24
Nov 2015

Werkzeug für den Autorennachwuchs

Themen: Neues |

Vor einigen Jahren habe ich schon über die Vorteile und Nachteile von Drehbuchsoftware geschrieben. Erschreckend genug, dass ein Programm, das eigentlich nur eine kastrierte Textverarbeitung der einfachsten Sorte darstellt, beim Marktführer immer noch einen Premium-Preis kostet, einfach weil Final Draft als “industry standard” gilt und ein proprietäres Dateiformat mitbringt.

Die Freeware Celtx ist zwar mittlerweile (auch als kollaboratives Tool) sehr mächtig, aber für Anfänger leicht überfordernd und in den Premium-Versionen dann doch kostenpflichtig. Vor allem aber: Celtx hat kein Final Draft-Output, was halt ein Problem ist, wenn man mit professionellen Partnern aus dem anglo-amerikanischen Raum arbeitet.

Seit ein paar Tagen gibt es nun eine so überraschende wie spannende, aber im ersten Augenblick auch verwirrende Lösung – den Amazon Storywriter. Ich habe mit der Mac-Version ein wenig herum gespielt und das ist mein Erfahrungsbericht.

amazonwrite

Zuerst einmal die negativen Punkte: Amazon Storywriter ist web-basiert, braucht ein Amazon-Konto und speichert die Projekte in der Amazon Cloud. Das sollte vielen Autoren schon reichen, um die Finger davon zu lassen.

ABER: Diese Vorgehensweise hat diverse Vorteile bzw. lassen sich die Nachteile einfach aushebeln.

icon Wer Chrome benutzt, ist auf der sicheren Seite, denn es gibt eine Extension, die aus dem Storywriter de facto ein Offline-Programm macht, das nicht nur sehr schlank ist und die Dateien lokal sichert, sondern auch außerhalb des Browsers arbeitet. Nach ein paar Minuten merkt man schon keinen Unterschied mehr.

Das Programm speichert permanent, man muss sich also keine Sorgen machen, dass die Arbeit der letzten Stunden verloren geht. Wer Amazon nicht, vertraut, was die kreativen Ergüsse angeht, hat damit zwar nicht grundlegend Unrecht, aber das ist ein Sonderfall, auf den ich gleich noch zu sprechen kommen werde.

Hat man die Extension installiert und gestartet, präsentiert sich Storywriter nach dem Login als genau der extrem simplifizierte Drehbuch-Editor, den sich viele Autoren immer gewünscht haben:

write3

Wer mal mit Celtx oder Final Draft gearbeitet hat, kann fast intuitiv los schreiben, die meisten Tastenkombinationen und die Autoformatierung wurden 1:1 übernommen. Man kann sich auf das Schreiben konzentrieren, die Software sorgt dafür, dass die Ergüsse professionell und standardisiert aussehen. Schnickschnack, den Storywriter nicht anbietet, braucht man auch nicht.

Vor allem aber: Die Drehbücher lassen sich nicht nur als PDF exportieren, sondern auch als FDX-Files – und damit sind sie Final Draft-kompatibel. Ich würde jedem Nachwuchsautor empfehlen, erst mal eine Weile mit dem Storywriter zu arbeiten, bevor er 150 Euro für Final Draft raus haut.

Natürlich bietet Final Draft erheblich mehr, aber wem es nur um die Möglichkeit geht, ein industriekonformes Drehbuch zu schreiben, bekommt hier genau das, was er braucht – und zwar so einfach wie nie zuvor. Das kommt nicht nur Einsteigern entgegen, sondern auch Profis, die aus den ganzen Strukturen rausgewachsen sind und “nur noch schreiben” wollen.

Der Export als PDF (den man natürlich auch über den Druckertreiber realisieren kann) dient dem Versand des fertigen Drehbuchs an potentielle Abnehmer oder Mitstreiter.

Etwas mehr Möglichkeiten, z.B. die Titelseite zu editieren, wären sicherlich schön, eine Auflistung der Szenen als sortierbare Index-Karten auch – aber das kann durchaus beim nächsten Update kommen und nimmt dem Storywriter nichts von seiner Tauglichkeit als Autorensoftware. Außerdem kann man zur Planung auf den Storybuilder zurück greifen.

Die Sache mit der Cloudspeicherung hat den unmittelbaren Vorteil, dass Skripts nicht mehr verloren gehen – und den mittelbaren, dass man seine Skripts auch auf seinem Smartphone und seinem Tablet lesen kann, ohne sie von einem auf das andere Gerät transferieren zu müssen (was eigentlich immer Versionschaos nach sich zieht).

Man muss natürlich die Frage stellen: Warum stellt Amazon plötzlich eine Drehbuchsoftware online, noch dazu kostenfrei?

Das hängt mit einem weiteren “Bonus” der Cloud-Funktion zusammen und dem Versuch von Amazon, massiv im Bereich Fiction-Eigenproduktion zu punkten. Der Online-Riese braucht Nachschub und hat deshalb Interesse, Nachwuchs zu fördern. Darum kann man die geschriebenen Drehbücher auch per Knopfdruck bei den Amazon Studios einreichen.

Das klingt verführerisch, ich rate allerdings ab, weil die Wege, die das Skript dann nimmt, völlig undurchschaubar sind. Hier lohnt sich der klassische Weg über Agentur oder Produktionsfirma, dann nimmt Amazon auch keinen Einblick in deine Ideen.

Was nichts kostet, taugt auch nichts? Irrtum.

Fazit: Amazon Storywriter ist ein in seiner Simplizität starkes und leicht zu erlernendes Werkzeug für Drehbuchautoren, die nicht auf überteuerte oder überladene Softwarepakete zurück greifen möchten. Nicht mehr, nicht weniger.



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G
G
24. November, 2015 13:10

Danke für den Tipp! Kann das Ding auch Hörspielskripte?

Wortvogel
Wortvogel
24. November, 2015 13:13

@ G: Nein, der Storywriter ist sehr spezifisch auf Film/TV-Skripts ausgelegt. Celtx sollte das können. Final Draft sowieso.

Steffen
Steffen
24. November, 2015 13:13

Danke für den Tipp, das werde ich mir mal bei Gelegenheit genauer ansehen.
Ich nutze seit längerem Writemonkey, weil es von der Darstellung her so schön simpel ist – und ich den leisen Sound von Tastenanschlägen wie bei einer Schreibmaschine entspannend finde 🙂

G
G
24. November, 2015 13:18

@Wortvogel: Schade, dann bleib ich bei Celtx (Final Draft ist mir für meine Zwecke zu teuer).

Wortvogel
Wortvogel
24. November, 2015 13:35

@ Steffen: Writemonkey ist aber nicht für Drehbücher.

Steffen
Steffen
24. November, 2015 13:54

@Wortvogel: Ja.. du hast recht. Ich habe tatsächlich nicht genau aufgepasst und irgendwie alles mit Drehbuch im Hinterkopf ergänzt mit normalem Schreiben – ich werds mir Interessehalber aber trotzdem angucken 🙂

Magineer
Magineer
24. November, 2015 19:14

Wobei Final Draft nach dem jahrelang hinausgezögerten Update und dem ganzen Ballast, der sich angesammelt hat, für den typischen Drehbuchautoren(einsteiger) ohnehin keine Empfehlung mehr ist (und seine Vorteile mittlerweile vor allem dann ausspielt, wenn es an Revisionen & Co. geht).

Klar, Celtx gibt es für lau, aber Preis-Leistungs-Sieger bleibt für mich nach wie vor Fade In Pro. Synchronisiert Desktop- und Tablet-Versionen unproblematisch via Dropbox, ist intuitiv bedienbar, ex-und importiert alle Formate (vor allem für Markup-Systeme wie .fountain brauchbar – und Final Draft sowieso), sieht schick aus, ohne überladen zu wirken, kostet in vertretbarem Rahmen und selbst die Demo ist zeitlich uneingeschränkt nutzbar (watermarked).

Noch nicht zu 100% der neue Industry-Standard, der auf der Website verkündet wird, aber auf dem besten Wege dazu. Ich arbeite mittlerweile sehr gern damit – und letztlich entscheidet sich ein Autor immer für eine Software, an der er beim Schreiben auch Spaß hat: Insofern muss jeder selbst ausprobieren, was ihm am besten liegt.

Wortvogel
Wortvogel
24. November, 2015 21:52

@ Magineer: Fade in sieht auch sehr gut aus. Ich teile deine Meinung: Final Draft gehört mittlerweile auf den Dinosaurier-Friedhof. Trotzdem sehe ich eine Berechtigung für Freeware wie Storywriter UND für professionellere Tools wie Fade in.

Ach so: .fountain kann Storywriter auch.

Earonn
Earonn
25. November, 2015 09:31

Werde ich mir mal anschauen, wenn’s soweit ist, danke für den Tipp.
Scrivener hat ja auch eine Drehbuchfunktion, ich hab mir die halt nur noch nie genauer angeschaut und kann nicht sagen, wie gut die ist.

Magineer
Magineer
25. November, 2015 11:22

Natürlich, Freeware und Open-Source-Projekte werden immer ihre Berechtigung haben – und auch wenn ich mit Celtx nie so richtig warm geworden bin, schätze ich die Community dahinter sehr.

Ich schau mal aus lauter Neugier in Storywriter rein – muss zugeben, hatte das vorher als Amazon-Projekt abgetan, das extra für deren Script Contest aus dem Boden gestampft wurde. Ansonsten mag ich solche Verzahnungen nicht so sonderlich, war auch von Adobe’s Story relativ enttäuscht.

Magineer
Magineer
25. November, 2015 11:31

Hatte noch was zu Earonn geschrieben, allerdings ist es natürlich wieder vom Kommentarsystem gefressen worden, also nochmal:

Scrivener ist der Industriestandard für Buch-Autoren, also quasi das Final Draft für Literaten. Die Drehbuchfunktion fühlt sich leider nicht so rund an, sondern eher wie ein schnell angetackerter Nachgedanke. Man kann damit arbeiten, aber komfortabler ist es mit dedizierten Programmen (egal ob FIP oder FD).

Trotzdem ist auch Scrivener für ambitionierte Autoren sicherlich ein Must-Have – gibt es immer wieder in diversen Bundles günstig zu erstehen.

Earonn
Earonn
25. November, 2015 13:18

@Magineer
Ah, danke, dann weiß ich zumindest, was mich erwartet, wenn sich mal die Notwendigkeit ergibt, die Scrivener-Drehbuchfunktion zu benutzen.
Wenn’s nicht gar zu arg ist, würde ich schon gerne das eine Programm für alles nutzen.
(OT: falls jemand Scrivener kaufen möchte: zur Zeit läuft, glaube ich, eine Aktion im Zusammenhang mit dem NaNoWrimo)

Ich meine, es wäre FD gewesen, für das ich mal einen 30-Tage-Test hatte, und das – zum Reinschnuppern – wirklich zu mächtig war.

Lars
Lars
25. November, 2015 18:52

Mal eben ganz kurz nachgefragt: sind denn 150€ für eine Profi-Software ein derart großes Problem? Das ist ein Profi-Tool mit dem Profis ihren Lebensunterhalt bestreiten. Wenn das Tool dann einen deutlichen Mehrwert gegenüber einen einfachen Texteditor hat, dann sind 150€ extrem erschwinglich. Softwareentwicklung, Wartung, Service, etc. kostet auch Geld und möchte finanziert werden.

Mal zum Vergleich:
– Office-Lizenz für Unternehmen im Office 365 Abo kostet pro Monat ab 8,20€ (https://products.office.com/de-de/business/compare-office-365-for-business-plans; das ist der am besten zu vergleichende Preis; bei reinen Stand-Alone-Versionen gibt es teilweise noch Rabatte, Sonderregelungen, etc.)
– Adobe Creative Cloud kostet momentan 47,59€ im Monat, wenn man ein Jahresabo abschließt (https://creative.adobe.com/plans; und das ist scheinbar ein Angebot)
– Die Entwicklungsumgebung Visual Studio 2015 Enterprise (das was ich in der Firma habe) kostet derzeit 7643€

Soll also deutlich machen: Professionelle Software kostet Geld und 150€ sind aus meiner Perspektive wirklich geschenkt (und wenn die Software selbst kein Geld kostet, gibt es aber immer noch Services drum herum, die dann ebenfalls Geld kostet – siehe Linux).

Wortvogel
Wortvogel
25. November, 2015 20:13

@ Lars: Das kann man so sehen. Ich werte Software eher nach der Frage, wie komplex sie ist. Den Großteil der Funktionen von Final Draft können auch Word-Makros übernehmen – und dank proprietärem Format zwingt dich die Software in ihr Ökosystem. Kann man machen. Finde ich aber nicht gut.

Sarah
Sarah
26. November, 2015 11:41

Was hältest Du denn von WriterDuet? Das gibt’s schon ‘ne Weile, lässt sich genauso bedienen wie Final Draft oder Screenwriter, ist auch in der Cloud, kann .fdx-Export und so weiter. Ein paar Features (Lock Pages, Reports) sind kostenpflichtig, aber den meisten dürfte die Standard-Version wohl reichen. Offline speichern etc. geht natürlich auch.

Magineer
Magineer
26. November, 2015 12:57

Also ich fand Writer Duet auch erstaunlich rund – deswegen sagte ich ja, es gibt jede Menge Alternativen da draußen, und letztlich bleibt jeder Autor bei derjenigen, bei der er sich intuitiv am wohlsten fühlt. Bei mir blieb es bei Fade In (auch wegen der nahtlosen Sync mit der Tablet-App), andere benötigen die Kollaborativ-Features von WD vielleicht häufiger und sind dann natürlich dort besser aufgehoben. Wichtig ist ja nur, dass Final Draft sich nicht mehr auf seinem Platzhirsch-Status ausruhen kann, und das finde ich durchaus gut so. Mit dessen Preis (der ja damals durch den Quasi-Monopolstatus auch nie in Frage gestellt wurde) hat das weniger zu tun, aber das hat der Wortvogel ja oben schon erklärt.

Für so ziemlich alle kostenpflichtigen Programme gibt es doch ohnehin die 30-Tage-Testversionen (oder teilweise sogar unbeschränkte Probeversionen mit geringen Einschränkungen), also kann sich jeder Interessierte von jeder Software sein eigenes Bild machen. Und über all den technischen Details sollte man nicht vergessen, dass am Ende zählt, was hinten rauskommt 😉 ….

Kastanie
Kastanie
26. November, 2015 15:03

Auf die Gefahr hin mich lächerlich zu machen: ich benutze Word. Geht auch. Klar muss man fast alles selber jedes Mal neu formatieren, aber mich stört das nicht, mir macht das sogar Spaß.