31
Aug 2007

Mehr Fernsehkult, bitteschön!

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

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Ich wollte schon vor einigen Tagen einen Frustbericht darüber schreiben, wie armselig das deutsche Fernsehen mit seiner eigenen Geschichte umgeht – und dass z.B. die BBC ein ganz anderes Verhältnis zum britischen Film pflegt.

Dann sendete 3Sat diesen wunderschönen Thementag mit alten Schwarzweiß-Sendungen, und Katrin Bauernfeind als bezaubernd hintoupierter Ansagerin. Da steckte Liebe drin, die ich von den Öffentlich-Rechtlichen gar nicht mehr erwartet hatte.

Und was soll ich sagen? In der gleichen Woche entdecke ich bei SAT.1 Comedy (einem digitalen Spartenkanal) "Lachen Sie mit Stan und Ollie"- zur Primetime! Dabei handelt es sich um Zweitverwertungen klassischer Laurel & Hardy-Streifen, die mit einer Einführung des Altkomikers Theo Lingen versehen wurden. Produziert wurden die Zusammenstellungen laut Niggemeier und Reufsteck von 1975 bis 1980. Ich lasse das mal so stehen, obwohl ich mich an die Sendung nicht erinnern kann, und es schon auffällt, dass das ZDF Ende der 70er noch Moderationselemente in Schwarzweiß herstellte. Vom Look her gehört "Lachen Sie mit Stan und Ollie" eher in die späten 60er.

Nun kann man über diese Intros denken was man will – ein alter Kollege von mir hasst sie aus tiefstem Herzen, weil er sie für borniert und oberlehrerhaft hält.

Aber es erstaunt doch, wie akademisch und kritisch man beim ZDF damals mit dem eigenen Programm umging. Es ist davon auszugehen, dass kaum einer der Zuschauer wirklich mitkam, wenn in schneller Folge US-Studios der 30er Jahre und ihre Producer erwähnt wurden.

Und kann sich jemand vorstellen, dass heute ein Sender die bevorstehende Comedy als "nicht ganz so lustig" bezeichnet?

Hört selbst:

Sowohl der Themenabend auf 3Sat wie auch die Sendung "Lachen Sie mit Stan und Ollie" vermitteln eine Ahnung davon, was in den Archiven der Öffentlich-Rechtlichen noch schlummert – bezahlt von den Gebühren der letzten Generationen. Ebenso wie die BBC befindet sich das deutsche Fernsehen in einer fast einzigartigen Situation – ihm gehören große Teile der in den letzten 40 Jahren produzierten Programme. In den USA z.B. sind die Rechte an die Produktionsfirmen zurückgegangen, die sich nun mit DVD-Boxen eine goldene Nase verdienen.

Man sollte bei ARD und ZDF lieber über digitale TV-Nostalgie- sender nachzudenken, die mit preiswerter Archivware bestückt werden können, und TV-Delikatessen des untergegangenen DFF senden, statt für überflüssige Nachrichtensender weitere Millionen rauszuhauen.

Großbritannien ist da deutlich weiter. BBC2 feiert heuer "The Summer of British Film", eine Retrospektive mit über 70 Klassikern der letzten 100 Jahre, geordnet nach Genres. Und zu jede Genre gibt es eine 90minütige, fantastisch unterhaltsame Doku unter dem Oberbegriff "British Film Forever". Insgesamt sieben mal anderthalb Stunden, entstanden in Zusammenarbeit mit den Nationalen Filminstitut. Dazu Kurzfilmprogramme und andere Leckereien.

Was genau ist die Ausrede der Öffentlich-Rechtlichen, sowas hierzulande nicht auch mal zu versuchen?



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rumo
rumo
31. August, 2007 20:33

ähnliche gedanken hatte ich auch schon vor jahren, als der hr mit der late lounge ein sendung hatte, die auch einiges an archivware ausgrub.
ich vermute mal, dass gerade in der ard da einfach zu viele köche mitmischen, dass da bis jetzt nichts vernünftiges in form eines nostalgiesenders entstehen konnte.
einen öffentlich-rechtlichen nachrichtensender finde ich übrigens gar nicht so schlimm. das was bei EinsExtra tagsüber läuft sind wenigstens richtige nachrichten im gegensatz zu dem kram auf n-tv und n24. dafür dürfen die gerne gebühren verwenden und ausgeben.

Wortvogel
Wortvogel
31. August, 2007 20:55

Ich sehe keine Unterversorgung mit Nachrichten – zumal man Radio und Presse ja dazurechnen kann. Das ist für mich kein notwendiger, aber bisher fehlender Bestandteil der Grundversorgung.

Warum allerdings hunderttausende Programmstunden in den Archiven vor sich hin frösteln – DAS will mir nicht in den Kopf.

daniel
daniel
1. September, 2007 10:37

Die werden nicht genug Geld haben, immerhin müssen Sie doch erstmal ihre Internetauftritte IFA-tauglich mit dem letzten interaktiven Müll bestücken.

Wortvogel
Wortvogel
1. September, 2007 11:09

Und dann noch die ganzen technologischen Revolutionen, um die keiner gebeten hat: HDTV, 16:9, etc. Für die Gebührenmilliarden müsste man als Zuschauer eigentlich erwarten, dass man da ein Wörtchen mitzureden hat.

Nobby
Nobby
1. September, 2007 12:35

Also, ich war schon mal sehr froh als ich heute morgen die Lange Studio 3-Nacht sehen durfte. Mit alten Loriot-Perlen, Kerkelings Anfängen und der Rudi Carrell Show von 1967 war das doch äußerst unterhaltsam…

Wortvogel
Wortvogel
1. September, 2007 12:40

Aaaaarghhhh!!! Und ich hab’s verpaßt! Hat das wer aufgenommen? Gibt’s das online? Aaaaaarghhhh!!!

Tornhill
Tornhill
1. September, 2007 14:47

Oh, der Gedanke schmerzt mich auch immer wieder mal!
Was HABEN die Sender nicht alles schickes rumliegen, aber sie lassen es vergammeln.

Michael
Michael
2. September, 2007 08:47

Oh, wie schön! Dunkle Schrift auf hellem Hintergrund. Endlich kann ich Dein Blog ohne Kopfschmerzen lesen! Und ich hatte oft Kopfschmerzen, da ich Deine Beträge sehr gerne lese. Bis jetzt musste ich mir am Mac immer mit Apfel-Alt-Control-8 (Bild invertieren) behelfen. Das ist ja nun vorbei. Herrlich…

Wortvogel
Wortvogel
2. September, 2007 10:50

Das ist der Vorteil des Vistered-Themes: Es hat drei eingebaute "Sub-Themes", auf die sich per Knopfdruck umstellen läßt. Die hier ist "citrus".

Nulpe
Nulpe
5. September, 2007 21:02

"Warum allerdings hunderttausende Programmstunden in den Archiven vor sich hin frösteln – DAS will mir nicht in den Kopf."

Ganz einfach.Weil es der Zuschauer so möchte!Und wo käme man denn als Öffentlich Rechtliche Renten ähh Sendeanstalt denn hin wenn man dem Mopp ähh Fernsehzuschauer seine Wünsche erfüllen würde.
Ne man erlässt eine GEZ Gebühr für PC und UMTS Handy,klopft sich auf die Schulter und sackt neben den Werbeeinnahmen (die man eigentlich Schleichwerbung nennen sollte) die überteuerten GEZ Gebühren ein und bringt ein Programm zum davonlaufen.
Das einzige was man denen zugute halten kann,ist wenn sie mal Perlen auspacken,diese ohne Werbeunterbrechungen laufen.Aber das kommt so selten vor,wie der Bundestag mal eine vernünftige Entscheidung fällt.
Mit Wehmut denke ich an die Stooges Folgen,die Harold Lyod und Buster Keatonfilme zurück die es mal im ZDF gab.
Aber leider werden wir ein so gutes Programm nicht mehr bekommen.
Wenn der Tag kommen wird an dem die GEZ abgeschafft wird und man diesen Vollpfosten für ihren Murks nichts mehr zahlen muss den sie Täglich Verbrechen werde ich eine Megaparty schmeißen.

Andreas
27. November, 2007 10:44

Hallo!
Warum wird nicht die hervorragende Serie Lachen Sie mit Stan u. Ollie von ZDF mit Theo Lingen nicht wiederholt.
Andy

G
G
2. November, 2014 22:21

@Wortvogel: Ich wäre ja schon froh, wenn von gewissen Serien, Filmen und Shows einmal umfassende DVD- und Blu Ray-Editionen erscheinen würden. Von einem richtig guten Nostalgiesender, wie du ihn beschreibst, wage ich nicht einmal zu träumen.
Beim Radio ist es leider auch nicht anders. Wenn man daran denkt, wie viele Hörspielklassiker in den Archiven vergammeln, könnten einem die Tränen kommen (wenigstens bringt Pidax jetzt welche raus. Noch ein Grund mehr, diesen Verlag zu lieben).