04
Jun 2014

What I watch: Kino-Kurzkritiken

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Ich habe viel aufzuarbeiten. Leider nehmen auch die anderen Aspekte meines Lebens (Lover – Fighter – Catpoopshoveller) viel Raum ein, darum fasse ich mich zu den Bereichen Kino, TV und Dokumentation (hoffentlich) ungewohnt kurz.

Astronaut – The last Push

The-Last-Push-Feature

Eine Zwei-Mann-Mission zu den Jupiter-Monden geht schon kurz nach dem Start schief – und sogar der Abbruch wird Jahre dauern und von täglicher mühsamer Kabelpfriemelei geprägt sein. Was geschieht mit einem Mann, der allein in einer Konservendose hockt und monatelang seine recycelten Fäkalien essen muss?

Ein spröder Streifen, der bewusst die Langeweile in der Kapsel in die Dramaturgie übernimmt und teilweise minutenlang nur sprachlosen Frust illustriert. Um der Authentizität willen bleibt der Astronaut eine Chiffre, ein Befehlsempfänger, der mühsam versucht, nicht aus Angst, Ödnis oder Wut wahnsinnig zu werden. Nach einem gemächlichen Beginn entwickelt “Astronaut” dabei tatsächlich eine erstaunliche Sogwirkung – auch wenn das Ende vergleichsweise vorhersehbar ist.

Beeindruckt hat mich vor allem die spartanische Produktion – eine Kapsel, ein bisschen CGI. Das erinnert an den alten Spruch “Ein Kilo Blech, ein Töpfchen Lack, fertig ist der Hanomag”. Hier wurde aus SEHR wenig Geld SEHR viel Film gepresst. Dazu gehört auch, Lance Henriken drei, vier Szenen in die Kamera sprechen zu lassen – das hat vielleicht 5000 Dollar gekostet, sichert aber die internationale Vermarktung. Respekt.

Gravity” ohne das Remmidemmi oder “Europa Report” ohne den letzten Akt oder “Dark Star” ohne den Humor oder “Operation Ganymed” als Low Budget-Independentfilm. Sicher kein Crowdpleaser, aber für die Fans wissenschaftlich orientierter SF ein lohnenswerter Abend.

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 The Stunt Man

The Stunt Man Quad

Der flüchtige Verbrecher Cameron kommt als Stuntman in einer Filmproduktion unter und läuft Gefahr, sich in der Traumwelt vor und hinter der Kamera zu verlieren – während der scheinbar allmächtige Regisseur Eli zynisch die Strippen zieht.

So eine Art kleiner Klassiker, den ich schon seit Jahren auf dem Zettel hatte. Bei einer Zugfahrt kam ich nun endlich dazu. Und es hat sich mehr als gelohnt: “Der lange Tod des Stuntman Cameron” (so er deutsche Titel) ist eine echte Entdeckung. Ein so zynischer wie anrührender Film über Masken und Kulissen, der die ganze Bandbreite von Slapstick bis Drama bedient und in der Konfrontation des Urmenschen Cameron mit dem Übermenschen Eli ein erstaunlich potentes Duell findet. Vielschichtig, witzig, rasant, monströs, mit einem genauen Auge für die Eitelkeiten Hollywoods, gestützt von zwei großartigen, wenn auch nicht überraschend großartigen Performances.

Jedem Filmfan ans Herz gelegt, zumal die Entstehung des Film nicht weniger bizarr war als der Plot selbst und eine eigene spielfilmlange Dokumentation zur Folge hatte – “The Sinister Saga: The Making of The Stunt Man”:

It took almost 10 years for director Richard Rush to get his adaptation of Paul Brodeur’s novel The Stunt Man made, and in spite of successful preview runs, glowing reviews from influential critics, and recognition from festivals and award shows, the film became a well-remembered, little-seen cult item. Richard Rush’s two-hour documentary The Sinister Saga Of Making The Stunt Man details the filmmaker’s joy in creating the movie and his travails in securing its release. What it hints at but doesn’t fully explain is how the movie and its director fell into obscurity, becoming a cautionary tale for the mavericks who dominated ’70s cinema. When critics hailed The Stunt Man as the first great movie of the ’80s, they had no way of knowing it would actually be the last great movie of the ’70s.

https://www.youtube.com/watch?v=BesLJgU0ZBs


Computer Chess

Computer-Chess-Poster

Verschiedene Gruppen von Computer-Nerds treffen sich (in den frühen 80ern?) zu einer Konferenz, um ihre Schachprogramme gegeneinander antreten zu lassen. Eine Video-Crew dokumentiert weniger die Spiele, dafür die Eitelkeiten, Eifersüchteleien und unterschiedlichen Motivationen der Beteiligten.

Eine hochgelobte Pseudo-Dokumentation aus der Frühzeit der Computer-Ära, die durchaus Look & Feel von Floppy & Fortran trifft und zumindest technisch nur in der Hinsicht patzt, dass das schwarzweiße Videomaterial zu clean und letztlich doch gegenwärtig wirkt.

In der Tat gibt es einige brillante, so schwarzhumorige wie gut beobachtete Szenen, die den Schweißgeruch der ausgelaufenen 70er noch am Polyester kleben haben. Kleine Vignetten mit schmerzhaft authentischen Dialogen, die heute wie aus einer anderen Welt klingen – aber damals absolut gängig waren.

Darüber hinaus hat mich “Computer Chess” kalt gelassen. Es ist ein Film ohne Fokus, dessen Handlungsstränge am Ende keine Handlung ergeben, der zwar die Unterschiede seiner Figuren herausarbeitet, daraus aber keinen Konflikt baut. Er ist zu offensichtlich keine echte Doku – und zu offensichtlich kein echter Spielfilm. Das beeindruckt als “proof of concept”, bräuchte aber eine stärkere Dramaturgie, um die doch nicht geringe Laufzeit spannender zu gestalten.

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 Monkey Business

Poster - Monkey Business (1952)_02

Zur Abwechslung mal wieder ein “echter” Klassiker – eine legendäre Hollywood-Screwball-Komödie von einem Regie-Titanen aus der Feder dreier Drehbuch-Titanen. Cary Grant, der perfekte Hollywood-Gentleman, darf endlich mal wieder den gepflegten Trottel geben, sich zwischen fleischlicher Versuchung Marilyn und ehelichem Anstand Ginger entscheiden. Ein Affenzirkus.

Ich bin kein Nostalgiker. Ich erkenne durchaus an, dass viele Filme aus Hollywoods goldener Ära nicht gut gealtert sind, heute langsam und (angesichts des damals noch eher groben Analogschnitts) seltsam stotternd wirken. Was Flow, Struktur und die Einbindung von Nebenplots angeht, hat sich die Industrie unbestreitbar weiterentwickelt.

Das macht es umso interessanter, wenn ein Film auch nach über 60 Jahren immer noch unerhört frisch wirkt, temporeich und frech. “Monkey Business” arbeitet praktisch ohne Fett, rast förmlich in die Story, reiht Gag an Gag – und hält sich auch nicht mit einem übermäßig emotionalen Ende auf. Rogers, Grant und die Monroe sind perfekt aufeinander abgestimmt, spielen sich selbst und dabei doch mit den Klischees ihrer Traumfabrik-Identitäten. Ich finde es hier noch auffälliger zu sehen als z.B. in “Das verflixte 7. Jahr”, was die Monroe zur Sexgöttin des Jahrhunderts machte. Ihrer Ausstrahlung kann man sich auch heute noch kaum entziehen – und was ihr an zweideutigen Dialogen in den Mund gelegt wird, ist erfreulich anzüglich. Man konnte damals “dank” des Hays Code vielleicht praktisch nichts zeigen, aber sehr viel andeuten…

Immer und immer wieder sehenswert!

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 Anchorman 2

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Ich bin ein Fan von “Anchorman: The Legend of Ron Burgundy” – einfach weil das Konzept so bezaubernd schräg ist. Eine Komödie über die aufgeblasenen News-Macher der 70er zu drehen, darauf muss man erstmal kommen. Der ganze Film wirkt wie das Ergebnis eines bekifften Wochenend-Brainstormings der aktuellen Comedy-Elite, ein perfekter “Saturday Night Live”-Sketch, der Will Ferrell erst eingefallen ist, nachdem er bei “Saturday Night Live” schon draußen war.

Nur leider werden manche Witze nicht besser, wenn man sie zweimal erzählt. “Ron Burgundy” hatte schon mit den ersten beiden Filmen (Film 1 gibt es ja in zwei sehr verschiedenen Versionen) sein Potenzial verschossen. Ihn noch einmal auszubuddeln und als 70er-Relikt in die 80er zu schicken, entpuppt sich im Nachhinein als Fehler. “Anchorman 2” ist eine Sammlung an mehr oder weniger erwartbaren, oft aus dem Vorgänger recycelten “Shticks”, die den Mangel an Ideen durch noch krassere Überzeichnung der Figuren wettzumachen sucht – bis sie endgültig Karikaturen sind, an die wir nicht mehr andocken können. Ein, zwei gute Szenen können nicht übertünchen, dass hier nur blind Punchlines in den Topf geworfen und verrührt wurden.

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 Mister Dynamit

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Ahhh, der Wortvogel gönnt sich was. Als alter Lex Barker-Fan, der das “Mister Dynamit”-Plakat im Wohnzimmer hängen hat, wollte ich diese Adaption der bekannten Romanserie von C.H. Guenter immer schon mal sehen. Leider ist sie extrem schwer zu kriegen. Der Film war seinerzeit ein Flop, wurde (nach meinen Recherchen) nur Anfang der 70er einmal im Fernsehen ausgestrahlt und auch nur einmal (in Kleinstauflage) auf Kassette veröffentlicht. Vor zehn Jahren ergatterte ich eine US-Fassung mit dem Titel “Spy today die tomorrow” (auch “Die slowly you’ll enjoy it more”), die aber derart mies kopiert war, dass sich daraus praktisch keine Aussagen über den Film treffen ließen. Erst von zwei Monaten bekam ich eine deutsche Version in brauchbarer Qualität in die Hände.

Wie die meisten 60er-Spionagefilme, die sich an James Bond ranhängen wollten, ist “Mister Dynamit” fest dem Kolportage-Krimi seiner Zeit verbunden. Es geht nicht um Handlung, es geht um Aktion, es geht nicht um ein dramaturgisches Vorankommen, sondern um den Wechsel von exotischen Schauplätzen. Hier einen Handlanger erschießen, da eine Bikinischönheit küssen – der Bösewicht spielt mit einer elektrischen Eisenbahn. Drollig.

Leider ist “Mister Dynamit” selbst in seinem reduziert anspruchsvollen Subgenre nur B-Ware, das Geld für wirkliche Schauwerte fehlte augenscheinlich, die ganze Produktion wirkt hastig zusammen gestoppelt. Kein Vergleich zu den überlegenen “Kommissar X”-Filmen und eine Schande vor allem deshalb, weil Lex Barker eigentlich prädestiniert gewesen wäre, in einer eigenen Reihe den erfolgreichen Agenten zu geben. Hätte er in den Jahren zuvor nicht als Euro-Darsteller die Karriere fest im B-Bereich verankert, hätte ihm der Smoking Sean Connerys deutlich besser gepasst als George Lazenby oder Roger Moore.

Was “Mister Dynamit” allerdings bei allen Schwächen auszeichnet, ist ein exzellenter Twist im Finale, den ich nicht habe kommen sehen und der vielen Actionkonventionen eine lange Nase dreht.

Kein Trailer, leider – nur eine einzelne Szene:

https://www.youtube.com/watch?v=fXFKS1sqlBI



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7 Kommentare
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Dietmar
4. Juni, 2014 13:54

“Monkey Business” ist ein toller Film. In meinen Augen in der Liga von “What´s up, Doc?” oder “Arsen und Spitzenhäubchen”.

Lex Barker hätte ich gerne in großen Heldenrollen gesehen. James Bond wäre schon cool gewesen.

Wortvogel
Wortvogel
4. Juni, 2014 14:00

@ Dietmar: “What’s up Doc” (einer meiner Lieblingsfilme) ist ja eher der Versuch, eine Neuauflage der Screwball-Comedy zu produzieren. Ich liebe auch “Leoparden küsst man nicht”.

Mencken
Mencken
4. Juni, 2014 17:23

Computer Chess fand ich super, zugegebenermassen fehlt ein durchgehender Handlungsstrang, aber das Ganze ist toll gefilmt, die Witze sind (meist) wirklich witzig und auch die wirklich bizarren Ideen werden konsequent durchgespielt, was ja oftmals leider nicht der Fall ist. Kein perfekter Film, aber meines Erachtens auf jeden Fall sehenswert.

Kuang
Kuang
4. Juni, 2014 17:53

Bei deiner Beschreibung von “Astronaut – The last push” habe ich gleich an J.C. Chandors “All is lost” denken müssen. Ohne Science Fiction Elemente aber mit einer großartigen Performance von Robert Redford, der den Film komplett alleine bestreitet. Es gibt keinen Dialog und nur wenige gesprochene Worte. Auf jeden Fall sehenswert.

https://www.youtube.com/watch?v=0lUJ89w3bBI

dermax
dermax
4. Juni, 2014 19:05

Stimme bei Anchorman komplett zu, bin ein Fan des ersten Teils, hatte mir dann mal ein Double Feature gegeben und irgendwie wurde ich mit der Fortsetzung so gar nicht warm, hinten raus wirds richtig seltsam, zumindest der Promiauflauf beim “Endkampf” entschaedigt ein wenig.

Wie sieht denn das Interesse des Hausherrn bezueglich der anderen Ferrell-Machwerke aus, zB “Ricky Bobby” oder “Stepbrothers”? “The other Guys” ist ganz gross, find ich!

Wortvogel
Wortvogel
4. Juni, 2014 20:29

@ Kuang: “All ist lost” kenne ich natürlich. Guter Film.

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
5. Juni, 2014 14:52

Jetzt muss ich doch mal eine Lanze für “Anchorman 2” brechen, da der stellenweise so herrlich absurd wird, dass man sich fragt, was die Autoren für fieses Zeug nehmen, um auf solche Ideen zu kommen. Wir sind auf jeden Fall mit Lachtränen in den Augen aus dem Kino gekommen. Schade, dass der hier bei manchen nicht so gezündet hat, aber vielleicht gefällt euch ja eine der (gefühlten) 1000 Alternativfassungen des Films besser 😀