17
Jun 2007

Kein Problem

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… habe ich mit den Zeugen Jehovas. Moralisch wie historisch kann ich sie sogar respektieren – und mit dem “Wachturm” in der Hand vor der Apotheke sind sie auch nicht lästiger als Fahrradständer oder Verteilerkästen.

Zweihundert Meter von meinem Haus entfernt befindet sich der Königreichssaal Giesing dieser Religionsgemeinschaft. Erwartungsgemäß hört und sieht man von denen nichts. Es gehen mitunter nur verdächtig viele sorgsam gekleidete Menschen durch mein Viertel.

Ungefähr ein mal im Jahr klingeln sie bei mir – immer im Doppelpack. Dann lächel ich, bedanke mich für den Besuch, ehre ihren unerschütterlichen Glauben, erkläre aber unmissverständlich, als zufriedener Atheist leider kein geeignetes Konvertierungsobjekt zu sein. Sie bedanken sich immer nett, wünschen einen schönen Tag, und gehen. Gerne lasse ich mir noch ein, zwei Pamphlete geben – ich finde die Illustrationen so toll.

Heute muss ich den Zeugen mal wieder ein Lob aussprechen: Es gehört einiges dazu, mich mit Gesang und Marschiererei am Sonntag Vormittag NICHT zu nerven. Schützenvereine und Karnevalisten sind die Pest.

Eben aber ertönte plötzlich Musik vor meinem Haus, Blasmusik. Leise, gar nicht unangenehm, mit vielstimmigem Gesang deutlich spiritueller Natur. Ich ging mal auf die Straße, um nachzusehen, was da vorbei zog:

Umzug

Es war gar nicht schlimm. Es war fast – schön. Als ich die Digi-Kamera zückte, duckte sich eine ältere Dame freundlich unter dem Objektiv weg. Ich sagte: “Lassen Sie sich von mir nicht stören”. Sie sagte: “Sie sind ein wenig spät dran, man kann die Spitze kaum noch sehen.” Ich: “Macht nichts.” Sie lächelt: “Nächstes Jahr gehen Sie einfach mit.”

Da schmilzt auch des Atheisten Herz…



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Julian
17. Juni, 2007 12:17

Ganz ungefährlich sind die Zeugen Jehovas aber nicht:

http://www.zeugen-jehovas.dergloeckel.eu/

Wortvogel
Wortvogel
17. Juni, 2007 12:28

Der Eintrag betrifft meine ganz persönlichen Erfahrungen mit den ZJ – ich wünsche keine ausufernde Diskussion über Hintergründe oder mögliche Machenschaften dieser Religionsgemeinschaft. Die genannte Webseite scheint mir schon nach grober Übersicht massiv tendenziös, eventuell sogar bedenklich.

comicfreak
17. Juni, 2007 16:36

..von der Aufmachung erinnert die Prozession an die Fronleichnamsprozessionen meiner Kindheit.

Und: die Zeugen können verd**** sportlich sein. Beim Anblick* meines damals gerade 6 Monate alten Welpen** ist mal einer inklusive “Wachturm”, Aktentasche und langem Mantel problemlos über ein 1,20m hohes Gartentürchen geflankt. Ich hätte mir beim Versuch das Genick gebrochen.

*kein Angriff, kein Bellen, kein Knurren, er kam nur um die Ecke geschlendert

**Irish Wolfhound

Gast
Gast
17. Juni, 2007 22:03

“eventuell sogar bedenklich”
Ja, ja – die Wahrheit schmerzt immer!

Torsten Dewi
18. Juni, 2007 00:04

Flagge zeigen oder Klappe halten, “Gast”

M'Urmel
18. Juni, 2007 10:50

Also zumindestens (ich weiß dieses Wort gibts nicht :)) in Berlin nerven mich die Zeugen, abgesehen von den Besuchen auch auf der Strasse, aber das nicht deshalb weil es ZJ sind, sondern weil mich generell Leute nerven, die mich auf der Straße ungefragt ansprechen. (Ich meine jetzt keinen, der nach der Zeit oder nach dem Weg fragt.) Und moich nervrt auch der Mensch der ohne meiner Tür klingelt ohne mich vorher gefragt zu haben, (Postboten z.B ausgenommen).
Aber generell kann man sagen: “Zeugen Jehovas – Größtenteils harmlos.”

Julian
18. Juni, 2007 10:51

Keine Sorge, ich plane keine Diskussion, ich wollte nur einen Ansatz zu weiterer Recherche liefern. Die Glöckel-Seite ist sicher nicht bedenklich, ich kenne den Herrn zufällig persönlich, und er legt größten Wert auf neutrale Berichterstattung und nackte Fakten. Aber daß die Webseite unübersichtlich ist und chaotisch anmutet, unterschreib ich gern!

Wortvogel
Wortvogel
18. Juni, 2007 10:55

Ich wollte Herrn Glöckel auch nichts unterstellen, aber du hast Recht – durch die chaotische Struktur ist es sehr schwer, erstmal die grundlegende Philosophie hinter der Site zu sehen. Und manches schien mir schon in den Überschriften arg überhitzt.

@ M’Urmel: Hier in München sprechen die ZJ niemanden an. Sie stehen nur da. Und das kann ich kaum jemandem verbieten. Und einmal im Jahr zwei ältere Herrn vor der Tür nervt deutlich weniger als die ca. 2-3 “cold calls”, die ich pro Woche bekomme. Am schlimmsten ist es zweifellos, wenn dann nicht mal jemand dran ist, den man anscheißen kann, sondern nur ein Band…

lindwurm
19. Juni, 2007 01:06

“Schön”, lieber Torsten, sind viele Manifestationen religiöser Verzückungt Da verwesie ich gerne auf den Reisenden Richard Burton, der sich im 19. Jahrhundert als Nicht-Moselm in Mekka eingeschlichen hatte und dort – obwohl Atheist – angesichts der Stimmung rund um die Kaaba in Tränen ausbrach.

Peter Krause
Peter Krause
19. Juni, 2007 01:28

Ich habe auch noch nicht erlebt, daß die ZJ auf der Straße irgendwen anquatschen. Nirgendwo. Jeder quatscht Dich an, von Bertelsmann bis Heilsarmee, aber nicht die Zeugen Jehofas.
Das einzige, was ich an ihnen bedenklich finde ist, daß Sie Ihre Einstellung zur Bluttransfussion und allem, was damit zusammenhängt, nicht nur für sich selbst treffen sondern zwangsweise auch für Ihre Kinder.
Von allen christlich basierten Glaubensgemeinschaften sind mir die ZJ mit Abstand am sympathischsten.
Oder ist mir sonstnoch irgendwas entgangen?

Wortvogel
Wortvogel
19. Juni, 2007 10:58

Natürlich ist die Blut/OP-Sache bedenklich, und die Tatsache, dass man keine Feste feiert, ist besonders für die Kinder sicher frustrierend (wie fühlen die sich, wenn sie an einem Weihnachtsmarkt vorbei kommen?). Als Atheist geht mir auch jedes Verständnis für das dusselige “Nur wir werden gerettet, wenn der Jüngste Tag anbricht”-Gefasel ab. Aber bitteschön. Dafür ziehen die ZJ nicht für ihren Gottesglauben in den Krieg – das ist der gelebte Pazifismus, von dem andere Religionen nur schwätzen.

General Failure
General Failure
19. Juni, 2007 13:50

Eine Religion zieht eh niemals in den Krieg, es sind immer ihre Mitlgieder, und es waren auch noch nie alle. Wenn Kriegstreiber, Mörder, Vergewaltiger und Plünderer sich Chisten, Muslime, Juden oder sonst etwas nennen, sich eine Ideologie auf die Fahne schreiben und dann “in deren Namen” morden (was bei Friedensreligionen wie dem Christentum oder dem Islam schon an Schwachsinn grenzt) erweckt das natürlich Verdacht, die Religion selbst wäre Keimzelle dieser Gewalt, Natürlich möchten auch gerade jene Verbrecher skurilerweise dann die Frommsten und religiösesten sein und am liebsten als Märtyrer sterben. Das nennt man dann Fundamentalismus. Aber dagegen muss man sich wehren!
Es käme ja auch niemand auf die Idee, den Holocaust den Atheisten anzurechnen, und dann pauschal den Atheismus zu stigmatisieren.

Wortvogel
Wortvogel
19. Juni, 2007 13:57

Kinders, die Diskussion hatten wir doch neulich schon bis zum Erbrechen! Außerdem habe ich nicht behauptet, dass Religionen in den Krieg ziehen. Aber bei den Zeugen Jehovas wird die Teilnahme an Kriegen explizit ausgeschlossen. Kleine Nebenbemerkung: Theisten verwenden gerne das (falsche) Argument, Hitler sei Atheist gewesen – und konstruieren daraus einen Beleg für die Gefahren der Gottlosigkeit.

Und nun ist Ruhe im Karton!

Peter Krause
Peter Krause
21. Juni, 2007 01:16

Wieso?
Ist Dein Blog etwa nicht “nach unten offen”? 😉
(Und ist es eigentlich nach Dir benannt?)

Wortvogel
Wortvogel
21. Juni, 2007 09:27

Mein Blog ist privaterer Natur als die Seiten z.B. des Niggemeiers, und ich regiere hier diktatorisch. Wo Niggemeier Kanzler ist, bin ich der gütige Monarch mit der strengen, aber gerechten Hand 😉

Norman
27. Juni, 2007 13:52

wusste garnicht, dass die bei uns in giesing auch nen königreichsaal haben… auch wachturmrentner sind mir in giesing noch nicht untergekommen.

muss ich mal mehr drauf achten.

Wortvogel
Wortvogel
27. Juni, 2007 23:22

Vor der Stadtbücherei an der Silberhornstraße und dem Hertie stehen sie eigentlich immer. Der Königreichssaal ist in der Gietl-Straße ganz hinten, fast am Hang.

Genau genommen Ober-Giesing, aber da bin ich flexibel 🙂

Norman
28. Juni, 2007 11:01

daher! ich als unter giesinger treib mich net so oft da oben rum 😉