20
Nov 2014

Ruhm! Macht! Ehre!

Themen: Neues |

Es ist keine Geschichte, die groß genug wäre, sie hier auf meinem Blog zu erzählen. Aber es ist auch keine Geschichte, die klein genug wäre, sie nur bei Facebook in die Timeline zu stellen. Vor allem aber ist es eine Geschichte, die so unglaubwürdig klingt, dass ich euch raten würde, sie nicht zu glauben – wenn nicht ich es wäre, der sie euch erzählt.

Ich bin gerade in Lüneburg. Zweite Station eines achttägigen Reportage-Marathons. Lange Sessions, schwierige Locations, aber auch wieder tolle Menschen und faszinierende Geschichten, über die es zu berichten gilt.

Weil der Termin heute morgen erst gegen 11.00 Uhr starten sollte, entschieden mein Fotograf und ich, dass die Altstadt einen Besuch wert sei, um Atmo-Shots für die diversen Reportagen in der Liebes Land zu schießen. Schöne Fassaden, ungewöhnliche Ladenschilder, mittelalterliche Straßenzüge. Herrscht hier ja kein Mangel.

Irgendwann erspäht der Fotograf die Nicolai-Kirche nahe des Rathauses. Er ist sehr sportlich, bergsteigt gerne, und ich ahne, was in seinem Kopf vorgeht – von da oben ließe sich sicher eine tolle Übersicht der Stadt fotografieren. Wird immer gerne genommen. Werden schon nicht so viele Stufen sein.

Genehmigung haben wir keine, aber Frechheit siegt – in meinem Fall in der Allianz mit dem Charme eines Maulclowns. Die Frau am Eingang versichert uns, man könne nicht so einfach auf den Kirchturm, der sei nicht für Besucher zugänglich. Und der Küster seit heute im Urlaub. Aber na ja und eigentlich und genau genommen – was soll schon groß passieren? Nur bitte aufpassen und nichts kaputt machen. Sie schließt uns die kleine Tür zur extrem engen und den Muff der Jahrhunderte atmenden gewendelten Steintreppe auf, um denen Mitte sich ein armdickes Tau schlingt, an dem wir uns nach oben ziehen können.

Etwa auf halber Höhe ist das Zwischenstockwerk mit der Kirchenorgel. Tatsächlich ist Musik zu hören – nichts aus meinen persönlichen Top 100, aber ich habe es ja auch nicht so mit den sakralen Instrumentals. Weil die Tür, die nun weiter nach oben führen soll, versperrt ist, entschließe ich mich, die Organistin zu fragen, ob sie uns helfen kann – fürwahr, unverrichteter Dinge wieder runter stapfen mag ich nicht.

Die junge Frau an den Tasten hält inne, als sie uns hört. Ich stelle mich knapp und mit entschuldigendem Tonfall vor: “Wir möchten Sie nicht stören, aber wir sind von einer Zeitschrift und würden gerne zum Kirchturm…”

Und jetzt kommt’s. Fertig?

Sie unterbricht mich: “Klar, von der Liebes Land. Sie sind Torsten Dewi.”

Würde die ARD nicht grundsätzlich vom Missbrauch kirchlicher Bauten absehen, wäre nun der Moment, mich nach einer Kamera von “Verstehen Sie Spaß?” umzusehen. Ich schaue wohl auch ziemlich baff drein, als ich frage, woher sie das wisse.

Sie lächelt milde: “Ich lese das Heft oft. Da sind Sie ja eigentlich immer drin. Manchmal denke ich dann, dass die nur einen Redakteur haben, der immer auf Reisen gehen muss.”

Wir halten das mal fest: Die Frau hat mich erkannt. Nicht auf diese “Ihr Gesicht kenne ich doch woher”-Tour oder mit einem “Sie kommen mir bekannt vor”. Sie kannte meinen Namen UND das Heft, für das ich arbeite. Sie hat meine Reportagen gelesen.

Okay, ich wurde auch schon beim Fantasy Filmfest als Wortvogel identifiziert. Oder auf Conventions meiner früheren Existenz als GONG-Redakteur zugeordnet.

Aber “Torsten Dewi von der Liebes Land”? Wie abgefahren. Und irgendwie geil. Obwohl ich das in der Kirche in diesem Moment nicht laut sagen kann.



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S-Man
S-Man
20. November, 2014 23:02

Und ich habe ein Autogramm von dem Mann… Versteigere es meistbietend!. oO(Enflich werde ich reich…)

Alex
Alex
21. November, 2014 00:03

Sowas wäre doch ein Gratisabo wert, oder? Allein wegen der Zielgruppenidentifikation.
Grüße aus der Stadt am anderen Ende der Salzstraße mit Lü.

Steffen
Steffen
21. November, 2014 08:00

Haha, das ist ja super, Glückwunsch 🙂

comicfreak
21. November, 2014 10:29

..ha, wir hatten diese Woche 4 verschiedene Aufträge für lackierte Autogrammkarten; scheinen wieder in Mode zu kommen ^^

TimeTourist
TimeTourist
21. November, 2014 12:52

Kurz und Knapp: Qualität setzt sich eben durch! …und bleibt im Gedächtnis

robert
robert
21. November, 2014 13:28

und, bist du nun auf den Turm gekommen oder nicht?

Exverlobter
Exverlobter
21. November, 2014 19:09

Nicht mal für Lota in Love erkannt worden? Das wäre ja das naheliegendste.

Dietmar
Dietmar
25. November, 2014 23:04

Da sage nie wieder jemand: “Diese Jugend!”

Martin Zimny
Martin Zimny
30. November, 2014 15:22

Dann sind die ersten Groupies bestimmt auch nicht mehr weit! 😉

dyson
dyson
1. Dezember, 2014 14:16

Was einerseits total absurd, dann aber gerade deswegen so echt klingt, ist sicherlich eines dieser Erlebnisse, denen man seinen Kindern, Enkeln oder alternativ Blogbesuchern berichten MUSS. Charmant geschrieben obendrein!

Admin
2. Dezember, 2014 00:28

Hi sergej,

Bugfixing wird betrieben, da die Benachrichtigungen über eingehende Kommentare nicht mehr in Herrn Dewis Google-Mail Box landen. Tatsächlich hat sich herausgestellt, dass die Mail im Spam-Ordner landete.

Warum das auf einmal so ist, das ist mir im ersten Moment schleierhaft.

Natürlich gibt es dafür viele Gründe. So hatte vor einiger Zeit MSDN keine Mail von meinem Mail-Relais angenommen obwohl ich keinen Hinweis auf ein Problem von den üblichen Blacklisten angezeigt bekam. Nach Berichterstattung wurde von Microsoft zügig der Filter grundsätzlich abgeschaltet obwohl ich verschiedene inhaltlich widersprüchliche Informationen dazu erhielt (mit sinngemäßen Tenor wie “wir werden die Filterung in den nächsten 48 Stunden abstellen”; “uns liegen Hinweise vor, die Filterung kann nicht aufgehoben werden”, “die Filterung ist aufgehoben es kann aber nicht garantiert werden, dass die Mails im Eingangsordner des Empfängers eingehen”). Bei Nachfrage leistete aber ein netter Mann noch mal Hilfe. Instantan bin ich dann auch dem SNDS & JMRP-Program beigetreten. Und bis dato weißt das Protokoll auf kein Problem hin.

Lange Rede, kurzer Sinn ich vermute schlicht und ergreifend, der Vorbesitzer “meines” Subnetzes hat einiges anbrennen lassen was sich jetzt auf meine Dienste auswirkt. Ich hatte schon einen Fall, wo das komplette Routing aus einem ausländischen Nummernkreis zu meinem Host geblockt wurde, was dann aufgehoben werden musste.

Kurzum, ich fummel hier noch ein wenig rum und mache mir noch ein paar PRAKTISCHE Gedanken zu der Sache, wo wohl derzeit die meisten Teile der Republik Matratzenhorschdienst leisten.

Lange Rede kurze Sinn, es wird hier noch den ein oder anderen komischen Beitrag geben.

Servus,

Matthias