03
Dez 2006

Aus meiner geheimen Schreibwerkstatt (2): Hinfallen JA, liegenbleiben NEIN!

Themen: Neues |

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So, es hat länger als erwartet gedauert, aber heute möchte ich (auch auf die zähe Nachfrage des Herrn Sixtus) mal wieder berichten, wie es mit dem Roman voran geht.

In zwei Worten: Nicht gut.

Und das gibt mir ausreichend Material, euch mal über meine Schulter gucken zu lassen. Im Leid liegt ja bekanntlich mehr Spannung als in der Freude…

Was ist passiert? Nun, ich habe die 200 Seiten-Marke mittlerweile solide übersprungen. Das entspricht nicht ganz meinen Planungen, nach denen ich mich schon der 300er-Marke nähern müsste. Aber wenig im Leben ist so planbar wie die Kreativität, und das gilt für eine solche Herkulesarbeit gleich doppelt.

Das handwerkliche Problem (zuwenig Seiten für den geplanten Abgabetermin) ist schnell erklärt – mein Haus brauchte eine neue Hypothek, und zwei Produzenten wollten sehr kurzfristig (= sofort) Drehbuchkonzepte. Für sowas muss Zeit sein, denn aus vierseitigen Drehbuchkonzepten werden gerne mal fünfzigseitige Drehbuchaufträge, und solche tragen die gerade schon erwähnte Hypothek. Hinzu kommt eine spastische Bronchitis, die mich nachts schwer schlafen lässt, und eine generelle Schreibunlust am Ende eines Jahres, in dem ich mehr zu Papier gebracht habe, als in den vergangenen zehn Jahren zuvor. Kurz gesagt: Ich bin sowohl ausgelaugt, als auch ein wenig überfordert.

Nun ist das kein Grund, die Flinte ins Korn zu schmeißen – wenn es hart auf hart kommt, fahre ich die letzten drei Wochen vor Abgabe irgendwo hin, wo es schön ist, und der Teufel “Internetanschluss” mich nicht fortwährend lockt. Dann werden ein paar Sonderschichten geschoben, und es passt wieder. Hat bisher immer funktioniert, funktioniert auch hoffentlich weiterhin.

Das größere Problem ist die Handlung des Romans. Das von mir im ersten Teil dieses Werkstattberichts erwähnte Exposé hat sich mittlerweile als zu umfangreich entpuppt. Will sagen: Die angedachte Story würde bei meinem Schreibstil eher 800 als 500 Seiten umfassen. Das wäre prinzipiell kein Problem – allein, mir fehlt die Zeit für 800 Seiten.

Kürzen ist also angesagt. Zuerst dachte ich: schreibste halt ein ein wenig knapper als sonst. Man muss ja nicht gleich jeden Ast beschreiben, an dem Sigurd vorbei hastet. Dabei stieß ich auf eine eigentümliche Besonderheit des Schreibstils, den ich mir für den ersten “Nibelungen”-Band eher unbewusst zugelegt hatte – ich schreibe Szenen praktisch immer in “Echtzeit”, und springe dafür von Person zu Person, wenn Handlungszeit überwunden werden muss.

Das kann man sich vielleicht schwer vorstellen, also ein Beispiel: Ich schreibe nie im Stil von “Er ritt drei Tage, dann stieg er in einer Taverne ab. Das Bett dort war weich, und Sigurd schlief wie in den Tagen seiner Kindheit”. Mit diesen zwei Sätzen sind drei Tage und diverse Handlungen knapp abgefeiert. Stattdessen lasse ich Sigurd in die Taverne kommen, und er erzählt der Wirtin, dass er drei Tage geritten ist. Dann beschreibe ich ausführlich, wie er nach dem Zimmer fragt, nach oben geht, und sich schlafen legt. Es folgen ein oder zwei Seiten, die an einem anderen Ort spielen, und wenn wir zu Sigurd zurückkehren, ist es Morgen, und er hat gut geschlafen.

Dieser “Echtzeit-Stil” (der wie gesagt keine bewusste Entscheidung war) erlaubt eine große Nähe zu den Figuren, macht es aber fast unmöglich, größere Handlungsabfolgen zusammen zu fassen. Und das beißt mich momentan in den Hintern.

Die offensichtlichste Lösung – Stilwechsel – ist aus zwei Gründen nicht praktikabel: Ich müsste die ersten 200 Seiten komplett neu schreiben, und die Zeit habe ich nicht. Und dann müsste ich akzeptieren, dass Band 1 einen komplett anderen Erzählstil hat als Band 2, was den Fans von Band 1 sicher nicht gefallen würde.

Ich bin also in der Klemme – der Stil erlaubt kaum Straffung, und Rückwärtsgang kommt auch nicht in Frage.

Was tun, sprach der Scheich?

Ich habe mich entschieden, die gesamte Handlung “auszumisten”. Ich gehe heute nochmal an das Exposé, und dann werden Plot-Twists, Handlungsschleifen, Nebencharaktere, etc. gnadenlos rausgekürzt. Aus drei Reisen, die für Sigurd gedacht waren, wird nun eine große Reise werden.

Ich habe mich gegen diese radikale Lösung gewehrt, Seit einer Woche habe ich kaum noch eine Seite zu Papier gebracht, weil mein “kreativer Muskel” solche Schwierigkeiten hasst, und entsprechend meidet. Aber mittlerweile scheint mir klar, dass die Kürzung des Stoffes vielleicht sogar Vorteile mit sich bringt. Es geht nicht mehr willkürlich hin und her, die Ziele des Protagonisten sind fokussierter, und letztlich hat “Die Rache der Nibelungen” dann weniger “Fett”.

Vielleicht rede ich mir das aber auch nur ein, um nicht gänzlich zu verzweifeln. Ich habe vermutlich die “Midbook-Crisis”, die viele Autoren überfällt, wenn sie schon “total viel” geschrieben haben, aber feststellen müssen, dass noch nicht einmal ein Drittel der anvisierten Seitenzahl erreicht ist.

Das ursprünglich geplanten Ende lässt sich übrigens, wie ich nun einsehen muss, weder mit dem Schreibstil, noch mit der gekürzten Handlung vereinbaren. Auch da wartet noch viel Arbeit auf mich. Erfreulicherweise erst ganz am Schluss.

Das klingt nun alles sehr melodramatisch, und darum möchte ich mich vom Habitus des “leidenden Schriftstellers” auch gleich wieder verabschieden: Ich habe in 15 Jahren JEDES Buch rechtzeitig abgegeben, meine Verlage konnten sich immer auf mich verlassen. Und nach 15 Jahren vertraue ich auch bis zu einem gewissen Grad mir selbst.

Kurz gesagt: Wird schon werden…



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2 Kommentare
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manhunter
7. Dezember, 2006 08:29

Uffza, da fühlt man sich ja schon vom Lesen darüber gestresst! Wünsche Dir viel Energie für das Beenden dieser Mammutarbeit…

Hauke
7. Dezember, 2006 13:09

Dein Vertrauen in Deine Kräfte in allen Ehren, aber überanstreng Dich nicht. Die Schlechten lassen einen warten. Auf die Guten wartet man. Klingt ähnlich, ist es aber nicht.