17
Aug 2015

FFF 2015: Bite

Themen: Fantasy Filmf. 15, Film, TV & Presse, Neues |

Bite

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REGIE

Chad Archibald

DARSTELLER

Elma Begovic, Annette Wozniak, Jordan Gray

Offizielle Synopsis: Wenn die eigene Hochzeit bevorsteht, muss man sich mit den ganz großen Fragen beschäftigen: Ist mein Zukünftiger wirklich der Partner fürs Leben? Habe ich auch das richtige Kleid gekauft? Und: Verwandle ich mich etwa bald in ein mordendes Rieseninsekt? Gerade die letzte Frage macht Casey Sorgen. Bei ihrem Junggesellinnenabschied hat sie gleich zwei Fehler begangen: Angetrunken etwas zu heftig mit einem Fremden geflirtet und sich beim Baden im Teich einen folgenschweren Biss geholt. Wieder daheim folgen Infektion, eklige Eiterblasen – die ausgerechnet beim Sex aufplatzen – und bisher unbekannte Instinkte.

Kritik: Glück gehabt – die ersten 10 Minuten dachten der Doc und ich, es mit einem Found Footage-Filme zu tun zu haben. Die Welle ebbt anscheinend ab, auf diesem Festival war kaum was aus dem extrem nervigen Subgenre zu sehen. Auch hier entpuppt sich die Wackelkamera nicht als alleiniges Stilmittel – es ist nur der Prolog, der so erzählt wird.

Danach wird der Film klaustrophobischer, intimer, irrealer – Casey zieht sich in ihr Apartment zurück, während das, was ihren Körper infiziert hat, sie in die unfreiwillige Mutterrolle zwingt. Der Verlobte, die Freunde werden zu Störfaktoren, denen Casey zunehmend aggressiv begegnet. Sie, die nie Kinder wollte, wird zum ultimativen Muttertier einer gar schröcklich-schleimigen Brut.

Tjaha, da merkt auch der Laie: Chad Archibald ist ein Fan seines Landsmanns David Cronenberg, liebt wohl “Die Fliege” genau so wie “Die Brut”, thematisiert “new flesh”, feiert “body transformation”. Casey lernt, den Ekel zu überwinden, den allgegenwärtigen Schleim und ihren eigenen Laich zärtlich zu begreifen.

FANTASIA2015BITE

Der Haken an der Sache: Archibald ist nicht Cronenberg, seine Story folgt keiner kohärenten, transgressiven Weltsicht. Er schaut nur oberflächlich die Themen ab und prügelt sie wenig stimmig in einen B-Horror, der eher durch die schiere Menge seiner Widerlichkeiten als durch die erzeugte Empathie für das Abseitige schockieren möchte. Cronenberg hat den Ekel immer nur als Werkzeug eingesetzt, konnte deshalb auch auf ihn – wie in “Dead Ringers” – verzichten, ohne an erzählerischer Potenz zu verlieren. Bei Archibald ist der Ekel Selbstzweck, weil sonst wenig geboten wird.

Selbst wenn man akzeptiert, dass man es hier “nur” mit besonders schleimgeilem Creature-Horror zu tun hat, windet man sich angesichts der Spackigkeit der Personen im Sitz. Alle fünf Minuten müsste die Story ihr Ende finden, wenn nicht alle Charaktere völlig unglaubwürdig konstruiert wären und sich ebenso verhalten würden.

Zuerst einmal soll der Zuschauer schlucken, dass Casey, ihr Verlobter und seine Mutter in einem Mietshaus leben – in getrennten Wohnungen. Dass Casey und ihr Verlobter keinen Sex haben und die Nächte getrennt verbringen, weil die Mutter das so will. Dass Casey nicht zum Arzt geht, als sie faustgroße schleimige Pusteln am Bein entwickelt. Dass ihr Verlobter, der das mitbekommt, sie nicht ins nächste Hospital scheucht. Dass der Verlobte nicht merkt, dass seine Mutter irgendwann verschwunden ist. Dass der Verlobte nicht in Casey Apartment eindringt, obwohl daraus entsetzlicher Geruch wabert und er den Schlüssel hat. Dass der Verlobte und Caseys nuttige Freundin mal eben im Auto ficken – und sich dabei auch noch komplett ausziehen. Dass diverse Leute Apartments betreten, die total zugeschleimt und mit seltsamen Netzen und Membranen vollgepropft sind, ohne schreiend auf dem Absatz umzudrehen. Etc. pp.

Das alles ist so völlig hanebüchen, dass viele Zuschauer an Stellen kicherten, an denen die atmosphärische Kameraarbeit und die beeindruckende Ausstattung durchaus ihre Wirkung hätten entfalten können.

Fazit: Ein Möchtegern-Cronenberg, dessen intensive und durchaus gelungene Ekel-Schleimszenen von einem strunzdummen Skript torpediert werden, in dem alle Figuren sich so unrealistisch wie dümmstmöglich verhalten. Weil’s den Gorehound trotzdem fröhlich stimmt, kommt “Bite” noch mit 5/10 davon.

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Thies
Thies
22. August, 2015 02:26

Ähnlich wie Du hab ich nach der Prolog-Sequenz aufgeatmet: “Uff, doch kein Blair Witch Klon”. Ebenfalls wusste ich das schaurig-schleimige Set-Design und Make-Up zu würdigen. Das sah teilweise so aus als ob Hannibal Lecter und Buffalo Bill zusammen einen drauf gemacht hätten.

Aber bevor die Set-Pieces ihren Charme entfalten konnten, gingen mir bereits die plumpen Figuren auf den Keks. Als ob der Autor von “Rote Rosen” eine “Psycho”-Hommage schreiben sollte, hatte die Mutter des Zukünftigen selbst bei nichtigen Gelegenheiten herumgekeift wie eine Furie.

Und während ich nach den ersten zwei angedeuteten Metamorphosen noch dachte “Wann geht die dumme Nuss endlich mal zum Arzt” machte die Handlung einen Sprung über zwei oder drei Plot-Points.
>>>VORSICHT: SPOILER!<<<
Eben saß die Frau noch in der Badewanne und versuchte die infizierte Haut mit Salbe zu behandeln und eine Traumsequenz weiter ist sie bereits im halben Brundlefliege-Modus unterwegs und spuckt ätzenden Schleim aus.

Klar ist bei der Mitelmaß-Linie je nach Geschmack Luft nach oben wie nach unten, aber das war für mich bei allem technischen Können, weit unter dem Durchschnitt. Bestenfalls: 3,5/10

Peroy
Peroy
22. August, 2015 14:02

Auf das Review komm’ ich nicht klar… das liest sich wie die hinterletzte Scheisse, aber am Ende dann “Wegen Blut und Gekröse doch noch Durchschnitt”… das kann ich nicht händeln, da brennen mir die Schaltkreise durch… 🙁

Thies
Thies
2. Oktober, 2017 19:37

Mit zwei Jahren Verspätung kriegt “Bite” dann doch noch einen deutschen DVD-Start – laut Cover-Vorschau mit dem Hinweis “der Überraschungs-Hit beim Fantasy Film Fest”. Vielleicht war der Verleih überrascht, dass überhaupt jemand eine Karte gekauft hat?