07
Mrz 2013

Mein Vater (1943-1990), der “Tech-Freak”

Themen: Neues |

Mit meinem Vater, das ist eine komplizierte und lange Geschichte, die nicht hierher gehört. Es sei nur angemerkt, dass es nie gut ist, erst dann Frieden mit einem Menschen zu schließen, wenn er nicht mehr da ist.

Schwamm drüber.

23 Jahre ist er nun schon tot und letzte Woche musste ich plötzlich und heftig an ihn denken. Ich fand das hier im Keller:
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Boah, ist das ein klobiger iPod!

Für die Uneingeweihten: Das ist ein KT-S2 von Toshiba. Kein Walkman, aber ein direkter Konkurrent aus der Frühzeit der am Gürtel tragbaren Musikspieler. Von 1981. Ich weiß nicht, warum mein Vater meinte, den haben zu müssen. Es gibt kaum ein Szenario, in dem er ihn nutzen konnte. Weder bei der Arbeit, noch daheim, noch beim… neee, Sport war bei ihm eh kein Thema. Das hatte eher so was von “Erster!”.

Angeblich kostete das KT-S2 damals 400 Mark. Es kam mit einem ekligen blauen Plastikschutz samt Druckknöpfen.
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Ich weiß noch, dass es eine “leise”-Taste gab, dank derer man sich nicht gleich den Kopfhörer runter reißen musste, wenn man mal angesprochen wurde. Und dass das Gerät von Anfang an furchtbar leierte.

Der Hammer – und damals konkurrenzlos – war aber dieses Addon:
SAMSUNG Diese Plastikbox machte aus dem KT-S2 auch noch ein RADIO! Unglaublich – what will they think of next?

Das KT-S2 fiel mir also wieder in die Hände. Es ist leider trotz der erstaunlichen Verfügbarkeit von Ersatzteilen unbrauchbar. Als ich die 30 Jahre alten Batterien raus pfriemelte, waren sie nicht nur verrostet, sondern ausgelaufen. Da ist nichts mehr zu machen. Ehrlich gesagt – was soll’s?
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Dabei fiel dann auch ein, dass mein Vater noch so ein Ungetüm bei sich zu Hause stehen hatte. Einen Anrufbeantworter. Das war Anfang der 80er noch lange keine Selbstverständlichkeit. Ich meine mich noch zu erinnern, dass er mich damals anrief und mir sagte, ich solle ihn unbedingt anrufen – er wollte mir das Gerät vorführen. Es hatte ungefähr die Größe einer Schuhschachtel und sah (bis auf die Farbe) so aus wie der Kasten aus “Rockford” (siehe Bild). Dank striktem Postmonopol war es außerdem nicht legal.

Ich habe diesen Gedanken gerade das erste Mal: In einer anderen Wirklichkeit, in einem anderen Leben wäre mein Vater vielleicht ein echter Nerd gewesen.

1990, im Jahr seine Todes, hätte er sich vermutlich gerne die Junghans Mega 1 gekauft, die erste Funk-Armbanduhr der Welt.



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PabloD
PabloD
7. März, 2013 19:24

Mir ist erst um kurz vor halb 8 beim Lesen deines Beitrages bewusst geworden, dass heute der 07.März ist.
Fuck.
(1941-1991)

heino
heino
7. März, 2013 19:44

“Mit meinem Vater, das ist eine komplizierte und lange Geschichte, die nicht hierher gehört. Es sei nur angemerkt, dass es nie gut ist, erst dann Frieden mit einem Menschen zu schließen, wenn er nicht mehr da ist.”
Das hätte auch Wort für Wort von mir sein können…..

Exverlobter
Exverlobter
7. März, 2013 20:24

“dass er mich damals anrief und mir sagte, ich solle ihn unbedingt anrufen”
Das klingt etwas seltsam.

Goatleg
Goatleg
7. März, 2013 21:14

@exverlobter
Warum seltsam?
Ich denke der Vater wollte dass der junge Wortvogel den Anrufbeantworter am anderen Ende der Leitung hören konnte …

Exverlobter
Exverlobter
7. März, 2013 21:50

@Goatleg
Der Satz würde nur Sinn machen, wenn aus ihm hervorgehen würde, dass der Wortvogel seinen Vater zu einem späteren Zeitpunkt wieder anrufen soll. (ich vermute mal, dass das gemeint war).
So wie es da aber steht, ruft der Vater an, um zu sagen, dass sein Sohn ihn anrufen soll. Das klingt in dieser kurzen Fassung in der Tat etwas seltsam. Wieso soll der Wortvogel anrufen wenn der Vater bereits am Telefon ist?

Exverlobter
Exverlobter
7. März, 2013 21:57

Späterer Zeitpunkt, oder die Erklärung mit dem Anrufbeantworter.
Aber wie gesagt, für sich klingt der Satz etwas seltsam.

Goatleg
Goatleg
7. März, 2013 22:10

@exverlobter
Ich stell mir das so vor: “Hallo Torsten! Ich hab jetzt einen Anrufbeantworter. Wir legen jetzt beide auf und du rufst mich gleich zurück, ich heb aber nicht ab. Dann kannst du auf das Band sprechen.”
Bei unserem Faxgerät ist das auch so gewesen. Da hat mich mein Opa auch angerufen um mir zu sagen dass er mir jetzt ein Fax schickt. War damals halt was neues 😉

Wortvogel
Wortvogel
7. März, 2013 22:14

@ Goatleg: Genau so ist es: “Ruf mich mal an, damit du meinen coolen neuen Anrufbeantworter hören kannst!”

Shah
Shah
7. März, 2013 22:30

Haha, mein Vater hatte genauso ein Teil ebenfalls. Der war auch schwer nerdig, vor allem in Bezug auf Fernsehen etc., obwohl das auch mit steigendem Alter und gleichzeitig dem immer schneller werdenden Fortschritt zu tun haben mag.
Ich find die Vorstellung schön, dass die alten Herren genauso fasziniert von Technik damals waren wir unsereins heutzutage. Vergisst man ja ab und an mal, dass die auch mal jung waren 🙂

Nikolai
Nikolai
8. März, 2013 07:49

“Mit meinem Vater, das ist eine komplizierte und lange Geschichte, die nicht hierher gehört. Es sei nur angemerkt, dass es nie gut ist, erst dann Frieden mit einem Menschen zu schließen, wenn er nicht mehr da ist.”
Vielleicht sollte ich das beherzigen.

Dieter
Dieter
8. März, 2013 11:54

Hach ja, die Geschichte mit dem Vater… wie ich das nur zu gut kenne. Den Frieden, den ich zu Lebzeiten nie mit ihm geschlossen habe, den habe ich heute immer noch nicht.
Aber er war auch ein “Nerd”. Immer das Neuste im Bereich der Unterhaltungselektronik. Meine Mutter bekam oft die Krise, weil wieder ein neues Teil (Radio, Fernseher, Plattenspieler) angeschleppt wurde. Sogar einen Laserplattenspieler (die großen Platten im Format einer LP) hatten wir. Einen Video2000-Recoder. Einen Sinclair ZX81. Einen Schneider-Amstrad 1620. 5 Telefone an einer Bundespostleitung (das war massiv illegal ;-)). Antennentechnik vom Feinsten auf dem Dach. Und die Krönung war eine Modelleisenbahn Marke Arnold Spur N mit jedwedem elektrisch-elektronischem Schnick-Schnack!
Mich wundert es nicht, dass mich Technik fasziniert. Die Faszination hat sich wohl vererbt.

Wortvogel
Wortvogel
8. März, 2013 11:57

@ Dieter: In der Tat – das habe ich vergessen: mein Vater hatte natürlich AUCH Video 2000 und nicht VHS. VHS war für Pussies. Mit einer beidseitig bespielbaren Kassette und Longplay konnte er das 16stündige “Live Aid”-Konzert auf EINE Kassette aufnehmen. Mit nur EINER Unterbrechung zum Umdrehen.

Dieter
Dieter
8. März, 2013 15:04

Ja, das war schon ein durchdachtes System, das Video 2000. Und erstmal das streifenfreie Standbild, was VHS erst viele Jahre später grad so hinbekommen hat. *Schwelg*

Dr. Acula
8. März, 2013 16:25

Mein Vater ist so mit Handys… ich glaube nicht, dass er jemals was anderes mit einem Handy gemacht hat außer Telefonieren (nicht mal SMS schreiben), aber er hat stets eins der neuesten Generation. An seinem Handy-Elefantenfriedhof (bestimmt 20 Stück bislang), den er, wenn’s nach mir geht, mal dem Deutschen Museum vermachen soll, lässt sich die Entwicklung von C-Netz-Knochen bis zum Ultrasmartphone plastisch nachvollziehen… (vererbt hat sich das nicht. Ich brauch ein Handy nur für die mTans der Packstation).

Willi
Willi
9. März, 2013 22:23

Bin grad über Twitter hier gelandet und merke, dass ich gleiche Gedanken schon länger über meinen Vater habe. Wollte ich kurz teilen:
Zum ersten mal kam mir der Gedanke, als ich anfing mir einen Car-PC zu bauen. 20 Jahre früher schon hatte mein Vater in seinem Auto einen kleinen Fernseher samt VCR im Beifahrerfußraum gehabt, um uns Kinder auf der Fahrt in den Urlaub zu bespaßen…
Und je mehr ich zurück denke, umso mehr Foto- und Videokameras, Nachtsichtgeräte und komische tragbare Musikkassetten-Radio-TV-Kombis (kein Witz!) fallen mir wieder ein, die mir früher in die Hände fielen. Bin immer noch beeindruckt von meinem fortschritbegeisterten Handwerker-Vater, der absolut nicht technikaffin, aber von der Mentalität her der totale Hacker/Nerd/Geek ist 🙂
Wollte ich mit dir teilen. Bitte und Danke!