28
Jun 2016

Resi, i hol’ di mit meim Fernbus ab…

Themen: Neues |

Ich habe mich mit dem Titel dieses Beitrags etwas schwergetan. Genug fußlahme Wortspiele zu finden war nicht das Problem:

  • BusGenuss
  • Mit Fernbus fahr ich gern Bus
  • Bus(s) zum Abendrot
  • Gruß und Bus, dein Julius
  • Bussi, bussi!

Aber es soll ja nicht nach einem Werbeflyer klingen. Stattdessen möchte ich nach drei Jahren und ungefähr einem halben Dutzend Fahrten auf verschiedenen Strecken mal möglichst wertfrei zusammenfassen, was mir am Konzept Fernbus gefällt – und woran noch gearbeitet werden muss.

Generell begrüße ich die Verfügbarkeit von Fernbuslinien. Ich hatte mich zeitlebens gefragt, warum es hierzulande keine Anbieter wie Greyhound gibt. Es hatte mir ja niemand gesagt, dass eine Gesetzgebung dagegenstand, deren Ziel es war, die Deutsche Bahn zu schonen. Im Rahmen der europäischen Verordnungen wurde diese politische Protektion vor ein paar Jahren gekippt. Es bildeten sich schnell ein Dutzend größerer und kleinerer Anbieter, von denen einige mittlerweile fusioniert sind (FlixBus und MeinFernbus), während bei anderen die Partner getrennte Wege gehen (aus dem ADAC Postbus wurde der Postbus). Auch die Deutsche Bahn hat eine eigene Linie namens IC Bus gegründet. Mit aggressiver Werbung und echten Kampfpreisen wird seither versucht, der Bahn Marktanteile zu stibitzen.

Dreh-und Angelpunkt für alle, die eine Fernbusreise unternehmen wollen, ist die Webseite Busliniensuche. Dort kann man extrem komfortabel Datum, Start und Ziel der gewünschten Reise eingeben und bekommt eine übersichtliche Auflistung aller Anbieter, Fahrzeiten und Preise. Dabei konkurrieren nicht nur Buslinien, sondern auch die neue Mitfahrzentrale blablacar und die Deutsche Bahn selbst, die hier mit rabattierten Tickets einsteigt.

Generell gilt: blablacar ist (bei 1 Euro pro 20 Kilometer Strecke und ohne Vermittlungsgebühr) sicher persönlicher, oft schneller und in Sachen Haltestellen auch flexibler als die Buslinien – aber das unberechenbare Miteinander muss man mögen. Ich hatte schon Touren mit Rauchern in Wagen ohne Klimaanlage bei 30 Grad. Und mal eben aufstehen und sich im Gang die Beine vertreten ist auch nicht drin.

Wenn die Bahn ein vertretbares Angebot macht (oft 19 Euro für eine einfache Fahrt), würde ich generell eher die Bahn empfehlen – die hat ihre eigene „Straße“, was für deutlich höhere Zuverlässigkeit und Zeitsicherheit steht. Generell bieten Züge (sofern sie nicht brechend voll sind) mehr Komfort und mehr Luxus:

zug

(Meine folgenden Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf die Anbieter IC Bus und FlixBus/MeinFernbus, weil ich bisher nur mit denen gefahren bin.)

Und wenn man sich nun für einen Trip mit dem Fernbus entschieden hat? Was darf man als Kunde erwarten? Zunächst einmal ist der Buchungsvorgang geradezu lachhaft einfach, da könnten sich Anbieter wie die Deutsche Bahn ein paar Scheiben von abschneiden. Das können auch Laien in wenigen Sekunden meistern, bezahlt wird u.a. mit Paypal. Das PDF-Ticket wird mit einem QR-Code in der Mail verschickt, ausdrucken muss es also nicht unbedingt. Das Ticket selbst ist ein Musterbeispiel an Userfreundlichkeit: übersichtlich, leicht zu lesen, mit wirklich ALLEN relevanten Informationen (sogar einer Umgebungskarte des Busbahnhofs, damit man ihn leichter findet):

FLIX-Buchung

Die Preise sind (von den Kampfpreisen der rabattierten Bahntickets abgesehen) ziemlich konkurrenzlos: 11 Euro von Karlsruhe nach München, 22 von München nach Berlin, 9 von Mannheim nach Nürnberg. Immer wieder gibt es Aktionen, bei denen man Ticketgutscheine für weniger horten kann. Wer gerne sein Fahrrad mitnimmt, kann das problemlos machen – von München nach Berlin kostet das gerade mal 9 Euro Aufpreis.

Man darf übrigens bis 15 Minuten vor Reisebeginn über das Web kostenfrei stornieren, woran die Bahn sich ebenfalls ein Beispiel nehmen könnte.
Die Busbahnhöfe befinden sich oft an oder in der Nähe von Hauptbahnhöfen, in München ein paar Gehminuten davon entfernt bei der Hackerbrücke, in Berlin etwas außerhalb beim ICC. Generell ist für gute Nahverkehrsanschlüsse gesorgt. Die Terminals schwanken in Qualität und Ausstattung. In Berlin ist ausreichend Platz, in München ist alles sehr modern, Mannheim ist sehr übersichtlich strukturiert, aber in Karlsruhe balgen sich die vielen Busse um zu wenig Standplätze und es wird manchmal hektisch, wenn man nicht genau weiß, wo der eigene Bus nun steht oder abfährt.

Die durch die Bank sehr gut geschulten und sehr freundlichen Busfahrer helfen dabei, das Gepäck einzuladen und scannen das Reiseticket. Sie helfen auch, das Fahrrad auf einem Träger hinten am Bus einzuklinken.

Wer schon einmal mit einem Airport Express-Bus gefahren ist, weiß ungefähr, was ihn in einem ICE Bus oder FlixBus erwartet: der Reisekomfort und das Platzangebot entsprechen ungefähr einer Billig-Airline, üppig ist anders. Unbequem aber auch. Aktuell sind die Busse (noch) modern, sauber und geruchsfrei. Außerdem ist es schon sehr auffällig, dass die Busanbieter können, was die Bahn nicht kann – Snacks und Getränke zu wirklich günstigen Preisen anbieten. Angesichts der Flaschen und Schokoriegel ist es tatsächlich unnötig, sich vorher billig im Supermarkt einzudecken.

Bei meinen Touren waren die Busse nie voll belegt, in diesem Moment (von Karlsruhe nach München) sind circa zwei Drittel der Plätze voll, das ist Rekord. Es gab auch Fahrten, da waren gerade mal ein Dutzend Fahrgäste im Doppeldecker. So kann man sich oft auf zwei Plätzen breit machen.

Oberflächlich lassen es die Anbieter auch an Entertainment-Komfort nicht mangeln – mit Unterhaltungsangeboten auf dem eigenen kleinen Schirm und WLAN wird geworben. Aber darauf sollte man im Zweifelsfall kein Geld wetten – ich habe bisher noch auf keiner Fahrt einen zuverlässigen Internetzugang hinbekommen. Ich empfehle ein Laptop oder ein Tablet (natürlich mit Kopfhörern), um sich die Zeit zu vertreiben.

Klar habe ich im eigenen Auto mehr Komfort, bestimme die Geschwindigkeit und bin am Zielort flexibler. Aber zusätzlich zu den erheblich höheren Kosten muss ich konzentriert fahren und kann nicht nebenher Filme anschauen oder Blogbeiträge schreiben.

Ein paar Worte zum Publikum: sehr gemischt, was Altersklassen und soziale Schichten angeht. Viele preisbewusste Touristen aus dem Ausland (Amerikaner, Indonesier, Spanier), aber auch Wochenendheimfahrer und Fernbeziehungshälften. Keinen Deut lauter oder unangenehmer als bei der Bahn.

Und damit kommen wir zu einem der großen Probleme der Fernbuslinien, das ich oben schon angedeutet habe: Fernbusse benutzen die öffentlichen Verkehrswege. Und die sind tückisch. Ein Unfall, ein Stau, eine Sperrung – schon sind alle Fahrzeiten Makulatur. Bei einem Maximaltempo von 100 km/h kann man schon im Normalfall nur auf Ausnahmestrecken (z.B. Mannheim nach Nürnberg) mit der Bahn mithalten. Bei Fahrten zur Stoßzeit an Metropolen vorbei sollte man seine Termine nach der Ankunft nicht zu eng gelegt haben. Ich rechne mit einer Stunde möglichem Puffer. Braucht man nicht immer (ab und an geht es sogar schneller als geplant), aber so vermeidet man Wut und Stress.

Man sollte sich auch genau anschauen, wie lange ein Bus für eine Strecke braucht, weil das mitnichten von der Entfernung abhängt. So kann man von München nach Berlin in soliden sechs Stunden fahren, während man für die fast gleich lange Strecke von Düsseldorf nach München über zehn braucht. Warum? Weil der Bus aus der niederrheinischen Metropole unterwegs einen Haufen Zwischenstopps einlegt, während der Kollege aus München nur einmal eine kurze Pause macht.

Natürlich gehen auch mal Sachen schief, gerade heute zum Beispiel. Eigentlich sollte mein Bus um 16.05 Uhr gehen. Der fiel aber (vielleicht wegen Buchungsmangel) aus. Zumindest wurde die Streichung von FlixBus bestmöglich geregelt: Ich bekam gestern eine Email den relevanten Informationen und einer automatischen Umbuchung für 16.40 Uhr. Außerdem kam heute Vormittag noch eine SMS mit den gleichen Informationen. Das Problem: Um 16.40 war kein FlixBus auf der Südseite des Karlsruher Hauptbahnhofs zu sehen. Ich rief die Hotline an, die meine Nummer und damit meine Reiseabsichten erkannte. Der Computer sprach: „Ihre. Busfahrt. Um. 16.40. Uhr. Ist. Pünktlich.“. Um 16.50 Uhr. Als ein anderer FlixBus kam, bat ich den Fahrer um Hilfe. Er kontaktierte die Zentrale, von der die Information kam, dass der Bus weitere zehn Minuten Verspätung haben würde. Die Fernbusse haben halt keine Lautsprecher und interaktive Hinweistafeln. Aber wir landeten am Ende alle im richtigen Bus – auch ein älterer Herr, der keine Umbuchung hatte und dem ich half, auch mit dem „falschen“ Ticket an Bord genommen zu werden. Um 17.12 Uhr ging es dann los. Angesichts des Verkehrschaos rund um Karlsruhe zum Berufsverkehr verschmerzbar.

Wer unbedingt mit dem Fernbus fahren und dabei unbedingt so schnell wie möglich sein will, sollte eine Nachtfahrt buchen, die meistens besser durchkommt. Während ich das hier tippe, fahren wir auch schon bei Stuttgart-Degerloch in den zu dieser Zeit unvermeidbaren Stau. Andererseits: Mit meinem eigenen Wagen wäre mir das jetzt auch passiert. Außerdem habe ich bei der Deutschen Bahn ebenso oft genug Ausfälle, Verspätungen und Fehlplanungen erlebt. Da sollte man die Fernbusse nicht an zu hohen Maßstäben messen.

Ich habe für die Fahrt mit dem Regional-Express von Baden-Baden nach Karlsruhe und für die Fahrt mit dem Bus von Karlsruhe nach München insgesamt 18,10 Euro bezahlt.

Ist die Fernbusreise der Bahnfahrt vorzuziehen? Nein. Zumindest nicht generell. Wie üblich wird der billige Preis mit einem Defizit an Komfort und Zuverlässigkeit bezahlt. Für enge Termine oder wenn man es grundsätzlich sehr berechenbar mag, sollte man weiterhin auf die Schiene setzen.

Ist man aber etwas flexibel, ein klein wenig abenteuerlustig und liegt die Verbindung günstig, dann kann ich den Fernbus als weitere Option in Sachen Reisen durchaus empfehlen.

Es gilt wie in so vielen Dingen: Keiner muss. Aber es ist schön, dass man kann. Wenn man will.



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Alph
Alph
28. Juni, 2016 21:19

Ein kleiner Hinweis:

Poste nie nie nie einen QR-Code (gilt auch für andere Barcodes) von einem Dokument oder Ticket. Du weißt nie was für Informationen über dich in dieser versteckt sind.
Der QR-Code vom Busticket zum Beispiel lenkt mich auf die Flixbus-Webseite, von der ich das gesamte PDF-Ticket samt Rechnung runterladen kann, mit deiner Telefonnummer und Adresse vermerkt. Ist jetzt vielleicht nichts weltbewegend schlimmes, es hätten aber auch noch weitreichendere Infos sein können.

Nimm das Bild vom Ticket hier im Blog also erstmal raus wenn es dich stört.

sergej
sergej
28. Juni, 2016 23:49

“Ist die Fernbusreise der Bahnfahrt vorzuziehen? Nein. Zumindest nicht generell. Wie üblich wird der billige Preis mit einem Defizit an Komfort und Zuverlässigkeit bezahlt.”
Und, systembedingt, tlw. deutlich längere Fahrzeiten (auch wenn die Bahnkonkurrenz kein ICE ist),
weniger dichtes Netz und damit tlw. niedrigere Frequenz, und
abseits von großen und/oder verkehrsgünstigen Orten tlw. gar keine Fernbuse.

Während mich die beiden letzten Punkte nicht direkt betreffen auf meinen regelmäßigen Strecken, ist der 1. Punkt für mich bisher immer ausschlaggebend gewesen, nicht den Bus sondern die Bahn zu nutzen.
Wenn ich die Wahl habe, zwischen 4h mit der Bahn und 6 oder mehr Stunden mit dem Bus, wenn ich meine Eltern besuchen möchte, ist in diesem Fall der Preis egal.

Ist halt wie bei der Wahl jedes Verkehrsmittels eine Abwägung zwischen Preis, Dauer, Verfügbarkeit und Komfort.

Also alles kann, nichts Bus.

Wortvogel
Wortvogel
28. Juni, 2016 23:54

@ sergej: “Also alles kann, nichts Bus.” – auch schön!
@ alph: Danke für den Hinweis – ist geändert!

Ackbarjones
Ackbarjones
29. Juni, 2016 00:05

Mit den grünen/blauen Bussen des Marktführers bin ich auch regelmäßig seit 2013 unterwegs (gewesen). Mittlerweile bin ich dem Studenten-/Praktikantendasein entronnen und darf auch öfters mal die schnelle Bahn nehmen. Für viele Reisende ist das jedoch Luxus. Ja ich kenne die Sparpreise und LTur-Tickets, aber wer weder weit im Voraus plant, noch superflexibel ist, für den sind diese Lösungen nichts (Stichwort Umtauschen bei den Buslinien…).

Meine Anmerkungen zu Deinen (Torsten) Ausführungen wie folgt:

Verkehrs-/Stauzeit
Das kommt sicher auf die Strecke und Uhrzeit an. Jedoch stimmts natürlich, dass auf ner Autobahn mehr Unfälle als auf Gleisen sind, ergo mehr Staus.
Meiner Kenntnis nach brauchen die Fahrten zu Stoßzeiten länger, jedoch ist das auch bei Buchung ersichtlich. Ein gutes Beispiel ist meine meistgewählte Fahrt zwischen Berlin und Frankfurt (Main!). Da kann man bei den Freitagsfahrten schon bei der Buchung sehen, wie lange die ungefähr brauchen.

Wie voll sind die Busse?
Je nach Tag, Uhrzeit und Strecke sehr verschieden.

Preise, Zuverlässigkeit, Service, alles top!
Wobei die Zeit der Dumpingpreise (es ging ja um Marktanteile) wohl schon im letzten Jahr zu Ende ging. Frankfurt-Berlin 16 €… dafür hätten wohl viele Studenten/Rentner/IchundDu auch eine Holzbank in Kauf genommen.
Am Anfang der Busreisen in Deutschland (jetzt in ca. 2013) standen sicherlich die Studenten und die Vielgereisten, die Ausschau nach Preisen und Angeboten hielten. Danach folgten rasch die älteren Mitbürger, die die Bequemlichkeit des Busreisens (wieder-)entdeckt haben. Und mittlerweile sind Sie natürlich etabliert, fehlt nur noch die TV-Werbung 🙂 (bzw. Youtube?)

Pause zwischendurch? Das Beste seit dem allgemeinen Rauchverbot in Zügen!

WLAN(Internet): Jein, kommt auf das Gelände an. Z.B. A4 bei Bad Hersfeld. Hervorzuheben wäre noch das Filme- und Serienangebot wie im Flugzeug, dass meiner Erfahrung nach in vielen (leider nicht allen) MeinFernFlixbussen verbaut ist. Damit hat man zumindest ne Folge TBBT, HIMYM, ETC. im Death Valley verfügbar.

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
29. Juni, 2016 11:36

Ein Riesenvorteil durch die Etablierung der Fernbusse ist doch der, dass die Bahn gezwungen war, mal an ihren Preisen zu schrauben 🙂
Wir sind auch regelmäßig mit dem Fernbus-Marktführer gefahren (vor und nach der Fusion), verzichten in letzter Zeit aber häufiger darauf, da die Preise für “unsere” Strecke ordentlich angezogen sind und eine Bahnfahrt dank Frühbucherticket + BC25 meist günstiger ist (vom zeitlichen Vorteil abgesehen: Bus 5 – 6 Stunden vs. Bahn 3 – 3,5 Stunden).