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Aug 2014

Fantasy Filmfest 2014 (8): Patema inverted

Themen: Fantasy Filmf. 14, Film, TV & Presse, Neues |

paterna inverted Japan 2013. Regie: Yasuhiro Yoshiura

Offizielle Synopsis: Die Welt steht Kopf … und zwar auf beiden Seiten: Tief unter der Erde verstecken sich die Menschen nach der alles vernichtenden Katastrophe in einem verschachtelten Tunnelsystem. Darunter das kleine Mädchen Patema, das immer wieder in der verbotenen Zone der unterirdischen Stadt herumforscht. Als sie eines Tages auf einen der sagenumwobenen Fledermaus-Menschen trifft, stürzt sie in einen Schacht, an dessen Ende der Oberflächenbewohner Age auf sie wartet und mit ihm eine große Überraschung: Auf Ages Seite der Welt wirkt die Schwerkraft auf Patema genau entgegensetzt und plötzlich steht für sie und den Zuschauer alles Kopf. Schnell finden die zwei Gefallen aneinander und an der verrückten Situation, die jedoch nicht ganz ungefährlich ist. Denn nur ein einziger falscher Schritt genügt und Patema würde in die unendlichen Weiten des Himmels hinauffallen.

Eng umklammert befinden sich beide auch schon bald auf der Flucht vor Ages Mentoren, denn in seiner Welt, die rein funktional und technisiert angelegt ist, gelten die sogenannten Inverts als Sünder.

Kritik: Jahaa, sowas können wirklich nur die Japaner – “Patema inverted” erfindet eine Welt, die an unsere erinnert, und doch völlig anders ist. “Wings of Honneamise“, “Sky Crawlers“, “Ace Attorney” – vertraut und doch seltsam fremd. Keine realistische Darstellung einer anderen Realität, sondern ein Konzeptuniversum, eine Art Baukasten, in dem man auch die größeren Teile mal testweise umdrehen oder rausnehmen kann. Im Fall von “Patema inverted” ist das die Schwerkraft.

Es braucht eine Weile, bis man in den Film reinkommt. Unser Gehirn versucht ständig, oben und unten in einen nachvollziehbaren Kontext zu setzen, irgendeine Welt als die “richtige” zu identifizieren. Doch Yoshiura verweigert uns Referenzpunkte. So sehen wir nie die Erde “von außen”, die Unterwelt nie in direktem Verhältnis. Wie groß ist Aiga? Wer hat die Unterwelt gebaut?

Irgendwann gibt man auf – es gibt keine Erklärung für das Szenario auf der Leinwand, wo zwei gleiche Dinge hinauf und hinunter fallen können und der Boden des einen das Dach des anderen ist. Erst wenn es gelingt, den Muster suchenden Teil des Verstandes halbwegs an den Rand zu drängen, gelingt der Connect mit “Patema inverted” auf der emotionalen Ebene.

Dafür wird man dann aber auch mit dem bisher schönsten Film des Festivals belohnt.

“Patema inverted” ist Träumerkino, für den Kopf in den Wolken und die Füße im kristallklaren Bach. Seine Geschichte ist einfach, kindlich, wenn auch sicher nicht kindisch – aber betrachtet durch eine einzigartige Linse. Es geht im wahrsten Sinne um den ständigen Perspektivwechsel, um die Erkenntnis, dass (um einen alten Sponti-Spruch zu strapazieren) oben immer da ist, wo wir sind. Und wie falsch das ist. Es geht um die Angst vor den Anderen, um Traumata nach einer Katastrophe, um das Bedürfnis nach Heilung.

Nur die japanische Gesellschaft, die sehr stark im Spannungsfeld zwischen Eskapismus und Konformität lebt, kann so einen Film produzieren, der von den Kindern verlangt, gegen alle Restriktionen nach oben zu schauen, das Konzept der Sünde zu hinterfragen, über alle Grenzen zu gehen.

hochDer Gorehound mag abwinken – aber das hier ist der Film, in den man Frau und Kind mitnehmen kann, ohne sich selber zu langweilen.

Fazit: Ein bezauberndes Gleichnis über die Notwendigkeit, nicht loszulassen.

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heino
heino
29. August, 2014 08:18

“Nur die japanische Gesellschaft, die sehr stark im Spannungsfeld zwischen Eskapismus und Konformität lebt, kann so einen Film produzieren, der von den Kindern verlangt, gegen alle Restriktionen nach oben zu schauen, das Konzept der Sünde zu hinterfragen, über alle Grenzen zu gehen.”

Stimmt nicht, die Amis haben mit “Upside down” quasi die gleiche Geschichte vor zwei Jahren als Real-Film hervor gebracht.

Wortvogel
Wortvogel
29. August, 2014 10:00

@ heino: Stimmt doch. Die Aufhänger beider Filme sind ähnlich, die dargestellten Gesellschaftsformen (und darauf beziehe ich mich hier ja) sind allerdings komplett verschieden.

heino
heino
29. August, 2014 11:23

Gut, mag sein. Allerdings sind die Japaner nicht die einzigen, die “zwischen Eskapismus und Konformität leben”, das trifft ja z.B. auch fast ebenso stark auf die Koreaner zu. Aber da ich den Film (noch) nicht gesehen habe, stelle ich mein endgültiges Urteil mal zurück.

Marko
29. August, 2014 17:11

Hui, fein. Auf den freue ich mich seit der Ankündigung am meisten …

Marcus
Marcus
16. September, 2014 10:56

What he said. 8/10.