Filmkritik: “1 Mord für 2”
Themen: Film, TV & Presse, Neues |Und gleich noch ein Remake eines Klassikers aus den 70ern: Bei “1 Mord für 2” handelt es um die Neuverfilmung von Joseph L. Mankiewicz’ “Mord mit kleinen Fehlern”.
Zuerst einmal ein paar Worte zur Vorlage: Das Original ist ein Paradebeispiel für den “klassischen” Krimi, der seine Wurzeln im Theater hat, und wenig auf Schaueffekte und Action setzt. Irgendwo zwischen “Columbo” und “Mord im Orient-Express” treffen sich dort der Friseur Milo Tindle (Michael Caine) und der Schriftsteller Andrew Wyke (Laurence Olivier), um auzuhandeln, ob der virile, aber bankrotte Milo mit der schönen Ehefrau des stinkreichen, aber moralisch korrupten Andrew abziehen darf. Im behaglichen Landhaus kommt es zu einem intellektuellen Duell, das Klassenkampf und Hahnenkampf zugleich ist.
Man kann natürlich hier schon die Frage stellen: Warum musste “Sleuth” überhaupt neu verfilmt werden? Nichts an der Geschichte ist gealtert, oder bedarf einer Überarbeitung. Aber wenn man die Chance hat, den Schauspieler des “Milo” im Remake den “Andrew” spielen zu lassen, wenn man mit Kenneth Branagh einen der besten Shakespeare- Regisseure an Bord hat, und wenn das Drehbuch von einem Literatur- Nobelpreisträger geschrieben wird (Harold Pinter), dann kann man getrost mal über die Sinnfrage hinwegsehen.
Erfreulicherweise haben sich alle Beteiligten Mühe gegeben, zwar im Rahmen der Original-Story zu bleiben, ohne sich dieser sklavisch verpflichtet zu fühlen. Das Remake greift das Grundkonstrukt auf (basierend auf Anthony Shaffers Theaterstück, der beim Original auch das Drehbuch verfaßte), dekonstruiert es aber schon ab dem zweiten Akt, so dass selbst Fans der Vorlage völlig überrascht werden. Milo ist hier kein Friseur, sondern Schauspieler, und Andrew ist ein Bestseller-Autor von King’schem Ausmaß, dessen äußerlich behaglich wirkendes Landhaus Beton- und Stahl-Eingeweide aufweist, die eher in eine postmoderne Galerie passen würden. Wykes Haus ist ein eiskalter Schrein, ein Altar, um dem Ego des Schriftstellers zu huldigen. Es ist außerdem eine Bühne, auf der Michael Caine und Jude Law mit Wucht gegeneinander anspielen können. Im zweiten Akt dreht der Film dann völlig ab, und schlittert in ein Finale, über das man sicher geteilter Meinung sein kann.
Natürlich muss man für einen Film wie “1 Mord für 2” seinen Anspruch an die cineastischen Mittel zurückfahren – es ist und bleibt verfilmtes Theater, auch wenn Kenneth Branagh besser als jeder andere geeignet ist, die Umsetzung nicht allzu statisch und banal aussehen zu lassen.
Man gebe sich keiner Illusion hin: “1 Mord für 2” ist blitzsauberes Schauspielerkino, theatralisch, dramatisch, überhöht, theoretisch, an keiner Stelle realistisch oder subtil. Wer hier Authentizität zu sehen glaubt, hält auch Wrestling für einen Sport. Es ist, als hätte man die beiden Hauptdarsteller von der Kette gelassen wie Kampfhunde, die sich nun ineinander verbeißen. Wie im Original messen sich zwei Generationen und zwei Schulen der Schauspielerei, ohne einen Sieger ermitteln zu können. Und Drehbuchautor Pinter zieht aus den vielfältigen Überschneidungen von Caine und Law einiges an Material: Wyke denkt zuerst, Tindle sei Friseur, und Tindle wiederum fragt Wyke gleich am Anfang “What’s it all about?” – der Schlüsselsatz der Hauptfigur aus “Alfie”, die sowohl Law als auch Caine (1966 und 2004) gespielt hat. Man merkt in jeder Szene die Spielfreude aller Beteiligten – ob vor oder hinter der Kamera.
Der Reiz der Geschichte liegt nicht in der Frage, welcher der beiden Männer “gewinnen” wird, oder wer “die Wahrheit” sagt – viel spannender ist die Tatsache, dass es dem Zuschauer unmöglich gemacht wird, sich mit einem der beiden Männer anzufreunden. Immer wenn man überzeugt ist, den “Helden” identifiziert zu haben, wird ein Puzzleteil enthüllt, das die Loyalität wieder kippen läßt. Der Zweikampf Tindle/Wyke ist deshalb so prickelnd, weil es keinen “Guten” und keinen “Bösen” gibt. In seiner moralischen Ambivalenz erinnert “1 Mord für 2” z.B. an “Abwärts”, einen anderen klaustrophobischen Thriller.
Die Freude am Film hängt also maßgeblich davon ab, ob man sich einlassen will, ob man Freude am Kammerspiel hat, ob man Genuss aus geschliffenen Dialogen und satten Darstellungen zieht. Wer vom Kino einen Mehrwert zum Theater verlangt, ist hier falsch.
Ich selbst fand “1 Mord für 2” großartig, extrem unterhaltsam, und geradezu elektrisierend – aber ich will nicht verschweigen, dass durchaus kompetente Kollegen mit der Meinung aus dem Kino kamen, gerade knapp 90 Minuten an eine prätentiöse Eitelkeit weithin überschätzter englischer Kulturträger verschenkt zu haben.
Hmm, “Sleuth”… viel Gutes über den Film gehört, aber das Ding noch NIE gesehen…
Ging mir auch so – bis ich vor zwei Jahren endlich mal über die DVD gestolpert bin. Konnte ich den auch von der Liste streichen…
Und ? Gut ?
Ich dachte ja mal, ich hätte Glück und er würde im Fernsehen laufen, aber dann war’s doch nur “Das Mörderspiel”… wobei der wirklich sehr, sehr gut ist…
Definitiv sehenswert – auch wenn meine Erwartungen vielleicht ein wenig zu hoch waren. Besonders gut als Ergänzung zum Remake.