21
Aug 2015

FFF 2015 Zweitgutachten: “Kill your Friends” & “The Hallow”

Themen: Fantasy Filmf. 15, Film, TV & Presse, Neues |

Und so begab es sich, dass der Wortvogel aufgrund umzugstechnischer Kalamitäten das halbe Fantasy Filmfest dieses Jahr auslassen und daher seine heiligen Rezensionspflichten aufs Schändlichste vernachlässigen musste. Und da ich ohnehin seit Jahren für alle von mir gesichteten Filme hier in Kommentarform meinen Senf hinzugebe, hat Torsten mich gefragt, ob ich das dieses Jahr offiziell als Gastbeiträger machen will, um die lichtvollen Ausführungen von ihm und Vertretungsvogel Doc Acula um eine Zweitmeinung zu ergänzen. Na aber gerne doch!

Um das Ganze kurz und knackig zu halten, werde ich anstelle eines „Vollreviews“ versuchen, hier in gesammelter Form zu jedem Film drei Punkte ansprechen:

„Okay, worum geht es noch mal?“ gibt euch ein paar Stichworte zum Filminhalt, falls ihr wider Erwarten nicht das komplette FFF-Programmheft auswendig gelernt habt.

„Und, wie ist der so?“ ist dann meine Analyse des Gesamteindrucks sowie der Stärken und Schwächen des Films.

„Soll ich den nun gucken oder nicht?“ – der Serviceteil des Reviews, wo ich, so gut ich kann, erkläre, wer diesen Film auf seine persönliche Liste setzen soll und wer nicht.

Nun aber genug der Vorrede, los geht’s!

KILL YOUR FRIENDS

killyourfriends-34 Worum geht’s? Beast von den X-Men ist nun Musiklabelmensch in den Neunzigern, will Karriere, macht den Patrick Bateman. Und Moritz Bleibtreu will, dass man ihm seinen – aber das führt jetzt zu weit.

Wie ist er? Wieder einmal ein Film, der inhaltlich kaum aufs FANTASY Filmfest passt. Das sieht man auch daran, dass der Eröffnungsfilm in Köln (und wohl nicht nur da) restlos ausverkauft war. Mainstream is in da house!
Macht aber nix, denn der Film macht so ziemlich alles richtig, was man richtig machen kann, wenn man AMERICAN PSYCHO ins zugekokste Musikbusiness der 90s verlegen will. Die Schauspieler sind prima gecastet und bestens aufgelegt, und der Höhepunkt dabei ist Nicholas Hoult in der Hauptrolle als hipper Vollpsycho. Ihr werdet es lieben, den Typen zu hassen. Der Soundtrack ist perfekt gewählt, und wenn ihr in den 90ern aufgewachsen seid, wird er euch so manches wissende Grinsen entlocken. Die Inszenierung ist schmissig und sehr stilsicher, ohne überladen zu wirken, und das Drehbuch liefert mehr als genug absurde, teilweise geradezu Spinal Tap-eske Szenen (und ja, Moritz Bleibtreus Gastauftritt ist diesbezüglich das Highlight) und messerscharfen Dialogwitz – besonders hübsch sind die ultrafiesen inneren Monologe, die unser Antiheld, wie in solchen Filmen Standard, von seiner Umgebung unbemerkt direkt in die Kamera spricht.

Kritikwürdiges ist hier kaum zu finden – man muss allenfalls anmerken, dass KILL YOUR FRIENDS sich bei Filmen wie GOD BLESS AMERICA und IN THE NAME OF THE SON einreiht: als Satire, die sich damit begnügt, auf ihr Zielobjekt draufzuhauen, ohne wirklich etwas Schlaues dazu zu sagen zu haben. Aber das tut der Unterhaltung keinen Abbruch.

Gucken? Auf jeden. Mehr Spaß hatte ich bei einem FFF-Eröffnungsfilm noch nie, und das sah das Publikum hier in Köln, soweit ich das beurteilen kann, genauso. 9/10.

THE HALLOW

The Hallow Poster Worum geht’s? Junger Forstwirtschaftler soll den tiefsten irischen Märchenwald für die Abholzung vorbereiten und zieht dafür mit seiner Famile in eine abgelegene Hütte. Das geht ungefähr so aus wie jeder anderer Ausflug in den Wald in anderen Horrorfilmen auch.

Wie ist er? Ab und zu hat man Filme, die man besser finden will, als man es dann tut. Das hier ist so einer.

Die inhaltlichen Zutaten sind zwar samt und sonders nicht wirklich originell, aber zumindest gut ausgesucht: moderne Zivilisation gegen uralte Mythen, Fabelwesen mit wissenschaftlichem Körnchen Wahrheit, Belagerung an einem abgelegenen Ort, und die drohende Verwandlung eines Helden zum Monster. Die Schauspieler sind gut, die Creature FX ordentlich, und der Look und die Atmosphäre exquisit umgesetzt, der ganze Film nimmt sich erfreulich ernst.

Das sollte doch wirklich für einen gelungenen kleinen Horrorfilm reichen.

Oder? Leider nein. Ich musste einige Zeit grübeln, um ausmachen zu können, warum mich der Film trotzdem so verdammt kalt lässt.

Erstens sind die Zutaten zwar gut gewählt, aber ohne eigene Ideen zusammengestellt: die „wissenschaftliche Erklärung“ für die Monster ist 1:1 aus dem PS4-Survival-Adventure-Megaseller „The Last of Us“, Feen als Basis für Horrorstories haben die Hellboy-Comics schon vor 15 Jahren um Klassen besser gemacht. Und die Monster, obwohl technisch passabel umgesetzt, sehen halt aus, als hätte man die The Last of Us-Mutanten mit den Lickers aus Resident Evil gekreuzt (wobei mir beim Gucken auch die „My precioussss!“-Assoziation kam).

Zweitens ist das Drehbuch furchtbar unausgegoren – die beiden Konzepte „Fabelwesen“ und „mutagene Pilzinfektion“ gehen nie schlüssig zusammen (das muss ein echt schlauer Pilz sein, der Autos in genau dem richtigen Moment lahmlegen und täuschend echte Fake-Babies bauen kann und explizit Kinder entführen will), und die Schwächen des Pilzes, der im besten Feen-Stil kein Eisen und kein Licht verträgt, werden geflissentlich ignoriert, wenns dem Plot dienlich ist (Wie gesagt, Autos, die ja nun nicht aus Holz sind, kann er lahmlegen. Bei Tag.)

Drittens mündet das ganze Setup relativ schnell in die üblichen, wenn auch hier zumindest gekonnt abgespulten, Horrorfilm-Klischees: schreiend vor Viechern wegrennen, das John Carpenter-Gedächtnis-Belagerungsszenario, die alte „wann wird der infizierte Held zum Monster“-Nummer. Das ist doch alles sehr dünn. Immerhin packt der Film dann doch noch eine clevere Idee aus dem Feenmärchen-Repertoire hinein, sodass wir dann am Ende doch noch ein wenig über Hausmannskost hinaus kommen. Leider wird das dadurch torpediert, dass sich der Film nicht entblödet, auf einem überflüssigen „die Monster sind noch immer da!! Dum-dum-DUUUUM!“-Ende inklusive Jumpscare zu enden.

Ab und zu ereilt die Figuren dann auch noch die übliche Horrorfilmdoofheit: der Mann ballert durch eine geschlossene Tür auf ein Geräusch und macht dann mit erhobener Waffe die Tür auf– und ich denk mir nur: Alter, das ist eine einläufige Schrotflinte, willst du nicht vorher mal nachladen? Die Ehefrau sollte sich einschließen, hört den Schuss und kommt sofort angedackelt, um nachzusehen, was los ist – mit dem Baby vor der Brust, vermutlich als Kugelfang. Und auch auf die naheliegende Idee, mittels der im alten Haus rumliegenden Holzmöbel einfach mal Feuer zu machen, wo die Monster doch Angst vor Licht haben, kommen sie erst peinlich spät.

Viertens ging zumindest mir der Film gehörig auf den Zeiger mit seiner Neigung, ab der Filmmitte gefühlt jede Spannungsszene mit einem immer gleichen Geisterbahn-Jumpscare der Marke „Luft anhalten, jetzt passiert gleich was – schnelle, verwaschene Bewegung – tinnituserregend lauter KREEEEEIIISCH-Monster-Soundeffekt – Cut zur nächsten Szene woanders“ zu beenden.

Tl;dr: gute Darsteller, tolles Produktionsdesign, gute inhaltliche Ansätze, letztere aber lieblos und halbgar umgesetzt.

Gucken? Mein Fall war er nicht (Loriot: „Ach?“), aber das ist, hier noch mehr als sonst, subjektiv. Lest das Review vom Vogel: wenn seine Beschreibung für euch attraktiv klingt, könnt ihr obiges Gemoser tendenziell als mein persönliches Geschmacksproblem abtun, und werdet hier vermutlich mindestens passabel unterhalten werden, wenn nicht sogar angetan sein. Da der Film unbestrittene Qualitäten hat, kann ich ihn nicht komplett verreißen und verbleibe mit enttäuschten 6/10.

Soviel zum Eröffnungsabend. Stay tuned…

Marcus Heine



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comicfreak
21. August, 2015 18:20

😀
..danke