22
Nov 2007

Im Auftrag des Agenten…

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Secret Agent XDie Frage kam gestern wieder auf – und nicht zum ersten Mal. Wie ist das mit Agenten in meiner Branche? Braucht man sie – oder sollte man sie erschießen, sobald man sie sieht? Parasitäre Lebensformen oder hilfreiche Heinzelmännchen, die sich schützend vor den Autor werfen, wenn es hart auf hart kommt? Segen oder Fluch? Beides?

Zuerst einmal: Ich selbst habe mich 12 Jahre ohne Agent durch die Branche gekämpft. Übersetzer, Sachbuchautor, Romanautor, Drehbuchautor – geht alles auch auf eigene Kappe und Verantwortung. Dazu braucht man allerdings ein gesundes Ego und die Rückendeckung, auch mal was falsch machen zu dürfen. Wer lieber in seinem stillen Kämmerlein hockt und jeder sozialen Interaktion ausweicht, wird um einen Agenten nicht herum kommen – solche Autoren zieht man bei jeder Honorarverhandlung sauber über den Tisch.

Man wird sowieso erst aus Schaden klug – oberflächlich lesen sich die meisten Verträge nämlich ganz prima. Der Teufel steckt aber im Detail. Ein Beispiel: Wenn man als Romanautor sein erstes Drehbuch erfolgreich angeboten hatte, sollte man das Kleingedruckte lesen – wahrscheinlich hat man nach Unterschrift nicht das Recht, die Romanfassung zum eigenen Film zu schreiben! Oder die Staffelung der Honorare: traditionell versuchen Verlage und Produktionsfirmen, zur Minimierung des eigenen Risikos den Großteil der Auszahlungen an Leistungen zu binden, die erst sehr spät (oder bei mangelndem Senderinteresse gar nicht) erbracht werden. Bis dahin muss der Autor von Pellkartoffeln und Quark leben. Ebenfalls beliebt: Der Autor soll erst einmal in Vorleistung gehen, ein tolles Konzept erarbeiten, DANN könne man über einen Vertrag reden. Nur: Mit dem Konzept kann der Produzent schon alle Sender abklappern, und wenn niemand zugreift, ist es Essig mit dem versprochenen Vertrag. Außer Spesen nix gewesen? Ach was: Inklusive Spesen nix gewesen!

Wer sich aber zutraut, seine eigenen Interessen konsequent zu vertreten, hat die Möglichkeit dazu. Große Teile der Verträge sind sowieso Industriestandard (was nicht von der Verantwortung enthebt, sie immer wieder genau zu lesen!). Produzenten treffen sich auch mit gänzlich “freien” Autoren zum Pitch. Ich mahne allerdings zur Vorsicht bei Produzenten, die sich explizit freuen, wenn ein Autor keinen Agenten hat…

Nun gibt es aber einen weiteren Punkt, der einen sich selbst vertretenden Autor bremsen kann: Hässliche Verhandlungen. Seien wir doch ehrlich: Es ist schwierig, mit einem Produzenten neutral über ein Projekt zu sprechen, nachdem man ihm wegen eines unverschämten Vertrages vor fünf Minuten ins Gesicht gelacht hat. Oder umgekehrt: Man hat gerade exorbitante Forderungen gestellt, und der Produzent soll nun freundlich und kooperativ seine Meinung zum Stoff sagen. Schwierig. Es bauen sich im geschäftlichen Bereich Aggressionen auf, die den kreativen Bereich massiv stören können.

Hier ist ein Agent der Puffer zwischen Autor und Produktion. Er zieht den Ärger auf sich, verhandelt hart, verlangt Änderungen – aber der Autor kann immer prima zum Produzenten sagen: “Sorry, wenn ich könnte, würde ich das für dich auch umsonst machen, aber dann springt mir mein Agent an den Hals”. Die Ausrede ist stimmiger, als man meinen mag: Als Autor DARF man nämlich keine Absprachen ohne den Agenten treffen. Das wirkt im ersten Augenblick wie eine Fußfessel, ist aber im Tagesgeschäft eher eine beruhigende Grundlage (man schaufelt einfach ALLES zum Agenten).

Nach meiner eigenen Erfahrung ist den meisten Autoren mit einem Agenten gut gedient, und ich selber ärgere mich mitunter, dass ich nicht früher darauf gekommen bin. Daumenregel ist: Ein guter Agent ist wie ein guter Steuerberater – er bringt deutlich mehr ein, als er kostet.

Randbemerkung: Als erfolgreicher Autor sollte man sich auch einen guten Steuerberater anschaffen.

Die Auswahl eines Agenten ist schwierig, und meist gegenseitig mit Vorsicht anzugehen. Der Agent will keine “toten” Autoren, die er nicht an den Mann bringen kann, weil sie schlecht, faul, oder zu unerfahren sind. Der Autor wiederum will einen Agenten, bei dem er sich gut aufgehoben fühlt, der sich für ihn einsetzt, und der sichtbare Erfolge bringt. Letztlich sind die Wünsche von Autoren und Agenten nämlich im Konflikt: Im Idealfall für den Agenten ist der Autor so brillant, dass sich seine Arbeit von selbst verkauft – das würde den Agenten eigentlich überflüssig machen. Im Idealfall für den Autor kann der Agent jeden Scheiß verkaufen – dann bräuchte man sich nicht mehr anstrengen. Und im Spannungsfeld zwischen diesen Interessen muss man sich bewegen.

Ein guter Agent ist immer auch Berater, Sorgenonkel, Tratschtante, und Antreiber. Lee Goldberg hat mir den schönen Satz beigebracht: “Ein guter Agent gibt dir immer das Gefühl, dass du sein einziger und wichtigster Klient bist – auch wenn er Hunderte hat”. Und das stimmt. Ein guter Agent hat immer Zeit, schiebt nicht “wichtigere” Aufgaben vor, und steht IMMER auf deiner Seite.

Marc Hillefeld und ich haben uns vor Jahren bei einer großen Agentur vorgestellt – und nach dem Treffen einstimmig beschlossen: “Diese Idioten können uns mal an den Füßen lecken”. Man muss mit dem Agenten emotional wie beruflich auf einer Wellenlänge funken. Aus diesem Grund ist es sehr hilfreich, bei Interesse (von welcher Seite dieses auch immer ausgehen mag – meine Agentin hat mich damals einfach angerufen, nachdem ich ihr empfohlen wurde) zwei oder drei Treffen zu absolvieren, bei denen man über Gott und die Welt spricht, vor allem aber: über gemeinsame Ziele und Wünsche. Das ist nicht anders als bei einer Ehe.

Es gibt Agenturen in allen Formen und Farben: Klein und kuschelig mit dem Ambiente eines Strickzimmers, oder knallig und poppig, mit einem Haufen Anglizismen und einer mega-schicken Webseite samt Flash-Intro. Wo man sich wohler fühlt, ist Geschmackssache. Natürlich ist es sexy, in einer Liste mit den Top-Leuten der Branche auf einer der großen Agentur-Webseiten verzeichnet zu werden, aber man sollte realistisch sein: Bei 100 Klienten wird man besonders als Einsteiger immer “hinten an” stehen. Stars bringen der Agentur erheblich mehr Geld ein, und werden (ob man das merkt oder nicht) bevorzugt behandelt. Kleinere, aggressivere Agenturen dagegen haben nicht soviel Gewicht, hängen sich aber deutlich mehr rein.

Wieder ein Beispiel: Marc und ich haben lange darüber nachgedacht, bei einer Top-Agentur vorstellig zu werden (ich wollte an dieser Stelle erst Namen nennen, aber den Ärger kann ich nicht brauchen). Wir wurden vielfach gewarnt: Dort “verwaltet” man Autoren, bearbeitet Ver- und Aufträge, die der Kreative selber ranschleppen muss. Und genau DAS konnten wir ja sowieso selbst. Was wir brauchten, war eine Agentur, die uns neue Kontake aufmacht, uns Termine bei Produzenten besorgt, uns ins Gespräch bringt, wenn neue Serienteams zusammen gestellt werden. Sehr oft haben wir gehört: “Das gibt es so gar nicht, die meisten Agenten sind eher Verwalter”. Mit unserer jetzigen Agentin haben wir bestimmt zwei Monate lang “getanzt”, bevor wir uns an sie gebunden haben. Sie hat uns als Vorleistung Termine besorgt und Kontakte gemacht, die sich als wirklich gewinnbringend heraus stellten. Und sie hat dafür gesorgt, dass Sätze wie “Schreib erstmal, mit dem Vertrag das sehen wir dann schon” nicht mehr fallen. Allein die Sicherheit, alle unangenehmen Diskussionen oder Konditionen auf sie abschieben zu können, ist bares Geld wert.

Und bares Geld kostet eine Agentin natürlich auch. In Prozenten. Das kann von 5 bis 25 gehen, normal ist die Spanne aber zwischen 10 und 20. Die obere Grenze sollte dann aber schon für Super-Agenten reserviert sein. Und es ist nicht schlecht, sich als Autor erstmal ein halbes Jahr “Probezeit” auszuhandeln, um zu sehen, ob der Agent sich wirklich nach Kräften reinhängt. Wer will schon an jemanden gebunden sein, der nie vergißt, seinen Anteil abzubuchen, aber ansonsten in der Nase popelt?

Nicht jeder bekommt einen Agenten – oder kann ihn halten. Wer sich als Autor nicht bewährt, wird für seinen Agenten eine Belastung, und früher oder später eine Karteileiche. Da hat niemand etwas von. Gerade wenn man neu in der Branche ist, sollte man seinem Agenten soviele Hilfen an die Hand geben, wie man nur kann: Leseproben, Spec Scripts, Konzeptideen. Womit soll einen der Agent sonst bei Sendern und Verlagen anpreisen? Da ist man als Autor durchaus in der Pflicht. Erfahrene Autoren hingegen können auf ihre früheren Erfolge verweisen.

Ein Agent kann ein wichtiger Schritt zur Professionalisierung der Schreiberei sein, aber letztlich sind es Talent und Handwerk, die den Autor am Markt durchsetzen: Wer nichts kann, dem hilft auch der beste Agent nicht.

Wer jetzt denkt “Super, Agent brauch ich!”, der sollte zur Eigenleistung fähig sein, ein paar Agenturen zu googeln (es ist auch hilfreich, wenn die eigene Agentur sich nicht in München befindet, wenn man in Kiel lebt), und dort vorstellig zu werden. Es ist wie ein beidseitiges Bewerbungsgespräch. Oder ein Date. Und dann kann man sehen, wohin es führt.

So sind zumindest meine eigenen Erfahrungen – ich bin mit meiner Agentin sehr zufrieden, und sie hat sich auf jeder Ebene schnell bezahlt gemacht. Andere Autoren mögen andere Erfahrungen haben, die sie gerne in den Kommentaren mitteilen können.



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Gabbo
Gabbo
23. November, 2007 22:31

Der Autor soll erst einmal in Vorleistung gehen, ein tolles Konzept erarbeiten, DANN könne man über einen Vertrag reden.

Dazu eine schöne Kolumne: http://www.povonline.com/cols/COL209.htm
und http://www.povonline.com/cols/COL210.htm

Wortvogel
Wortvogel
23. November, 2007 22:39

In der Tat – das klingt alles verdammt vertraut…

Chinta
Chinta
6. Dezember, 2007 15:37

Viele Neulinge in dieser Branche werden dich an dieser Stelle fragen “Gib mir mal die URL von deiner Agentur”.

Bei mir ist das nun umgekehrt, denn durch deine Agentur bin ich auf deinen Blog gestossen.

Nicht das du jetzt denkst, eh die will sich wohl anschleimen.

Ich bin wie viele andere, ein Autor ohne Namen, ohne Beziehungen. Habe hier seit Jahren auf meinem PC, fertige Serien-, Film-Drehbücher und Manuscripte herum liegen. Aber wie kommt man an die Grossen der Filmbranche heran, ohne Namen*smile
Einfach mal die Produzenten anrufen, klar in der Warteschleife des Büros die Musik erklingen zu lassen, um dann die Absage zu hören: “Tut mir leid, der Herr XY hat leider keine Zeit für sie, versuchen sie es doch nochmals oder senden sie uns doch ihr Exposee zu.”

Exposee zusenden?? Und ein halbes Jahr später schaut man eine Serie oder Film, in dem genau deine Ideen vorkommen?
Also machen wir es wie die grossen Autoren, man googelt nach Agenturen die zu einem passen würden. “Sie sind neu in der Branche? Keine Referenzen?” Dann passiert einem das was Gabbo so kurz und so schön bündig hier geschrieben hat.

Durch viel Zufall kam ich dann auch zu der besagten Agentur von dir. Liest sich kurz und knapp, uih die fördern auch junge Talente. Mal auf die Portfolio gehen, wer sich dort schon verewigt hat.

Du bist der 5te an der Stelle und nicht dein Bild oder deine Filme haben es mir angetan mehr über dich wissen zu wollen, sondern das von dir verfasste Treatment und deine Sachbücher.

Die Vielseitigkeit von dir fasziniert mich, denn bis heute war ich der Meinung ein Autor müsste sich auf ein Genre festlegen. Und ich passe eben mit meinen Ideen auch nicht in eine feste Schublade. Nicht das du jetzt denkst, meine Storys würden irgendein Budget sprengen eines Produzenten. Nein, ich bin genau wie du…. vielseitig

Bleib wie du jetzt bist. Ich wünsche dir alles Gute.

Wortvogel
Wortvogel
6. Dezember, 2007 15:48

@ Chinta: Keiner hat gesagt, es sei einfach. Aber die Branche ist nicht hermetisch verriegelt. Denn sie BRAUCHT ja Nachwuchs, sie BRAUCHT gute Geschichten. Ob man selber diese HAT, steht auf einem anderen Blatt. Vertrauen muss man sich erarbeiten, am besten, in dem man Agenten und Produzenten gute Beispiele seiner Schreibe vorlegt. Das Argument “Und dann klauen die meine Ideen” höre ich immer wieder, aber das ist eher unwahrscheinlich. Eine Firma muss so oder so einen Autor bezahlen – also warum nicht den, von dem die Idee kam, und der offensichtlich den richtigen Ansatz hat? Und das Risiko, dass eine Produktion wegen einer Plagiats-Klage stockt, kann auch niemand eingehen. Die meisten Produzenten, die ich kenne, besitzen die kriminelle Energie zum Ideendiebstahl nicht. Und schlußendlich: Wenn man sich nicht traut, seine Ideen auch mitzuteilen, wird man sie nie an den Mann bringen. Man kann ja schlecht sagen: “Geben Sie mir erstmal einen gut dotierten Vertrag, DANN sage ich Ihnen, worum es geht”…

Chinta
Chinta
6. Dezember, 2007 16:34

@Wortvogel: Du überraschst mich immer mehr*gg

So schnell habe ich mit einer Antwort nie zu träumen gewagt.

Risiko in Germany?!

Ich glaube, wir beide wären in Amerika mit den unbegrenzten Möglichkeiten sich selbst zu verwirklichen, besser aufgehoben mit unseren Ideen. Denn hier in OLD Germany was neues zu versuchen, hat sich meines Erachtens als äusserst schwierig heraus gestellt.

Nehmen wir ein Konzept für eine neues Buch. Die Idee ist gut, aber warum schreiben sie nicht wie Hera Lind?
Dies kommt dir sicher bekannt vor. So passiert es auch mit Filmen oder Serien. Die meisten werden nicht wegen der Idee abgelehnt, sondern weil sie zu gewagt sind, es in Deutschland mit einem neuen Konzept zu versuchen. Wie schon oben geschrieben, wir sind nicht in Amerika.

Danke für den Mut den du mir gegeben hast, ja hast du.

Morgen werde ich drei Exposee wegschicken und viell. , eines Tages werden wir beide uns irgendwo live begegnen.

Träume sind erlaubt

Wortvogel
Wortvogel
6. Dezember, 2007 19:55

@ Chinta: Ich muss dir widersprechen – der amerikanische Markt hat NULL Interesse an deutschen Autoren. Die haben ja selber mehr als genug. Und bei den Amis werden Produkte erheblich stärker als hierzulande durch die Marktforschung gejagt, nach Zielgruppen und Merchandisemöglichkeiten abgeklopft, und dem jeweiligen Medium angepasst (z.B. schreibt der Sci Fi Channel seinen Autoren vor, zu welchen Minuten welche Cliffhanger in den Spielfilmen sein müssen – sechs an der Zahl). Nein danke, da bleibe ich lieber hier, wo man zumindest auf den weniger kompetitiven Plätzen mal was ausprobieren kann.

Und nein, mich hat noch keiner gebeten, wie ein anderer Autor zu schreiben (schon gar nicht wie Hera Lind – dabei ist die sehr nett).

Ich habe es oft gesagt, und ich wiederhole es: Erfolg hat nicht der mit dem größten Talent – Erfolg hat der mit der größten Ausdauer. Man muss dranbleiben, sich nicht kirre machen lassen, selbstkritisch bleiben, Nischen suchen, Partner finden. Beleidigte Leberwürste heuert niemand an. Bei mir hat es schließlich auch Jahre gedauert, und ich bin nach 15 Jahren in der Branche noch nicht “in trockenen Tüchern”.

Weil es dir vermutlich um Science Fiction geht: Das ist und bleibt hierzulande ein schwieriges Thema. Aber es wird. Langsam, aber es wird…

Kenari
Kenari
6. Mai, 2016 23:06

Als angehender Autor interessiert mich, was genau mit “Nischen suchen” gemeint ist. Ich habe den Begriff zwar schon öfter im Internet und in Schreibratgebern gefunden, aber keine genaue Erklärung.

Wortvogel
Wortvogel
7. Mai, 2016 12:11

@ Kenari: Nischen suchen geht auf die Long Tail-Theorie zurück: Statt alle potenziellen Leser erreichen zu wollen, in dem man alle Interessen und Themen bedient, sollte man sich lieber eine klare Zielgruppe suchen, die zwar insgesamt kleiner ist, aber leichter zu erreichen. So, wie Zeitschriften ja auch nicht für ALLE Leser gemacht werden, sondern für bestimmte Zielgruppen.

Kenari
Kenari
7. Mai, 2016 17:15

Ah okay. Danke für die Antwort!