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Mrz 2013

Movie Mania 2013 (6) – Fantasy Filmfest Nights Edition: American Mary

Themen: FF Nights 2013, Movie-Mania 2013, Neues |

Untitled (mm2013 copy)
american mary dvKANADA 2012 / 98 MIN REGIE Jen Soska / Sylvia Soska DARSTELLER Katharine Isabelle / Antonio Cupo / Tristan Risk / David Lovgren / Paula Lindberg / Clay St. Thomas / John Emmet Tracy

Offizielle Synopsis: Mary Mason träumt davon Chirurgin zu werden. Das Talent und den Ehrgeiz dazu hat sie definitiv, das nötige Geld fürs Studium leider weniger. Völlig pleite stellt sie sich als Stripperin in einem Nachtclub vor, nur endet das „Interview“ gänzlich anders als vermutet – statt ihrer Kurven ist Marys Geschick mit Nadel und Faden an einem übel zugerichteten Mann gefragt. Schnell spricht sich im Untergrund herum, dass sie für die richtige Summe illegale Operationen durchführt.

Unerwartet klopfen seltsame Gestalten mit noch seltsameren Wünschen an ihre Tür. Von der Welt traditioneller Medizin bitter enttäuscht, schmeißt Mary ihr Studium und wendet sich einem lukrativen, aber doch sehr ungewöhnlichen Spezialgebiet zu – Extreme Body Modification. In Fleisch und Blut verwirklicht sie kunstvoll die eigenwilligen Schönheitsideale ihrer Kunden. Doch nicht nur dem skurrilen Klientel geht diese einschneidende Arbeit unter die Haut. Schon bald hat Mary gewaltige Probleme Privat- und Berufsleben zu trennen…

Kritik: Auf den hatte ich mich wirklich gefreut. Katharine Isabelle ist ein Leckerchen – die kanadische Lindsay Lohan mit Nikotintimbre und einem Faible für Nerdfilme. Der Trailer sieht stylisch aus und das Thema ist angemessen transgressiv. Body Modification jenseits von Tattoos und Piercing ist nicht gerade Mainstream.

Und tatsächlich: für Katharine Isabelle-Fans ist “American Mary” eine Empfehlung wert, denn unsere “Heldin” läuft eigentlich den ganzen Film über in Dessous, Lack und Leder rum. Das verfehlt seine erotische Wirkung gerade in der Kombination mit Blut & Tod nicht.

Auch in Sachen Kamera und Ausstattung leistet sich der Film keine Fehler. Düstere Fetisch-Bars, schmierige Hinterzimmer, Knochensägen und Emo-Rock – eine perverse Eleganz saugt uns in eine Welt, in die wir vermutlich im echten Leben keinen Fuß setzen würden.

Aber das war es dann auch schon. Inhaltlich ist “American Mary” ein Totalausfall, weil der Film keine Ahnung, was für eine Story er erzählen will. Mit dem ständigen Fokuswechsel erinnert mich das an “Simpsons”-Episoden, die auch Haken schlagen, bevor sie zum eigentlichen Kern kommen. Nur kommt “American Mary” nie zum Kern. Am Anfang wird die Geschichte gebaut, dass Mary als verarmte Medizinstudentin in einem Stripclub arbeiten muss, um ihre Schulden zu bezahlen. Dazu kommt es nie – sie wird Hinterzimmer-Chirurgin für Gangster. Das wäre auch keine schlechte Story, ist aber ebenfalls nach fünf Minuten gegessen, weil Mary plötzlich entscheidet, dass die Welt eine Body Modification-Expertin braucht. Kaum haben wir diese Wendung geschluckt, kommt es zu einer brutalen Vergewaltigung, die Mary jeden Rest von Menschlichkeit raubt. Während wir uns fragen, ob vielleicht doch noch ein Strip von Katharine Isabelle auf dem Programm steht (spoiler: nein), stolpert der Film ohne Ansage in ein aus dem Hut gezaubertes Finale mit konsequentem, aber depperten Ende.
American Mary
Und weil er seine Geschichte nicht kennt, versteht “American Mary” auch seine Figuren nicht. Was treibt Mary an? Nur der Geldmangel? Dafür verliert sie viel zu schnell alle Skrupel. Der eigene latente Fetisch? Das wird nicht ein einziges mal thematisiert. Es bleibt auch völlig offen, ob und wie wir uns mit ihr identifizieren sollen. Sie wird vom gepeinigten Opfer ruckzuck zur foltergeilen Killerin und geht uns damit als “Heldin” verloren. Es fehlt der große Konflikt, die Bedrohung, der Gegner. Umgeben von tragischen, bemitleidenswerten Randexistenzen, bringt sie zwar als Einzige eine gewisse Stärke mit, aber es ist eine destruktive Stärke, die am Ende richtungslos ins Leere läuft.

In vielen Berichten und im Pressematerial ist von “schwarzem Humor” die Rede. Kann man so sehen. Ein paar deftige Schocks, absurde Nebenfiguren, unerwartete Wendungen, blutige Operationen im Rocky Horror-Outfit. Das ist schon wieder erfreulich absurd. Aber es macht den Film fast zu leicht, weil es ihm den emotionalen Impact raubt. Das “iiihhh!!” der Zuschauer ist kein “Oh Gott! Iiihhh…!”, sondern “Iiihhh… hihihi”.

Ich werde das Gefühl nicht los, dass das schräge Schwestern-Duo, dem wir “American Mary” zu verdanken haben, eigentlich eine Liebeserklärung an die Body Modification-Szene drehen wollte und nur aus Gründen der besseren Vermarktbarkeit Elemente von Torture Porn und Thriller eingebaut hat.

Somit bringt “American Mary” alles mit, was ein Film an technischer Expertise braucht (Darsteller, Kamera, Effekte), aber nichts, was inhaltlich überzeugen könnte. Keine Story, keine Charaktere, keinen Spannungsbogen.

Randbemerkung: Es ist nur Kleinkram, aber sogar der Titel des Films geht mir auf die Nerven. Aus einigen Dialogen ist ersichtlich, dass der Film natürlich “Bloody Mary” heißen sollte. Ich denke mal, diese Bezeichnung war schon vergeben. Aber “American Mary”? Worauf soll sich das beziehen? Noch dazu bei einem so offensichtlich kanadischen Film?

Fazit: Ein dürftig erzählter und fahriger Fetisch-Thriller, der sich mit ein paar Torture Porn-Szenen und einem aufgesetzten Killer-Finale in die Horror-Ecke zu retten versucht.

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Peroy
Peroy
9. März, 2013 17:05

Ach was, der hat doch 2 x 5 Sterne auffem Plakat, der is’ bestimmt toll…

Mic
Mic
9. März, 2013 17:46

Oh, schade, das liest sich ernüchternd. Aber irgendwie hatte ich das fast kommen sehen, denn das, was du da in Bezug auf die schnelle Wandlung der “Heldin” schreibst, habe ich mich in Anbetracht des veröffentlichten Materials auch schon gefragt. Da schien mir irgendwo ein kapitaler Bruch in der Story zu sein, aber ich hatte die Hoffnung, dass das irgendwo mittendrin noch eine nachvollziehbare Entwicklung steckt, die im Trailer natürlich nicht ausgewalzt werden kann. Aber dem scheint ja dann nicht so zu sein.
Aber wenn die production values ansonsten in Ordnung sind, dann kann man ja trotzdem mal einen Blick riskieren. Schlimmer als das x-te Sequel irgendwelche sonstigen Torture Porn kann es ja dann auch nicht sein.
Insofern danke für die Warnung, dann kann ich meine Erwartungen angemessen nach unten korrigieren.

Wortvogel
Wortvogel
9. März, 2013 17:55

@ Mic: Der Wandel von Mary, der Bruch all ihrer Skrupel wird mit dem wirklich ältesten Filmklischee visualisiert: sie sitzt – angezogen – heulend in der Dusche. Da bin ich schon ausgestiegen.

Marcus
Marcus
9. März, 2013 18:05

Habs nicht im Detail gelesen (und werde es auch bei den anderen Filmen nicht tun), weil ich nächste Woche selber in Köln bei den FFFN bin.
Aber dem Fazit nach nicht der Bringer. Immerhin macht es dann nix, wenn man in Köln am Sonntagmittag zu spät kommt. Was Filmi wie üblich tun wird… 🙂

Peroy
Peroy
9. März, 2013 18:21

Kommt der nicht eh jetzt gleich auf DVD… ? Dann reicht das doch (wenn überhaupt)…
Klingt von der Beschreibung her so, als könnte man den guten Gewissens in eine Schublade mit “The Loved Ones” und “Julia X” packen… hirn- und substanzlose Gewaltporno-Pseudo-Comedies ohne zündende Gags. Wird das der neue Low Budget-Trend ? Ist das die Evolution des Torture-Porn-Genres ? Gehen die denselben Weg wie alle Zombiefilme ? “Machen wir’s halt mal lustig”… nee nee…

Reini
Reini
10. März, 2013 10:55

@Wortvogel: In den Extras der BluRay sprechen die Soska-Zwillinge davon, dass sie Verständnis für die Bodymodification-Szene herstellen wollten – davon ist im Film allerdings kaum was übrig geblieben.
@Peroy: Release ist 28.03.2013
@Alle: Dienstagabend werde ich die Soska-Zwillinge telefonisch interviewen – hat jemand noch spezielle Fragen, die ich stellen soll? 🙂

Wortvogel
Wortvogel
10. März, 2013 11:00

@ Reini: Ich glaube auch, dass die Soska-Zwillinge sich einen Bärendienst erwiesen haben. Die BM-Fetischisten kommen in “American Mary” rüber wie ein Haufen kranke Freaks. Da sehe ich keine Änderung zum üblichen Bild.
Frag doch mal, woher der doofe Titel “American Mary” kommt, der doch augenscheinlich “Bloody Mary” lauten sollte.

Reini
Reini
10. März, 2013 11:03

Okidoki, mach ich! 🙂

Dr. Acula
10. März, 2013 11:21

Wir B(ad)M(ovie)-Fetischisten *sind* nunmal kranke Freaks 🙂

Wortvogel
Wortvogel
10. März, 2013 11:25

@ Acula: Und du bist unser aller Vorbild!

DMJ
DMJ
10. März, 2013 13:13

In der Tat doppelt schade: Einmal, weil ein Film, der gut hätte werden können, es nicht geworden ist und dann, weil die Macher durch ihren Pfusch der Bodymodification-Szene, die sie eigentlich unterstützen wollten ins Knie schießen.
Verpfuschte Charakterisierung, bei der sich Figuren ohne Grund wandeln ist immer schlimm, aber wenn man seine Heldin erst mit einer Minderheit assoziiert und dann ohne Übergang zur Soziopathin werden lässt, trifft man damit unbeabsichtigt eine unerfreuliche Aussage.

Marcus
Marcus
18. März, 2013 19:10

Inhaltlich alles richtig, was Torsten sagt. Aber trotzdem fand ich den irgendwie… launig. 7/10.

Wortvogel
Wortvogel
19. März, 2013 08:40

@ Marcus: Launig ist er, Katharine Isabelle ist auch damn sexy, und der Look passt – hätte er im letzten Drittel noch so was wie einen Ansatz einer Story entwickelt, wäre ich sicher gnädiger gewesen.

Reini
Reini
21. März, 2013 13:51

Um den Wortvogel ein bisschen zu ärgern – mir geht es wie Marcus, trotz alledem fand ich den launig. 🙂

Filmliebhaber-Tom
Filmliebhaber-Tom
28. März, 2013 17:57

Endlich einmal wieder neuer Horrorstoff, der sich nicht dem ständig wiederholenden Einheitsbrei bedient. “American Mary” entführt uns in eine vollkommen skurrile Welt voller seltsamer Kreaturen, die unermüdlich nach körperlicher Perfektion streben. Hierbei offenbart der Film eine durchaus perfide Sehnsucht, die quasi in jedem von uns steckt, bei dem einen mehr – dem anderen weniger. Die Kritik an dem gesellschaftlich vordiktierten Schönheitsideal ist unüberhörbar und heben den Film positiv über den Durchschnitt. Lobenswert, dass “American Mary” davon absieht, sich minutiös in grausigen Blutfontänen zu suhlen. Die Gegebenheit wirken zwar durchaus grotesk und bizarr, schaffen es aber das unlängst angestaubte Horrorgenre endlich wieder mit neuen Ideen zu bereichern. “American Mary” ist ein Film der bewegt und schockiert und das gänzlich ohne ausufernde Ekel-Effekte. Zwar gibt es auch in diesem Schocker auch einige wenige genretypische Gemeinheiten zu bewundern, dennoch distanziert sich der Film erfrischend von der bloßen Zurschaustellung widerlicher Ekelexzesse.
Wer sich einmal mehr von frischen und befremdlichen Filmstoffen berieseln lassen möchte, ist bei “American Mary” genau richtig. Das Filmchecker-Team vergibt diesem kleinen Genre-Highlight 8 von 10 Punkten.
Eine Ausführliche Filmbesprechung jetzt auf dem Filmcheck-Blog
GELÖSCHT WEGEN UNGEFRAGTER EIGENWERBUNG

Reini
Reini
28. März, 2013 18:22

Cool – man darf hier herumspammen? Nimm dies, Wortvogel! 😉
http://www.gamesunit.de/artikel/review-blu-ray-american-mary-26774.html

Wortvogel
Wortvogel
28. März, 2013 21:06

@ Reini: Du darfst, er nicht.

Reini
Reini
29. März, 2013 18:05

Oooops… Danke. *leicht-erröt*