Zwischenstand
Themen: Film, TV & Presse, Neues |Nein, der Wortvogel ist nicht ins Klo gerutscht. Und ins Ausland fliehen musste er auch nicht. Der Wortvogel muss derzeit (schockschwerenot!) arbeiten. Eine (nicht) gänzlich neue Erfahrung, noch dazu mit allem, was bei trostloser Lohnarbeit dazu gehört: Langweiliges Büro, hässlicher Schreibtisch, und festgelegte Arbeitszeiten (allerdings nicht festgelegt genug, um Überstunden und Wochenend-Schichten zu verhindern).
Bis ich dazu komme, das Drama in seiner ganzen Breite zu erzählen, verrate ich euch hier erstmal, um was es geht: Ein großer Privatsender hat bei diversen ebenso großen Produktionsfirmen jeweils vier bzw. fünf Drehbücher für neue Serien im “us style” in Auftrag gegeben, die nach Fertigstellung um den Produktionsauftrag konkurrieren. Dabei soll mit einem “Writers Room” gearbeitet werden, in dem die Autoren zusammen alle Schritte und Stoffe besprechen, bis vier vollständige und abgenommene Bilder-Treatments vorliegen (ganz grob gesagt: Drehbücher ohne Dialoge). Dann schnappt sich jeder ein Bilder-Treatment, und schreibt die erste Buchfassung.
Na ja, und man hat sich dann entschieden, den Wortvogel um Mitarbeit zu bitten (will sagen: der Wortvogel hat den Erfinder der Serie angehauen, und seine Agentin hat gleichzeitig bei der Produktionsfirma Lobbyarbeit geleistet). War alles sehr kurzfristig, und insbesondere der Umstieg auf feste Arbeitszeiten sollte sich noch als Fluch erweisen.
Für eine Serie ist ein “Writers Room” in der Tat eine prima Sache, auch wenn er den Arbeitsgewohnheiten vieler deutscher Autoren krass widerspricht: er stellt nämlich sicher, dass alle Beteiligten dieselbe Vorstellung von dem Konzept und den Figuren haben, und Denkfehler zeitnah identifiziert uns ausgemerzt werden können. Weil eine solche Arbeitsweise aber in Deutschland noch praktisch unbekannt ist (ebenso wie der Aufbau der Geschichte an den Figuren, und nicht am Plot), wurde in der ersten Woche Lee Goldberg eingeflogen, um uns zu coachen, wie man neudeutsch sagt. Das war hart, aber sehr lehrreich, wurde uns doch in zwei Tagen im Schnelldurchlauf eingetrichtert, was Lee normalerweise in wochenlangen Seminaren vermittelt. Danach begaben wir uns unter seiner Ägide daran, die Storys für die ersten fünf Episoden zu plotten. Weil Details vertraulich sind, benutze ich mal den Arbeitstitel “Killerinstinkt” für die Serie.
Mit Lee zu arbeiten war klasse – noch lustiger waren aber die Mittagspausen: Mich interessierte weniger, wie es bei “Monk” und “Psych” abläuft – schließlich hat der Mann auch an echten Trashknallern wie “Cobra” (mit Michael Dudikoff!) und “She-Wolf of London” mitgearbeitet. Und wie erhofft hatte er grandiose Anekdoten vom Set zu erzählen, die mir wieder einmal bestätigen: Schauspieler sind strunzdumme Gesichtsverleiher, die ohne gutes Skript keinen anständigen Satz rausbringen. Es fiel mir außerdem auf, dass die Branche tatsächlich ein Dorf ist, denn Lee und ich haben Dutzende gemeinsamer Bekannte in Hollywood: Danny Bilson, Carlton Eastlake, Diane Duane, Bryce Zabel, Brent Friedman, etc. …
In der zweiten Woche wurden wir vom Konferenzraum eines Hotels in angemietete Räume in einem Business Center umgelagert. Lee war mittlerweile wieder in Amerika, und die verbleibenden Autoren mühten sich redlich, aus den entworfenen Geschichten sogenannte “Beatsheets” zu machen (Treatments, in denen alle nennenswerten Szenen der Folge enthalten sind). Das hat in einigen Fällen besser, in anderen schlechter geklappt – zumal die einzige Autorin im Team spontan das Handtuch warf (im Chor: “ICH KANN SO NICHT ARBEITEN!”).
Diese Woche ist die Aufgabe, aus den Beatsheets komplette Bilder-Treatments zu machen, was seine ganz eigenen Probleme birgt: Mit Feedback von drei Seiten (inklusive Lee, der die Beatsheets übersetzt bekommen hat) ist es mitunter mehr Jonglier-Akrobatik als kreatives Handwerk.
Nebenher muss auch noch am “testimonial” gearbeitet werden. Auch so eine neue Unsitte bei den Sendern: Man dreht (oft genug mit Ersatz-Schauspielern) ein paar Beispielszenen, um zu zeigen, wie die fertige Serie ungefähr aussehen soll. Klar, früher reichte für sowas die Phantasie der Redakteure, wenn sie das Drehbuch lesen, aber heute? Jeder Blick ins Programm bestätigt, was Michael Ende in der “Unendlichen Geschichte” vor Ewigkeiten propagierte: Die Phantasie stirbt aus.
Wir hoffen, über Weihnachten die ersten Fassungen der Drehbücher (dann wenigstens zu Hause) schreiben zu können, die im Januar beim Sender vorgelegt werden. Und dann entscheidet sich, ob noch vor Produktionsbeginn sieben weitere Drehbücher geordert werden – oder das Projekt den Weg allen Irdischen geht.
Natürlich wollte ich so eine Knochenarbeit (zehn Stunden Diskussion am Tag, sechs Tage die Woche) nach “Lotta in Love” nicht mehr auf mich nehmen. Aber der Job wird sehr gut bezahlt, ich habe keine anderen Sachen “auf Halde”, und da ich nicht Scheffe bin, lastet auf mir auch nur begrenzte Verantwortung. Außerdem mag ich die Firma, meine Ko-Autoren, und die betreuende Redakteurin. Das muss dann als Motivation reichen.
“Schauspieler sind strunzdumme Gesichtsverleiher, die ohne gutes Skript keinen anständigen Satz rausbringen.”
Das war doch jetzt wohl nicht auf Michael Dudikoff gemünzt… kann ich mir gar nicht vorstellen…
Details ! Schmutzige Details !!!
..na toll, ich leide ähnlich, aber bei mir denkt keiner im Traum daran, mich gut zu bezahlen..
Ich mach mir jetzt erstmal ´ne Dose Mitleid auf.
*zisch*
“Ooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooch”
😉
“Für eine Serie ist ein “Writers Room” in der Tat eine prima Sache, auch wenn er den Arbeitsgewohnheiten vieler deutscher Autoren krass widerspricht: er stellt nämlich sicher, dass alle Beteiligten dieselbe Vorstellung von dem Konzept und den Figuren haben, und Denkfehler zeitnah identifiziert uns ausgemerzt werden können.”
Wow… da ist doch tatsächlich mal jemand auf die Idee gekommen, wie man Qualität einer Serie bei hoher Schlagzahl sicherstellen kann! Wow. Wünsche mir mehr Berichte von der “Storyschmiede”!
off topic: warum ist der beitrag nicht im rss-feed drin?
@ rumo – ich lasse das checken, danke für den Hinweis
@ Andy Simon: Warten wir mal das Ergebnis ab – und ja, ich werde weiter fleißig berichten…
Und nicht in Writer’s Strike gehen, okay? (siehe Link) 😉
Preisfrage: Wie kann ein angehender Drehbuchautor bei solchen Produktionen mitarbeiten? Geld ist weniger wichtig als Erfahrung. Gib mal Tips, bitte!
@Ron: Gar nicht, außer Du bist ein alter Kumpel von Joachim Kosack. 😉
Wobei es in den USA aber in der Tat üblich ist, neben den erfahrenen Autoren auch Jungautoren in die “Writer’s Rooms” zu holen, um frische Ideen und Sichtweisen abgreifen zu können. Doch so weit ist Deutschland noch nicht, es ist ja erstmal schon ein riesiger Fortschritt, dass mit “Writer’s Room” und Showrunner gearbeitet wird.
Der Privatsender, von dem Torsten spricht, kann also eigentlich nur Sat1 sein.
BTW: Habt ihr den Auftakt von DEADLINE letzte Woche gesehen (heute kommt Folge 2)? Von vielen wurde das ja ziemlich verrissen, aber mir hat es doch sehr gut gefallen, ich wahr sehr überrascht, dass tatsächlich irgendwie US-Serien-Feeling aufkam. Interessanter Look, temporeich, gute Geschichte, gute Schauspieler und Soundtrack und vor allem auch im Gegensatz zu RIS nicht nur billige Studioszenen, sondern viele Außendrehs, was einfach nicht so steril wirkt.
Doch die Quoten waren ja sehr enttäuschend, wären sie wenigstens zum Start gut gewesen und dann eingebrochen, aber zum Start so schlecht, trotz intensiver Betrailerung, heisst einfach, dass die Zielgruppe heutzutage Produktionen, bei denen “Deutsch” draufsteht, meiden wie die Pest.
@ Hendrik: Ich wäre dir dankbar, wenn du nicht voreilig die Fragen meiner Leser beantwortest – vor allem, wenn du so sehr daneben liegst 😉
– Es SIND zwei von vier Autoren, die mehr Enthusiasmus als Erfahrung mitbringen – und wie erwähnt, hat eine Autorin gleich wieder kapituliert.
– Es ist nicht SAT.1 (Ratespiele zwecklos, mehr sage ich dazu nicht)
“Deadline” war technisch gut produziert, aber ich fand die Story und die Dialoge unter aller Kanone (man kann sehr treffende Kommentare bei guggr.de nachlesen). Schon der Teaser hat nicht funktioniert, bei der Szene mit dem Täter an der Bushaltestelle mit dem Benzinkanister haben wir alle herzlich gelacht, der “Negotiator” quatscht am Tatort erstmal mit Frau und Freundin (SO wichtig können die Menschen im Bus ja nicht sein), und als eine Handvoll Leute es nicht einmal schaffen, den Spinner aus dem Bus zu schubsen, haben wir erstmal abgeschaltet.
Wie man als junger Drehbuchautor an solche Aufträge kommt? In dem man Kontakte zu Produktionsfirmen aufbaut, ihnen Ideen pitcht, bis sie einen für talentiert halten, und dann hofft, dass man zum richtigen Zeitpunkt angerufen wird. Auch ein Agent kann helfen. Über das Thema schreibe ich morgen noch ausführlich.
Beim Namen Lee Goldberg ist mit zumindest schon einmal klar, um welche Produktionsfirma es sich handeln dürfte. Hoffe, Du kommst gut mit denen klar – mein Fall waren sie nicht gerade, als ich das letzte Mal mit ihnen in Kontakt kam. (Aber Du hast natürlich ein ganz anderes Standing als ich kleiner, dummer Anfänger.)
(Und falls er im selben Writer’s Room sitzen sollte: Herzliche Grüße an Klaus W.)
@ Jens – wieder falsch. Du meine Güte, ihr seid aber auch voreilig. Wäre es DIE Produktionsfirma – säßen wir dann nicht alle in Köln? 😉
Okay, ich gestehe mein Halbwissen ein und bin ruhig. 🙂 Hatte tatsächlich keine Ahnung, dass Mr. Goldberg gleich mit mehreren deutschen Produzenten anbandelt.
Keine Ahnung, ob Du das beantworten kann/willst/darfst, aber ich frag’s einfach mal neugierig: Seid ihr dort wie US-Serienautoren echte Angestellte mit allem was dazu gehört, oder seid ihr vertraglich freie Autoren, die eben nur nicht zuhause arbeiten, sondern zusammen im Büro?
@ Jens – es wurde diskutiert, die Autoren für den Entwicklungszeitraum fest anzustellen, aber dagegen haben wir uns massiv gewehrt, weil es sich a) nicht rechnet, und b) gegen das geht, was wir eigentlich machen wollen. Würde ich einen festen Job vorziehen, hätte ich bei Tandem bleiben können. Es ist jetzt eher so ein Mittelding – wir haben einen “freien” Vertrag über unsere Drehbücher, man erwartet aber von uns Anwesenheit und Input auch bei den Storys der anderen Autoren.
off topic “Deadline”: oh ja, FURCHTBAR! ich bin von deutschen serien viel gewohnt und erwarte (fast) nichts mehr. es gibt hin und wieder lichtblicke (anwesende blog-betreiber dürfen sich geschmeichelt fühlen), aber in der masse sieht es doch recht übel aus. man vergleiche nur die sachsenklinik mit einer x-beliebigen us-arzt/krankenhaus-serie. deadline sieht auf den ersten blick ein wenig nach “edel” und “hohem niveau” aus, hört man die dialoge, schmerzt dem zuhörenden schauer das vorderhirn. wo us-produktionen voll auf emotionen setzen, erahnt man gespräche am set:
“wie, also ich zeig jetzt mal was ich fühle? so richtig?”
“ja genau, mach mal ein ernstes gesicht…als ob du gegen urinstein kämpfst und er sich nicht löst..”
…
topic: bedenkt man dies, halte ich es für eine (überraschend) gute idee, einfach mal die produktion zu professionalisieren. mensch, das da keiner vorher drauf gekommen ist…sich einfach mal von sender/produzenten seite mühe geben gute bücher (bzw. dialoge) zu schreiben…also: RESPEKT für solche kreativen ideen. und viel spass beim schreiben
Hussa, das ist doch mal wieder interessant!
Und dem IMDB-Link folgend sah ich, dass Goldberg sogar eine der besteb “Monk”-Folgen überhaupt geschrieben hat (“Mr. Monk Goes To Mexico” natürlich), Reschpeckt!
Zum “Writer’s Room”-Konzept an sich: Als Laie kann ich es natürlich nicht beurteilen, aber ich stelle mir eigentlich vor, dass ich so sogar besser arbeiten könnte. Wenn man “zusammen kann” potentiert sich die Kreativität mehrerer Personen, anstatt sich nur zu addieren, so meine Beobachtungen.
Sind wir mal gespannt, was wir noch von “Killerinstinkt” zu hören kriegen!
Das stimmt zwar, aber man könnte auch argumentieren, dass Ideen kaputtgeredet werden, bevor sie die Chance hatten, aus-gedacht zu werden. Ich selber bin auch weiterhin überzeugt, dass der Writers Room seine Berechtigung hat – auf dem deutschen Markt aber dem jeweiligen Projekt genau angepasst werden muss. Wir sind ja in der Serienproduktion nicht so genormt – und haben auch nicht den großen Pool an Talenten, auf den man in den USA zurückgreifen kann (was aber weniger am “Deutschen an sich” liegt, sondern an mangelnder Erfahrung und Ausbildung).
“Hussa, das ist doch mal wieder interessant!
Und dem IMDB-Link folgend sah ich, dass Goldberg sogar eine der besteb “Monk”-Folgen überhaupt geschrieben hat (”Mr. Monk Goes To Mexico” natürlich), Reschpeckt!”
“Drogen. Es hat irgendwas mit Drogen zu tun… es sind immer die Drogen…” 😛
Was ist eigentlich aus dieser Writers Room Geschichte geworden? Gab es da ein Ergebnis das schon bald im Fernsehen zu sehen ist oder schon zu sehen war (und ich habe es verpasst)?
@ Geek: richtig, das Thema hatte ich gar nicht “aufgeräumt”. Ich habe am Ende zwei Drehbücher geschrieben (und bin deshalb gut bezahlt worden), und das Testimonial (10 Minuten) ist wirklich klasse geworden. Leider hat der auftraggebende Sender kalte Füße bekommen und KEINE der fünf entwickelten Serienideen der fünf Firmen in Auftrag gegeben (meine Vermutung: Flops wie “Deadline” und “Unschuldig” haben die Lust auf das Genre verdorben). Für mich ist das kein Drama: Die Schecks waren sauber, ich hatte wieder Zeit für andere Sachen (u.a. die neue “Hope”-Fassung), und Krimi ist eh nicht so mein Ding.