Autoren-Kauderwelsch
Themen: Neues |Ein Leser hat vor ein paar Tagen drum gebeten, darum will ich heute mal ein paar Begriffe erklären, mit denen ich oft vielleicht zu sorglos um mich werfe. Natürlich könnte ich euch an die Wikipedia verweisen, oder auf Webseiten, die darauf spezialisiert sind, Fachtermini aus dem Filmbereich zu erläutern. Allein, es würde nichts helfen – im Gegensatz zum Drehbuch gibt es für die Entwicklungsphasen davor keine klaren Definitionen. Es zahlt sich für den hoffnungsvollen Jungautor immer aus, beim Produzenten nachzufragen, was genau er meint, wenn er von Outlines, Pitches und Treatments redet.
Hier also meine Definitionen, basierend auf 20 Jahren Erfahrung – und immer wieder umgeworfen…
Anfangen sollte ein Projekt mit einem verbalen Pitch beim Produzenten, für den man im Zweifelsfall auch ein paar Notizen zur Hand nehmen kann. Wenn man seine Idee nicht in zwei, drei knackigen Sätzen oder ebenso vielen Minuten umreißen kann, sollte man es gleich lassen. Kein Produzent wird erwarten, dass man die komplette Story schon runterbeten kann, aber klar sollte sein, dass man weiß, was das Thema des Films ist (und das ist etwas anderes als die Handlung), und wer die Hauptfiguren sind. Wo liegt der hauptsächliche Konflikt, was macht den Stoff für das Publikum interessant? Letzteres ist besonders relevant, wenn man einen historischen Stoff an den Mann bringen will.
Wenn alles gut gelaufen ist, wird der Produzent hoffentlich um ein Pitch Paper bitten, das zwei bis maximal vier Seiten umfassen sollte (und bei dem man mit Titelblättern und Textgrößen gerne rumgaukeln kann). Hier sollte schon klar werden, wie die Story des Films läuft, und was die dominanten Elemente sind. Man kann aber durchaus Lücken lassen, und es gibt Kollegen, die in dieser Phase absichtlich noch nicht das Ende verraten. Außerdem bietet es sich an, den Text sehr reißerisch und spannend zu schreiben, als müsse man den Leser förmlich am Schlafittchen packen. Ich selbst beschreibe das Projekt vor der Inhaltsangabe auch noch auf einer Seite – Hintergrund, Appeal, Zielgruppe, etc.
Das Pitch Paper führt im Idealfall zum Auftrag für ein Exposé, und spätestens an dieser Stelle sollte ein Autor auch um eine Honorierung bitten. Schließlich verlangt das Exposé eine deutlich aufwändigere Ausarbeitung von sechs bis zwölf Seiten (für einen TV-Film). An diesem Punkt kann der Produzent erwarten, dass die Story “steht”: drei Akte, Heldenreise, Wendepunkte, Finale. Der Autor muss alle relevanten Fragen beantworten können. Dies erfordert mehr Arbeit, als die meisten Newcomer ahnen, denn es ist nicht damit getan, das Pitch Paper einfach mit vielen Adjektiven “aufzublasen”.
Bei den Honorarverhandlungen gibt es jede Menge Spielraum, und hier zählt (und zahlt) der Ruf des Autors mehr als bei Drehbüchern (die relativ tarifgebunden entlohnt werden). Man sollte auch immer bedenken, dass junge und hungrige Produzenten über weniger Barmittel für die Entwicklung verfügen als die Platzhirsche der Branche. Zwei Dinge sollte jeder Neuling beachten: zwischen “Abgabe” und “Abnahme” besteht ein extrem großer Unterschied. Im schlechtesten Fall ist außer Spesen nix gewesen, wenn der Produzent das Werk rundweg ablehnt. Und Verträge übertragen zu diesem Zeitpunkt dem Produzenten oft bereits das Recht an der Geschichte – damit ist man gebunden. Das sollte man sich gut überlegen. Es KANN sich lohnen, zu diesem Zeitpunkt noch auf eigene Rechnung zu schreiben, um den Stoff nicht zu verlieren.
Meistens ist das abgenommene Exposé schon die Eintrittskarte bei einem Fernsehsender, denn viele Produzenten können es sich schlichtweg nicht leisten, weitere Entwicklungsarbeit aus eigener Tasche zu finanzieren. Außerdem ist es nützlich, so früh wie möglich abzuklopfen, ob das Werk auch auf Interesse stößt. Wenn das so ist, kommt es zum Treatment. Sowohl auf Produzenten- als auch auch Autorenseite gibt es hier wieder tonnenweise Stellschrauben. Nun gilt es, die ganze Geschichte bis in die Details zu planen. Viele Drehbuchschreiber setzen auf ein möglichst ausführliches Treatment, das schon mal 45 bis 50 Seiten umfassen kann. Das vereinfacht den nächsten Schritt zur ersten Drehbuchfassung. Der Haken: Je mehr Material man dem Produzenten und dem Sender in dieser Phase in die Hand gibt, desto mehr Material können sie zerpflücken. Viele Projekte scheitern an endlosen Diskussionen in der Treatment-Phase.
Ich selbst bin kein fanatischer Treatment-Schreiber, denn ich lasse mir gerne noch genügend Freiraum, um beim Drehbuch flexibel sein zu können. Mehr als 25 bis 25 Seiten schreibe ich ungern.
Überhaupt: Thema “Seiten”. Was ist eigentlich eine Seite? 20 Zeilen à 50 Anschläge in Courier 16? 35 Zeilen à 40 Anschläge in Arial 12? Es gibt keine genauen Vorgaben, und genau deshalb kann es da schnell Konflikte geben. Ich selbst bleibe bevorzugt auf der sicheren Seite, in dem ich mich an das Standard-Manuskriptformat aus der Buchbranche halte: eine Seite hat 30 Zeilen à 60 Anschläge in einer nicht proportionalen Schrift. Über den Daumen kriegt man das hin, wenn man die Schrift Courier auf 13 Punkt stellt, und mit anderthalbfachem Zeilenabstand arbeitet. Zur schickeren Präsentation kann man das alles vor der Abgabe wieder umstellen, aber für die Einschätzung der Länge reicht’s allemal.
Je nach Lust und Laune hängen Autoren auch gerne mal eine Liste der im Stoff vorkommenden Charaktere mit ganz knappen Beschreibungen bei. Ich mache das nicht.
Einige Leser haben vielleicht schon von Szenen- oder Bildertreatments gehört. Diese sind in der Erzählweise oft etwas straffer und weniger blumig, dafür aber schon konsequent nach Szenen aufgelöst. Auf so einer Basis kann dann eigentlich jeder ein Drehbuch schreiben – böse gesprochen “füllt” man die Szenen nur noch mit Dialogen. Womit man sich als Autor wohler fühlt, muss jeder selbst entscheiden. Es gibt auch Produzenten, die auf Bildertreatments bestehen.
Eine Sonderform des Treatments ist die Serienbibel. Unschwer zu erraten – die kommt ins Spiel, wenn man keinen TV-Film anbietet, sondern das Konzept einer Serie. Die Bibel ist dabei nicht nur zur “Verkaufe” gedacht, sondern auch als Handbuch für andere Autoren, die eventuell an dem Projekt arbeiten werden. Hier kann man nachlesen, wer mit wem, hier werden die Hintergründe der Charaktere vorgestellt, und hier beschreibt der Autor, was Tenor und Ziel der Serie sein sollen. Es gibt oft ein Exposé für die erste Folge, und kürzere Zusammenfassungen für weitere Episoden (die nennt man der knappen Länge wegen gerne Thumbnails). Im besten Fall kann ein Fremdautor nach Lektüre der Serienbibel eine Episode so schreiben, wie es der Erfinder der Serie auch getan hätte. Hier ist also Präzision gefragt.
Bei einer Serie kann man Konzept und Serienbibel auch aufsplitten – das kürzere Konzept dient der Entwicklung, die ausgefeilte Bibel dann der eigentlichen Produktion.
Dem aufmerksamen Leser ist aufgefallen, dass der Begriff Outline noch nicht gefallen ist. Ich vermeide den nämlich gern, weil er so komplett schwammig ist. Irgendwie ist es ein Exposé, kann aber je nach Produzent auch komplett anders definiert werden. Auch hier gilt: nachfragen, bevor man aneinander vorbei arbeitet!
Das sogenannte Beat Sheet ist ein sehr amerikanischer Hybrid aus Exposé und Bildertreatment, dessen Struktur sich an den “story beats” orientiert, also den entscheidenden Eckpfeilern der Handlung. Ich erwähne es nur der Vollständigkeit halber, denn Beat Sheets werden hierzulande kaum verlangt, und manchmal sogar mit Bildertreatments verwechselt.
So, damit haben wir alle relevanten Schritt bis zur ersten Drehbuchfassung durch. Wer es genauer wissen will, ist mit dem dargestellten Buch von Dennis Eick bestens bedient – aber wundert euch nicht: wie angedroht definiert Eick ein paar Sachen anders als ich. Er bringt aber auch gute Beispiele (z.B. das Treatment für “Lola rennt”), und man kann sehr viel von ihm lernen. Anleitungen, wie man Drehbücher schreibt, gibt es wahrlich genug, aber nur Eick macht sich die Mühe, die Phasen aufzuschlüsseln, die vorher kommen, und in denen neun von zehn Projekten begraben werden.
Soviel dazu. Noch Fragen?
Erstmal nicht, danke.
Das war doch mal ein interessanter, klarer Brocken Informationen!
Mich macht es ja waaaahnsinnig, dass sonst praktisch jede Quelle so tut, als wäre ihre Methode bis in die Formalien die einzig möglichte und Ein Treatment, das in einer anderen, als der von ihnen genannten Schriftart getippt wird, bringe einen sofort auf die Schwarze Liste. Schön, dass hier mal offen dazu gestanden wird, dass das alles so klar bei weitem nicht ist.