15
Aug 2015

FFF 2015 Gastreview: Extraordinary Tales

Themen: Fantasy Filmf. 15, Film, TV & Presse, Neues |

Extraordinary Tales

extraodinary-tales-poster Spanien/ Belgien/ USA/ Luxemburg 2015. Regie: Raul Garcia. Stimmen: Christopher Lee, Bela Lugosi, Julian Sands, Roger Corman, Guillermo del Toro.

Story: Edgar Allan Poe (Stephen Hughes) treibt nun als Rabe sein Unwesen und wehrt sich gegen die Vergessenheit. Der Tod herself (Cornelia Funke) versucht in der Gestalt von Statuen Poe zu überreden, seine Gegenwehr gegen den Eintritt in ihr Reich aufzugeben, sei doch sein ganzes Leben vom Tod geprägt worden. Poe versucht sich anhand fünf seiner Geschichten zu verteidigen…

Kritik: Poe-Anthologien sind nichts neues – ich hab grad erst mit “Tales of Poe” eine neue Storysammlung nach Poe-Motiven besprochen. *Animierte* Poe-Anthologien, hmm…, da müsste ich nachdenken, ob mir eine einfiele. Der Spanier Raul Garcia und sein Team haben sich dieser Herausforderung nun angenommen und präsentieren, eingebettet in eine poetische Rahmenhandlung, in der Poe und Tod auf einem Friedhof die, eh, monothematische Obsession des Autors mit dem Lebensende diskutieren, fünf Kurzfilme nach Poe-Geschichten: „Der Untergang des Hauses Usher“, „Das verräterische Herz“, „Der Fall des Herrn Valdemar“, „Die Grube und das Pendel“ und „Die Maskerade des roten Todes“ – durchaus die bekannten Klassiker also, alle schon mehr oder weniger oft verfilmt und fixer Bestandteil der Genre-Kanons.

Garcia bedient sich nun für seine Variante des Themas zweier Gimmicks – zum einen ist jede Episode in einem anderen Animationsstil gehalten, zum anderen halten sich alle Episoden extrem dicht an die Vorlage, in dem sie, wie auch im Vincent-Price-Fernsehspiel “An Evening of Edgar Allan Poe” unverfälschte Poe-Prosa übernehmen. Die ersten vier Geschichten werden ausschließlich von Erzählern, die (gekürzte) Versionen der entsprechenden Storys vorlesen, während sie uns in gezeichneter Form vor den Augen vorbeiflimmern, begleitet, die letzte Episode, der „rote Tod“ ist bis auf eine einzige Dialogzeile sogar komplett „stumm“. Yeah, it’s Art.

Aber die Erzähler, die man ausgewählt hat, sind nicht von schlechten Eltern. „Usher“ wird von Sir Christopher Lee gesprochen, die letzte Beteiligung des Horror-Altmeisters und ewigem Dracula an einem Film vor seinem ungeheuer bedauernswerten Ableben, und der Maestro gibt alles. Lees Stimme ist, wie man so schön sagt, „commanding“ und Poes Prosa kommt seinem Erzählstil wunderbar entgegen.

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„Das verräterische Herz“ wird von Bela Lugosi eingesprochen. Und nein, ich meine keinen Nachkommen, bin nicht besoffen oder zu doof, einen Namen von der Leinwand abzuschreiben. Garcia hat eine zeitgenössische Radioversion (nehme ich zumindest an) der Geschichte hergenommen und auf seinen Kurzfilm gelegt. Das rauscht und rumpelt natürlich, da der Ton nunmal mindestens 60 Jahre alt sein muss, aber es ist durchaus eindrucksvoll, denn auch Lugosi hat einen ganz eigentümlichen, einnehmenden und unverwechselbaren Sprachstil. Und außerdem, gottverdammich, das dürfte der erste Film sein, in dem DIE beiden Draculas, Lugosi und Lee, „gemeinsam“ auftreten…

„Herr Valdemar“s Sprecher ist Julian Sands – auch er mit einer angenehmen Stimme, aber nicht von der Gravitas, wie sie Lee und Lugosi auch rein verbal ausstrahlen. Für „Grube und Pendel“ nahm Guillermo del Toro hinter dem Mikrofon Platz. Seine Stimme klingt erheblich älter als ich sie mir vorgestellt hätte und mit seinem immer noch durchschimmernden leichten spanischen Akzent passt er natürlich wie die Faust auf’s Auge zu einer Geschichte, die in der spanischen Inquisition angesiedelt ist.

Die einzige Line des „roten Todes“, geäußert von Prinz Prospero, wird von Roger Corman gesprochen – natürlich auch passend, da der „rote Tod“ zu den Höhepunkten des AIP-Corman-Poe-Zyklus gerechnet wird…

Der Animationsstil wird, wie gesagt, in jeder Episode geändert. „Usher“ kommt in einem eher abstrakten CGI-Stil daher, in dem die Charakter kantig und holzschnittartig wirken, das „Herz“ kommt in sehr reduzierter, stilisierter s/w-Optik daher (orientiert an den Werken eines spanischen Künstlers, dessen Namen ich natürlich mittlerweile längst vergessen habe und dem der Kurzfilm gewidmet ist). „Valdemar“ nutzt ein 60er-Jahre-Comic-Strip-Feeling (die Geschichte beginnt auch mit Panels und Sprechblasen), als besonderer Gag des Mesmeristen, der Valdemar in die Todes-Trance versetzt, nach Vincent Price modelliert. „Grube und Pendel“ bedient sich moderner, realistischer CGI und Charakterdesigns (stolpert aber über ein paar Logikfehler, die wohl aus der Kürzung der Geschichte gegenüber der Filmversion resultieren. Müsste mir aber nochmal die Vorlage durchlesen), während „der rote Tod“ in einem liebevollen Aquarell-Stil gestaltet wurde.

Für die Rahmenhandlung bedient man sich hübscher, stilisierter CG. Die Musik von Sergio de la Puente ist durchweg ausgezeichnet. Die Storys itself sind natürlich altbekannt, aber bis auf die notwendigen Kürzungen, um sie alle in jeweils 10 bis 12 Minuten erzählen zu können (etwas überflüssgierweise hat jede Episode ihren eigenen Vorspann. Da lesen wohl wieder einige Leute ihren Namen recht gern), eben sehr werkgetreu, die graphische Gestaltung liebevoll und die Animation ansprechend.

Toter Hund? Keiner.

Fazit: „Extraordinary Tales“ ist daher neben der oben erwähnten Price-Fernsehanthologie wohl das bislang das Poe-Projekt, das künstlerisch am besten Stil, Ton und Intention seines Ideenlieferanten trifft. Wie ich schon damals bei Price sagt – nur Poe selbst lesen ist originalgetreuer. Ein sehr schöner, naturgemäß ruhiger, künstlerischer Ausflung in Poes bekannteste Prosawerke – ich mag’s sehr! 8/10.

Doc Acula

https://www.youtube.com/watch?v=amniFA0UEKc



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2 Kommentare
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Dietmar
Dietmar
15. August, 2015 22:20

Den möchte ich mal sehen!

heino
heino
27. August, 2015 09:52

Schöne Idee, aber für mich nur in Teilen gelungene Umsetzung. Warum man die Stimme Bela Lugosi, aber nicht die von Vincent Price (nach dessen Aussehen ganz offensichtlich der Hypnotiseur in “Valdemar” gestaltet wurde) verwendet hat, ist mir ein Rätsel. Del Toro ist dank Akzent und Genuschel kaum zu verstehen. Die Laufzeit von knapp 10 min/Episode inkl. jeweiligem Vorspann ist nicht immer ausreichend (bei “Red death” sorgt sie dank fehlender Erzählstimme dafür, dass die Geschichte für Poe-Neulinge unverständlich wird) udn warum man Roger Corman nur einen einzigen Satz gegönnt hat, muss man wohl nicht verstehen. Also:formell interessantes Filmexperiment, das leider sehr unausgegoren ist. 5/10