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Dez 2014

TV-Programm 2.0: Suchmaske statt Tabelle?

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Disclaimer: Dies ist ein Beitrag, den ich für das heute-Blog verfasst habe, der aber aus Abstimmungsgründen nicht dem Format entsprach, das die Redaktion sich gewünscht hatte. Weil ich die enthaltenen Schlussfolgerungen immer noch für stimmig halte, präsentiere ich ihn hier.

Vom identitätsstiftenden Familienmagazin zum rotblauen Klon-Listing samt austauschbarer Blondine auf dem Cover: Mit der Vermehrung der TV-Sender ist eine Vermehrung der TV-Zeitschriften einher gegangen, die einen ruinösen Wettbewerb ausschließlich über den Preis betreibt. Dabei würde der Markt im Zeitalter des individualisierbaren Programmangebots ganz andere Ansätze brauchen.

Über die 80er Jahre hinaus definierten Schüler ihren TV-Konsum über die daheim verfügbare Fernsehzeitschrift: Es gab Hörzu– und Gong-Kids, Familien mit TV Hören & Sehen oder der sympathisch altmodisch betitelten Funkuhr. In anspruchsvoller interessierten Haushalten musste die kostenlose Beilage zur Wochenzeitung reichen, Vorreiter mit Videorekorder und Privatfernsehen griffen gerne zur damals hochmodernen TV Spielfilm. Ein gesunder Markt mit gesundem Wettbewerb.

Der Boom von Privatfernsehen und Pay-TV führte in den 90ern zu einer Homogenisierung der Listings, weil immer mehr Programme übersichtlich präsentiert werden mussten. Wo nur noch Platz für Startzeit, Sendungstitel und Laufzeit ist, fällt natürlich der individuelle Stil weg, zumal die Zeitschriften immer mehr dazu übergingen, die Listings nicht mehr von hauseigenen Redakteuren erstellen zu lassen, sondern von externen Dienstleistern. Der Versuch, einen Überblick über das Programm von fast 80 Sendern zu geben, scheitert zwangsläufig, die Listings erinnern an Excel-Tabellen, die Informationen an einen Code-Wust aus Zahlen und Abkürzungen.

Vom Mischwald zur Monokultur

Wer 2014 einen gut sortierten Kiosk aussucht, hat die Wahl zwischen Dutzenden gleichartiger Titel, die nur noch über den Preis um Kunden kämpfen. Versuche, Nischentitel wie TV 4 Men oder TV Total zu etablieren, scheiterten. Aus dem Mischwald ist eine Monokultur geworden. Das sieht auch Philipp Welte, Vorstandsmitglied von Hubert Burda Media, in einem Interview mit dem Handelsblatt so: „Mit Schrottprodukten für 49 Cent frustrieren wir den Konsumenten und verstopfen die Angebotsflächen in den Märkten.“

Dabei ist der Bedarf nach kompetenter Programminformation durchaus groß. Mittlerweile können deutsche TV-Haushalte im Durchschnitt 79 Sender empfangen und auch der Konsum ist – allen Unkenrufen zum Trotz – nicht gesunken: Mit 221 Minuten pro Zuschauer und Tag hat er eine neue Höchstmarke erreicht.

Frustriert verzichten viele Zuschauer gleich auf die Zeitschrift und lassen sich von den Elektronischen Programmführern (EPGs) ihrer TV-Geräte mehr schlecht als recht durch das aktuelle Programm lotsen.

Neue Anbieter jenseits der Sender

In den letzten Jahren ist ein weiteres Problem hinzu gekommen: Immer mehr, was als TV konsumiert wird, kommt nicht über klassische Sender. Man kann sich Serien und Spielfilme ebenso von Amazon Prime streamen wie von Netflix oder Watchever. Die Mediatheken der Sender lösen das traditionelle Programmschema weiter auf, erlauben „Fernsehen à la carte“. Bei einem nicht durch Sendezeiten vorsortierten Sortiment versagen die Programmzeitschriften zwangsläufig.

Ein spannender Lösungsansatz sind neue Meta-Suchmaschinen wie wheretowatch und die deutschsprachige Version werstreamt.es. Hier gibt der Zuschauer ein, was er sehen will, und bekommt eine verständliche Auflistung der Angebote, über die er darauf Zugriff bekommt – inklusive möglicher Kosten. Einfacher geht’s nicht.

Die Crux dabei ist natürlich: Man kann nur finden, was man sucht. Das Fernsehen als breites Angebot, auf das man sich einlässt, um mit der Zeit seine Lieblinge zu finden, wird obsolet. Ein völlig individualisiertes Programm zementiert die Sehgewohnheiten. Das Ende des unterhaltsamen Zappings ist die Folge.

Fernsehzeitschriften – umdenken oder untergehen?

In genau diese Nische könnte eine neue Generation von TV-Zeitschriften für Zuschauer stoßen, die nicht permanent den Computer konsultieren wollen, um ihre Lieblingssendungen zu finden, aber auch die verwirrenden Datenwüsten aktueller Programmlistings ablehnen. Für sie würden sich Printprodukte anbieten, die nach Trüffelsucher-Prinzip Highlights heraus picken, neue Angebote der Streaming-Portale präsentieren, Pay-TV im Auge behalten, sich aber ansonsten auf die Sender konzentrieren, die immer noch den Großteil des Konsums abdecken: ARD, ZDF, die großen Privaten, Dritte Programme. Es wäre wieder Platz für ausführliche Berichte, kritische Kommentare, recherchierten Hintergrund.

Und weil die Interessen der Zuschauer verschieden sind, könnten diese Gourmet-Programmführer sich eigene Zielgruppen suchen, von Spielfilmen über Serien bis Dokumentationen oder Shows. Jedem seine Nische. Das dürfte sogar Herrn Welte gefallen.



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comicfreak
comicfreak
2. Dezember, 2014 17:11

..KINDERSENDUNGEN!!!
Die werden oft sogar bei in den Tabellen aufgeführten Sendern einfach nicht gezeigt.

Wortvogel
Wortvogel
2. Dezember, 2014 17:38

comicfreak: Eine Familienzeitschrift, die bevorzugt über kindertaugliche Sendungen berichtet und diese gesondert hervor hebt – warum nicht?

Doc Knobel
Doc Knobel
2. Dezember, 2014 17:45

Ich folge dir so weit, dass die jetzige Situation völlig verfahren ist und dem Markt eher schadet als nützt.

Aber glaubst du wirklich, dass es für diese “Gourmet-Programmführer” einen Markt gibt? Ich bin da sehr skeptisch.
Und wenn es den gibt: Warum wagt keiner der Verlage einen ersten Schritt?

Die Situation auf dem Print-Markt ist überwiegend doch ohnehin desaströs und gleicht in der Form ja eher einem Wettbewerb, bei dem es keine Sieger geben kann, weil der Konkurrenzkampf scheinbar ausschließlich über den Preis geführt wird. Sich aus diesem Strudel zu lösen und etwas anderes zu versuchen ist in meinen Augen der einzige Weg, um sich mit einem neuen Konzept am Markt bewähren zu können, und das scheint ja auch der Sportskamerad Welte so zu sehen und da bin ich auch prinzipiell bei dir. Ich glaube nur im Umkehrschluss nicht, dass es einen Markt für diverse “Gourmet-Programmführer” gibt, bei dem sich diese Kosten refinanzieren.

graba
graba
2. Dezember, 2014 18:02

Arte hat ein eigenes Magazin https://arte-magazin.de.
Ich denke das versorgt das Zielpublikum ganz gut.

Kaio
Kaio
2. Dezember, 2014 18:59

Im Haushalt der Eltern liegt auch immer noch eine TV Hören und Sehen. Aber selbst haben sie dieses Jahr nach 30 (!!!) Jahren Abo endlich gekündigt. Kurzfristige Programminfos bekommt man mittlerweile auch über EPG in modernen TVs direkt vom Sender und mit einem Ratgeber welche Sendungen es wert sind geschaut zu werden haben diese Zeitschriften schon seit Jahren nichts mehr am Hut.

Wie im Artikel gut beschrieben, es ist im Prinzip eine Excel Tabelle. Mit Esoterik, Verschwörungstheorien und Naturgedönsartikeln aus der Konserve drum herum (die Artikel wiederholen sich im Kern alle 2 bis 3 Jahre, wenn nicht öfter). Da hat sich die Branche echt selbst abgeschafft und braucht sich jetzt nicht wundern.

Was ich besonders hervorhebenswert finde ist der Einwurf dass man irgendwann in einer Geschmackssackgasse landet wenn man sich sein Programm nur noch selbst aussucht. Ich schaue schon seit ein paar Jährchen jetzt kein normales TV Programm mehr sondern nur noch selbst ausgesuchte Serien On Demand, und wenn mal wieder eine Serie durch ist lande ich immer öfter in einer Schockstarre wo ich vor lauter Auswahl gar nicht mehr weiß was ich als nächstes gucken soll. Statt irgendwas zu gucken schaue ich dann stattdessen wochenlang gar nichts. Da vermisse ich /fast/ die guten alten Zeiten wo man interessante Serien einfach durch Zappen gefunden hat.

Das ging früher aber auch besser weil auf allen Sendern irgendeine Serie lief, mittlerweile ist ja das meiste irgendne Show oder Reality Gedöns. Serien scheint es zur besten Sendezeit nur noch Retortenkrimi oder Sitcom Gedöns zu geben, das war zumindest mein Eindruck wenn ich mal in die Zeitung gelunzt habe.

heino
heino
2. Dezember, 2014 19:47

Früher hatte ich immer die TV Spielfilm gekauft, aber irgendwann wurde mir das zu teuer, weil ich fast nie da rein geguckt habe. Inzwischen kaufe ich nur noch die billigste TV-Zeitschrift für das grobe Programm und schaue ansonsten im EPG nach speziellen Angeboten. Reicht mir völlig, da ich eh in der Regel nur bestimmte feste Programmpunkte verfolge.

Marcus
Marcus
2. Dezember, 2014 20:19

Ich war früher auch TV Spielfilm-Leser, aber seit 2006 (ungefähr) habe ich gar keine Fernsehzeitung mehr. Wann die heute-show läuft, weiß ich selber, und wirklich interessante Dokus o.ä. werden ja oft auf SPON oder so vorbesprochen. Filme guck ich auf DVD, dito Serien (bei letzteren, nachdem man vielleicht im Fernsehen mal reingeschaut hat, ob das was für einen ist – so bin ich z.B. auf “Sherlock” gestoßen).

viewer
viewer
2. Dezember, 2014 21:50

Danke für diesen Artikel. Ich folge auf Facebook einem halben Dutzend Medien- und Serien-Feeds, um zumindest die Neustarts nicht zu verpassen.
Ich frage mich nur: muss es diese TV-Zeitschrift wirklich als Print geben? Ist die Zielgruppe nicht sehr Internet-affin? Mir würde ein Online-Angebot reichen.

-karlos-
-karlos-
2. Dezember, 2014 22:18

Bei mir ist es der TV-Browser.org mit Suchfiltern, die fast automatisch Timer für die Festplatte setzen.
Und das Ergebniss ist, wie im Block geschrieben, eine Art Tunnelblick. Und selbst da kommt so viel zusammen, das es zum Streß wird.
Mein Wunsch: “Programm” nur noch für Life-Sachen wie Nachrichten, Sport bis hin zu Satiere auf Aktuelles. Ansonsten: Alles was mal im Free-TV lief, sollte zur Public-Domain für immer streambar bleiben.
Dann bleibt Zeit, den Blick wieder zu weiten.
Die Gormet-Führer sehe ich nur als ePaper, dann auch individuell nach meinen aktuellen launen.

oibert
oibert
2. Dezember, 2014 23:16

War vor 15 Jahren mal TV Movie Abonnent. Aber da ich seit ca.10 Jahren fast ausschließlich über das Netz schaue, sind für mich Fernsehzeitschriften komplett überflüssig geworden…

robert
robert
3. Dezember, 2014 01:20

wie, noch kein “freund der deutschen grammatik”, der den das/dass-fehler im disclaimer angeprangert hat?!?
schnell mal nachholen und gleichzeitig ein sternchen fürs mitteilungsheft sammeln!
so, mein tag ist gerettet.

invincible warrior
invincible warrior
3. Dezember, 2014 03:14

Ich benutze jetzt seit gut 10 Jahren den TV Movie Clickfinder, also das PC Programm vom gleichnamigen TV Heft. Anfangs nutzte ich das auch noch als echte TV Zeitschrift um zu sehen was lief. Das schlief aber immer mehr ein. Heute nutze ich das Programm eigentlich nur noch 1x die Woche um mein TV Programm (Dokus und Filme) an OnlineTVRecorder zu senden, damit das dort aufgenommen wird und ich mir dann irgendwann werbefrei angucken kann. Finds ganz praktisch, dass man dort mit SQL sich seine Suche nach belieben zusammenstellen kann. (nicht grade userfreundlich, aber bin auch ein Freund von Datenbanken)
TV-Browser habe ich mehrere male angetestet, aber dann immer wieder zum nicht kostenlosen Clickfinder zurückgegangen. Das Handling gefällt mir einfach besser, aber ich bin auch ein Gewohnheitstier. Da Abo bald abläuft, werde ich wohl wieder einen Blick riskieren.

Was mich mehr überrascht hatte war, dass es, zumindest früher, keine Apps für Android gab, die einfach die klassische TV Zeitung ersetzten. Aber das hat sich zumindest jetzt wohl doch mal gebessert, muss ich meinem Vater mal das einrichten. Falls es die Apps schon sehr lange gibt, dann waren sie zumindest schlecht zu finden in Google Playstore.

TimeTourist
TimeTourist
3. Dezember, 2014 08:34

„die Listings erinnern an Excel-Tabellen, die Informationen an einen Code-Wust aus Zahlen und Abkürzungen“

Kann mich noch gut an ShowView erinnern. Ab dieser Zeit war in den Zeitschriften tatsächlich kein Platz mehr. Die Nummer und ggf. nur noch ein halber Titel wurden aufgeführt. Nach der Programmierung des Rekorders wurde dann doch nur der halbe Film aufgenommen 🙁

Heute lasse ich mich eigentlich nur noch durch das Internet informieren was im TV läuft. Vor sechs Jahren kaufte ich die letzte TV Zeitschrift – nur um festzustellen, dass ich sie kein einziges Mal aufgeschlagen habe.

ich
ich
3. Dezember, 2014 08:52

Interessant – viele schreiben als “ich”, nicht als “wir”.
Für mich genügt der schnelle Blick in den TV-Browser ebenfalls – aber für eine Planung, was man evtl. in der kommenden Woche ansehen will – mit der Familie! – brauchen wir dann schon etwas “anfassbares”.

Und Serien: Wer hat Zeit für Serien? Ich bin froh, wenn ich es mir einrichten kann, mal einen Film ohne größere Störung anzusehen.

Der_Eine
Der_Eine
3. Dezember, 2014 09:00

Ich denke mal Print hat sich erledigt, ich habe schon seit Jahren keine Fernsehzeitschrift mehr. Eine App für das Fernsehprogramm (Vorteil aktueller!) und für amerikanische Serien: http://www.pogdesign.co.uk/cat/ das langt vollkommen

Steffen
Steffen
3. Dezember, 2014 09:12

Ich kann da auch nur zustimmen, eine Fersehzeitung hatte ich das letzte Mal in der Hand, als ich noch bei meinen Eltern gewohnt habe. Gut, mein TV Konsum ist mittlerweile sowieso schon lange quasi auf Null, weil mich das Programm und die Werbung so annervt 😉 Stattdessen halt ab und an Streaming und Dinge von der Festplatte.
Über Filme oder Serien, die mich interessieren (könnten), erfahre ich genug durchs Internet/Blogs, Freunde und Kollegen – das kann halt keine Zeitschift ersetzen.
Wobei ich die Idee mit einer Zeitschrift nur für ein paar bestimmte Kernbereiche nicht schlecht finde – aber dann auch bitte mit passendem Onlineangebot.

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
3. Dezember, 2014 10:56

Da ich kein TV schaue, habe ich maximal bei meinen Eltern noch ein Berührung mit einer TV-Zeitschrift (TV Today), die sich aber ja eh nicht groß vom Rest unterscheidet. Dem “Geschmackstunnel” möchte ich entgegenbringen, dass die Algorithmen von Netflix & Co. nach einiger Zeit recht brauchbar sind und vielfältiges Programm anbieten, so dass man thematisch nicht in eine Einbahnstraße fährt. Und für weitere Infos zu neuem Programm, was lohnen könnte, gibt es Serienjunkies, moviepilot und natürlich den Wortvogel 😉

kdm
kdm
3. Dezember, 2014 13:30

@11 Robert: das/dass = ich würde ja gerne, aber wo?

robert
robert
3. Dezember, 2014 15:53

@kdm: der hausherr war schneller.

Yannick
3. Dezember, 2014 20:02

Was jetzt im TV läuft, sagt mir der Fernseher mit dem EPG selbst. Wesentlich mehr Infos zur Sendung als in der Programmzeitschrift gibt’s da sowieso.

Wenn ich genauer schauen will was demnächst so läuft, gibt’s Programmzeitschrifts-Apps für’s Tablet. Die ham’ ebenfalls mehr Infos als ihre gedruckten Pendants, und lassen sich leicht auf die Sender einschränken, die mich interessieren. Außerdem kosten sie nichts, und ich muss auch weder zum Kiosk noch zum Briefkasten, und das Tablet ist sowieso stets in Sofa-Reichweite.

Und wenn’s um’s Streamen geht (und das hätte bei mir normales Fernsehen wohl zu nahezu 100% ersetzt, gäbe es da nicht die Freundin und ihre Herrschaft über die Fernbedienung…) weiß gerade Netflix tatsächlich schon ziemlich genau, was mir gefallen wird, und zwar durchaus aus völlig verschiedenen Genres.

Fände ich dort selbst nichts mehr, wäre eine Programmzeitschrift sicher die letzte Idee, die mir kommen würde, um mir Anregungen zu verschaffen.

Walter K. aus H.
Walter K. aus H.
3. Dezember, 2014 20:21

Die Zeitschrift “Filmdienst” hat neulich seinen TV-Teil renoviert und ist tatsächlich das brauchbare Trüffelschwein, das ich bräuchte – hätte ich nur die tatsächliche Gewalt über die Fernbedienung.