13
Okt 2014

Kritik: “Autómata”

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

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USA, Frankreich, Spanien 2014. Regisseur: Gabe Ibáñez. Darsteller: Antonio Banderas, Birgitte Hjort Sørensen, Dylan McDermott, Melanie Griffith, Robert Foster, Tim McInnerny

Story: Jacq Vaucan lebt in einer wenig erstrebenswerten Zukunft: Sonnenstürme und radioaktive Strahlung haben die Erde in eine Wüste verwandelt und die letzten Städte in dystopische Ghettos. Roboter der “Pilgrim”-Serie machen die meiste Drecksarbeit, werden aber wenig geschätzt, seit es ihnen nicht gelungen ist, die allgegenwärtige tote Wüste zurück zu drängen.

Als Versicherungsagent im Auftrag des Herstellers ist es Jacqs Aufgabe, Fehlfunktionen der Maschinen nachzugehen und sicher zu stellen, dass ihre zwei unverrückbaren Protokolle intakt bleiben: “Kein lebendes Wesen schädigen” und “Keine Modifikationen”. Als erste Pilgrim-Versionen auftauchen, die sich scheinbar eigenhändig reparieren können, was dem zweiten Protokoll widerspricht, stößt Jacq in ein Wespennest, denn wenn die Roboter eine Form von Bewusstsein haben, haben sie auch eine Form von Leben und eine Form von Bürgerrechten. Und gegen die Masse und Widerstandsfähigkeit der Pilgrims sähen es für die kläglichen Reste der Menschheit schlecht aus…

Kritik: Es gibt diese “Erwartense nix”-Ecken in der Filmindustrie, bei denen man vorab weiß, was man bekommt. So wie Asylum Trash produziert und Vivid Pornos, so kann man sich bei Millennium drauf verlassen, dass hirntote Haudrauf-Action auf der Scheibe ist. Mal besser, mal schlechter, mal mit Adkins, mal mit Lundgren, mal aus Osteuropa, mal aus Südafrika. Die Budgets sind in den letzten Jahren gestiegen (wie auch bei Asylum und Vivid), aber am Geschäftsprinzip wurde nicht geschraubt, wie man dieses Jahr an “Expendables 3” und “The Legend of Hercules” sehen konnte.

Bis jetzt.

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“Autómata” ist der englischsprachige Erstling des FX-Designers Gabe Ibáñez, dessen Arbeit mich schon vor 15 Jahren bei dem spanischen FFF-Beitrag “Heart of the Warrior” beeindruckt hat. Wie Gareth Edwards in “Monsters” und Neill Blomkamp in “District 9” nutzt er seine Expertise (und vermutlich die Arbeitskraft seiner Posse), um für 15 Millionen Dollar einen Film abzuliefern, der nach Hollywood-Maßstäben locker 75 hätte kosten müssen.

Technisch ist “Autómata” ein absoluter Hingucker, es paaren sich exzellente CGI-Effekte mit grandiosen Panorama-Aufnahmen, überwältigende Locations mit üppigen Sets. Wer als echter Fan genau hinguckt, erkennt auch die New York-Bauten des Nu Boyana-Studios, in dem u.a. “Ninja” und “Expendables 2” gedreht wurden. Da wird am ganz großen Rad gedreht und an keinem Ende sichtbar gespart. Für mich der erste Millennium-Film, der die große Leinwand verdient hat – auch wenn er sie in vielen Märkten vermutlich nicht erreichen wird.

Nicht hoch genug loben kann man Ibáñez’ Darstellung der Pilgrim-Roboter, die wie in “Real Steel” keine Unterscheidung von CGI und praktischen Effekten mehr erlauben. Sind sie Computergrafik, sind sie Animatronic? Die Frage stellt sich nicht mehr. Für den Zuschauer sind sie einfach nur echt. Und als Figuren absolut stimmig.

Die technische Exzellenz wird durch ein paar Darsteller gestützt, die ebenfalls deutlich über Millennium-Niveau arbeiten. Banderas, der sich zuletzt für die Firma in “Expendables 3” als Maulclown verheizen lassen musste, zeigt starke dramatische Potenz, Dylan McDermott überzeugt als Drecksack mit Polizeimarke, Robert Foster menschelt als Senior der Darstellerriege – und sogar Ex-Mrs.-Banderas Melanie Griffith wringt ein wenig Sympathie aus ihrer starren, den Pilgrim-Robotern unangehm ähnlichen Gesichtsmaske.

Technik & Talent allein machen die Faszination von “Autómata” allerdings nicht aus. Gute, sehr gute, sogar brillante Effekte kann man kaufen, Schauspieler ebenso. Das ist nur eine Frage des Geldes. Aber Ibáñez will mehr als Robo-Thrill. Er hat etwas zu sagen. Über die Natur der Menschlichkeit, über die Limits der Menschen, über das Recht auf Leben und den Übergang einer Spezies auf eine nächste. Er streift Schöpfermythen ebenso wie Bürgerrechte, flechtet grundlegende soziale Prinzipien wie Familie und Solidarität ein.

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“Autómata” ist kein SF-Kracher, es ist ein futuristischer Message-Film im Stile der alten und neuen Klassiker: “I am Legend”, “Blade Runner”, “Planet der Affen”, “Dredd”, “Wall*E”, “District 9”. Die “human condition” ist das Thema, Schauwerte trotz ihres Vorhandenseins zweitrangig. Der Kampf zwischen Mensch und Maschine ist keine Frage der Hardware, der Firepower, sondern des Intellekts und der Anpassungsfähigkeit. Survival of the fittest. To kill something, you have to admit that it is alive.

Das alles erzählt “Autómata” mit erfreulicher Ruhe, fast kontemplativer Ent-Spannung. Es ist ein Film, der nicht auf den Showdown ausgerichtet ist, für den der Weg das Ziel ist. Darum ist es so schade wie folgerichtig, dass er das Ziel ein wenig aus dem Auge verliert, am Ende offen sein möchte, wo der Zuschauer Geschlossenheit vermutlich bevorzugen würde. Man kann sicher darüber diskutieren, ob die vage Message des Finales erfreulichen Raum für Interpretationen lässt, aber mir ist sie deshalb aufgestoßen, weil der Film immer wieder eine deutlich konkretere Reaktion für seine etablierten Katalysatoren andeutet.

An dieser Stelle ergehe ich mich in fiktiven SPOILERN, weil ich zwar nicht erläutere, was der Film erzählt, aber was er in meinen Augen hätte erzählen SOLLEN: Wie bei “Battlestar Galactica” sind die Pilgrims (religiöser Begriff, btw) auf der Suche nach ihrem Schöpfer, dem Wesen, nach dessen Bild sie geschaffen wurde. Der erste experimentelle Roboter, noch ohne die einschränkenden Protokolle und damit quasi allmächtig. Er ist es, den sie mit Hilfe der Nuklearbatterie (Kraft des Atoms, Kraft des Urknalls!) und des Original-Kernels (Funke des Lebens!) auferstehen (!) lassen wollen. Denn nur er ist es, der durch den Mangel des zweiten Protokolls neue Roboter mit neuen Funktionen bauen kann, der die Pilgrims zu vollständigen Wesen machen kann – als Schöpfer der neuen beherrschenden Spezies der Erde. Somit wäre “Autómata” die Genesis, das erste Kapitel der neuen Robo-Bibel.

Aber obwohl Ibáñez alle Elemente für diese große Geschichte einführt, bringt er sie am Ende nicht zusammen und entscheidet sich für ein deutlich kleineres, in seinem Impact deutlich schwächeres Finale. Sein Recht. Sein Film. Was weiß ich denn schon?

Trotzdem ist “Autómata” eine ganz große Überraschung, eine SF-Perle aus dem Nichts, ein schöner Ausklang einer an Highlights nicht gerade reichen Saison.

Wikipedia: “Automata received generally negative reviews from critics”. Fuck that. Ibáñez und besonders Millennium bekommen von mir den verdienten slow dramatic clap:

Slow-Clap

Fazit: Ein erstaunlicher, visuell spektakulärer Mix aus “Blade Runner” und “I, Robot”, in seiner mächtigen Bildsprache und in der Konzeption mit “District 9” vergleichbar. Die thematische Zerfaserung im letzten Akt ist verzeihlich.



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heino
heino
13. Oktober, 2014 21:31

Sieht vielversprechend aus. Aber die Chancen, den hier auf der Leinwand sehen zu können, dürften ziemlich schlecht sein

Dietmar
Dietmar
13. Oktober, 2014 23:07

Da bin ich gespannt.

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
14. Oktober, 2014 11:03

Klingt toll – gibt es einen dt. Kinoverleih oder geht das Ding direkt auf die Schütte im nächstgelegenen MediaMarkt?

Lars, too
Lars, too
14. Oktober, 2014 12:22

Uhhh, das klingt gut. Erinnert mich von der Prämisse her an das Point&Click-Adventure PRIMORDIA (store.steampowered.com/app/227000). Kann ich nur empfehlen…

Lothar
Lothar
14. Oktober, 2014 13:15

Ich weiss, es ist Nitpicking, aber Isaak Asimovs Robotergeschichten behandelten zur Hälfte nichts anderes als Nitpicking:

“Kein lebendes Wesen schädigen” und “Keine Modifikationen”

Würde sich ein Roboter exakt an die erste Regel halten, dürfte er sich nicht bewegen, da ja jeder Schritt eine Schädigung von lebendigen Wesen zur Folge hat (Bakterien sind auch Wesen). Wenn er sich nicht zu 100% an diese Regel halten darf, ist sie auserdem unvollständig (siehe Robot Law 1 von Asimov). Ein Roboter darf auch nicht untätig sein, wenn ein Wesen zu Schaden kommen droht, da sonst folgendes Szenario denkbar wäre: Ein Roboter läßt ein tödliches Gewicht auf einen Menschen fallen mit dem Wissen, dass er schnell genug sein wird, den Menschen aus der Gefahrenzone zu bringen (damit: kein Schaden). Sobald das Gewicht auf dem Weg ist, kann er dann aber einfach untätig bleiben, weil es ja Schwerkraft und Masse sind, die zum Schaden führen und nicht der Roboter.

Zum Film: Vielleicht lassen sich Programmkinobetreiber ja auf den Film ein, wenn man nett fragt.

Steffen
Steffen
14. Oktober, 2014 14:42

Vielen Dank für das Review, den werde ich mir definitiv ansehen. Das ist genau einer der Gründe, warum ich dein Blog gerne lese – gut geschriebene Reviews von Filmen, die ich sonst wahrscheinlich übersehen hätte 🙂

Wortvogel
Wortvogel
14. Oktober, 2014 15:01

@ Lothar: Das ist natürlich richtig – mein erster Gedanke zum ersten Protokoll war auch “Das wird schon bei den Ameisen schwierig”. Aber wie gesagt – Nitpicking, gerade weil es im Kontext des Films keine Relevanz besitzt.

@ Steffen: Danke.

Marcus
Marcus
18. Oktober, 2014 13:32

Klingt interessant. Hoffentlich erinnere ich mich noch daran, wenn der irgendwann mal in Deutschland verfügbar wird.

Obwohl… Kinostart in Spanien ist im Januar… noch nicht zu spät für die FFF Nights. Hallo? Wie wär’s?

Walter K. aus H.
Walter K. aus H.
19. Oktober, 2014 00:20

Der Herr da im GIF klatscht einer sehr schlechten Opernsängerin zu und er weiß, dass sie schlecht ist. Aber es ist seine Frau.
Soll ich daraus entnehmen, dass Deine positive Kritik aus ähnlichen Gründen entstand? gd&r

Dietmar
Dietmar
20. Oktober, 2014 11:46

Der Herr da im GIF ist ein Schauspieler, der spielt, dass er einer sehr schlechten Opernsängerin zuklatscht, weil sie die Frau seiner Rolle ist. Was soll man daraus nur entnehmen?

Corumeach
Corumeach
29. Oktober, 2014 03:14

Danke für die Review, kann ich voll und ganz zustimmen. Der Film ist über weite Strecken ein (leiser) Hochgenuss. Die üblen Plot Holes und Logikfehler, die ihm nachgesagt werden, kann ich nicht finden. Es gibt kleinere Unstimmigkeiten und hundert Dinge, über die man diskutieren könnte – wie bei jedem Film. Am unlogischsten ist für mich die Hauptfigur in der Wüste. Kann aber auch ein psychologischer Effekt sein, der hier dargestellt wird (Verleugnung), hätte man besser darstellen können – irgendwie möchte man Jack dauernd an die Birne klopfen, ob er denn noch was mitschneidet? Na ja, gegen Ende relativiert sich das dann wieder. Das Ende ist insgesamt nicht so überzeugend wie der restliche Film, hier hätte der Autor Mut gebraucht die Message, die er hier langsam aufgebaut hat, auch auszusprechen. Schade, dass dann alles in einer Action Sequenz mündet, in der das Überleben der Roboter daran geknüpft wird, dass der völlig kaputte Jack gegen 4 bewaffnete Schergen überlebt. Und das nur schafft, weil alles wie durch Zauberhand passt (die Schrotflinte liegt natürlich genau da, wo er aus dem Auto plumpst, usw.). Das ist dann doch völlig unter dem Niveau des vorangegangenen Teils und wäre unnötig gewesen. Warum der neue Roboter unbedingt die Seilbahn braucht und nicht schon längst durch den Canyon geklettert ist, bleibt allerdings ein Rätsel. Vielleicht hatte er auch nichts zu befürchten und wollte Jack noch helfen oder war einfach neugierig, trotzdem ein dummes Risiko, wenn es doch darum ging die Zukunft der freien Roboter zu retten…

Auf jeden Fall sehenswert (trotz Banderas, der hier streckenweise sogar schauspielert). Auch wenn die eigentlich Message darin ein alter Hut ist, nämlich dass der Mensch in seiner jetzigen Form keine Zukunft hat, sondern irgendwann zwangsläufig intelligente Maschinen uns ablösen werden. Spätestens, wenn es darum geht andere Welten zu erreichen, werden das nur Maschinen machen können, denen ein Flug von 200.000 Jahren nix ausmacht.

Martin
30. Januar, 2015 19:12

Danke für die gute Kritik. Dieser Film ist meiner.

Marcus
Marcus
20. März, 2015 20:20

What he said. 9/10.

DasKleineTeilchen
DasKleineTeilchen
13. Juli, 2015 00:41

na dit hätt ich ja ma nicht gedacht, ausgerechnet von torsten die beste kritik im deutschsprachigem raum zu diesem kleinen brillanten lesen zu dürfen; gerade eben ohne ahnung, was genau mich erwartet (ganz grob das thema aufm schirm gehabt), zuende gesehen. alter, was ein geiler film. ich begreif nicht, wie dieses schmuckstück fast überall so eine beschissene bewertung bekommen konnte. als ich inna wiki gerade das budget gesehen habe, flog mir endgültig alles weg; ich schnalls nicht, vielleicht haben sich die kritiker an der entgengnung von “just a machine, “thats like saying, you just an ape” ja persönlich in ihrer menschenwürde (harhar) angegriffen gefühlt.

danke torsten, ansonsten wär ich noch depressiv geworden (und spätestens jetzt muss ich mir nen IMDb-account zulegen, das rating ist ja wohl n witz)

DasKleineTeilchen
DasKleineTeilchen
13. Juli, 2015 00:48

vor dem hintergrund gesehen, wie grässlich “chappi” seine möglichkeiten fast komplett verkackt und wirklich (in my opinion) ungewöhnlich schlecht war (nach dem furchtbaren “elisyum” hätte ich diese negativ-steigerung kaum für möglich gehalten), versteh ich diese miesen ratings für “automata” noch viel weniger.