06
Mai 2014

Der neue SPIEGEL mit einem alten Ärgernis

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Obwohl ich den gedruckten SPIEGEL vor mehr als einem Jahr abbestellt habe, musste ich mir die “Überarbeitung” des Layouts mal anschauen.
Gefällt mir. Vor allem, weil sie so dezent ist. Es wird nur angepasst, was angepasst werden muss – wie schon vor 17 Jahren, als man sich hörbar seufzend dem Vorbild des “Focus” anschloss und Farbfotos zur Regel machte. Der SPIEGEL ist knorrige Kontinuität in dem Wissen, dass die Auflage dadurch auch nicht mehr zu retten sein wird. Letztlich macht sich das Flaggschiff des deutschen Nachrichtenjournalismus damit nur fit für die Zielgerade der Printbranche. Man will hübsch in den Sonnenuntergang reiten, der fünf, zehn, vielleicht noch fünfzehn oder zwanzig Jahre entfernt liegt.
Aber ich habe mich bei der Lektüre auch geärgert. Weil ein Artikel drin steht, der mich ungut an die ALDI-Polemik erinnert mit ihren Unterstellungen, dem triefenden Sarkasmus und den verdächtig bequemen, aber nie belegten Zitaten.
Es geht um die BRAVO, um ihren angeblichen Niedergang unter der neuen Chefredakteurin, um Fäkalsprache und Falschmeldungen.
Spiegel
Weder der Rückgang der Auflage kann bestritten werden – noch der unappetitliche Schwenk zur Häme, den das Heft genommen hat. Der neuen Chefredakteurin, die bisher für Krach & Flachgeschichten von Prominenten zuständig war, scheint der Wunsch der Fans, sich für ihre Idole begeistern zu können, fremd zu sein. Immer feste druff auf die Biebers und die Rihannas, die Gagas und die Lohans!
Aber gerade weil das so offensichtlich und unbestreitbar ist, kann ich nicht verstehen, dass der SPIEGEL diese Thesen wieder mit anonymen Zitaten und Flurfunk belegen muss, die genau im Sumpf des Pseudo-Journalismus dümpeln, der hier angeklagt wird.

sagt ein früherer BRAVO-Chefredakteur.

„Solche PR brauchen wir nicht“, heißt es. 

Die in München ansässige „Bravo“-Redaktion scheint selbst nicht glücklich zu sein mit der derzeitigen Ausrichtung. Mit Nordmann, binnen vier Jahren Nummer vier auf dem Chefsessel, soll mancher noch nach einem Jahr fremdeln. 

Nordmann soll auf die Geschichte stolz gewesen sein, die Redaktion hingegen entsetzt. 

Sie wird als unsicher und distanziert beschrieben, die Stimmung als eisig. Vielen sei der Spaß an der Arbeit abhanden gekommen. Einige schauen sich angeblich nach neuen Jobs um.  

Da wird aus der Häme plötzlich ein “hit piece”, die Chefredakteurin zum Abschuss freigegeben.
Eigentlich wäre der Artikel ein prima Knochen, an dem die Jungs von “Topf voll Gold” nagen könnten. Unterstellungen und angebliche Quellen sind ja ebenso deren Metier wie übergeigte Überschriften und herbei geschriebene Zusammenhänge.
Leider haben Mats Schönauer und Moritz Tschermak von “Topf voll Gold” diesen Beitrag über die BRAVO (unterstützt von SPIEGEL-Redakteur Alexander Kühn) selbst geschrieben.



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comicfreak
comicfreak
6. Mai, 2014 11:12

:facepalm:

PabloD
PabloD
6. Mai, 2014 11:50

Völliges Offtopic: Warum machen sich denn einige ä-/ö- oder ü-Punkte in obigen Text plötzlich selbständig und unterliegen einem Rechtsruck (München, ansässige, Schönauer) während andere brav an ihrer zugewiesenen Stelle verharren (Rückgang, Häme,…)?

Wortvogel
Wortvogel
6. Mai, 2014 11:56

@ PabloD: Den Effekt sehe ich bei mir nicht.

Rudi Ratlos
Rudi Ratlos
6. Mai, 2014 12:16

Bada bumm tsss – ganz großes Tennis 😀

PabloD
PabloD
6. Mai, 2014 13:19

Um meinen obigen Kommentar wie hier: http://www7.pic-upload.de/06.05.14/tmgmsltt8vf.jpg zu sehen abzugeben, musste ich zwar mit copy&paste arbeiten. Aber der Effekt ist bei mir dennoch zu sehen, obschon heute zum ersten Mal auf dieser Seite (gleicher Browser am selben PC wie sonst auch).

Andreas.Saw
Andreas.Saw
6. Mai, 2014 13:39

“Leider haben Mats Schönauer und Moritz Tschermak (…) diesen Beitrag (…) selbst geschrieben.”
Bitte was? Der Knaller am Schluss hat mich echt verblüfft. Soweit war es eine, leider in der jüngeren Zeit übliche SPIEGEL-Geschichte. Vermutungen, Andeutungen, viel heiße Luft, schön nochmals erwärmt und mit dem typischen “Investigativ!” Gedrösel versehen. Aber dann die traurige Pointe, dass die beiden Autoren von Ein Topf voll Gold dieses Goldstück verfasst haben könnten (in Zusammenarbeit mit einem SPIEGEL Redakteur). Schade Jungs, da bin ich enttäuscht!

Uli
Uli
6. Mai, 2014 13:44

Der Spiegel verwendet wohl gern den klassischen “Haltet den Dieb” Trick, wenn es um sogenannten Qualitätsjournalismus geht. Siehe auch:
http://www.stefan-niggemeier.de/blog/die-seelen-verkaeufer-von-spiegel-online/

Wortvogel
Wortvogel
6. Mai, 2014 14:16

@ DJ Doena: Ich lasse das mal checken – bei mir tritt das Problem nicht auf.

DJ Doena
DJ Doena
6. Mai, 2014 14:46

Ist sowohl in FF28 und 29, aber auch in IE 8 (auf Arbeit).
Wobei es bei dir im Artikel nur in den kursiven Textteilen ist.

Marcel
Marcel
6. Mai, 2014 16:31

@PabloD, DJ Doena: Technisch lässt sich das so erklären:
Einige Umlaute sind als Einzelbuchstaben kodiert (http://unicode-table.com/de/00e4/) und einige als Grundvokal + Umlautpünktchen (http://unicode-table.com/de/0308/). Ich bin kein Unicode-Spezialist aber eigentlich sollte beides gültig sein und richtig dargestellt werden, obwohl die erste Variante wohl die Übliche ist. Im Chrome funktioniert es.
Mir ist das neulich aufgefallen als ich das Resultat eines Scans mit Texterkennung in den Texteditor kopiert habe, und dort Mu¨nchen stand. Im Dokument selber ließ sich aber korrekt nach München suchen, das wurde also als äquivalent erkannt.
Die Frage ist jetzt bloß noch wie der Wortvogel-Workflow zwei unterschiedliche Diakritika produzieren konnte (und warum Firefox das nicht richtig darstellt).

Wortvogel
Wortvogel
6. Mai, 2014 16:37

@ Marcel: DAS wiederum kann ich erklären – ich habe die Textstellen und die Namen der Autoren aus der digitalen Variante heraus kopiert.
Danke für den Tipp – ich werde das nachher mal korrigieren.

Howie Munson
Howie Munson
7. Mai, 2014 00:39

Also die Erkenntnis, das die Bravo “immer schlimmer” wird, hatte ich schon Anfang der 90er…. (man ist halt nicht ewig 13… )
Erfundene Schmähgeschichten gab es auch schon in den 90er, zumindestens macht die FAQ von Farin Urlaub diesen Eindruck… (nach “bravo” suchen…)
Regenbogenüberschriften wie “XY – die Wahrheit über ihre Ehe” gab es auch 1986 auf dem Titel. (damals* drückte man sich auch auf den Schulhof noch gewählter aus als heute *duck*)
((*=behauptet mit ziemlicher Sicherheit auch jede andere ältere Generation beim Vergleich mit einer jüngeren…))
Das die Auflage mit Internet- und Smartphoneverbreitung (in der Zielgruppe) sinkt, sollte nun wirklich niemanden wundern.

Wortvogel
Wortvogel
7. Mai, 2014 08:08

@ Howie: So einfach ist das nicht – natürlich hat die Bravo schon immer reißerisch über Skandale der Stars berichtet. Besonders bei Stars, die der Bravo nicht vorbehaltlos positiv gegenüber standen. Aber sie hat die Stars nicht in die Pfanne gehauen und beschimpft – natürlich ist er ein Kotzbrocken, aber als Jugendpostille Nr.1 kann man Justin Bieber nicht auf dem Titel als “Du Opfer!” beschimpfen. Damit pöbelst du nämlich die an, die seinetwegen das Heft kaufen sollen. Es hängt sicher auch damit zusammen, dass Bravo praktisch keinen Zugriff mehr auf internationale Stars hat und somit auch keine Rücksicht nehmen muss. Während in den 80er und 90er Jahren keine große Popkarriere ohne die Bravo ging, ist das Heft für die echten Stars heute verzichtbar.

Howie Munson
Howie Munson
7. Mai, 2014 12:01

@Wortvogel: hmm, ich beziehe mich hauptsächlich auf den Text im Bild und wollte dir gar nicht widersprechen.
Ich meinte das schon ernst, dass meine Privattheorie ist, das die Bravo “immer schlimmer” wird. Ich schliesse auch nicht aus, dass sie auch relativ zu den Regenbogenblätter schlimmer geworden ist, sich also früher deutlicher als jene zurückgehalten hat. Aber es liegt halt nicht nur an der neuen Chefredakteurin, sondern auch an denen, die diese auf den Posten gesetzt haben.
Meiner Meinung nach ist auch nicht belegt, dass die Auflage und das PR-Interesse wegen den schrillen Tönen sinkt. Für wahrscheinlicher halt ich, das Heftabsatz und Kontakte weiter leiden, weil die Bravo schon länger nicht mehr Hauptnachrichtenquelle für Teenies ist, egal in welchen Tonfall. Die News im Web sind halt aktueller und wer nur anhimmeln will bleibt auf den Webseiten seiner Stars.

Wortvogel
Wortvogel
7. Mai, 2014 12:12

@ Howie: Die Handschrift der neuen Chefredakteurin ist klar erkennbar – und für mich indiskutabel. Den Niedergang der Auflage laste ich ihr nicht an, da fehlen auch dem SPIEGEL die Nachweise.

Mencken
Mencken
7. Mai, 2014 15:50

Zur Aldi-Geschichte sehe ich aber schon noch deutliche Unterschiede. Dort wurden seinerzeit aus einzelnen Anekdoten Rückschlüsse auf den ganzen Konzern vorgenommen, hier geht es ja tatsächlich nur um die unmittelbare Redaktion, bzw. den Bereich, von und aus dem die Betroffenen berichten. Zudem wird ja auch nicht der eigentliche Kernpunkt -die Häme gegenüber den Stars und das sinkende Niveau- damit untermauert, sondern nur ergänzend eine der festzustellenden Auswirkungen beschrieben (was bei Aldi eben nicht der Fall war).
Ich mag solche “Gerüchteverbreitungen” auch nicht sonderlich, zu wirklich schlechtem Journalismus (wie es eben der Aldi-Artikel war) ist aber schon noch ein Abstand gegeben.

Wortvogel
Wortvogel
7. Mai, 2014 16:08

@ Mencken: ich sage ja auch nur, dass mich der Artikel an die ALDI-Sache erinnert – das ist nicht als Gleichsetzung zu verstehen.

Exverlobter
Exverlobter
7. Mai, 2014 16:37

“Der SPIEGEL ist knorrige Kontinuität in dem Wissen, dass die Auflage dadurch auch nicht mehr zu retten sein wird. Letztlich macht sich das Flaggschiff des deutschen Nachrichtenjournalismus damit nur fit für die Zielgerade der Printbranche. Man will hübsch in den Sonnenuntergang reiten, der fünf, zehn, vielleicht noch fünfzehn oder zwanzig Jahre entfernt liegt.”
Ich nehme mal an, dass hier auf die seit Jahren verbreitete These “Print is tot ” angespielt wird. Und es stimmt, die Auflagen sinken, das ist eine Tatsache.
Aber völlig absterben wird das Gedruckte nicht. Vor allem nicht bei längeren, gut recherchierten Artikeln. Ich sehe es an mir selbst. Ich lese keine Tageszeitung mehr, die Tagesnachrichten konsumiere ich über Netz oder TV. Aber das Lesen am Bildschirm ist auf Dauer echt ermüdend. Online ist gut für den Snack zwischendurch, aber in allen anderen Fällen greife ich trotzdem weiterhin zum Gedruckten.
Gerade wöchentliche erscheinende Magazine wie der Spiegel haben im Gegensatz zu Tageszeitungen noch eine Zukunft vor sich. BTW, das gleiche sagte man ja auch über das Kino. Das erst der Fernseher das Kino killt. Dann das Internet etc.
Letztendlich hat das Kino auch allen Untergangsprognosen getrotzt.
So ähnlich wird es mit einem Teil der Printmedien auch sein.
Auch wenn der Anteil am Kuchen noch eine Weile kleiner ausfallen wird.

DJ Doena
DJ Doena
7. Mai, 2014 17:01

@Exverlobter:
Im Kino kommen aber hauptsächlich nur noch RomComs für die Damen und Krawumm-Sommerblockbuster, die ihr Budget in 2 Wochenenden eingespielt haben müssen, um profitabel zu sein.
Kino ist also inzwischen zum McDonald’s verkommen.
Wenn ich gut essen will, gehe ich zu HBO/AMC/Netflix.

Jake
Jake
7. Mai, 2014 17:07

“Und es stimmt, die Auflagen sinken, das ist eine Tatsache.
Aber völlig absterben wird das Gedruckte nicht.”
Das will ich auch schwer hoffen! Sonst hätte ich nichts mehr, was ich auf dem Klo lesen kann. Ich hab’s zwar auch mal mit meinem Kindle auf der Schüssel probiert, aber das ist einfach nicht dasselbe Feeling.

Exverlobter
Exverlobter
7. Mai, 2014 17:23

“Das will ich auch schwer hoffen! Sonst hätte ich nichts mehr, was ich auf dem Klo lesen kann. Ich hab’s zwar auch mal mit meinem Kindle auf der Schüssel probiert, aber das ist einfach nicht dasselbe Feeling.”
Mir sind schon USB-Sticks und mal das Handy ins Klo gefallen. E-Reading wäre nix für mich.

Exverlobter
Exverlobter
7. Mai, 2014 17:29

“Im Kino kommen aber hauptsächlich nur noch RomComs für die Damen und Krawumm-Sommerblockbuster, die ihr Budget in 2 Wochenenden eingespielt haben müssen, um profitabel zu sein.
Kino ist also inzwischen zum McDonald’s verkommen.”
Das stimmt. Aber bei den gepfefferten Kinopreisen läuft es eigentlich sowieso nur auf die Blockbuster raus, weil man für 13 Euro auch was geboten kriegen will.
Ich zahl nicht soviel Geld um Stromberg zu schauen, da warte ich lieber auf die DVD.
Kino wird halt immer mehr zu einer Art Themenpark.

Mencken
Mencken
7. Mai, 2014 19:53

Kann man so auch nicht sagen, gibt immer noch genügend kleinere Kinos mit nettem Programm und sehr fairen Preisen, sofern man nicht gerade in der Provinz wohnt.
Kino war schon immer vor allem Spektakel und Event, mittlerweile sind bloß die Ansprüche gewachsen uns so gesehen gibt es heutzutage sogar eigentlich eine größere Angebotsbandbreite.

Christian
7. Mai, 2014 20:51

Danke für den Artikel. Ist das der aktuelle Schreibstil des Spiegels? Das bestätigt mich in meinem Verhalten, um Print- wie Onlineprodukte mit “Spiegel” im Namen einen weiten Bogen zu machen.

dermax
dermax
7. Mai, 2014 21:29

“Im Kino kommen aber hauptsächlich nur noch RomComs für die Damen und Krawumm-Sommerblockbuster, die ihr Budget in 2 Wochenenden eingespielt haben müssen, um profitabel zu sein.
Kino ist also inzwischen zum McDonald’s verkommen.
Wenn ich gut essen will, gehe ich zu HBO/AMC/Netflix.”
Mit Verlaub, aber das ist mE Unfug, vor allem da HBO/AMC/Netflix ja abgesehen von ein paar Serien auch nur Zweitverwertung von Kinofilmen sind.
Und ist AMC nicht Kino?

DJ Doena
7. Mai, 2014 21:48

@dermax: mag ja sein, dass da Filme kommen, aber für mich sind das die Sender von Game of Thrones, Mad Men und House of Cards.
Bei Filmen muss man sich halt nach 90-120 Minuten wieder von seinen Charakteren verabschieden, bei Serien kann man jahrelang mit ihnen mitfiebern, sogar bei der Standardkost des Network-TV (hab mich gerade an Chicago Fire festeguckt und stehe dazu)

but a scarecrow
but a scarecrow
8. Mai, 2014 11:46

Dass so etwas von dem Machern vom “Topf voll Gold” kommt, überrascht mich jetzt nicht SO sehr. Mir gefällt diese Seite eh nicht, sie ist zu sehr voller herabblickender Häme, sie verachtet Schreibende wie Lesende gleichermaßen, sie sucht sich auch gezielt ein Thema, dass wenig Arbeit macht, dafür aber einen breiten Konsens erzeugt. Es ist leicht, Klatschpresse scheiße zu finden, und Schenkelklopfer sind auch schnell platziert. Abe rwas so leicht ist, ist auch oft so billig.

Peroy
Peroy
8. Mai, 2014 19:50

HBO ist nicht McDonalds… HBO ist einmal die Kloake hinter’m Hauptbahnhof auslecken.