16
Jul 2007

SAT.1 und die Nachrichtendefensive

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

SAT.1 streicht so ziemlich alles an Nachrichtensendungen, was da noch im Programm kreucht und fleucht. Das Feuilleton schreit empört auf, Medien-Webseiten beklagen den Untergang der News-Kultur, und allenthalben wird dem Sender vorgeworfen, journalistische Kompetenz der Rendite zu opfern. Raubtier- Kapitalismus, Heuschrecken, Shareholder Value, blablabla.

Ehrlich gesagt – wen schert’s? Wer von den Rittern von der spitzen Feder hat die Nachrichtensendungen auf SAT.1 geguckt? Wer kannte “Anchorman” Thomas Kausch jenseits der seinerzeit relativ spektakulär inszenierten Abwerbung vom ZDF?

15 Jahre lang hat SAT.1 immer wieder versucht, im Bereich News einen Fuß auf den Boden zu bekommen – “Nachrichtenoffensive” wurde dabei mehr als einmal zum Schlagwort erhoben. Erinnert sich noch jemand an Kronzuckers Magazin “Quadriga”? An “BILD-TV”? An die Wetterkarte mit dem lustigen Michel in 3D? An den Versuch, die Vormachtstellung der “Tagesschau” um 20.00 Uhr zu brechen?

Lassen wir doch mal die Kirche im Dorf – was verliert die deutsche TV-Landschaft wirklich? Hinterlässt die Streichung zwischen “Tagesschau”, “heute”, den RTL-”News”, zwei deutschen RundumdieUhrNachrichten-Sendern, Phönix, Bayern Alpha und CNN ehrlich eine Lücke?

Die Verpflichtung zur Versorgung mit Nachrichten auf allen Sendern geht zurück auf die Lizenzvergabe vor mehr als 15 Jahren – damals musste man, um als “Vollsender” anerkannt zu werden, auch einen bestimmten Anteil an Informationssendungen ausstrahlen. Und Nachrichten hatten außerdem den Nimbus der Seriosität, den man damals neben “Tutti Frutti” und “Gletscher-Clan” gut brauchen konnte. Man unterlag der irrigen Annahme, ein “richtiger” Fernsehsender müsse ein Vollversorger vom Schlage ZDF oder ARD sein.

Kompletter Unsinn. Die SAT.1-Nachrichtensendungen haben nie wirklich etwas geleistet, das ihre Existenz rechtfertigt. Sie waren nie mehr als dröge Dutzendware, mit gekaufter Pseudo-Kompetenz zwischen periodisch umgestalteten Logos nach amerikanischem Vorbild.

Die Zielgruppe informiert sich heute (hoffentlich) umfassend im Internet. Nachrichten holt man sich “auf Abruf”. Der Rest der Welt hat auch ohne SAT.1 wahrlich genug Auswahl – rund um die Uhr, in mehreren Sprachen, und mit schick gekleideten Nachrichtenpuppen, die täuschend echt wirken und mitunter tatsächlich so aussehen, als würden sie verstehen, was sie da vom Teleprompter ablesen.

Natürlich kann man die Hintergründe der Nachrichtendefensive fragwürdig finden. Bei SAT.1 regiert ja nicht eine längst überfällige Erkenntnis, sondern der eiserne Besen. Aber muss man deshalb so tun, als habe der Berliner Sender das deutsche Volk der seichten Verblödung preisgegeben?



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M'Urmel
17. Juli, 2007 09:38

Muss man ni9cht, kann man aber. Ist ja generell auch richtig, nur eben seit Bestehen des Senders. Will sagen, was sich geändert hat, ist nichts. Und ja, ich suche mir meine Infos übers Internet 🙂

GIGI DAG
17. Juli, 2007 11:04

Die Nachrichten auf den Privatsendern sind eh unter aller Sau…das ist ne besssere BILD Zeitung, mehr nicht. Vor allem ist es ja egal auf welchem Sender der SAT.1 Gruppe man Nachrichten schaut, das sind immer dieselben, mit denselben Kommentaren und Bildern…ich schau eh nur N24, OK das gehört auch zu Sat.1, aber da erfährt man trotzdem noch mehr als auf den Stammsender und die Newstime auf Pro7 vor den Simpsons ^^ So gezwungenermaßen

viewer
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17. Juli, 2007 13:14

Ich glaube es geht weniger um den Inhalt der “Nachrichten´”-Magazine (http://www.medienpiraten.tv/blog/?p=394), sondern um einen weiteren Schritt in die falsche Richtung, wo bei den Sendern nicht mehr nach der Quote, sondern ausschließlich nach Rendite geschaut wird. (http://www.stefan-niggemeier.de/blog/die-quote-ist-tot-es-lebe-die-rendite/). Von daher muss ich Kollege Niggemeier Recht geben. Abgesehen davon: Meine Empörung bezieht sich vor allem auf die Art und Weise wie diese Heuschrecken mal wieder agieren und sich selbst im gleichen Moment die Vorstandsgehälter erhöhen. (Wenn man SpOn glauben darf).

Wortvogel
Wortvogel
17. Juli, 2007 13:21

Darauf bezieht sich ja auch mein letzter Absatz. Nur muss man das ebenfalls konsequent weiterrechnen – ein ausgebluteter Sender hilft der Rendite auch nicht mehr. SO schlau sind die Heuschrecken dann auch. Die SAT.1-Nachrichten hingegen konnten den vergleichsweise hohen Produktionsaufwand nie durch entsprechende Erfolge rechtfertigen. Ich sehe es nur nicht so apokalyptisch wie der verehrte Kollege Niggemeier.

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17. Juli, 2007 13:39

Jep, da hast Du wahrscheinlich Recht. Habe eben Deinen Kommentar bei Niggi gelesen. Super Bild, das mit dem 1-Euro-Testbild! 🙂

WURMWORX
WURMWORX
17. Juli, 2007 19:00

Lieber Mitbewohner, wenn Sie da wohnen, wo ich vermute, dass Sie wohnen, dann kann ich nur sagen: kühl, so eine Ecke “mitten” in der Stadt hat was.

Jetzt zum Artikel: Ich glaube, dass es uns Zuschauern an nichts fehlen wird, ich bin da Ihrer Meinung. Allerdings liegt der Verdacht nahe, dass hier mal wieder Leute am Werk sind, die sich nicht wirklich für Medien interessieren, sondern für den schnellen Euro – wie gesagt: ein Verdacht. Ich bin selbstständig wie Sie und ich ärgere mich in so einem Fall über Menschen, die einen Horizont haben von hier bis zur nächsten Prämienausschüttung. Das tut den Leuten beim Sender nicht gut – ob sie gute Journalisten sind oder schlechte Journalisten, kann ich nicht beurteilen, allerdings kann man sich als Medienfuzzi schon mal fragen, wo das noch hinführen soll.
Sicherlich werden wir alle jetzt nicht desinformiert zu Bette gehen. Es geht hier ein wenig um die Art und Weise denke ich. Zumindest bei den Lesern, die Ihren Text und den des Kollegen Niggemeier kommentieren.

Es ist nicht das erste Mal, dass Investoren so mit einem Medium umgehen, und genau das ist es, was mich hin und wieder wütend macht. Warum sparen die nicht an anderer Stelle, warum muss es etwas sein, was der ein oder andere mehr oder weniger ambitioniert gemacht hat – über Sinn und Unsinn solcher Nachrichtensendungen brauchen wir nicht zu diskutieren……..
Ehrlich gesagt wäre es mir manchmal lieber, ab 22.00 Uhr würden die Sender ein Testbild zeigen, wenn dann wenigstens bis dahin etwas verwertbares zu schauen wäre, und mal ehrlich: Es gibt doch genug potentielle Zuschauer, die nur all zu gerne beim abendlichen Glotzen auf mehr als nur einem (Hirn)Zylinder laufen möchten.