23
Aug 2015

FFF 2015 Zweitgutachten: „Hyena“, „The Invitation“, „Nina Forever“, „Tale of Tales“, „Bound to Vengeance“

Themen: Fantasy Filmf. 15, Film, TV & Presse, Neues |

Ein weiterer Tag beim FFF in Köln. Es ist spät, ich sitze im Hotelzimmer, und hau das jetzt raus, ohne zu lesen, was der Doc und der Vogel geschrieben haben. Mal sehen, ob ich auf diesem Wege das mit dem „kurz und knackig“ diesmal schaffe.

HYENA

8368_poster_iphone Worum geht’s? Korrupter Londoner Bulle will sich ins Drogengeschäft einkaufen und verheddert sich zunehmend in seinen Betrügereien, als albanische Menschenhändler seinen Kontaktmann zerhäckseln.

Wie ist er? Zum Tagesauftakt ein Brit-Gangsterstreifen der extradreckigen Schule, in dem sich unsympathische Menschen in tristen Gegenden gegenseitig fertigmachen und dabei so feisten Dialekt sprechen, dass man nur jeden zweiten Satz versteht. Ein Film, der zunächst sehr zähflüssig anläuft, aber irgendwann dann doch an Fahrt gewinnt und dank guter Darsteller und solider Regie zu gefallen weiß. Diesen über die Laufzeit zu bemerkenden positiven Trend reißt er dann zum Ende leider mit dem Hintern wieder ein: dieser Film endet nicht, sondern stoppt mitten im Auftakt zum Finale einfach, wie ein Computer, der sich beim Hochladen eines Programms aufhängt.

Gucken? Meiner Meinung nach nicht. Man DARF sich als Filmemacher natürlich entscheiden, das Finale einfach wegzulassen. Und ich darf das dann Scheiße finden. Schade. Wer solchen grimmigen Sozialbau-Gangsterstreifen generell was abgewinnen kann, kann ruhig trotzdem einen Blick riskieren – dass der Film ihn am Ende in der Luft hängen lässt, weiß er ja nun. 5/10.

THE INVITATION

sxsw2015theinvitation Worum geht’s? Wills Ehe ging vor Jahren in die Brüche, nachdem sein Sohn bei einem Unfall auf einer privaten Gartenparty starb. Nun wird er samt neuer Freundin von seiner Ex zu einer Dinnerparty eingeladen – zusammen mit allen Partygästen von damals. Und so stellen sich für Will Fragen: was macht er hier? Was hat es mit dieser ominösen Selbsthilfegruppe auf sich, von der seine Ex und ihr Neuer so schwärmen? Und warum grinsen die alle wie Stepford-Frauen auf Freigang?

Wie ist er? Ha, der geht mal schnell zu besprechen. Er ist gut gespielt, gut gefilmt und baut mit diversen clever konstruierten Szenen und sauber gezeichneten Hauptcharakteren (diverse weitere Partygäste sind naturgemäß eher unterentwickelt, was aber nicht stört) sein Szenario packend und schlüssig auf, und arbeitet dabei zielsicher, wenn auch nicht besonders raffiniert auf seinen großen Plottwist hin.

Besagten Plottwist kann ich hier nicht spoilern, weil sonst das Angucken des Films witzlos wäre. Ich kann aber sagen, dass derselbige komplett beknackt ist; ich kaufe für keine Sekunde, dass reale Personen so handeln würden. Und in der letzten Szene setzt er noch einen Haufen WTF?-igkeit obendrauf.

Gucken? Naja, meschugge wird der ja erst so ziemlich zum Schluss. Der Weg dahin ist ganz unterhaltsam, und auch danach hat er zumindest Drive. Wer Plottwist-Filme mag, kann es schlechter treffen. 6/10.

NINA FOREVER

ninaforever_poster_ Worum geht’s? Rob verliebt sich in Holly. Aber seine vor einiger Zeit bei einem Motorradunfall gestorbene Ex Nina steht zwischen ihnen – und das im wahrsten Sinne des Wortes.

Wie ist er? Einer der beiden Regisseure war hier zum Q&A. Netter Kerl, und, wenn er diesen Film tatsächlich als Autodidakt ohne Filmschulausbildung hinbekommen hat, zweifelsohne talentiert. NINA überzeugt als lakonische Mischung aus Horror-Comedy und Drama über Trauerarbeit nach dem Verlust eines geliebten Menschen. Dass er dies mit tollem Cast, jeder Menge nackter Haut, noch mehr blutigen Makeup-FX und so manch schwarzhumorigem Dialog tut, ist auch nicht von Nachteil. Und der Soundtrack ist auch gut ausgewählt.

Da der Film im Grunde nur eine Grundidee und ein paar daranhängende Gags hat, lassen sich aber einige Längen nicht vermeiden – eine Kürzung um vielleicht 10 Minuten hätte vielleicht geholfen, den Film noch besser zu machen. Trotzdem ein beachtliches Erstlingswerk.

Gucken? Klar. Sympathischer, warmherziger Low-Budget-Streifen, dem man auf jeden Fall eine Chance geben sollte. Nur eine Trash-Granate oder einen Partyfilm darf man nicht erwarten. 7/10.

TALE OF TALES

tot Worum geht’s? Monster, Schlösser, Prinzessinnen und sonstiges Märchenzeugs. Märchenzeugs mit R-Rating.

Wie ist er? Uff. Ich mach es mir mal einfach. Lest das Review des Vogels. (Soviel zum Thema „ich lass mich hier nicht beeinflussen von dem, was vor mir geschrieben wurde“. Sue me.) Ich würde sagen, man KANN das größtenteils mit Fug und Recht so sehen, wie er es schreibt. Aber, und darauf bestehe ich, man muss nicht.

Ich für meinen Teil finde den nämlich toll (und das sahen meine beiden Mitstreiter hier genauso). Der Film sieht nicht nur großartig aus, sondern ist auch hochunterhaltsam, mit vielen wunderbar skurrilen Momenten, knackigen Lachern und auch einigen heftigen Gewaltszenen. Mir erschienen auch die Schauspieler alle in bester Spiellaune, und dass der Film sich für besonders „anspruchsvoll“ hält, würde ich entschieden bestreiten. Hier wird genüsslich frei von der Leber weg fabuliert, wie man das auch aus Märchen kennt. Dass das Ergebnis dramaturgisch eher schlicht ist, und die drei Handlungsstränge nie zueinanderfinden, stimmt zwar, aber das macht nichts – der Weg ist das Ziel, und der Weg zielt mehr auf kurzweilige Unterhaltung und Sense of Wonder ab als auf erzählerische Kohärenz.

Gucken? Ich würde dazu raten, ja. Und, wenn der wirklich noch in Deutschland regulär ins Kino kommt, dann los: der gewinnt auf der großen Leinwand sicher enorm gegenüber der Mattscheibe. Wen allerdings die geschilderten erzählerischen Schwächen abschrecken oder wer die Idee „Terry Gilliam light“ generell nicht anziehend findet, der kann den auch gut auslassen. 8/10.

BOUND TO VENGEANCE

bound_to_vengeance_xlg Worum geht’s? Eve wurde von einem Irren in ein Kellerverlies gesperrt und missbraucht. Als sie sich befreien kann, erfährt sie, dass es an anderen Orten noch andere Opfer gibt. Und nur der Irre weiß, wo….

Wie ist er? Sowas braucht man einfach auf jedem FFF mal: einen kleinen, dreckigen Bastard ohne jede Botschaft, ohne jeden intellektuellen Überbau und ohne einen anderen Anspruch als dem, dem Zuschauer keine Atempause zu lassen. BOUND TO VENGEANCE ist ein Film wie eine bis zum Zerreißen gespannte Sprungfeder, „langsame“ Stellen sind Teufelszeug, sich mit irgendwas Zeit zu lassen kommt gar nicht in die Tüte. Das Spannungslevel wird von Anfang an hochgehalten, die Gewalt ist hart, ohne je zum genüsslich-selbstzweckhaften Torture Porn zu verkommen (der Film hat bei gerade mal 80 Minuten wortwörtlich keine Zeit für „ausführlichen“ Sadismus), und jeder Darsteller gibt alles.

Außerdem muss ich sagen, dass mir der Grundaufbau ausnehmend gut gefällt: ein Rape & Revenge-Streifen, der den Rape-Part quasi überspringt. Der Film ist quasi die Antithese zu I SPIT ON YOUR GRAVE. Wir müssen nicht ellenlang durch eine filmische Darstellung von Eves Martyrium quälen, wir können uns anhand weniger Fingerzeige denken, was der Psycho unserer Heldin angetan hat, um mit ihr zu fiebern und ihm die Pest an den Hals zu wünschen.

Gucken? Solange man nicht zimperlich ist – Pflichttermin. So man denn die Gelegenheit hat. Der Film wird bei der deutschen Zensur ziemlich sicher keine Freunde finden… 8/10.

Marcus Heine



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9 Kommentare
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comicfreak
23. August, 2015 10:01

..Marcus, erinner mich bitte nochmal dran, wenn die auf DVD rauskommen 😉

Marcus
Marcus
23. August, 2015 10:51

Ich werds versuchen. 🙂

Marcus
Marcus
23. August, 2015 10:59

Ich werds versuchen. 🙂

@Torsten: “Wir müssen nicht ellenlang durch eine filmische Darstellung von Eves Martyrium quälen…” Ich kaufe ein “uns”. 🙂

SahneHorst
SahneHorst
23. August, 2015 11:26

Öhm…vielleicht sollte man bei “Hyena” noch mal den Text überarbeiten? Das ist jetzt schon n ziemlich deftiger Spoiler.

Nobby
Nobby
23. August, 2015 14:18

Also, “Das Märchen der Märchen”, wie “Tale of Tales” im deutschen Verleih heißt, hat einen regulären Starttermin am 27.08.2015 bekommen. Und die renommierte Zeitschrift “epd film” vergibt tatsächlich satte 5 von 5 Sternen, was ziemlich selten vorkommt. Review hier.

Wortvogel
Wortvogel
23. August, 2015 15:18

@ Nobby: Da glaubt mal wieder ein Kritiker, Kunst sehen zu müssen, wo Kunst sein muss – und das gesamte erzählerische Problem des Films wird in einem Nebensatz versteckt: “Die Figuren bleiben ambivalent, und so mag man sich bisweilen fragen, was uns das Werk eigentlich erzählen will.”

Peroy
Peroy
23. August, 2015 19:20

Nix gegen “Ich spuck auf dein Grab”, ‘woll…?

Marcus
Marcus
24. August, 2015 01:08

SahneHorst: ich sag ja nicht, was am Ende passiert. Ich sag nur, dass es nicht zu Ende erzählt wird. Das halte ich nicht für einen großen Spoiler, und für meine Wertung ist das zentral, sodass ich entschieden habe, dass das auch nicht schlimmer ist als vorher zu verraten, dass ein Film in Rückblenden erzählt wird oder ähnliches.

Nobby
Nobby
25. August, 2015 11:51

@Wortvogel: Naja, vermutlich bewertet der Kritiker den künstlerischen Aspekt einfach höher als du.

Ich kann mit so künstlerisch-verkopften Filmen auch oft nichts anfangen, aber genau deswegen lese ich ja eben nicht nur epd film, sondern auch den Wortvogel. Das macht unter den deutschsprachigen Reviews dann übrigens genau zwei Instanzen, auf deren Meinung ich was gebe. Dass die beiden sich widersprechen ist neu: Normalerweise gibt es unter den jeweils besprochenen Filmen nämlich eigentlich keine großen Schnittmengen. 😉