06
Sep 2014

Fantasy Filmfest 2014 (45): Among the Living

Themen: Fantasy Filmf. 14, Film, TV & Presse, Neues |

Aux-yeux-des-vivants-poster Frankreich 2014. Regie: Alexandre Bustillo, Julien Maury. Darsteller: Anne Marivin, Béatrice Dalle, Chloé Coulloud, Damien Ferdel, Fabien Jegoudez, Francis Renaud, Nicolas Giraud, Sidwell Weber, Théo Fernandez, Zacharie Chasseriaud

Offizielle Synopsis: Der letzte Sommertag vor den Ferien. Eigentlich wartet nun draußen vor dem Fenster das große Abenteuer auf Victor, Dan und Tom – zu dumm, dass die drei Freunde nicht gerade Musterschüler sind und ausgerechnet heute nachsitzen müssen. Flugs wird jedoch ein Fluchtplan geschmiedet, und nur wenig später sind die Jungs unterwegs über sonnenheiße Wiesen und Felder, hin zu dem alten verfallenen Studiogelände, dessen marode Attraktionen einen aufregenden Nachmittag versprechen. Ihr unbeschwertes Spiel findet ein jähes Ende, als die Drei plötzlich zu Zeugen eines grausamen Verbrechens werden. Im Schatten der verlassenen Bauten lauert etwas unsagbar Böses, ein unheimliches Phantom, das den Jungs auf ihrer panischen Flucht bis nach Hause folgt. Und hier erst, im vermeintlichen Schutz ihrer Familien, beginnt mit Einbruch der Nacht für Kinder und Eltern ein blutiger Kampf ums Überleben …

Kritik: Ich muss gestehen, dass ich im Subgenre “Französischer Terrorfilm” nicht sonderlich “drin” bin. Es ist mir zwar durchaus zu Ohren gekommen, dass aus unserem Nachbarland in den letzten Jahren ein paar beinharte Folterthriller gekommen sind, aber wirklich beschäftigt habe ich mich damit nie. Es ist ja bekannt, dass ich es mit Streifen in denen Leute mit sadistischer Freude gequält werden, nicht so habe.

Darum konnte ich “Among the Living” auch relativ “frisch” sehen, ohne ihn mit den Vorgängern vom gleichen Team, “Livid” und “Inside”, zu vergleichen. Zu dem Thema gab es nach der Vorstellung auch lebhafte Diskussionen.

Dass die Regisseure ihr Handwerk verstehen, daran besteht kein Zweifel: “Among the living” erzählt ebenso kompetent eine Coming of Age-Geschichte wie eine brutale “Home Invasion”, spielt mit Elementen von “Texas Chainsaw Massacre” und “Stand by me”, wechselt flüssig von “Die Drei Fragezeichen und das Geheimnis der verlassenen Westernstadt” zu “High Tension”.

Das ist aber auch leider das Problem: Während die Elemente für sich genommen funktionieren, greifen sie leider nicht ineinander. Statt EINE Coming of Age-Geschichte oder EINEN Home Invasion-Thriller zu drehen, wollen Bustillo und Maury alles in einem Kochtopf verrühren. Und das kann nicht funktionieren.

Schauen wir uns dazu nur mal kurz den Ablauf des Films an:

1) Brutales Intro der Antagonisten
2) “Stand by me”-Einführung der drei Schuljungen
3) “Die drei Fragezeichen und das Geheimnis der verlassenen Westernstadt”
4) “Home Invasion” (drei Episoden)
5) “Texas Chainsaw Massacre”, “The Hills have eyes”

Das ist zuviel und in den einzelnen Elementen dann doch wieder zu wenig.

Hinzu kommt, dass Monsterkind Klarence keine wirklich glaubwürdige Kreation ist. Seine Herkunft wird geradezu absurd unglaubwürdig transportiert und seine Kräfte sind ebenso fragwürdig wie überzogen, was “Among the living” fast schon ins nächste Genre “okkulter Killer” schubst. Irgendwann geht dann auch dem geduldigsten Zuschauer die Lust am Richtungswechsel aus.

Nun sollte man einem Film nicht vorwerfen, dass er zuviel will – es gibt mehr als genug Filme auf dem FFF, die zuwenig wollen und selbst daran scheitern. Aber letztlich wirkt “Among the living” bei aller handwerklichen Expertise einfach nicht homogen und torpediert sich damit selbst.

mitteFazit: Ein exzellent inszenierter und mit potenten Schocks ausgestatteter Hardcore-Thriller, der sich aber weder für ein Subgenre noch für ein Suspenselevel entscheiden kann und letztlich an den tonalen Diskrepanzen leidet.

https://www.youtube.com/watch?v=ApSmMO_loxg



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Matz
Matz
6. September, 2014 10:21

Servus Wortvogel! Vielen dank für die viele Arbeit, die du dir hier mit den Reviews machst! Werd vom Festival dieses Jahr nur das nächste Wochenende in München mitnehmen können, daher sind deine Texte ein toller Ersatz für die vielen Filme, die ich verpasse.

Kleine Anmerkung: Der erste Film des Regie-Duos hieß “Inside”.

Und Weitermachen..

Wortvogel
Wortvogel
6. September, 2014 10:32

@ Matz: Danke, ist korrigiert. Es kommen noch vier oder fünf Reviews – ich will “Custody” eigentlich nicht sehen, aber damit würde ich die 50 knacken…

Matz
Matz
6. September, 2014 10:50

“Custody“ könnte ich auch sehen, hab mich aber auch dagegen entschieden. (Selbiges gilt, u.a. dank dir, auch für “Jamie Marks“)
In deinem Fall hilft es aber fast nichts, würde ich meinen.
Go for 50!

Peroy
Peroy
6. September, 2014 11:22

Nach “Inside” (bester Hardcore-Splatter seit “High Tension”) und “Livid” (famose europäische Horror-Phantasmagorie im Stil der 70er) ist der hier auch Pflicht.

John
John
6. September, 2014 13:15

Livide ist jetzt der zweite Film, nach Hanna, den ich Dir uneingeschränkt ans Herz lege. Do it!
For the record – die Diskussion ging nachher vor dem Kino noch weiter – jeder von uns hatte wirklich einen anderen Eindruck. T. fand den dritten Akt störend, J. fand den zweiten grässlich. Ich hatte damit generell kein Problem, fand aber einige Ansätze in der Geschichte überhaupt nicht ausgereift. Mein Fazit ist, dass dem Film eine halbe Stunde fehlt, weil so viele Dinge angeschnitten, aber nie wirklich ausformuliert werden.

Peroy
Peroy
6. September, 2014 18:46

“-Müll…
Er soll lieber “Livid” gucken als den “Hanna

Mencken
Mencken
6. September, 2014 19:34

Livid ist tatsächlich super und hat auch nichts mit Folterfilm usw. zu tun.

Peroy
Peroy
6. September, 2014 19:53

Meisterwerk.

Reini
8. September, 2014 10:32

Livid ist tatsächlich mal der seltene Fall, dass Peroy nicht völlig daneben liegt…

Marcus
Marcus
16. September, 2014 10:34

Genau, Livid ist besser als sein Ruf.

Aber der hier? Handwerklich gut gemachter Durchschnitt, der einfach viel zu lange braucht, bis er wenigstens ein bisschen Drive und Spannung entwickelt. Erwähnenswert auch, dass der Film eine ganz neue Todesart erfindet: Death by Sounddesign. Ungelogen, bis zum Finale finden alle Todesszenen (und das sind nicht wenige) im Off statt, und das akzentuiert durch ein lautes Oooomph!!! auf der Tonspur. Wenn dann plötzlich wem in Großaufnahme der Unterkiefer abgehackt wird, sieht das aus, als hätten die Macher auf einmal gemerkt: “Huch, wir hatten ja doch ein Effektbudget. Also los!”

6/10.