacht ist, dann wird sie Erfolg haben” drückt rein aussagenlogisch keine Äquivalenz aus, sodass daraus nicht auch die umgekehrte Richtung „Wenn sie Erfolg hat, dann ist sie gut gemacht” und damit auch nicht deren Negation „Wenn sie keinen Erfolg hat, dann ist sie nicht gut gemacht” abgeleitet werden kann. Quod erat demonstrantum.

Dieter
Dieter
20. Dezember, 2008 11:30

@Richard: Mag sein.

1. Wie müsste es formuliert sein, dass es eine Äquivalenz ausdrücken würde, die den Umkehrschluss erlaubt?

2. Niemand wird sich im allgemeinen Sprachgebrauch derart feine Gedanken zur Aussagenlogik machen. Also auch nicht Herr Herres. Und damit ist die Wahrscheinlichkeit da, dass er es tatsächlich so wie vermutet gemeint hat.

3. Fände ich Deinen Einwand daher eine gute Nachfrage an Herrn Herres.

In dubio pro reo (mehr Latein fällt mir nicht ein)

(Oder doch:) Ulcus ventriculi et duodeni (hat hier aber nichts zu suchen)

Dieter
Dieter
20. Dezember, 2008 11:33

Im Übrigen heisst es ,,demonstrandum”.

Richard
20. Dezember, 2008 12:01

@Dieter:
In mathematischen/logischen Beweisen hat sich die Ausdrucksweise „genau denn wenn” für Äquivalenz eingebürgert (praktisch eine Implikation in beide Richtungen).

Lustigerweise liefert die Implikation immer wahr zurück, wenn die Prämisse (in unserem Fall „Die Serie ist gut gemacht”) falsch ist. Das bedeutet, sowohl die Aussage „Wenn die Serie nicht gut gemacht ist, wird sie Erfolg haben” als auch „Wenn die Serie nicht gut gemacht ist, wird sie keinen Erfolg haben” sind wahr. Das erklärt die Quoten-Qualitäts-Diskrepanz doch hinreichend, oder? 😉

Zu dem „demonstrandum”: Kann sein.

Mencken
Mencken
20. Dezember, 2008 12:14

Ich finde die Aussage ist weder sonderlich subtil oder clever, sondern relativ eindeutig als Schutzformulierung formuliert, aussagenlogische Äquivalenz hin oder her (die beim Originalzitat (ohne “dann”) nebenbei bemerkt meines Erachtens sogar gegeben ist).

Wortvogel
Wortvogel
20. Dezember, 2008 12:15

@ Richard: Ich sehe das ein bisschen anders, weil man das Problem eben nicht mathematisch / logisch / linguistisch lösen kann. Es geht hier um Intentionen und Implikationen. Daher:

“Wenn sie gut gemacht ist, wird sie Erfolg haben” – hier handelt es sich um eine auffordernde Prognose. Die Produktionsfirma muss zusehen, dass sie ein gutes Produkt liefert, denn das garantiert den Erfolg.

Daraus folgert: “Made in Germany” kann auch ein Erfolg sein, ohne gut gemacht zu sein – aber die Qualität ist (im Gegensatz zu anderen Faktoren) ein Garant für Erfolg.

Ergo: Ist die Serie kein Erfolg, kann nur der Teil verantwortlich gemacht werden, der den Erfolg garantiert hätte. Laut Herre eben die Frage, ob die Serie gut gemacht ist.

Somit ist etabliert, dass im Falle eine Misserfolgs nur ein Manko als sicher gilt: die Qualität der Serie. Denn von allen anderen Faktoren abgesehen, war die Qualität vorab als entscheidend etabliert worden.

Ich denke, es ist aber so oder so klar, was gemeint ist.

Michael
21. Dezember, 2008 21:15

@Richard: Die Aussage muß keine Äquivalenz sein, damit das Umkehren funktioniert (wenn man es richtig macht)
Aus der Implikation “Wenn A, dann B” folgt nach Aussagenlogik tatsächlich die Negation “Wenn nicht B, dann nicht A”, siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Aussagenlogik#Hinreichende_und_notwendige_Bedingung

Der Umkehrschluß “Wenn nicht A, dann nicht B” ist allerdings falsch (bzw. nicht ableitbar aus der Aussage).

Entschuldigung für diesen off-topic-Beitrag, aber das konnte ich nicht so stehenlassen.

Wortvogel
Wortvogel
21. Dezember, 2008 21:20

@ Michael: Genau so habe ich das ja auch erklärt.

Lukas
22. Dezember, 2008 11:03

Da Herres und “clever” normalerweise nicht ohne Negation in einen Satz passen, bist Du wohl nur ein bisschen paranoid. Falls Dich das jetzt beruhigt …