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Mai 2008

„Writers get no pussy“ – und andere Dinge, die ich von Harry Towers gelernt habe (1)

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Harry Alan TowersAuf die Frage, wie man Drehbuchautor wird, antworte ich für gewöhnlich: „Aus Notwehr“. Das ist in meinem speziellen Fall nicht einmal Koketterie. Es ist vielmehr die Geschichte von „Sumuru“, dem ersten Film, der im Vorspann meinen Namen trug. Und es ist die Geschichte meiner Bekanntschaft mit Harry Alan Towers.

Angefangen hat alles (mal wieder, und wie so oft) bei ProSieben. Vier Jahre lang arbeitete ich in Unterföhring als Redakteur, zuerst in der Abteilung Serie, dann bei der neu geschaffenen „Internationalen Koproduktion“ unter Rola Zayed (später verheiratete Bauer). Mehr zu diesen Hintergründen ein andermal. Auf jeden Fall stromerte ich eines Tages im Jahr 1998 durch die Büros auf der Suche nach irgendwelchen Screener-Videos, die noch nicht meinen VCR gesehen hatten (damals ließen wir uns alle neuen US-Serien aus Michigan per Paket schicken). Ich passierte das Sekretariat von Karin Schockweiler, Rolas Vize. Es war unter anderem ihre Aufgabe, sich mit Produzenten zu treffen, die ein für ProSieben interessantes internationales Projekt vorstellen wollten. Mehr aus aus dem Ohrenwinkel hörte die Team-Assistentin (bei P7 steht Todesstrafe auf die Verwendung des Begriffes „Sekretärin“) sagen: „Karin, Harry Towers hat eben angerufen – er sitzt noch im Taxi vom Flughafen“. Karin steckte den Kopf aus dem Büro, lächelte bezaubernd, und sagte: „Macht nichts“. Ich nutzte die Gelegenheit und fragte betont beiläufig: „Mit Harry Towers ist aber nicht Harry Alan Towers gemeint, oder?“. Karin sah mich überrascht an: „Doch. Kennst du den etwa?“

Nachts wenn Dracula erwachtHarry Alan Towers. Mein Filmgeek-Herz setzte einen Moment lang aus. Harry Alan Towers! Natürlich war er nicht Roger Corman oder Sam Arkoff – aber Harry Alan Towers! Produzent der legendären „Fu Man Chu“-Filme mit Christopher Lee! „Howling 5“! „Danse Macabre“ mit Robert Englund! „Gor“! „Justine“ mit Romina Power! „In Beirut sind die Nächte lang“ mit Lex Barker! „The Mangler“! Zwei „Harry Palmer“-Filme! Drei „10 kleine Negerlein“- Verfilmungen! Und natürlich – Finanzier einer Sackladung von Jess Franco-Heulern!

Harry ist eine Trashfilm-Legende von der Sorte, deren Erwähnung unwillkürlich die Frage aufwirft: „Ist der nicht schon lange tot?“. Nein, ist er nicht. 88 mittlerweile, ziemlich gebrechlich, aber wahrlich nicht tot. Er reist noch immer im Wochentakt um die Welt, von Südafrika nach LA, von Kanada nach Bulgarien, von England nach Kroatien – ständig auf der Suche nach billigen Drehorten und steuerlichen Schlupflöchern, die er mit seinen billig heruntergekurbelten Streifen bedienen kann. Klaus Kinski sagt in seiner Biographie „Ich brauche Liebe“, dass Towers die Hälfte seiner Lebenszeit im Flugzeug verbringt, weil er dort in Ruhe Drehbücher schreiben kann (unter dem Pseudonym „Peter Welbeck“).

Klaus Kinski sagt auch, dass Harry Alan Towers die ANDERE Hälfte seine Lebens im Gefängnis verbringt. Das ist übertrieben. Und auch ein wenig missgünstig. Dazu vielleicht später.

Martin KaneHarry fing im zweiten Weltkrieg an, sich für Radio und Film zu interessieren. Er produzierte Hörspielreihen u.a. mit Orson Wells („Black Museum“). Nach dem Krieg stieg er beim jungen Medium Fernsehen ein, und es zeigte sich schnell sein Talent, verschiedene Märkte zu bedienen, in dem er Darsteller aus aller Herren Länder anheuerte, und gerne einen abgehalfterten Altstar für die Publicity an Bord nahm. Er brachte US-Action ins staubige UK-TV.
Exotische Schauplätze, viel Sex & Crime, ein Minimum an Handlung, gerne eine geplünderte Literaturvorlage – so lässt sich die „Masche Towers“ bis heute perfekt zusammenfassen. Dabei geht Harry mit einem für Außenstehende geradezu erschreckenden Pragmatismus vor: „Dir gefällt das Skript nicht? Ich schmeiße es weg. Ein Starlet ist mit einem Politiker auf der Toilette erwischt worden? Super, die heuern wir an – das gibt Publicity. Der Hauptdarsteller ist ein Säufer?

Die Verdammten der Blauen Berge

Achte drauf, dass er genug für die Dreharbeiten, aber nicht genug für den Blackout hat. Südafrika hat die Steuervergünstigungen für Spielfilme gestrichen? Ich schreibe das Skript bis morgen auf Island um“. Harry kennt keine Probleme – Harry kennt nur Lösungen. Allerdings kennt Harry auch keine guten Filme…

Zurück ins Jahr 1998. Harry war gekommen, um ProSieben für ein paar seiner neusten „Kracher“ zu interessieren, und Karin Schockweiler war froh, dass ich als „Experte“ für diese ganz spezielle Sorte Film zur Verfügung stand. Ich holte Harry am Aufzug ab, und war zuerst einmal geschockt, wie fett und kurzatmig der Engländer mit seinen gigantischen Koffern mir entgegen trat. Harry mochte noch nicht tot sein – aber er sah so aus, als wäre das allenfalls eine Frage von Minuten (und das hat sich in den letzten zehn Jahren nicht geändert). Noch mehr Gänsehaut bekam ich, als ich sein Gepäck in Augenschein nahm: Elefantenhaut, und sichtlich als solche zu identifizieren. Harry erzählte mir Jahre später, dass er das Set in den 60ern in Südafrika gekauft hatte, als man noch nicht soviel Devisen exportieren durfte (mittlerweile hat er moderne Schalenkoffer).

Justine DVDHarry war merklich überrascht, einen „Fan“ seiner Filme zu treffen, und erzählte bereitwillig von seinen früheren Erlebnissen, während wir auf Karin warteten. Aber es fiel mir auf, dass er sich als Produzent von Trash-Knallern unwohl fühlte. Ihm war klar, dass ProSieben ihn als seriösen Filmemacher akzeptieren musste, um sich auf ein Geschäft einzulassen. Das wollte er nicht gefährden, in dem er seine Vergangenheit als Frauenknastfilm-Produzent herausstrich. Stattdessen trug er immer eine lederne Dokumentenmappe mit Treatments und Drehbüchern mit sich herum, die als Basis für seine neuen Projekte dienen sollten.

Platoon LeaderHarry ist zwar sehr wandelbar, aber auch für ihn waren die Zeiten schwieriger geworden. Bis in die späten 80er waren seine Filme teilweise noch in den Kinos gelaufen (er hatte mehrere Streifen in Afrika für Cannon produziert). Damals reichte es noch aus, eine bestechende Grundidee mit ein paar bekannten Schauspielervisagen und einem knackigen Postermotiv aufzuhübschen, um internationale Verkäufe zu generieren. Aber der Kinomarkt wurde mittlerweile von den Studios kontrolliert, der Videomarkt war tot, und der DVD-Markt noch sehr jung und unsicher. Bei den TV-Sendern stieß Harry auf das Problem, dass diese tatsächlich so was wie „Qualitätskontrolle“ erwarteten, und immer wieder nach anständigen Drehbüchern verlangten. Das war Harry nicht gewohnt – Drehbücher waren für ihn immer nur die lästige Überbrückung der Zeit zwischen Vertragsunterschrift und Geldeingang auf dem Konto.

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Das Treffen mit Karin Schockweiler verlief sehr gut – Harry hat einen gewissen lakonischen Charme, dem man sich schwer entziehen kann. Und über 50 Jahre lang erfolgreich Filme produzieren – das muss man ihm erstmal nachmachen. Harry hatte tatsächlich Kontakte in alle Welt, und in alle Märkte. Das war genau das, was ProSieben brauchte: Partner, die die Kosten für einen Film mittragen konnten. Was die Qualität des Endprodukts anging – nun, da konnte man ja ein Auge drauf haben. Ich sollte in den folgenden Jahren lernen, dass NIEMAND ein Auge auf Harry Alan Towers hat…Vengeance of Fu Man Chu

Es war nicht einfach, sich auf ein gemeinsames Projekt zu verständigen: Die großartigen Lizenzen, mit denen Harry aufwarten konnte, waren meistenteils schon anderweitig optioniert – „Fu Man Chu“, „Shape of Things to Come“, „Howling“. Horror ging für ProSieben sowieso nicht, und Science Fiction schien kaum finanzierbar. Gerade diese Genres konnte Harry aber international gut verkaufen. Er wollte jedoch unbedingt wieder etwas in Afrika machen, was dem Sender sehr entgegen kam. Es gab die Gedanken, einen der „Inspector Sanders“-Romane von Edgar Wallace umzusetzen, oder ein Remake von „Die Verdammten der blauen Berge“ (seinerzeit mit Dietmar Schönherr und Lex Barker). Das war uns allerdings alles nicht zeitgemäß genug: Klassiker waren für ProSieben damals nicht „sexy“ genug. Harry schlug dann vor, doch etwas über die Minenfelder im Grenzgebiet zwischen Angola und Namibia zu machen. Das war zu dem Zeitpunkt oft in den Nachrichten, weil sich Prinzessin Diana für die Opfer eingesetzt hatte.

Es gab den üblichen Deal: ProSieben sollte einen Teil der Produktionskosten von „High Explosive“ tragen, im Gegenzug bekamen wir Mitspracherecht beim Drehbuch, bei der Besetzung, und letztlich eine Abnahme des Films.

Die Entwicklung des Drehbuchs gestaltete sich schnell als mühsam. Harry hatte selber irgendeinen Unfug verfasst mit glutäugigen Rebellen, einem Fäuste schwingenden Helden, und einer deutschen Blondine namens „Inga“, der beim Anblick des Protagonisten gleich das Höschen feucht wurde. So ging’s nicht, und das sagte ich auch: In den 80ern hätte man das als B-Klasse bei Cannon vielleicht für den Videomarkt durchsetzen können, aber bei ProSieben konnte ich mich damit nicht sehen lassen. Harry gab sich sehr verständnisvoll – statt jedoch an dem Drehbuch zu arbeiten, schrieb er einfach ein neues! Sowas ging bei ihm immer sehr flott, wie ich schnell merken sollte…

Teil 2: Nutten, Spione – und wie Prinzessin Diana unseren Film rettete…



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Dr. Acula
5. Mai, 2008 10:03

Hopp, weiter 🙂

Achim
Achim
5. Mai, 2008 13:45

Toller Film-Trailer, also für eine solche Gurke.

Ich bin auch der Meinung, dass Michael Dudikoff gar kein so schlechter Schauspieler ist, wie seine Filme es vermuten lassen.

Val Kilmer würde viel eher in solche Gurken passen, so vom völligen Fehlen von Talent gesehen.

Peroy
Peroy
5. Mai, 2008 14:16

“Val Kilmer würde viel eher in solche Gurken passen, so vom völligen Fehlen von Talent gesehen.”

Ich wüsste ein schönes Plätzchen für die Gurken…

PabloD
PabloD
5. Mai, 2008 15:10

Penis, Playboy und Pussy auf einer Seite. Soll ich jedesmal das Fenster schließen, wenn ich meinen Arbeitsplatz verlasse?

Anm.: auf billige Kalauer darf verzichtet werden.

Stony
Stony
5. Mai, 2008 15:57

Der Trailer funzt nicht mehr… 🙁

Wortvogel
Wortvogel
5. Mai, 2008 16:00

Natürlich funzt der.

Tornhill
5. Mai, 2008 21:06

“Fu Manchu”?
Das reicht als Qualifikation…für alles. ALLES!

Mann, Mann, Mann…Die Welt braucht wirklich einen neuen “Fu Manchu”-Film, natürlich traditionell mit einem Weissen in der Hauptrolle. Nicolas Cage hat sich ja in dem Fake-Trailer für “Werewolf-women of the SS” eindeutig bewährt, den sollte man nehmen. – Und Lucy Liu als seine scharfe, böse Tochter, mit solchen Rollen hat sie ja Übung.

Ja ja…die Welt wäre damit ein besserer Ort…

Dr. Acula
6. Mai, 2008 10:17

@Torni

Das Konzept ist gekauft 🙂 Cage spielt eh alles, was nicht bei Drei auf’m Baum ist (und blöder als Ghost Rider könnte ein Fu Manchu auch nicht werden…).

Tanja
Tanja
6. Mai, 2008 12:41

Was ist hier los?? Warum gehts nicht weiter??
*schubs*
*drängel*

:o))

Peroy
Peroy
6. Mai, 2008 13:40

“Ghost Rider” war nicht blöd…

Dr. Acula
6. Mai, 2008 14:31

@Peroy
Aber natürlich war der das. Unterhaltsam, aber blöd. Aber mit wem diskutier ich hier?

Peroy
Peroy
6. Mai, 2008 14:52

“Donnie Darko” war blöd…

Tornhill
6. Mai, 2008 18:32

Ich wollte kurz anmerken, dass mir völlig schleierhaft ist, was ich in obigem Posting mit dem Wort “scharge” ausdrücken wollte…

HALT! STOP! “Scharfe” sollte es natürlich heissen – gerade noch eingefallen.

Wortvogel
Wortvogel
6. Mai, 2008 18:44

Schon korrigiert.

Achim
Achim
6. Mai, 2008 19:14

Ghost Rider ist ein unterhaltsamer Film, damit ist er gut genug, und Donnie Darko war *nicht* blöd!

Peroy
Peroy
6. Mai, 2008 20:41

“Ghost Rider ist ein unterhaltsamer Film, damit ist er gut genug, und Donnie Darko war *nicht* blöd!”

Aber saublöd…

Jack Crow
Jack Crow
11. Mai, 2008 13:05

Schon witzig manchmal diese zufälligen zeitlichen Übereinstimmungen – da zappt man kurz nach diesen großartigen Geschichten durchs Programm und schon tritt einem Lex Barker in Südafrika entgegen… Hätt ich sonst glatt weitergeschaltet!