02
Jul 2015

Micro-Reviews (4): Kickass TV-Filme

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Ich bin ein totaler Fan von Fernsehfilmen als eigene Kunst-, bzw. Erzählform. Nicht so sehr heute, wo die Produktionen in Sachen Budget und Cast locker mit Kinofilmen mithalten können. Ich rede von früher, als 15-20 Drehtage ausreichen mussten und Millionenbudgets nicht mal träumbar waren. Damals behalf man sich mit guten, fettfreien Drehbüchern und arrivierten Schauspielern. Darum blättere ich auch so gerne in dem Band “Movies made for Television“. Ich habe die großartige Hardcover-Erstausgabe von 1980. Da fehlen zwar alle neueren TV Movies der späteren Jahre, aber dafür gibt es Hunderte extrem seltene Fotos der Produktionen von 1964 bis 1979. Ein Wiedersehen mit so vielen bekannten Gesichtern – und die Entdeckung so vieler toller Stories. Entzückenderweise kann man sich viele der vorgestellten Streifen mittlerweile auf YouTube ansehen.

Heute möchte ich euch zehn TV-Filme aus 30 Jahren vorstellen, die mich begeistert haben, weil sie vielleicht nicht immer das Format durchbrachen, es aber zumindest an seine Grenzen brachten. 10 Filme, die so gut sind, dass sie durchaus im Kino hätten laufen können – und teilweise auch liefen.

Es liegt in der Natur der Sache, dass es nicht zu allen TV-Filmen Trailer gibt. In diesen Fällen habe ich euch die kompletten Filme verlinkt. Auf eigene Gefahr.

Vorgabe: Keine spielfilmlangen Pilotepisoden von TV-Serien.

Duel (1971)

Ein sehniger, schwitziger und staubiger Roadmovie-Thriller, inhaltlich wie stilistisch bis zum Anschlag hochgedreht. 90 Minuten Adrenalin von einem jungen Nachwuchstalent, das uns noch “Der weiße Hai”, “E.T.”, “Indiana Jones”, “Schindler’s List” und “Jurassic Park” schenken sollte.

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Gargoyles (1972)

Ein “kleiner” Monsterfilm, hinter dem wir in den 90ern vor allem deshalb her waren, weil er Creature Designs des sehr jungen Stan Winston versprach. Aber auch darüber hinaus kann der Film überzeugen, denn er müht sich sichtlich und recht erfolgreich, seinen Schreckgestalten Identität und Background zu geben.

https://www.youtube.com/watch?v=pEeGIxYnBcc

Der eiskalte Tod (1973)

“A cold night’s death”, gerade mal 74 Minuten lang (um mit Werbung auf 90 zu kommen), lief in den 70er und 80er Jahren auch mehrfach im deutschen Fernsehen. In Sachen Location und Spannungskurve durchaus mit Carpenters “The Thing” vergleichbar, kann dieser niedrig budgetierte Suspenser in Sachen Gänsehaut und Grusel ordentlich punkten. Genau die Sorte Film, die auch deutsche Sender in Auftrag geben könnten – aber nicht wollen.

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Brimstone and Treacle (1976)

Wenn der Teufel zu Besuch kommt, müssen alle Rechnungen beglichen werden. Lange Zeit als gotteslästerlich und unmoralisch in den Schubladen des Senders versteckt, funktioniert “Brimstone and Treacle” des großen britischen Skandalautors Dennis Potter auch heute noch als böse Abrechnung mit dem britischen Bürgertum.

https://www.youtube.com/watch?v=VJUgs8R4VeQ

The Day After – Der Tag danach (1983)

Es ist für Spätgeborene kaum nachvollziehbar, welche kontroversen Diskussionen der TV-Film seinerzeit auslöste – bei uns lief er noch dazu in den Kinos. So wie uns “Roots” die Greuel der Sklaverei und “Holocaust” die Monstrosität der Naziverbrechen nahe brachte, so lernten wir von “The Day After”, dass es nicht damit getan war, die Bombe zu lieben. Die Reagan-Administration hat den Film gehasst – und in vielen Schulen wurde er zum Pflichtprogramm. Sicher, vieles ist hysterische Propaganda, aber wer mal sehen will, wie ein TV-Film die Welt in Aufruhr versetzen konnte, ist hier richtig.

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Condition Red (1990)

“Condition Red” ist die Tom Clancy-Version von “The Day After”, konzentriert sich auf die politischen und militärischen Mechanismen bei einer versehentlichen nuklearen Auseinandersetzungen. Mit viel Aufwand und beeindruckendem Cast produziert, kann dieses frühe HBO-Highlight mit den Kinofilmen seiner Zeit mithalten – weshalb der deutsche Videoverleih dem Streifen seinerzeit sogar eine Pressevorführung im Kino spendierte.

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Wedlock (1991)

Ein Mann und eine Frau flüchten aus einem futuristischen Knast – und dürfen sich wegen ihrer mit Sprengstoff beladenen Halsbänder niemals mehr als ein paar Schritte voneinander entfernen. Eine Variation von “The Defiant Ones”, falls sich unter den Lesern ein paar echte Cineasten verstecken sollten.

Keine große Science Fiction, nicht mal großes Drama – aber “Wedlock” ist ein schönes Beispiel für solide B-SF, wie sie HBO Anfang der 90er produzieren und dann weltweit in die Videotheken pumpen konnte. Für Lewis Teague (“Cujo”, “Auf der Jagd nach dem Juwel vom Nil”) nur eine Fingerübung, die schon drei Jahre später als “Deadlocked” neu verfilmt werden soll.

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Hexenjagd in LA (1991)

Bei “Cast a Deadly Spell” wurde nicht gespart: Die aufwändige Vermählung von Film Noir und Lovecraft-Horror wurde von “GoldenEye”-Regisseur Campbell mit einem gute Auge für die Balance von Kitsch und Coolness inszeniert. Fred Ward und Julianne Moore haben sichtlich ihren Spaß an der Melange aus “Malteser Falke, “Dick Tracy” und “Dr. Mordrid”. Ein üppiger, kinotauglicher Gruselspass, dessen Chance auf eine serielle Fortsetzung von einem erheblich schlechteren Sequel (“Witch Hunt” – von Paul Schrader!) zunichte gemacht wurde.

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12:01 (1993)

Nochmal Jack Sholder (siehe “Condition Red”), der hier – wie Lewis Teague bei “Wedlock” – temporeich und ohne größeren Schnickschnack eine SF-Romanze erzählt, bei der angeblich “Und täglich grüßt das Murmeltier” geklaut hat. Der sich ständig wiederholende Tag dient hier mehr der Spannung als dem Slapstick, die Besetzung mag etwas zu blass sein, aber ein hübsches Gedankenspiel ist “12:01” dennoch.

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Failsafe – Befehl ohne Ausweg (2000)

Zum Abschluss eigentlich ein Doppeltipp: “Failsafe – Angriffsziel Moskau” (1964) von Sidney Lumet ist bis heute einer der eindrucksvollsten Antikriegs-Filme, so eine Art “Dr. Seltsam” ohne den Humor, dafür mit einem präzisen Verständnis für die Mechanismen einer globalen Katastrophe und mit einem schockierenden Ende.

Im Jahr 2000 drehte Stephen Frears ein Remake. Als TV-Film. In schwarzweiß. Live gespielt und in Echtzeit ausgestrahlt. Eine echte Hommage an die Frühzeit des TV-Dramas und hochkarätig besetzt mit George Clooney, Brian Dennehy, Sam Elliott, Harvey Keitel, Noah Wyle, Richard Dreyfuss und Don Cheadle. Und tatsächlich gelang es der ambitionierten Produktion, die Magie des “frühen Fernsehens” noch einmal einzufangen. Die DVD ist preiswert erhältlich und sei euch allen ans Herz gelegt.

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20 Kommentare
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Peroy
Peroy
2. Juli, 2015 20:38

Duell (*** von ****)
Der eiskalte Tod (***1/2 von ****)
Condition Red (*** von ****)
Wedlock (**1/2 von ****)
Hexenjagd in L.A. (*** von ****)
12:01 (*** von ****)

Kurze Anmerkungen: Ich finde “Duell” mittlerweile einen Tick schwächer als noch zu Kindertagen, gerade nach der letzten Sichtung vor wenigen Monaten im TV habe ich gedacht, dass der ohne das ständige Off-Gelaber des Hauptdarstellers wohl ein besserer Film wäre. Ohne TV- und Spielberg-Bonus wären’s wohl nur **1/2.

“Der eiskalte Tod” habe ich in jämmerlicher Qualität auf Youtube gesehen… und das war dennoch ein famoses, fesselndes Filmerlebnis wie selten. Über den darf man vorher eigentlich kein Wort verlieren, unvorbereitet, ohne zu wissen worum es geht, wirkt der noch besser. Meisterhaft. Bei der letzten Szene hab’ ich mich eingeschissen vor lauter Schiss. Von dem will ich eine deutsche DVD-Veröffentlichung.

Dass “Wedlock” für’s TV gemacht wurde, wusste ich nicht. Kann’s sein, dass der ursprünglich für’s Kino geplant war, aber dann, ähnlich wie der ungefähr zur selben Zeit entstandene “Past Midnight” (ebenfalls mit Rutger Hauer) nur im TV verklappt wurde? “Past Midnight” ist übrigens besser, ein starker Thriller.

“Hexenjagd in L.A.” macht einfach Spaß… so ein Film, der eigentlich nicht funktionieren dürfte (Lovecraft’sches Effekt-Spektakel für’s Fernsehen?), es aber trotzdem tut. Fred Ward ist toll in dem (aber der ist eh immer toll).

“12:01” ist auch nett, der leidet nur darunter, dass man ihn ständig mit “Und täglich grüßt das Murmeltier” vergleicht und DER natürlich nochmal eine ganz andere Liga ist. Trotzdem krass, wie der fast ein komplettes Sub-Genre gekickstartet hat, das sich bis heute hält (“Repeaters” etc.)

Es ist Jahrzehnte her, dass ich “Condition Red” gesehen habe, aber ich erinner’ mich, dass ich den mochte. “The Day After” habe ich tatsächlich nie gesehen.

Wie wär’s als nächstes mit Mini-Reviews zu deutschen Fernsehfilmen, da sind mir gerade ein paar gute eingefallen… oder wenigstens deutscher Amateur-Splatter-Schmonz…?

Wortvogel
Wortvogel
2. Juli, 2015 20:49

“Mini-Reviews zu deutschen Fernsehfilmen” – die paar, an die ich mich erinnere, habe ich hier schon mal besprochen.

“deutscher Amateur-Splatter-Schmonz…?” – kenn ich nicht, guck ich nicht, besprech ich nicht.

Peroy
Peroy
2. Juli, 2015 20:58

Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht…

Teleprompter
Teleprompter
2. Juli, 2015 21:12

Irgendwie fehlt mir da noch “Da unsichtbare Auge / Someone’s watching me” von Carpenter. Fand den damals ziemlich spannend.

Peroy
Peroy
2. Juli, 2015 21:22

“Irgendwie fehlt mir da noch „Da unsichtbare Auge / Someone’s watching me“ von Carpenter. Fand den damals ziemlich spannend.”

Also DEN fand und finde ich immer noch absolut beschissen… alles, was Carpenter fürs TV gemacht hat, kann man imo ziemlich knicken (“Elvis” mal außen vor, den habe ich nie gesehen).

Die 80er-Fernsehfilme von Wes Craven sind übrigens auch ziemlicher Mist. Alles was Tobe Hooper fürs TV gemacht hat, ist überraschenderweise dafür ziemlich gut (“Brennen muss Salem”, “Im Bann des Grauens”, “The Apartment Complex”, beide “Masters of Horror-Episoden”)… go figure…

sergej
sergej
2. Juli, 2015 21:23

Ist “Surviving the game” nicht auch eine Fernsehproduktion?

Wortvogel
Wortvogel
2. Juli, 2015 21:28

@ sergej: Eine These, die ich für unbewiesen und unwahrscheinlich halte, zumal der Film einen US-Kino-Release hatte:
http://www.boxofficemojo.com/movies/?id=survivingthegame.htm

Mieze
Mieze
2. Juli, 2015 21:56

“Der Tag danach” hat mich damals extrem mitgenommen. Ich hatte noch jahrelang Albträume von den Bombeneinschlägen

Kaio
Kaio
3. Juli, 2015 09:39

Ich muss bei TV Film immer an Sat 1 Romanzen und RTL/Pro7 “Ratten in Berlin” Katastrophenschmonz denken und vor lauter anwiderung ist das Thema dann auch direkt für mich gegessen :-\
Einige Filme hier sehen aber echt gut aus, werd ich versuchen mal reinzuschauen.

Der einzige TV Film den ich bewusst als solchen im Kopf habe und sehr schätze ist die neurere Fassung von 12 Angry Man. Kammerspiel ist halt einfach etwas das auch ohne Kohle funktioniert.

Fenris
Fenris
3. Juli, 2015 10:46

“Duel” fand ich klasse und “day after” hat mich arg mitgenommen. “Fail safe” würd’ ich gern mal wieder sehen, weil die Erinnerung schon arg verblasst ist. Mal seh’n wo ich die DVD bekomme

Mencken
Mencken
3. Juli, 2015 11:51

Sholder hat eigentlich fast immer solide bis überdurchschnittliche Filme abgeliefert, fand es immer schade, dass es bei ihm nie für größere Aufgaben gereicht hat.

Wortvogel
Wortvogel
3. Juli, 2015 15:10

@ Mencken: Das kann ich so unterschreiben – der hatte ein Auge für Action und Style, auch wenn er wenig Geld hatte.

MinkyMietze
MinkyMietze
3. Juli, 2015 15:48

bitte, bitte, sag nie wieder “Streifen” zu einem Film; schon gar nicht zu einem guten.. ein gar schreckliches Wort ist das

Wortvogel
Wortvogel
3. Juli, 2015 15:52

@ MinkyMietze: Ich sage das, solange es mir passt.

Peroy
Peroy
3. Juli, 2015 18:11

Wieso auch nicht? Technisch gesehen ist es ja ein Streifen (zumindest mal gewesen)…

Dietmar
4. Juli, 2015 00:03

@Kaio: Die Neufassung finde ich auch toll. Aber wie gut auch immer, nichts schlägt die Ausstrahlung von Henry Fonda in der alten Fassung.

Andreas
Andreas
6. Juli, 2015 10:40

Da war dieser eine Film, den ich als Kind mal gesehen hatte. Kann mich nur dunkel an Einzelheiten erinnern, Schnee, eine Forschungsstation, Affen, Spannung und sogar richtig Horror.

Naja, war in der “Prä-Internet”-Ära für mich undenkbar, rauszubekommen was das für ein Movie war. Und dann wieder verdrängt … aber dennoch, irgendwie immer dran erinnert. Muss wohl echt furcheinflößend gewesen sein.

Und dann lese ich mal wieder den Wortvogel und was verlinkt dieser mal so nebenbei? “Der eiskalte Tod (1973)”… und ich flipp aus. Jawollo. Endlich hab ich nicht nur den Titel sondern sogar den gesamten Film. Wunderbar. Ich danke Dir.

1986 lief der Film in der ARD – oh mein Gott, das kann doch nicht sein, so lange ist das her? Ich bin alt, schnief.

Danke nochmal für so manche Perlen, da lohnt sich das Blog noch mehr zu lesen 🙂

aZrael
aZrael
6. Juli, 2015 13:35

Hach, “12:01”, an den hatte ich seit Jahren keinen Gedanken verschwendet – dabei war das einer meiner Lieblingsfilme als Jugendlicher. Was mir bei deiner Aufzählung fehlt: Wie sieht es eigentlich mit der “TekWar”-Reihe von William Shatner aus? Das waren doch durch die Bank weg nur Fernsehfilme, oder? 🙂

heino
heino
6. Juli, 2015 22:46

Ja, die “TekWar”-Dinger waren fürs TV gedreht worden und haben ja auch eine recht kurzlebige Serie nach sich gezogen. Dabei waren die weit besser als die schundigen Romane.

DMJ
DMJ
9. Juli, 2015 20:49

Habe “Hexenjagd in L.A.” nie gesehen, weiß aber noch, wie er mich faszinierte, als ich davon las. Hübsch, mal was bewegtes daraus zu sehen… auch, wenn es mit Jazz verseucht ist. 😉