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Feb 2013

Also wenn ihr mich fragt: Drogen freigeben, drogenfrei leben!

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Mein letzter Versuch, eine etwas kontroverse These zu den Übeln der modernen Industriegesellschaft in die Welt zu setzen, artete massiv aus. Auch wenn ich mich damals über einige Kommentare sehr geärgert habe (die sich dann aber fast in toto als Werk eines Trolls heraus stellten), war es ein prima Gemetzel.

Ich vermute, dass mein heutiger Gedanke (ebenfalls nicht neu) auf nicht ganz so vehementen Widerstand stoßen wird. Eine Diskussion ist er allemal (hoffentlich) wert.
Es geht um Drogen. Meine Einstellung zu Drogen. Die Einstellung der Gesellschaft zu Drogen.
drugs
Nur fair, dass ich meinen Background offen lege. Ich habe in den 90ern ein paar Mal Kokain probiert und verschiedene Sorten chemischer Drogen in Form von Tabletten. Das war Neugier und die Bereitschaft, mit der Arbeitsweise meines Gehirns zu experimentieren. Vielleicht bin ich keine Suchtnatur, vielleicht habe ich zu wenig Leerstellen in meinem Leben, die gefüllt werden müssen – nichts blieb hängen. Ich mag ein Recht auf Rausch haben, es mangelt mir nur am Drang.

Vor der knallharten Sucht bewahrt hat mich vermutlich auch meine (milde) Trypanophobie. Ich kann “torture porn”-Filme stressfrei ansehen, aber wenn sich jemand eine Spritze aufzieht und die Nadel in Richtung Vene bewegt, wird mir ratzfatz speiübel. Es kostet mich übermenschliche Überwindung, mir beim Arzt Blut abnehmen zu lassen. “Wir Kinder vom Bahnhof Zoo” und “Trainspotting” sind für mich unguckbar.

Joints habe ich in meinen 20er und 30er Jahren (seit dem Zivildienst) immer mal wieder gerne geraucht. Nie mit eigenem Vorrat, nie gekauft, nie einfach so. Bei Freunden, auf Partys, für Touren durch das nächtliche Berlin. Irgendwann hat sich das erübrigt.

Was die legalen Drogen angeht: abgesehen von ein paar Party-Zigaretten und einer Zigarre zur Ausstrahlung meiner Filme habe ich es nicht mit Tabak. Alkohol trinke ich nur minimal, zum Essen alle paar Wochen ein Glas Wein, in der Kneipe mal ein Kinderbier (Becks Green Lemon, Corona), ein Glas Sekt an Silvester. Standards.

Ich habe Menschen an Drogen nicht sterben sehen, aber dahin siechen. Ein erfolgreicher, charmanter Jungredakteur, den das Koks langsam zum paranoiden Wrack machte, seine Ehe und seine Karriere ruinierte. Der erfolgreiche Schauspieler, der in Meetings alle 15 Minuten zur Toilette musste, um “nachzuschieben”. SciFi-Stars, die ihre Zusage zu Conventions von der Verfügbarkeit der gewohnten Schnupfmittel abhängig machten. Nicht zuletzt mein Vater, der mit der Bierflasche aus seinem Leben flüchten wollte, es aber damit nur zerstörte und in den Trümmern hocken blieb. Exzellente Vorbilder, wenn man nicht die Hoheit über den eigenen Körper und den eigenen Geist verlieren will.

Ich verkehrte nie in “Szenen”, wurde nie so direkt mit Drogen konfrontiert, dass es mein Leben hätte beeinflussen können. Ich erinnere mich an den Junkie, der mich am Frankfurter Hauptbahnhof Anfang der 90er angebettelt hat, an das Gerücht, dass einer meiner Klassenkameraden von früher an Drogen drauf gegangen ist. Als Zivi habe ich Heroinsüchtigen auf Methadon bei Amtsgängen geholfen. Aber die Bundesrepublik war für mich nie die Drogenrepublik. Ein behütetes Leben.

Schaut man sich die Zahlen an, gibt es eine leichte Entwarnung – 20 Prozent weniger Drogentote als im Jahr zuvor. So wenig wie nie seit 1988. Andererseits: Als Juliane Werding einen Hit mit “Am Tag als Conny Kramer starb” hatte, gab es weniger als 100, zu den Zeiten von “Christiane F.” knapp 400. Heute sind es fast 1000.

Bildschirmfoto 2013-02-08 um 12.52.32 Kopie Es fällt mir schwer, Ursachen zu erkennen. Ich habe, wie oben beschrieben, keine Suchtnatur. Meinem Leben fehlt nichts, mein Ego ist intakt, keine falschen Freunde üben Druck aus. Aber selbst wenn man aus einem sozialen Brennpunkt stammt, selbst wenn man seine Tage mit Kriminellen und urbanem Strandgut verbringt – es für eine gute Idee zu halten, sich eine Spritze in die Armbeuge zu setzen, ist mir unerklärlich. Kann man hinterher ernsthaft argumentieren “Ich hatte ja keine Ahnung, dass das süchtig macht”? Sind die Medien und die Schulen nicht voll von warnenden Hinweisen und hässlichen Bildern? Reichen die vorher/nachher-Galerien nicht aus, um wenigstens einen Rest von Überlebensinstinkt zu aktivieren?

Anscheinend nicht.

Vor allem schließe ich daraus: Vorbeugung bzw. Aufklärung ist nur in einem sehr begrenzten Maße effektiv und braucht nicht alljährlich mehr und mehr Millionen, damit das Bildungsbürgertum behaupten kann, es hätte ja alles versucht, den Nachwuchs drogenfrei zu halten. Kein Junkie in diesem Jahrtausend kann mehr behaupten, er habe ja nicht geahnt, auf was er sich einlässt. Dass Drogen dein Leben ruinieren und dich umbringen können, ist kein Herrschaftswissen mehr, sondern eine der Basisinformationen, die man schon in der Grundschule eingebleut bekommt. Unwissenheit ist nicht nur keine Entschuldigung – sie muss mittlerweile als feige Ausrede gewertet werden.

Als Randnotiz: Die Aufklärung scheitert meines Erachtens vielfach an einer grundlegenden Unehrlichkeit. Sie verdammt Drogen als dämonisches Teufelswerk, als direktes Ticket in die Hölle. Sie unterschlägt, was Drogen so reizvoll macht: dass sie funktionieren. Dass Trips eine ganz tolle Sache sein können. Dass sie glücklich machen, entspannt, liebevoll, angstfrei. Drehbuchautor Paul Schrader hat mal für das Premiere-Magazin einen exzellenten Artikel über seine eigene Kokainsucht geschrieben, dessen Kernsaussage ich hier paraphrasieren möchte: Wer behauptet, Drogen machen keinen Spass, hat noch nie welche genommen. Es ist großartig, solange man mit einem halben Gramm ein ganzes Wochenende lang auskommt und besser schreiben kann als je zuvor. Ein Problem wird es, wenn du zwei Gramm am Tag brauchst und nicht mehr schreiben kannst.

Wenn ein Jugendlicher erstmals Drogen nimmt, wird er feststellen, dass alle Lehrer und Aufklärungsfilme gelogen haben. Drogen sind super, wovon reden die denn? In meinen Augen müsste Aufklärung auf das hinweisen, was sie heute verschweigt: auf den Genuss, den Drogen bringen – erst DANN ist es sinnvoll, auf die Folgen hinzuweisen, auf den zu hohen Preis:

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Es ist ein Teufelskreis – Drogenmissbrauch führt zu entsetzlichen Anti-Drogen-Songs, die wiederum den Drogenmissbrauch (sei es aus Ekel oder schierem Protest) fördern.

Spaß beiseite. Was tun? Wie geht man ein Problem an, in das die westlichen Zivilgesellschaften seit Jahren Milliarden versenken, an dem Kriminelle Milliarden verdienen – und das doch nur Pendelbewegungen vollzieht, mal zum Besseren, mal zum Schlechteren? Wie bricht man den teuren Stellungskrieg auf?

Ich bin mit einer sehr strikten “Keine harten Drogen”-Einstellung durch die Pubertät gekommen. Die Sucht hat keine Vorteile, Süchtige sind ebenso Kriminelle wie Opfer, gerne mal selbst Schuld, Dealer sollte man an die Wand stellen.

Aufgeweicht wurde diese Einstellung in den späten 80er und dann den 90er Jahren. Ich kaufte mir 1989 das SPIEGEL special “Geißel Rauschgift“. Es war das zweite oder dritte Sonderheft der Hamburger, ich habe es verschlungen. Erstmals formte sich ein Verständnis für das globale Drogenproblem, für das Prinzip von Angebot und Nachfrage, für die Vielschichtigkeit des Begriffes “Droge”. Mir dämmerte, dass das Problem mit Aufklebern, Bildungsfilmchen und Streetworkern kaum zu lösen sein würde.

An dieser Stelle gibt es eine Lücke. Ich wollte von dem Artikel im SPIEGEL-Sonderheft erzählen, der mich am meisten beeindruckt hat. Ich finde ihn bloß nicht mehr. Vermutlich war er in einem anderen Heft, vielleicht in einer anderen Zeitschrift. Deshalb kann ich euch den Inhalt nur vage nach Gedächtnis weitergeben: es ging um Tausende von Junkies, die “nirgendwo” enden. Die als drogensüchtig registriert werden, aber nie durch Therapie clean werden oder mit dem Goldenen Schuss enden. Eine riesige Dunkelziffer von Altspritzern, die scheinbar irgendwann aus der Statistik fallen. Nicht mehr süchtig, nicht geheilt, aber auch nicht tot. Der Artikel stellte eine These auf, von der er selbst konstatierte, dass sie der Drogenpolitik der Regierung Probleme bereiten könnte: Drogensucht ist endlich. Irgendwann kann der Rausch auch mit größten Dosen nicht mehr erreicht werden, die Gewöhnung des Körpers geht in eine natürliche Entwöhnung über. Daraus folgert: wird der Körper lange genug mit “sauberen” Drogen in kontrollierter Menge versorgt, ebbt die Sucht in vielen Fällen wieder ab. Der Junkie muss es nur bis dahin überleben.

Auf so etwas wäre ich nie gekommen. Es las sich aber plausibel.

Und dann war da noch Dennis Miller. Ein amerikanischer Komiker, der mittlerweile die Seiten gewechselt hat und bei FOX News gegen die Demokraten schwadroniert. In den 90ern war er deutlich liberaler, im wahrsten Sinne des Wortes. In seiner “Dennis Miller Live”-Show hatte er ein Segment, das “Dennis Miller rant” hieß und in dem er in einem beißenden Monolog irgendein Problem aufs Korn nahm. Ich habe diese Monologe damals im Dutzend auf CD gebrannt und während langer Autofahrten gehört. Besonders hängen geblieben ist sein Essay über “opferlose Verbrechen” wie Drogenkonsum.

Ihr könnt es hier komplett nachlesen, was ich euch ans Herz lege.

Mir wurde schlagartig klar, dass Drogenkonsum, sogar der Verkauf von Drogen, nur deshalb ein Verbrechen ist, weil es politisch so definiert wurde. Jemand, der einem Menschen, der eine Droge kaufen will, eine Droge verkauft, ist kein Täter, weil er kein Opfer hat. Und wenn ich akzeptiere, dass mein Körper mir gehört (nicht nur der Bauch), dann habe ich auch das Recht, ihn zu missbrauchen. Sei es durch Fastfood, Piercing, Rauchen oder Kokain. Mein Körper ist mein Tempel – und wenn ich den verkommen lassen will, dann ist das so.
Bildschirmfoto 2013-02-08 um 12.52.35 Kopie 2

Wie willkürlich die Einschränkung der persönlichen Rechte zur Prävention von Drogenmissbrauch ist, lässt sich schon an der schizophrenen, gänzlich unwissenschaftlichen Regelung ablesen: Alkohol und Tabak sind eindeutig Drogen, aber erlaubt. Obwohl Zigaretten nicht an Kinder abgegeben werden dürfen, gab es bis vor wenigen Jahren überall Automaten, an denen auch Dreijährige Zigaretten ziehen konnten. Bestimmte Sorten Alkohol darf man in Deutschland ab 16 bzw. 18 konsumieren, während man in den USA zwar mit 20 wählen und im Krieg für sein Land sterben darf, nicht aber ein Bier in der Kneipe trinken. Für Haschisch kann man in vielen Ländern in den Knast gehen – in Holland geht man ins Kaffeehaus. Die sich ändernden Gesetze (gerade, was Marihuana angeht) verdeutlichen das nur: was gestern verboten und ganz schlimm war, ist heute eine lässliche Sünde. War es gestern falsch? Ist es heute falsch? Ist vielleicht beides falsch?

Schlimmer noch: der Kampf gegen Drogen erklärt nicht nur freie Bürger zu Kriminellen – er MACHT sie zu Kriminellen. Wenn ich die Droge, die ich haben will, legal nicht kaufen kann, MUSS ich sie illegal erwerben. Nicht die Droge hat mich zum Kriminellen werden lassen – es ist der Staat, der sie mir vorenthält und mich damit an den Dealer verweist.

Und ich setze noch einen drauf: viele der Drogentoten hat der Staat selbst zu verantworten. Wer Drogen kriminalisiert, macht sie interessant. Wer ihren Verkauf verbietet, überlässt die Herstellung und Distribution genau denen, die sich einen Dreck drum scheren, ob der Junkie den nächsten Schuss überlebt oder ob er für das Geld eine alte Oma abstechen muss.

“Sind Sie lebensmüde, aber zu feige zum Sterben? Dann dürfte Heroin genau das richtige für Sie sein. Ein Herionkick gibt Ihnen all die Liebe, die Sie von Ihrer Stiefmutter nicht bekommen haben. Das ist wie während eines multiplen Orgasmusses zu erfahren, daß man den Nobelpreis verliehen bekommt. Sie müssen als Gegenleistung nur gelegentlich ein paar gelähmte alte Damen niederstrecken und ausrauben oder Ihr Geschlecht in einer übelbeleumdeten Bahnhofsgegend einer Meute von Randexistenzen feilbieten.” (Walter Moers)

Bildschirmfoto 2013-02-08 um 12.52.35Die Kriminalisierung von Drogen und Drogenkonsum ist für mich eines der Grundübel der momentanen Gesetzgebung. 15jährige Mädchen gehen nicht auf den Strich, weil sie Heroin brauchen – sie gehen auf den Strich, weil die Droge legal nicht zu bekommen und noch dazu so teuer ist, dass die Sucht nicht anders finanziert werden kann. Radikal vereinfacht: so manches Mädchen, das an der Nadel hängt, würde vermutlich lieber weiter als Friseuse arbeiten, wenn es die Drogen für 2 Euro am Automaten ziehen könnte. Beschaffungskriminalität wird von dem Staat bekämpft, der sie geschaffen hat.

Auch das eine beliebte Lebenslüge der Drogenbekämpfer: Die meisten Krankheiten, die mit Drogen in Verbindung gebracht werden, kommen nicht von den Drogen, sondern von deren Kriminalisierung. Spritzentausch, schlechter Stoff und ungeschützter Geschlechtsverkehr mit fragwürdigen Subjekten verursacht Hepatitis, AIDS und andere Unannehmlichkeiten. Und die mangelnde Qualitätskontrolle bei der Zusammensetzung der Opiate ist für mehr Goldene Schüsse verantwortlich als Todessehnsucht und Lou van Burg zusammen.

So hat sich meine Einstellung zu Drogen über die Jahre verändert. Ich halte sie immer noch für scheiße und schädlich, rate jedem vom Konsum ab, befürworte Therapien und Beratungsstellen – aber ich glaube, dass der “Kampf gegen Drogen” wie das Spiel Tic Tac Toe in “War Games” ist: the only winning move is not to play.

“Just say no”, das von Nancy Reagan mit erschütternder Naivität unters Weltvolk gebrachte Allheilmittel gegen die Drogensucht, könnte als Motto auch für die Gegenseite gelten.
Genug der Vorrede.

Ich bin für die völlige Freigabe aller Drogen, der harten wie der weichen. Ich bin dafür, dass der Staat die Produktion von Opiaten übernimmt, diese kontrolliert in Apotheken zu Centpreisen abgibt. Dass Ärzte verpflichtet werden, Suchtverläufe medizinisch zu begleiten. Dass nur noch die Aspekte von Drogensucht, die eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen (Fahren unter Drogeneinfluss, wie jetzt schon unter Alkohol), strafbar bleiben. Dass die gesparten Milliarden in Prävention, Bildung und Krankenwesen fließen.

Durchatmen. WAS hat der Vogel da gekräht? Spinnt der? Weiterlesen.

Ich baue jetzt ein Utopia auf, male ein simples Bild einer Gesellschaft, die ab dem 1.4.2013 genau das tut, was ich oben beschreibe. Wie der Euro wird in einer Nacht- und Nebelaktion eine Reihe von Drogen bundesweit ausgeliefert und steht ab dem nächsten Morgen (auf Rezept) in Apotheken zur Verfügung. Jeder Schuss Heroin 2 Euro, Beipackzettel und Spritze inklusive. Der Bundesgesundheitsminister empfiehlt: besser rauchen als spritzen. Fertig verarbeitetes Marihuana kann man im DM-Markt kaufen, in Keksen oder als Zigarette. Dealer im Knast müssen ihre Strafen noch absitzen, danach bleibt der Handel straffrei, sofern nur die vom Staat kontrollierte Ware unter die Leute gebracht wird und der Verkauf offen stattfindet.

Was passiert dann? In (m)einer perfekten Welt dies: Herstellung und Vertrieb von Drogen lohnen sich schlagartig nicht mehr. Die Kokain-Mafia kann mit den Staatspreisen nicht konkurrieren, einem illegalen Milliardengeschäft geht das Geschäftsmodell verloren. Dealer langweilen sich in Hauseingängen, weil die Kundschaft in die Apotheke geht. Der niederste Straßenstrich leert sich. Altjunkies trauen sich aus der Anonymität, sind nicht mehr als Verbrecher gebrandmarkt, müssen nicht mehr stehlen oder betteln.

Eine Welle von Kranken strömt in die Praxen und Hospitäler, aber die Kosten für das Gesundsheitssystem sinken mittelfristig stark – Junkies werden weniger krank, können vielfach wieder arbeiten, liegen dem System nicht mehr auf der Tasche. Dass Heroinsucht schlimm ist, aber nicht notwendigerweise die gesellschaftliche Ächtung nach sich ziehen muss, hat Jörg Böckem ja schon bewiesen. Der Junkie ist nicht verloren – und in der Familie allemal besser aufgehoben als am Hauptbahnhof.

Für die Jugend fällt der Reiz, verbotene harte Drogen zu konsumieren, oft flach. Pillen, Trips, Alkohol, kein Problem – aber Spritzen und Pfeifen? Uninteressant, weil überall erhältlich und dem Teint nicht förderlich. Wer es doch probieren will, kann das zumindest mit staatlich geprüften “sauberen” Drogen tun und sich vorher beraten lassen.

Der Staat steht gut da: Drogenfahndung wird weitgehend sinnlos, die Gefängnisse leeren sich (süchtige Gefangene werden nun ärztlich mit Stoff versorgt), die Kosten für die staatliche Herstellung und Abgabe von Drogen steht in keinem Verhältnis zu den direkten und indirekten Ersparnissen. Arabischen Terroristen wird eine der wichtigsten Einnahmequellen genommen, al qaida muss sich noch mehr als bisher auf Video-Raubkopien konzentrieren.

Natürlich bleiben Nachteile: Heroin macht weiterhin süchtig, jemand “auf dem Trip” kann eine Gefahr für sich und andere sein, die berufliche Produktivität mag gerade bei Feinmechanikern und Chirurgen nachlassen. Aber es gibt neben der Kriminalisierung ja noch andere Mittel, Süchtige zur Verantwortung zu ziehen, die Sucht unattraktiv zu machen. Versicherungen können Klauseln in ihre Verträge aufnehmen, nach denen sie Süchtigen Berufsunfallschutz verweigern oder langfristige Lebensversicherungen. Autoversicherer verweigern Policen, Arbeitgeber überlegen sich dreimal, ob sie einen Junkie anstellen soll. Sucht ist nicht mehr kriminell oder geächtet, aber gesellschaftlich unbequem und unpraktisch.

Nicht zu vergessen: die soziale Kontrolle bleibt erhalten. Viele Menschen nehmen keine Drogen, weil es in ihrem Familien- und Freundeskreis nicht akzeptiert wird. Diesen sanften Gruppendruck beizubehalten und sogar zu stärken, wird deutlich einfacher, wenn der Süchtige mit seiner Sucht nicht sofort abtauchen muss.

Vorspulen: Nach zehn, fünfzehn Jahren hätten sich die massivsten Probleme erledigt, Drogen wären weiterhin eine Randerscheinung unserer Gesellschaft, dafür wäre die Gesellschaft in toto gesünder. Nicht nur körperlich, auch im Umgang miteinander. Die Zahl der Drogentoten würde ebenso radikal sinken wie die Zahl der “drug related crimes”. Ein offener Umgang mit Wirkungen und Nebenwirkungen des Konsums wäre möglich.

Davon bin ich überzeugt.

Ebenso überzeugt bin ich davon, dass es niemals passieren wird.

Aus drei Gründen.

Zuerst einmal wäre eine generelle und bedingungslose Freigabe von harten und weichen Drogen ein totales Eingeständnis des jahrzehntelangen Versagens seitens der Politik. Generationen von Volksvertretern müssten akzeptieren, dass sie falsch geglaubt, falsch gedacht und falsch gehandelt haben. Milliarden verplempert, eigentlich Unschuldige in den Knast und in den Tod getrieben, das Bruttosozialprodukt belastet. Es ist leichter, auf dem falschen Weg weiter zu gehen, als den neuen Weg zu beschreiten, der in die Gegenrichtung führt. Von der Schwierigkeit, bequeme Weisheiten und antrainierte Reflexe loszuwerden, gar nicht zu reden. Unser ganzes Volk müsste umlernen – und welches Volk will das schon?

Und dann die Frage der Umsetzbarkeit. Es ist natürlich ein Risiko. Was, wenn es nicht klappt? Was, wenn die völlige Freigabe entgegen aller Annahmen eine gigantische Masse von Suchtkranken erzeugt, wenn plötzlich Superdrogen auf den Markt kommen? Wenn schon Kinder an die Nadel kommen, weil die Kindergärtnerin ihre Sucht ja nicht verstecken muss und Kinder gerne alles nachmachen? Kann man so genannte “date rape drugs” wirklich freigeben, ohne dass diese massenhaft missbraucht werden? Was, wenn wir kein reguliertes Paradies schaffen, sondern eine Junkie-Gesellschaft? Ich habe darauf keine Antwort.

Letztlich und ganz pragmatisch: die völlige Freigabe harter und weicher Drogen kann nicht von einem Land allein gestemmt werden, schon gar nicht von einer Industrienation mit weltpolitischem Rang. Wenn nur Deutschland diesen Weg beschreiten würde, käme es augenblicklich zu einem Drogentourismus, der uns überschwemmen würde. Wir würden in Junkies aus aller Welt ersticken. Im Idealfall müssten die Industrienationen des Westens den Schritt gemeinsam und gleichzeitig gehen, im Notfall erstmal nur die EU. Und wie wahrscheinlich ist dieses Szenario?

So träume ich (drogenfrei) vom Utopia der Selbstverantwortung in Sachen Heroin & Co. – frustriert von der Erkenntnis, dass es niemals mehr sein wird als ein Traum.

Mannometer, das ist ein langer Text zu einem Thema geworden, das seit Jahren in mir brodelt. Ich bin froh, es mal niedergeschrieben zu haben, weil es mir erlaubt, viele Gedanken zu ordnen und meine Meinung klar zu formulieren.

Ich würde gerne mit euch darüber diskutieren. Ich bitte um Höflichkeit – sicher sind die meisten von euch anderer Meinung, so mancher mag auch emotional stärker involviert sein, aber das ist kein Grund zur Pöbelei. Vielleicht habt ihr auch Denkansätze, auf die ich gar nicht gekommen bin. Ich möchte sie hören.

Bis dahin gilt:
buk
(c) Grafiken aus “Schöner leben mit dem kleinen Arschloch” und “Adolf, die Nazi-Sau” von Walter Moers



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Wonko
Wonko
13. Februar, 2013 08:30

Bevor hier gleich der Sturm los bricht: ich muss dir aufgrund ähnlicher Erfahrungen und Überlegungen vollkommen Recht geben. Zudem liegst du recht nahe an dem, was etliche Forscher, Sozialarbeiter, Drogenberater, etc. auch zu diesem Thema zu sagen haben. Allein, es wird nicht helfen…

Dietmar
Dietmar
13. Februar, 2013 08:38

Ich habe aus der letzten Serie von Dawkins gelernt, dass man genetisch dazu disponiert ist, wenn man Drogen nimmt. (Dawkins hat seinen Gen-Code entschlüsseln lassen, und der Wissenschaftler sagte etwas darüber, dass es ein “Rauchergen” gebe, das nicht nur dafür sorge, dass man überhaupt wahrscheinlicher rauche würde, sondern dass die Träger dieses Gens auch dazu neigten, tiefer zu inhalieren.) Verbote werden da kontraproduktiv sein und treiben in die Illegalität.
Auf der anderen Seite finde ich Drogen so entsetzlich, dass ich die schon verbieten wollen würde.
Mal die Diskussion abwarten…

Matthias
Matthias
13. Februar, 2013 09:04

Ich mache jetzt das, was man früher (TM) im Usenet (gibt es das eigentlich noch?) als lurken bezeichnet hat, nämlich jahrelang kommentarlos mitlesen und plötzlich dann mal doch zu kommentieren.
Ich bin beruflich bedingt regelmäßig in einer zentral gelegenen Notaufnahme in einer großen Stadt tätig. Es vergeht eigentlich kein Dienst, in dem ich nicht mit irgendeiner Form von Abhängigkeit konfrontiert werde. Meine sehr persönliche (keinesfalls dem Anspruch auf ‘Objektivität’ oder ‘Repräsentativität’ genügende) Erfahrung ist, dass viele Nutzer der “harten Drogen” psychiatrisch vorerkrankt sind (Borderline!) und die Droge eine Form der Selbstmedikation darstellt und erstaunlich lang effektiv hilft.
In diesem Kontext möchte ich aber auf ein ganz erhebliches Problem hinweisen: Es gibt Vermutungen, dass der Konsum von Halluzinogenen das Auftretem von schweren Psychosen begünstigt; dabei sind wohl vor allem Personen betroffen, die eine Neigung zu psychiatrischen Erkrankungen haben (z.B. familiäre Häufung, psychische Traumata). Anders ausgedrückt: ohne Droge hätten diese Personen nie Symptome, mit Droge werden sie psychiatrisch krank. Wie will man diese Leute schützen? Muss man diese Leute nicht schützen? Im Studium wurde uns erzählt, dass suizidbedingt die Mortaliät von Schizophrenien mit der von hämatoonkologischen Erkrankungen wie Leukämien oder Lymphomen vergleichbar ist!
Ein weiteres Problem sehe ich in der sozialen Dynamik, die bei einer Freigabe der Drogen entstehen könnte. Was, wenn der Drogenkonsum nicht mehr nicht nur nicht geächtet, sondern irgendwann sozial erwünscht ist? Wenn man auf jeder Party aussen vor ist, weil man der einzig nicht zugekokste ist?
Ich spinne das weiter: der Chef verteilt Freitag um 22:30 Uhr Amphetamine, um das Projekt noch bis zur Deadline abschließen zu können; natürlich wird er seine Mitarbeiter nicht zwingen können, Drogen zu nehmen! Aber wenn alle meine Kollegen bis zum nächsten Morgen durchschuften, nur ich schlafe ein, dann ist ja klar wer bei der nächsten Entlassungsrunde als erster sein Schreiben bekommt …
Man kann jetzt schon beobachten, dass der großzügige Einsatz sog. konzentrationsfördernder Mittel (Stichwort Ritalin) eine größere Rolle bei Studenten z.B. in der Prüfungvorbereitung spielt. Was ist, wenn plötzlich pharmakologische Hilfe bei der Rpüfung Standard und nicht mehr die Ausnahme ist? Dann werde ich ja geradezu gezwungen, “Drogen zu nehmen”?
Ein dritter, kruzer Gedanke: ein staatlich monopolisierter Rauschgifthandel (den ich zwar nicht explizit aus dem Text herauslese, aber ja denkbar ist) verschafft der handelnden Stelle (lizenzierte Firma, Behörde, …. ) eine Machposition sondergleichen. So wie ein ‘guter’ Dealer seine Kunden im Griff hat, hätte eine solche Stelle eine große Bevölkerungsgruppe im Griff. Ich polemisiere: “Wählt mich, oder ab morgen gibt’s kein Stoff mehr!”
Ich fürchte, ganz so einfach wird die Legalisierung nicht. Oder bin ich zu pessimistisch?

Wortvogel
Wortvogel
13. Februar, 2013 09:14

@ Matthias: Hallo, danke für deinen Kommentar. Deine Einbringungen sind durch die Bank richtig und wichtig. Sie beleuchten Aspekte, die ich aus Platzgründen und teilweise auch aus Unkenntnis der Faktenlage nicht ausführen konnte.
Der Druck, in bestimmten Situation leistungs- bzw. “spaßsteigernde” Drogen zu nehmen, dürfte in der Tat ein Problem sein. Kann ich mir so spontan keine Meinung zu bilden. Es würde ja auch ein Paradoxon entstehen: ich kann keine drogentolerante Gesellschaft fördern, aber Drogen im Sport weiter verbieten.
Einzig die Machtposition des Staates sehe ich nicht so. Jeder Politiker, der damit droht, den Stoff künstlich zu verknappen, würde nicht wieder gewählt (es sei denn, Die Freigabe würde sich als krasser Fehlschritt erweisen). Noch haben wir eine Demokratie. Ich vermute eher, dass konservative Politiker versuchen würden, damit Wahlkampf zu machen: “Wählt uns, dann werden Drogen wieder illegal!”. In meiner idealen Welt gäbe es auch nie genug Drogensüchtige, dass so etwas wahltentscheidend sein könnte.

Exverlobter
Exverlobter
13. Februar, 2013 09:15

Ich weiß nicht so recht.
Das wäre etwa so, als wenn man hier wie in den USA drastisch die Waffengesetzte lockern würde. Statistisch nähme die Gefahr für sich selbst und andere zu einer tödlichen Gefahr zu werden signifikant zu (und bei den Waffengesetzten ist das erwiesen, egal was die NRA sagt, es sterben ein Vielfaches Leute mehr in den USA als hier, und das schließt gar nicht diese eher seltenen Spezialfälle wie Amokläufe ein) . Bei den Drogen würde es sich IMO ähnlich verhalten auch wenn das Ganze dann aber primär ein Gefahrpotential für die Drogensüchtigen selbst ist, während bei den Schusswaffen eher noch andere Leute mit hineingezogen werden.
@Dietmar
Zum Raucher/Trinkergen
Dann müsste ich ja rauchen und trinken wie ein Schlot. Ich bin aber der Einzige in meiner Familie der nichts dergleichen tut. Naja, man sollte nie von sich selbst auf die Statistik schließen.

Patrick
Patrick
13. Februar, 2013 09:18

Disclaimer zum Anfang:
Mehr als Hasch und Tabak hab ich nie probiert.
xxxxxxxx
Schauen wir doch einfach mal ins europäische Ausland: Portugal. Freigabe von Drogen. Wer da mit zB Kokain erwischt wird, bekommt es höchstens abgenommen und muss in einen Selbsthilfekurs gehen. Voraussetzung: Es sind keine Mengen bei der man von Handel ausgehen kann.
Was ist passiert? Die Kriminalitätsrate sinkt von Jahr zu Jahr. Was ist noch passiert? Die Zahl der Süchtigen sinkt. Tatsache.
Aber wieso? Das Verbotene verliert seinen Reiz.
An was sterben eigentlich die meisten Drogenabhängigen? Mal abgesehen von Tabak – wir reden ja über die illegalen Drogen – die sterben meistens an einer Überdosis. Fast klar. Aber wieso sterben Junkies, die schon Jahre drücken oder schniefen, an einer Überdosis? Die wissen doch genau, was sie brauchen und was nicht. Da nimmt man auch nicht mehr, weil das Zeug ist teuer, das Geld ist knapp, da spart man. Die Überdosis resultiert daraus, weil man dummerweise an ziemlich sauberes Zeug gelangt ist. Das war nicht gestreckt, nicht mit Waschpulver, Sand und ähnlichem verdreckt. Nein, die haben dummerweise mal nicht das ganz schlechte abbekommen.
Deswegen Spritzen sich auch viele Methköche den Kram erst einmal selbst um zu gucken, dass nicht alle Konsumenten davon abnippen und die nachher für Mord in den Knast wandern.
Was wir brauchen, ist eine schulische Aufklärung über Drogen. Sowohl über den Highzustand, als auch über das Down das kommen wird. Genauso wichtig ist es, zu zeigen wie schnell man an der entsprechenden Droge hängen bleibt.
Es gibt keine guten Gründe mehr, wieso man eine restriktive Drogenpolitik durchsetzen sollte. Selbst Kalifornien hat heute Headshops. Kalifornien. In den USA. Und wir in Deutschland?
Aber es wird unter einer CDU verschwendete Zeit sein. Die sind ja noch nicht mal in der Lage, eine “Homo-Ehe” in Deutschland zu erlauben ohne diese klar zu benachteiligen.

Exverlobter
Exverlobter
13. Februar, 2013 09:20

“Ich spinne das weiter: der Chef verteilt Freitag um 22:30 Uhr Amphetamine, um das Projekt noch bis zur Deadline abschließen zu können; natürlich wird er seine Mitarbeiter nicht zwingen können, Drogen zu nehmen!”
Das ist bei der US Air Force mittlerweile schon gang und gäbe.

Stillwater
Stillwater
13. Februar, 2013 09:32

@ Exverlobter: Hast du da mal ne Quelle zu?
@ Wortvogel:
Ich finde gut, was du da geschrieben und welche Gedanken du dir zu dem Thema gemacht hast. Und als Ergänzung dazu auch sehr gut, was Matthias als Bedenken dagegen gestellt hat.
Ich wünsche mir, dass diese Kernaussagen – mit Belegen, Zeugenaussagen usw. als großanglegte Forschungsprojekte weitergeführt werden, um endlich mal eine politisch-ideologisch unbeeinflußte wissenschaftliche Untersuchung zu diesem riesigen Themenkomplex anzustoßen.
Und was dabei rauskommt, ist dann Grundlage für eine veränderte politische Haltung und führt zu einem besseren Umgang mit Sucht, Süchtigen, Tätern und Opfern als bisher.
Wunschdenken, klar. Aber es wäre so wichtig und notwendig.

Dummvogel
Dummvogel
13. Februar, 2013 09:35

Das der Chef Koks verteilt, um das Wochenende durchackern zu können wurde mir auch schon aus der Spiele-Entwickler-Branche zugetragen. Geben tuts das also jetzt schon.
Ansonsten gibt es noch eine spannende Reihe von Youtube-Videos, die einen Junkie einfach mal erzählen lassen:
http://www.youtube.com/playlist?list=PLpr-NGsAGodEbDePSO3wivni39lgdLQjW

Matthias
Matthias
13. Februar, 2013 09:37

@Wortvogel
> Einzig die Machtposition des Staates sehe ich nicht so. Jeder
> Politiker, der damit droht, den Stoff künstlich zu verknappen, würde
> nicht wieder gewählt (es sei denn, Die Freigabe würde sich als
> krasser Fehlschritt erweisen). Noch haben wir eine Demokratie.
Völlig richtiger Einwand, vorausgesetzt, die “Süchtigen” sind tatsächlich keine wahlrelevante Zielgruppe (beinahe hätte ich “werberelevant” geschrieben).
Ich dachte auch eher an subtilere Vorgehensweisen, wie z.B. die Absenkung des Preises für die Prise Koks kurz vor der Abstimmung über den Bundeswehretat und die Reform der Rentenversicherung. Oder die Anhebung zur Finanzierung eines Flughafens einer großen deutschen Stadt …

Shah
Shah
13. Februar, 2013 09:37

Ich stimme voll und ganz zu. Das Positiv-Beispiel Portugal wurde ja schon erwähnt, hier mal der TP-Link dazu: http://www.heise.de/tp/artikel/34/34857/1.html
Ich finde generell, bei den Drogen würde wohl das selbe gelten wie bei Zigaretten heute schon,im Falle einer Legalisierung: Wird genügend sozialer Druck aufgebaut, verbunden mit Kosten, ändert sich das Verhalten. Die Raucherzahlen sinken seit Jahren. Anders beim Alkohol, der gesellschaftlich ganz anders betrachtet wird.
Das von Matthias angesprochene Problem der psychiatrischen Auswirkungen ist aber tatsächlich eins der schlagkräftigsten, da hier auch hypothetisch mMn Möglichkeiten zur Kontrolle fehlen.

TRESIE
13. Februar, 2013 09:39

Weil ein Drogen-Geständnis klar macht, von welcher Warte ich aus argumentiere, hier meins: Ich hab noch nie Drogen probiert (zwei Zigarettenzüge als Kind ausgenommen), war noch nie betrunken und trinken keine Alkohol seit 36 Jahren. Aus Überzeugung und als bewusste Entscheidung in der Pubertät. Gleichzeitig versuche ich niemanden zu überzeugen, auf Drogen zu verzichten. Gut finde ich sie nicht. Der Folgen wegen.
1. Das Argument Drogen wecken schlafende Hunde (Psychosen) halte ich für bedenkenswert.
2. Die Ausschlussgefahr ebenso. Als nicht Alkoholtrinkender bin ich quasi täglich damit konfrontiert, komisch angeschaut zu werden, mich rechtfertigen zu müssen, als Spaßbremse und Verklemmter zu gelten. Mir macht das überhaupt nichts aus.
Aber es stellt durchaus ein Hindernis im Geschäftsleben dar, Außenstehender zu sein. Nicht mitzufeiern, nicht die gemeinsame Erinnerung durchzechter Nächte zu teilen etc.
Ich kann schon heute keine Geschäfte in Russland, China etc. machen, in Nordkorea wurde ich wahlweise als schwul oder Spion verdächtigt usw. Mein Geschäft läuft zum Glück ohne all diese Rituale.
Nur was tun die Menschen, die nicht wollen, aber wirtschaftlich gezwungen sind? Und wenn das Angebot noch größer wird, würde die leistungssteigernde Wirkung noch mehr als schon jetzt gefördert und genutzt? (siehe Air Force)
Ich halte WVs Argumente für nachvollziehbar, aber glaube es würde schief gehen. Vielleicht würde es irgendwann einen Imagewandel geben wir beim Rauchen. Aber hält die Gesellschaft die Jahrzehnte bis dahin aus?

Exverlobter
Exverlobter
13. Februar, 2013 09:39

@ Stillwater
Zu den Schusswaffen? Ist zwar nicht das Thema aber OK, ich hatte ja beide Themen verknüpft.
Ich weiß, der Stern ist nicht die beste Quelle, aber das kam beim Googeln halt am schnellsten raus.
http://www.stern.de/politik/ausland/grafik-zum-waffenbesitz-viele-waffen-viele-tote-meistens-1943525.html

Stillwater
Stillwater
13. Februar, 2013 09:45

@ Exverlobter:
Sorry, ich meinte zu dem Thema “Drogen bei der Air Force”, das du erwähnt hattest 🙂

Exverlobter
Exverlobter
13. Februar, 2013 09:47
Karsten
13. Februar, 2013 09:47

Zwei Dinge, die mir als erstes in den Sinn kamen – dann muss ich arbeiten:
1) Ich selber habe nie wirklich Drogen zu mir genommen. Ab und an mal mit Kumpels in einer gemütlichen Runde an einer Hasch-Zigarette ziehen, natürlich auch gerne mal einen Wein oder ein paar Bierchen zischen und gerade von letzterem hab ich in jungen Jahren auch mal die übliche Dosis “zu viel” geschluckt 😉 Aber das war es.
Vielleicht liegt es an meinem Pa, der Polizist ist, aber sowas wie Kokain hätte ich niemals genommen. Vielleicht auch weil, wie du sagst, die Gefahren der Sucht während der Schulzeit einfach sehr oft und wiederholt formuliert werden. Ich mag es nicht, die Kontrolle über meinen Körper zu verlieren, hab auch nie mit dem Rauchen angefangen und finde es immer noch dämlich, diesen Schritt aus “Gruppenzwang” zu gehen – keiner kann mir sagen, dass die erste Zigarette geil ist, sie ist es nicht.
Da finde ich es fast schon sehr fahrlässig von dir, dass du, obwohl du vorher “Geißel Rauschgift“ gelesen hast, dich das Geschrieben sogar zum Nachdenken gebracht hat, (dazu die schulische Aufklärung etc) trotzdem nach deiner Pubertät noch zu Kokain gegriffen hast.
“Kein Junkie in diesem Jahrtausend kann mehr behaupten, er habe ja nicht geahnt, auf was er sich einlässt. Dass Drogen dein Leben ruinieren und dich umbringen können, ist kein Herrschaftswissen mehr, sondern eine der Basisinformationen, die man schon in der Grundschule eingebleut bekommt.”
So sieht es aus und aus meiner Sicht hast du Glück gehabt, mit Kokain aufzuhören, bevor es dein Leben bestimmt hätte. Ein schmaler Grat, viele schaffen die Balance nicht.
2) Ich glaube, die erste Zeit nach der Legalisierung wäre einfach nur hart – für alle Beteiligten. Was passiert, wenn man plötzlich was machen darf, was man vorher nicht machen durfte? Man macht es erst mal exzessiv, tobt sich aus, holt nach und irgendwann später erst reguliert sich das Ganze, weil man merkt, dass es ja doch nix besonderes mehr ist.
Und ich bin mir sicher, dass das auch in deiner Zukunft der Fall wäre. Unzählige Leute stürmen in die Apotheken, viele davon hätten niemals was genommen, wenn es weiterhin verboten gewesen wäre, die Gesellschaft holt nach, tobt sich aus. Doch folgt danach einfach der Kater wie bei den ersten Sauftouren und dann kotzt man sich aus, schrammt vll knapp an einer Alkoholvergiftung vorbei und dann ist gut? Dafür ist die Wirkung von Drogen einfach zu krass. Manche stürzen dich bereits nach der ersten Einnahme in die Sucht, verbrauchen einen bestimmten Stoff im Körper, ohne den du nicht mehr richtig glücklich sein kannst und der sich von selbst quasi nur noch bedingt und sehr langsam wieder aufbaut. Die Droge liefert diesen Stoff dann synthetisch. Gefangen nach der ersten Einnahme. Fänd ich sehr gefährlich, wenn solche Mittel legal in der Apotheke angeboten werden.
PS: In meiner Schulzeit wurde auch über die zuerst positive Wirkung von Drogen gesprochen. Wir Schüler hatten es hier sogar selber in der Hand, darüber aufzuklären, weil wir Referate zu diversen Drogen und deren Effekt machen durften.
Und noch ein PS: Meine Lady war vor meiner Zeit lange heroinsüchtig. Weil ihr Vater sie schlug – er war ein Alki – floh sie von zuhause und stürzte sich eben in die Droge. Sie lebte auf der Straße und hat diese Zeit sicherlich nur deswegen überlebt,weil sie zur richtigen Zeit die richtigen Leute getroffen hat. Solche Schicksale wirst du niemals von der Straße weghalten können. Das sich selbst regulierende Umfeld von Freunden und Familien ist leider viel zu oft der Sumpf, aus dem man entfliehen möchte.
Oh, und noch ein Punkt: In so einer Gesellschaft wird es definitiv irgendwann Super-Drogen geben. Die noch effizienter als die aktuellen sind, die noch tiefer in die Sucht treiben. Dafür ist das ganze zu big business. Das ist wie beim Kopierschutz – es werden immer neue Schutzmaßnahmen entwickelt und irgendjemand bastelt dann dafür einen Crack. Auf das Drogen-Thema gemünzt wäre das dann halt im nächsten Schritt Super-Crack.

Uli
Uli
13. Februar, 2013 09:48

Wer noch mehr zum Thema Drogen, insbesondere auch zur Historie hören will, dem kann ich diesen Podcast wärmstens an’s Herz legen:
http://alternativlos.org/15/
Die Definition was eine Droge ist und was nicht ist in der Tat völlig willkürlich, ebenso Altersgrenzen und nationale Auslegungen. Allein in den letzten zehn Jahren wurde ja die Abgabe von Zigaretten und Alkohol zig Mal geändert.
Das sich daran mittelfristig etwas ändert halte ich aber für ebenso unwahrscheinlich wie das Ende des Kapitalismus, obwohl inzwischen ganz Länder wie Mexiko im “War on Drugs” vor die Hunde gehen.

Dietmar
Dietmar
13. Februar, 2013 09:57

@Exverlobter:

@Dietmar
Zum Raucher/Trinkergen
Dann müsste ich ja rauchen und trinken wie ein Schlot. Ich bin aber der Einzige in meiner Familie der nichts dergleichen tut. Naja, man sollte nie von sich selbst auf die Statistik schließen.

So, wie ich das verstanden und auch geschrieben habe, geht es dabei um eine genetische Disposition. Das heißt nicht, dass das zwingend ist. Man hat auch genetische Veranlagungen für bestimmte Erkrankungen, die aber nicht ausbrechen müssen (das bringt spannungsreiche Würze in mein Leben, die nächsten 10 Jahre abzuwarten, ob es mir geht wie meiner Schwester; ähnlich genug wären wir uns). In meiner Familie wurde auch viel geraucht, mein Großvater hat sehr viel getrunken (und ist fast neunzig geworden). Das, was der trank, lässt andere sich schütteln. Aber mir schmeckt das tatsächlich auch. Es ist die Vernunft, die mich davon abhält, regelmäßig die Flasche zu kippen.
Mit Statistiken habe ich nicht argumentiert. Ich denke, die wissenschaftliche Aussage über diese Veranlagungen sagt genug und ist erhärtet.

Chris
Chris
13. Februar, 2013 09:57

Spinnen wir das ganze mal anders herum: Striktes Verbot von Tabak und Alkohol. Hat in den USA in der Prohibition ja WUNDERBAR funktioniert.

Dietmar
Dietmar
13. Februar, 2013 10:01

@Matthias:

nämlich jahrelang kommentarlos mitlesen und plötzlich dann mal doch zu kommentieren

Wenn ich Deine Kommentare lese, möchte ich sagen: “Warum erst jetzt?”

Wortvogel
Wortvogel
13. Februar, 2013 10:05

@ Chris: Das stimmt zwar, hat aber einen Haken – die Prohibition wandte sich gegen eine Droge, die von der breiten Masse akzeptiert, konsumiert und gewollt war. Das KONNTE nicht klappen. Harte Drogen werden auf breiter Front abgelehnt – eine Legalisierung ist praktisch nicht durchzusetzen.
@ Dietmar: Die genetische Disposition halte ich auch für kein Argument, dann müsste ich rauchen und saufen. Ich habe dafür den Begriff der “Suchtnatur” gewählt. Natürlich haben manche Leute mehr oder weniger Hang zur Sucht. Aber das ändert an den Fakten nichts, da hast du Recht.
@ Karsten: Ich finde mich nicht “fahrlässig”. Kokain macht erheblich langsamer abhängig als Heroin, Crack oder Meth. Ich fand es für mich damals richtig, dem angelesenen Wissen eigene Erfahrungen entgegen stellen zu können. Jeder muss seine eigenen Grenzen definieren.
Ich halte es für ausgeschlossen, dass bei einer Freigabe harter Drogen plötzlich massenweise Jugendliche zur Apotheke rennen, um sich Spritzen zu holen. Die Hemmschwelle ist ja nicht nur die Illegalität.
Was die Historie deiner Lady angeht: erstmal Glückwunsch, dass sie es geschafft hat, davon weg zu kommen. War sicher brutal. Sie ist aber nur ein Fallbeispiel, kein Beleg eines generellen Problems. Wichtiger aber: kannst du glaubhaft argumentieren, dass es ihr auf der Straße und mit der Sucht nicht besser gegangen wäre, wenn das Heroin sauber, preiswert und kontrolliert vom Staat gekommen wäre? Wenn sie sich nicht mit Dealern und Geld/Drogen-Beschaffung hätte quälen müssen? Vielleicht wäre ihr nicht der Hauptbahnhof erspart geblieben, aber so manche Demütigung.

Wortvogel
Wortvogel
13. Februar, 2013 10:09

@ Dummvogel: eine tolle, ehrliche Videoreihe!

MWi
MWi
13. Februar, 2013 10:10

@matthias, sry dass ich dein beitrag ein wenig auseinandernehmen muss (also im sinne von teilen 😉 ) weil ich doch so einige und vor allem verschiedene anmerkungen dazu habe.
“Es vergeht eigentlich kein Dienst, in dem ich nicht mit irgendeiner Form von Abhängigkeit konfrontiert werde.”
Dazu gleich mal eine überlegung die mir dazu kam, als torsten schrieb, dass er kein suchtpotential hat. meiner erfahrung nach hat jeder(!) ein suchtpotential, die frage ist nur was es ist und wie offensichtlich es ist. ich glaube (wissenschaftlich bin ich da einfach überhaupt nicht bewandert) das jeder so seinen punkt hat und wenn er erst einmal getriggert wird ist man in einem suchtverhalten drin. offensichtlich wird es halt bei drogen (legale wie illegale, btw. herr dewi, was macht eigentlich ihr kaffeekonsum? coffein ist auch eine droge ;)) weniger offensichtlich zum beispiel bei spielsucht oder “shoppingsucht” oder dergleichen.
“Meine sehr persönliche (keinesfalls dem Anspruch auf ‘Objektivität’ oder ‘Repräsentativität’ genügende) Erfahrung ist, dass viele Nutzer der “harten Drogen” psychiatrisch vorerkrankt sind (Borderline!) und die Droge eine Form der Selbstmedikation darstellt und erstaunlich lang effektiv hilft.”
das kann ich so (leider) unterschreiben. und gerade da verstehe ich zum beispiel nicht, warum borderliner nicht entsprechend behandelt werden. opiate werden ja auch zu medizinischen zwecken eingesetzt.
“In diesem Kontext möchte ich aber auf ein ganz erhebliches Problem hinweisen: Es gibt Vermutungen, dass der Konsum von Halluzinogenen das Auftretem von schweren Psychosen begünstigt; dabei sind wohl vor allem Personen betroffen, die eine Neigung zu psychiatrischen Erkrankungen haben (z.B. familiäre Häufung, psychische Traumata). Anders ausgedrückt: ohne Droge hätten diese Personen nie Symptome, mit Droge werden sie psychiatrisch krank.”
ich bin ja nur ein laie, aber die schlussfolgerung finde ich etwas strange. das halluzinogene so etwas wie gefühlskatalysatoren sein können kann ich ja noch (durchaus auch aus eigener erfahrung *hust*) nachvollziehen. aber sie scheinen doch nichts zu provozieren, was nicht ohnehin schon da wäre. oder wir sollten uns überlegen ob es wirklich clever ist, menschen immer nur nach symptomen und nicht nach ursachen zu behandeln. provokativ gesagt, können wir doch sogar froh sein über den drogenkonsum, weil so erst durch die entsprechenden symptome krankheiten erkannt werden *zündel*
“Was, wenn der Drogenkonsum nicht mehr nicht nur nicht geächtet, sondern irgendwann sozial erwünscht ist? Wenn man auf jeder Party aussen vor ist, weil man der einzig nicht zugekokste ist?”
war bei uns auf dem gymnasium damals usus. ich glaube ca. 90% unsere klasse hatte im unterricht nen film geschoben. (hasch, pilze und extasy in jedem fall, anderes wurde aber sicherlich auch geworfen) wir belügen uns selber, wenn wir drogen immer noch zu einem randproblem erklären.
“Man kann jetzt schon beobachten, dass der großzügige Einsatz sog. konzentrationsfördernder Mittel (Stichwort Ritalin) eine größere Rolle bei Studenten z.B. in der Prüfungvorbereitung spielt. Was ist, wenn plötzlich pharmakologische Hilfe bei der Rpüfung Standard und nicht mehr die Ausnahme ist? Dann werde ich ja geradezu gezwungen, “Drogen zu nehmen”?”
ich selbst hab wärend meines studiums kein ritalin genommen (sondern mir nur den magen mit coffeinüberschüssen versaut), aber gerade bologna hat bei einigen studiengängen dafür gesorgt, dass 42 stundenschichten keine seltenheit mehr sind. In so fern durchaus vorstellbar, dass ritalinmissbrauch in einem sehr viel höheren maße stattfindet, als wir uns das eingestehen.
letztendlich sehe ich darin auch eine möglichkeit des scheiterns von dem vorschlag von wortvogel. ich habe die befürchtung das die akzeptanz inklusive gruppenzwang zu drogen schon sehr viel höher ist in der gesellschaft, als wir uns alle eingestehen.

Dietmar
Dietmar
13. Februar, 2013 10:20

@Wortvogel:

Die genetische Disposition halte ich auch für kein Argument, dann müsste ich rauchen und saufen.

Wie gesagt, das ist eine Veranlagung. Mit allen Konsequenzen. So, wie Homosexualität veranlagt ist, man prinzipiell dagegen ankämpfen könnte, das in meinen Augen aber nicht wünschenswert und glücklich machend ist, vor allem aber gesellschaftlich nicht sanktioniert werden darf, dieser Veranlagung “nachzugeben”, könnte man das hier ähnlich sehen. Dazu soll das ein Argument dagegen sein, das hier natürlich niemand gebraucht hat, zu sagen, der ist doch selbst schuld, wenn der Drogen nimmt.

Dr. Acula
13. Februar, 2013 10:21

Grundsätzlich bin ich auch für eine Legalisierung, weil ein überwiegender Teil der Probleme, die durch Drogen verursacht werden, direkt oder indirekt auf Beschaffungskriminalität und die Begleitumstände derselben oder verunreinigten Stoff (weil der Hobbydrogenkoch in seiner Garage, selbst wenn er wollte, nicht unter Laborbedingungen produzieren kann).
Die von Matthias vorgebrachten Argumente sind freilich schon stimmig – aber ob die Vorteil einer Freigabe die Nachteile nicht aus gesellschaftlicher/ökonomischer/kriminalistischer und auch medizinischer Sicht überwiegen, ist zumindest überlegenswert. Passieren wird’s eh nie… da selbst ‘ne Freigabe von Gras nicht durchsetzbar und das nun wirklich im Vergleich zu Alkohol lächerlich ist…

Wortvogel
Wortvogel
13. Februar, 2013 10:33

@ Dietmar: Dem kann ich ganz und gar nicht zustimmen. Demnach wäre ich also ein Raucher, der nur nicht raucht? Ein Säufer, der nur nicht säuft? Das halte ich für absolut nicht stimmig. Und der Vergleich mit Schwulen ist grenzwertig – Homosexualität ist keine Sucht, der man nachgibt. Weil Liebe keine Sucht ist, der man nachgibt.
Ich bleibe dabei – die Genetik kann allenfalls in engen Grenzen die Wahrscheinlichkeit beeinflussen, nach der wir an bestimmten Krankheiten erkranken, wie leicht wir süchtig werden, wie einfach unser Körper auf Diät oder Sport anspricht. Aber das ist kein Schicksal, sondern nur ein Zünglein an der Waage – die Masse unserer Entscheidungen ist ein Ergebnis von sozialem Umfeld, Bildung, Intelligenz, erfahrener Wärme, Status, etc.

Grimmig
Grimmig
13. Februar, 2013 10:44

Ich selbst habe noch nie an einer Zigarette gezogen, meinen letzten richtigen Rausch durch Alkohol inklusive Filmriss hatte ich vor 13 Jahren. Habe danach nur sporadisch in Gesellschaft geringe Mengen zu mir genommen. Berufsbedingt (Ex-Polizist) habe ich viel mit Süchtigen und Dealern auf der Straße zu tun gehabt. Beide Gruppen sind in der Regel arme Hunde. Wohlgemerkt: Nur die Kleindealer auf der Straße sind damit gemeint.
Zum Thema: Ich bin absolut gegen eine Legalisierung von Drogen jeglicher Art. Auch der Handel von Tabak und Alkohol sollten verboten werden. Jetzt kommt sicher jemand mit der Prohibition um die Ecke. Ja, dem Problem bin ich mir bewusst und deshalb ist mein Wunsch auch sehr utopisch. Dessen bin ich mir bewusst.
Allerdings sehe ich es auch so wie du, dass Konsumenten nicht bestraft, sondern therapiert werden sollten. Abschreckung durch Strafe funktioniert in der Regel nicht. Deshalb würde ich die Illegalität nur auf die Herstellung und den Handel beschränken.
Folgende Passage ist mir übel aufgestoßen, weil sie egoistisch ist: ” Und wenn ich akzeptiere, dass mein Körper mir gehört (nicht nur der Bauch), dann habe ich auch das Recht, ihn zu missbrauchen. Sei es durch Fastfood, Piercing, Rauchen oder Kokain. Mein Körper ist mein Tempel – und wenn ich den verkommen lassen will, dann ist das so.”
Schön, dass du, ich und viele andere so resistent und vernünftig sind. Ein Teil der Bevölkerung ist es nicht und daher halte ich es für legitim und sogar notwendig, diese Menschen vor sich selbst zu schützen. Wozu legalisieren, wenn wir diese Stoffe eh nicht zu uns nehmen wollen? Lieber den Zugang erschweren und somit schon einmal diejenigen vor der Sucht bewahren, die diese Hürden nicht überwinden wollen oder können. Wenn ich etwas legalisiere, dann ermögliche ich das Probieren und das führt oft schon zur Sucht.
Warum alle Drogen verbieten? Also auch die so genannten Volksdrogen? Weil es nicht fast 1000 Drogentote im Jahr sind, sondern Hunderttausende. Sei es durch Krebserkrankungen, Leberversagen oder Verkehrsunfälle. Wie viele Kosten könnten wir damit sparen und – viel wichtiger – Leben retten!
Mein Utopia ist eine rauschfreie Gesellschaft, in der niemand erst in Versuchung gebracht wird.
P.S.: Den Gedanken könnte man noch krass weiter spinnen in Richtung ungesunde Lebensmittel.

Matthias
Matthias
13. Februar, 2013 10:44

@MWi
Ich lasse mich gern auseinandenehmen, wenn’s der Diskussion nützt:-) Ich möchte gern ein paar Anmerkungen zu den Anmerkungen machen:
> meiner erfahrung nach hat jeder(!) ein suchtpotential, die frage ist > nur was es ist und wie offensichtlich es ist
Sehr richtige Anmerkung. Ich erinnere leider nur noch schemenhaft ein Konzept aus der Verhaltenstherapie, welches bei der Verarbeiten von wie auch immer gearteten Ereignissen einem Menschen Ressourcen (Beziehungen, körperliche Gesundheit, emotionale Widerstandsfähigkeit (Resilienz?)) und Belastungen (Stress, Krankheit, etc..) attestiert. Kippt das Gleichgewicht, steigt das Risiko des Suchtmittelgebrauchs.
> das kann ich so (leider) unterschreiben. und gerade da verstehe ich > zum beispiel nicht, warum borderliner nicht entsprechend behandelt > werden.
Was verstehst du unter “entsprechend”? Ich würde vermuten, dass ein ganz profaner Grund dahintersteht: fehlende klinische Studien, fehlende Erfahrung. Ich glaube nicht, dass eine Ethikkommssion eine randomisierte, kontrollierte Studie mit Heroin, Kokain etc. genehmigen würde. Ich habe allerdings nicht nach entsprechender Literatur gesucht.
> ich bin ja nur ein laie, aber die schlussfolgerung finde ich etwas
> strange. das halluzinogene so etwas wie gefühlskatalysatoren sein > können kann ich ja noch (durchaus auch aus eigener erfahrung
> *hust*) nachvollziehen. aber sie scheinen doch nichts zu
> provozieren, was nicht ohnehin schon da wäre.
Da hast du schon recht; mein Einwand zielte darauf ab, die die gefährdet sind, eine manifeste Psychose zu entwickeln, dafür zu schützen, auch Symptome zu entwickeln.
> oder wir sollten uns überlegen ob es wirklich clever ist, menschen
> immer nur nach symptomen und nicht nach ursachen zu behandeln. > provokativ gesagt, können wir doch sogar froh sein über den
> drogenkonsum, weil so erst durch die entsprechenden symptome
> krankheiten erkannt werden *zündel*
Wenn man nur die Ursache wüsste! Bis dahin bleibt uns, fürchte ich, nur die symptomatische Behandlung.
> ich glaube ca. 90% unsere klasse hatte im unterricht nen film
> geschoben. (hasch, pilze und extasy in jedem fall, anderes wurde
> aber sicherlich auch geworfen) wir belügen uns selber, wenn wir
> drogen immer noch zu einem randproblem erklären.
Drogen sind bestimmt kein Randproblem, auch hier muss ich dir zustimmen; aus meiner Schulzeit habe ich ähnliche Erfahrungen. Mich sorgt in diesem Zusammenhang eher der Einsatz leistungssteigernder Mittel respektiver der Zwang dazu, um nicht hinter den Mitschülern, -studenten, -arbeitern zurückzufallen.
@Dietmar
“Warum erst jetzt?”
Weil ich von vielen anderen Themen dieses Blogs wenig bis gar keine Ahnung habe. Deshalb lese ich es ja:-)
Btw, OT: Lob an den Hausherr und die Leserschaft. Es diskutiert sich angenehm sachlich hier!

Wortvogel
Wortvogel
13. Februar, 2013 10:58

@ Grimmig: Danke für deinen Kommentar. Auch wenn du eine gänzlich andere Lösung für das Problem bevorzugst, verstehe ich gut, woher das kommt. Das ist legitim und diskussionswürdig. Ich teile nur deine Ansichten nicht.
“Allerdings sehe ich es auch so wie du, dass Konsumenten nicht bestraft, sondern therapiert werden sollten. Abschreckung durch Strafe funktioniert in der Regel nicht. Deshalb würde ich die Illegalität nur auf die Herstellung und den Handel beschränken.” – du kannst aber nicht ernsthaft den Besitz und den Konsum von etwas legalisieren, ohne auch die Herstellung und den Handel zuzulassen. Damit schaffst du nämlich das aktuelle Problem – Herstellung und Handel liegen in den Händen von hoch professionellen Kriminellen, kosten Milliarden und Menschenleben. Ein Verbot verhindert Herstellung und Handel nicht, es macht sie nur zum Verbrechen. Damit ist nichts gewonnen.
“Schön, dass du, ich und viele andere so resistent und vernünftig sind. Ein Teil der Bevölkerung ist es nicht und daher halte ich es für legitim und sogar notwendig, diese Menschen vor sich selbst zu schützen.” – nein. Und hier geht es nicht nur um Drogen. Diese Nanny-Haltung geht gegen meine grundlegende Vorstellung von einer freien Gesellschaft. Frei, sich zu entfalten – aber auch frei, Scheiße zu bauen. Sonst ist es keine Freiheit.
“Wozu legalisieren, wenn wir diese Stoffe eh nicht zu uns nehmen wollen?” – weil dann diejenigen, die das anderes sehen, nicht kriminalisiert werden.
“Lieber den Zugang erschweren und somit schon einmal diejenigen vor der Sucht bewahren, die diese Hürden nicht überwinden wollen oder können.” – und wie gut das funktioniert, sehen wir an 1000 Drogentoten im Jahr allein in Deutschland. Mein Ausgangspunkt ist ja, dass die von dir vorgeschlagene Strategie seit 50 Jahren nachweislich nicht funktioniert.
“Wie viele Kosten könnten wir damit sparen und – viel wichtiger – Leben retten!” – natürlich. Und wie viele Leben retten wir, wenn wir Privatleuten verbieten, Auto zu fahren. Wenn wir sie zwingen, dreimal die Woche Sport zu treiben. Wenn wir Auslandsreisen verbieten. Kartoffelchips. Motorräder. Wenn wir Menschen außerhalb der staatlich verordneten Sportstunden an den Sessel fesseln.
“Mein Utopia ist eine rauschfreie Gesellschaft, in der niemand erst in Versuchung gebracht wird.” – und die gibt es nicht nur, die KANN es nicht geben und die darf es nicht geben. Weil Rausch eben nicht schlecht ist. Liebe ist auch Rausch. 1:0 für Fortuna Düsseldorf ist Rausch. Disco ist Rausch. Der Mensch will, braucht und sucht Rausch. Und er hat das Recht darauf.
“Den Gedanken könnte man noch krass weiter spinnen in Richtung ungesunde Lebensmittel.” – eben. Und da wird schnell klar, dass deine Vorstellung einer rauschfreien Gesellschaft eine geknechtete, unfreie Gesellschaft ist. Dem kann ich mich nicht anschließen, sorry.

MWi
MWi
13. Februar, 2013 11:02

@matthias:
“oder wir sollten uns überlegen ob es wirklich clever ist, menschen immer nur nach symptomen und nicht nach ursachen zu behandeln.”
ehrlich gesagt ist dieser satz durchaus allgemeiner gemeint. und hat damit durchaus die chance ein paar schlachtfelder zu eröffnen die uns zu sehr von der eigentlichen diskussion abbringen. aber so insgesamt gesehen habe ich das gefühl das in unserer gesamten medizin oftmals den symptomen zu viel aufmerksamkeit geschenkt wird.
ein kleines beispiel: ich bin durchs private etwas vorbelastet in den themen autismus und borderline. bei beiden sachen sind wir uns sicherlich / hoffentlich einig, dass es da nichts zu heilen gibt. stattdessen werden oftmals symptome bekämpft ohne rücksicht auf die ursachen (womit eben fraglich wird wie sinnvoll es ist symptome zu bekämpfen *find*)
und um jetzt den schwung vom absoluten OT zum eigentlichen thema hinzubekommen sei der borderliner erwähnt, den ich kennen lernen durfte. und der funktioniert eben als mensch nur, wenn er high ist (inklusive arbeit!). wo ist also das problem? ich kann diesem menschen nicht anders helfen. er hat narben in der seele, die nie verheilen werden und die ihn laut statistik höchstwahrscheinlich in den suizid treiben werden. und wenn drogen ihm das ganze noch irgendwo erträglich macht, warum kriminalisiere ich ihn dann? warum dann nicht lieber die drogeneinnahme unter ärztlicher aufsicht?
ich weiß nicht, es ist ne durchaus unwissenschaftliche herangehensweise, aber wozu brauche ich noch testreihen, wenn mir so unendlich viele borderliner bestätigen, dass drogen als medikamente für sie funktionieren?

Grimmig
Grimmig
13. Februar, 2013 11:11

“wie gut das funktioniert, sehen wir an 1000 Drogentoten im Jahr allein in Deutschland. Mein Ausgangspunkt ist ja, dass die von dir vorgeschlagene Strategie seit 50 Jahren nachweislich nicht funktioniert.”
Ich bin der Überzeugung, dass es noch viel mehr wären als 1000. Gerade deshalb funktioniert die Strategie seit 50 Jahren besser als eine Legalisierung.
“Und da wird schnell klar, dass deine Vorstellung einer rauschfreien Gesellschaft eine geknechtete, unfreie Gesellschaft ist.”
Da haben wir eine grundsätzlich unterschiedliche Definition von Freiheit und Knechtschaft. Ich fühle mich auch ohne den Konsum von Drogen frei. Drogen machen Menschen zu Knechten. Sie verlieren die Kontrolle über ihr Leben. Verbote müssen daher nicht unbedingt mit dem Verlust von Freiheit einhergehen.

Shah
Shah
13. Februar, 2013 11:20

@Grimmig
Thema Verbote: Schau dir den aktuellen Iran an. Bis auf Tabak ist dort jede Droge verboten, offiziell gilt sogar ab 5 Gramm Cannabis die Todesstrafe. Ergebnis: Eine der höchsten Heroin-Suchtquoten weltweit (gut, die Nachbarschaft zu Afghanistan tut ihr übriges), aus eigenem Erleben raucht ca. jeder dritte, und Pillen / Alkohol läuft über Schwarzhandel, mit recht zweifelhafter Ware.
Ne, Funktioniert einfach nicht. Und ist auch generell keine angenehme Gesellschaft.

Wortvogel
Wortvogel
13. Februar, 2013 11:20

@grimmig:
“Ich bin der Überzeugung, dass es noch viel mehr wären als 1000. Gerade deshalb funktioniert die Strategie seit 50 Jahren besser als eine Legalisierung.” – ob man 1000 Drogentote für eine erfolgreiche Antidrogenstrategie hält, ist in der Tat Auslegungssache. Aber die Tatsache, dass die Zahl der Drogentoten seit mehr als 40 Jahren kontinuierlich steigt, lässt sich in meinen Augen nicht als Erfolg verkaufen. Und die Behauptung “ohne wären es viel mehr!” ist mir da zu willkürlich, weil sie an keine Indizien gekoppelt ist.
“Da haben wir eine grundsätzlich unterschiedliche Definition von Freiheit und Knechtschaft. Ich fühle mich auch ohne den Konsum von Drogen frei.” eben. Aber du bist nicht der Maßstab. Ich auch nicht. Freiheit bedeutet eben, dass jeder für sich selbst definiert, was er will. Ich finde auch Piercings scheiße und lebe frei und glücklich ohne. Sollten Piercings verboten werden, weil ich der Beweis bin, wie gut es ohne geht?
“Drogen machen Menschen zu Knechten. Sie verlieren die Kontrolle über ihr Leben. Verbote müssen daher nicht unbedingt mit dem Verlust von Freiheit einhergehen.” – die Aussage ist mir zu plump. Meist ist es der Sturz in die Kriminalität, der den Kontrollverlust bewirkt. Klar ist Sucht eine Sucht, aber ich muss auch essen, schlafen und pinkeln. Es kommt immer drauf an, ob sich das in das eigene Leben integrieren lässt. Nach der aktuellen Gesetzeslage nicht – aber genau das prangere ich auch an.
Vor allem aber: du willst die Knechtschaft der Sucht durch die Knechtschaft des Gesetzes ersetzen. Ich wähle dann lieber die erste Option, weil sie mir die freie Wahl lässt. Drogen nehmen zu können heißt eben nicht, Drogen zu nehmen. Du wählst hingegen den Zwang, es nicht zu tun. Das ist nicht mein Weg.

Matthias
Matthias
13. Februar, 2013 11:25

@MWi
> ich weiß nicht, es ist ne durchaus unwissenschaftliche
> herangehensweise, aber wozu brauche ich noch testreihen, wenn
> mir so unendlich viele borderliner bestätigen, dass drogen als
> medikamente für sie funktionieren?
Dafür fallen mir spontan drei Gründe ein, die ich einfach mal in den Raum stellen möchte und zugegebenermaßen die Patientensicht nicht wirklich berücksichtigen:
1) Als Argument für die skeptischen Behandler. Was nicht geprüft und zugelassen ist, wird nicht gemacht und – das ist leider ein viel zu gewichtiges Argument geworden – nicht bezahlt.
2) Rechtssicherheit. Es gibt z.T. für mich schwer erträgliche Urteile, in denen Ärzte für ihren liberalen Umgang mit Ersatzstoffen (Methadon) zur Entwöhnungsbehandlung verurteilt worden sind, nur weil sie in Details von den Leitlinien abgewichen sind.
3) Primum nihil nocere. Als Behandler würde ich wissen wollen, ob sich Nutzen und Schaden eines “kontrollierten Drogenkonsums” die Waage halten.

Erik de Smidt
13. Februar, 2013 11:33

Zu diesem Thema gibt es übrigens ein sehr interessantes und empfehlenswertes Buch von Ben Elton namens “High Society”. Siehe http://en.wikipedia.org/wiki/High_Society_(novel)

heino
heino
13. Februar, 2013 11:38

“Den Gedanken könnte man noch krass weiter spinnen in Richtung ungesunde Lebensmittel.”
Das wird doch schon längst versucht. Als Beispiel sei hier mein Arbeitgeber (ein US-Konzern) angeführt, der jetzt schon seit mehr als 3 Jahren durch ständige Ermahnungen per Email und den bereits zweiten Versuch, den Süßigkeiten-Automaten auf Gesundfutter umzustellen (was wegen des schnellen Verfalls der Lebensmittel nicht funktioniert) -, seine Mitarbeiter quais dazu erziehen will, sich gesünder zu ernähren.
Ganz allgemein kann ich mangels Fachwissen zu diesem Thema nicht viel beitragen. Suchtprobleme waren in meiner Familie schon immer ein grosses Thema, besonders Nikotin- und Alkoholsucht. Ich bin einer von nur zweien aus meiner Verwandschaft, die nicht davon abhängig sind (der andere ist mein geistig/körperlich behinderter Onkel). Insofern müsste die Disposition bei mir auch vorhanden sein, ich habe aber noch nei geraucht und trinke nur selten Alkohol dank all der negativen Beispiele in meiner unmittelbaren Umgebung (und ja, man fängt sich da schnell den Ruf der Spaßbremse ein). Und “richtige” Drogen fand ich für mich noch nie interessant, mir reicht mein Süßkram-Fetisch. Ob sich das Problem auf die vom Wortvogel beschriebene Weise lösen ließe, weiß ich nicht, aber wie er selbst sagt, ist das eh nicht durchsetzbar. Dafür müßten alle Länder der Welt an einem Strang ziehen und das gibt es nur in Star Trek:-)

MWi
MWi
13. Februar, 2013 11:43

ein letztes mal ot, aber das brennt mir dann doch zu sehr auf dem herzen 😉
ich kann dir in keinem deiner angeführten punkten widersprechen und genau darin sehe ich das problem. es ignoriert gewissermaßen die patientensicht.
wir haben in unserer gesellschaft versucht alles zu normen und zu kategorisieren. das mag in jedem fall in der physik funktionieren (an der stelle rasseln gerade diverse erinnerungen zu physikalischen versuchsreihen wärend meiner ausbildung durch den kopf ;)) und meinetwegen können wir auch gurken nur mit einem gewissen radius wachsen lassen. aber der mensch entspricht halt keiner normung, kein mensch ist gleich.
ich kann jeden arzt verstehen, der mit deinen angeführten punkten argumentiert und deswegen erfolgsversprechende behandlungsmethodiken ignoriert, weil er sonst selber in teufels küche kommt.
vereinfacht gesagt; was ich als arzt in einer idealeren welt doch nur wissen sollte ist, was welches medikament/droge (auch hier ist ja der übergang durchaus fließend) bewirkt / bewirken sollte und sich dann bei der behandlung auf seinen pationenten einlässt (siehe dein methadonbeispiel), auf welche wirkstoffe er gut anspricht und wiviel er davon braucht.
und auch da wittere ich im medizinischen einsatz durchaus wieder eine gewisse doppelmoral: opiate sind zur medizinischen behandlung durchaus ok, kokain und andere wirkstoffe nicht, weil es sind ja drogen …öhm wie nochmal?

Wortvogel
Wortvogel
13. Februar, 2013 11:44

@ heino: Nun ist eine Erziehung zu gesunder Lebensweise (wie aktuell auch bei Tabak praktiziert) etwas anderes als ein gesetzliches Verbot. Ich bin ja absolut dafür, den Drogenkonsum so unattraktiv wie möglich zu machen – aber nicht illegal. Es ist ein schmaler Grat – es muss unschick sein, sich Drogen zu besorgen und zu konsumieren, aber nicht zu unschick, weil der Konsument sonst doch wieder die anonymen Kanäle bevorzugt.
@ MWi:
> ich weiß nicht, es ist ne durchaus unwissenschaftliche
> herangehensweise, aber wozu brauche ich noch testreihen, wenn
> mir so unendlich viele borderliner bestätigen, dass drogen als
> medikamente für sie funktionieren?
Welcher Abhängige tut das nicht? Es ist die 1a-Ausrede: “Ich brauche das, es hilft mir”. So funktioniert Sucht – sie klinkt sich als lebensnotwendig in den Kopf des Süchtigen ein. Darum ist ein süchtiger Borderliner als Bestätigung oder empirischer Beweis ungeeignet.

MWi
MWi
13. Februar, 2013 11:52

@wortvogel: es geht mir nicht darum, dass wir alle borderliner mit drogen zupumpen, nur weil es einigen hilft 😉
ich glaube insgesamt gesehen (vielleicht hab ich da aber auch ein völlig falsches bild von der medizin) das wir mit empirischen beweisen in der medizin nicht weit kommen. in der physik kann ich innerhalb einer testreihe beliebige werte “die mir nicht gefallen” unter annahme eines messfehlers etc. herausnehmen, und der rest wird eh extrapoliert. auf die medizin übertragen kann das aber menschenleben bedeuten.
ansonsten bin ich durchaus ein strenger verfechter des wissenschaftlich korrekten arbeitens. blos gerade (wir) wissenschaftler verlieren manchmal einfach die menschliche komponente innerhalb der arbeit (und sich mit physikern über ethik zu unterhalten ist auch durchaus programmfüllend ;))

DMJ
DMJ
13. Februar, 2013 12:04

Gehe hier ziemlich mit dem Wortvogel konform.
Ich selbst habe null Erfahrung mit illegalen und nur geringe Erfahrung mit legalen Drogen (nie geraucht, nie betrunken gewesen, vielleicht zwei-, dreimal leicht beschwippst, aber inzwischen trinke ich gar nicht mehr, außer in Gesellschaft einer bestimmten Bekannten, die Ahnung von Wein hat – Zucker lassen wir mal außen vor) und muss gestehen, dass ich in Gegenwart Bekiffter wie Besoffener meist etwas Verachtung empfinde. Insofern gibt es bei mir durchaus Minuspunkte, sich zuzudröhnen, aber das ist kein rechtliches Argument (und trifft ja eben auch auf legales Zeug zu).
Bisher habe ich gegen illegale Drogen noch das moralische Argument, dass man durch ihren Kauf oft ganze kriminelle Organisationen unterstützt, die auch andere Verbrechen mit konkreten Opfern begehen. Legalisiert man aber die Drogen, entzieht man den Gangstern gewaltige Geschäftszweige und füllt das Steuersäckel gewaltig (ich wäre nämlich schon dafür, dass Drogen weiterhin teuer bleiben, um den Einstieg nicht übermäßig zu erleichtern – später billiger auf Rezept kann es ja trotzdem geben).
Ja, weiterhin würden unter Drogen Verbrechen begangen werden, aber das geschieht unter Alkohol auch (und den konsequent nachträglich zu verbieten geht schlecht, wie die Prohibition zeigte), aber ich denke, das Gesamtbild sähe weiterhin gut aus.
Die soziale Erwünschtheit von Drogen müsste natürlich vermieden werden, wobei ich auch das optimistisch sehe, da wir bislang das Problem haben, dass es vro allem die “uncoolen” Leute sind, die von ihnen abraten, während die “coolen” Rockstars sie nehmen. Wenn das Verbot aufgehoben ist, könnte sich jeder freier dazu äußern und die Übertreibungen (die, wie der WV ja schon sagte, die Aufklärung erheblich schwächen) würden wegfallen.
Das Problem psychischer Krankheiten, auf das Matthias hinweist, bliebe natürlich, aber ich fürchte, das sollte man, so traurig ist es, hinnehmen. Man kann die gesellschaftliche Mitte einfach nicht nach dem Wohl von Minderheiten bzw. Behinderungen ausrichten, wenn dies zum Nachteil der Gesamtgesellschaft ist (was ich hier halt annehme). Wenn das Thema aber offen besprochen werden könnte, also ein psychisch kranker Drogenkonsument seinen Fehler ohne Angst vor rechtlichen Folgen aussprechen kann, glaube ich, könnte man auch besser helfen. Ein Rest Unglücklicher bliebe natürlich, das ist leider immer so.
Auch die Zunahme der Staatsmacht sehe ich nicht wirklich, da es wie gesagt eine Demokratie bleibt, in der die Mehrheit regiert. Wenn die Mehrheit Drogen braucht, wählt sie keinen, der sie ihnen nimmt – entsprechend wird auch kein Politiker sie ihnen nehmen wollen.
@Exverlobter:
Der Vergleich mit Waffengesetzen kommt nicht ganz hin. Denn wie gesagt, mit Waffen steigt primär die Gefahr für andere, bei Drogen primär die für einen selbst. Und sich selbst sollte man eigentlich schädigen dürfen. Viele der Sekundärschäden von Drogen, die auch andere treffen, entstehen eben erst durch die Illegalität derselben.
@Grimmig:
Der Nachsatz verweist schon auf das generelle Problem – ab wann sind Lebensmittel “rechtlich” als ungesund zu werten, ab wann kann man bei etwas von einer Droge sprechen? Zucker dürfte eine sein, aber der Körper braucht ihn, entsprechend kann man ihn kaum verbieten.
Wie der WV schon sagte – ab wo nimmt man sich das Recht heraus, den Menschen vor sich selbst zu schützen? Bei vielen Paaren sieht man auch sofort, dass es mit ihnen nicht gut gehen wird – soll man ihnen deshalb die Eheschließung verweigern? Auch ich sehe da das Recht auf Mistbauen, auch wenn dabei (natürlich) als Kollateralschaden Mist entsteht. Du fühlst dich auch ohne Drogen frei, ich auch und der WV zu großen Teilen auch, aber wer sind wir, unser Empfinden für allgemeingültig zu erklären? Ich selbst hasse etwa Katzen, aber das ist keine Grundlage dafür, ihre Haltung zu verbieten (so sehr mir das natürlich auch gefallen würde ;)).

heino
heino
13. Februar, 2013 12:12

“@ heino: Nun ist eine Erziehung zu gesunder Lebensweise (wie aktuell auch bei Tabak praktiziert) etwas anderes als ein gesetzliches Verbot”
Natürlich. Ich wollte damit auch nur anzeigen, dass die “Gruppenzwang in der Firma sorgt dafür, dass ich Aufputschmittel nehme” auch andersrum immer mehr zunimmt. Der Arbeitgeber kann zwar (zum Glück) keine Gesetze erlassen, seinen Mitarbeitern aber das Leben richtig schwer machen. So wurden schon Bäckereilieferdienste von unserer Firmenleitung gekippt, weil sie Remoulade auf die Brötchen geschmiert hatten und die Raucher müssen bei uns nicht nur einfach vor die Tür gehen, sondern dürfen nur mit einem Abstand von 6 Metern zum Gebäude rauchen. Das wiederum ist Schwachsinn, weil sie dann mitten auf der Kreuzung stehen würden. Aber so erzeugt man halt sozialen Druck, der entweder dafür sorgt, dass die Mitarbeiter ihr Verhalten in der gewünschten Form anpassen oder dafür, dass sie sich auf lange Sicht lieber nach einem toleranteren Arbeitgeber umsehen.

Mencken
Mencken
13. Februar, 2013 12:20

Von Legalisierung halte ich persönlich nichts, ist aber natürlich denkbar. Voraussetzung wäre dann aber, dass man den Gedanken der absoluten Eigenverantwortung konsequent zu Ende denkt, was dann auch bedeuten würde, dass das derzeitige Gesundheitssystem konsequent verschlankt und privatisiert wird und das Solidarprinzip generell zurückgefahren wird.

Wortvogel
Wortvogel
13. Februar, 2013 12:24

@ Mencken: Da sehe ich gar keine zwangsläufige Verbindung. Wer Drogen nimmt, entscheidet sich für Drogen. Damit muss er umgehen, das muss er selbst verantworten. Wer Krebs bekommt, hat die Arschkarte gezogen. Dafür steht die Gesellschaft ein, wenn man es selbst nicht kann.
Auch wenn ich die individuelle Freiheit für ein hohes und oft schon viel zu eingeschränktes Gut halte, ist mir das Solidarprinzip lieb und wert Es sollte sogar konsequenter gelebt werden. Aber dazu kommen wir noch.

DMJ
DMJ
13. Februar, 2013 12:54

Ja, da sehe ich auch keinen Entweder-oder-Zwang.
Auch jetzt zahlen die Kassen ja nicht für alles – und Drogenkonsum könnte halt so ein eigenes Problem sein, für das man auch selbst aufzukommen hat.

Peroy
Peroy
13. Februar, 2013 13:08

“Ich habe in den 90ern ein paar Mal Kokain probiert und verschiedene Sorten chemischer Drogen in Form von Tabletten.”
Das heißt, ich kann dein Geschmacks-AIDS bezüglich Film und Musik zukünftig auf deinen drogenumnebelten Geist schieben… ?

Howie Munson
Howie Munson
13. Februar, 2013 13:15

also ich seh das ähnlich wie DMJ (40) und konträr zu Menken (42): ohne Rezept sollten die Drogen durch Abgaben schon teuer sein und Alkohol und Tabk auch deutlich teurer als bisher. Allerdings solte diese Abgabe zweckgebundne sein und nur Beratung und medizinische Versorgung inklusive Drogen auf Rezept ausgegeben werden dürfen.
Wer freiwillig Drogen nimmt, finanziert gleichzeitig die Folgen und Aufklärung für andere… Was der Staat dadurch bei der Justiz einspart, könnte man ja in Bildung oder öffentlichen Nahverkehr stecken…

Karsten
13. Februar, 2013 13:33

Hab jetzt schon mehrfach gelesen, dass man mit Drogen nur sich schädigt. Ich bin mir nicht sicher, ob dass die Familien und Freunde der Betroffenen auch so sehen. Man munkelt, dass viele Ehen, Freundschaften und Familien an einer Sucht schon zerbrochen sind. Dass Menschen durch die Droge so sehr nicht mehr sie selbst waren, dass sie eben auch Mitmenschen verletzen.
Ich spinne jetzt nur mal ein Bild zusammen von meiner noch ungeborenen Tochter, die mit ihren pubertierenden Freunden zusammen in eine “Feel free to be happy”-Shop dackelt, sich dort den ersten Schuss setzt, weil man in dem Alter halt ein paar Grenzen austesten muss. Und ihr kennt das ja: Der Leistungsdruck wird mit jeder Generation immer größer (wenn man die jeweilige Generation fragt^^), die Schule ist so stressig, der Freund hat Schluss gemacht, die Eltern nerven….hey, und Drogen sind ja erlaubt….die Nebenwirkungen werden schon nicht so schlimm sein wie alle sagen. “Ich komme schon davon weg. Mir passiert sowas nicht.” Jugendlicher Leichtsinn halt, den man auch mit 18, 19 oder 25 nicht immer ablegt.
Ein paar Jahre später stehe ich dann vielleicht mit einer Schrotflinte vor der Tür des Politikers, der diese “neue Welt” ins Rollen gebracht hat, weil meine Kleine sich dank ihm eine Überdosis gesetzt hat. “Aber das System hätte doch funktionieren müssen!” – “Auf Kosten meiner Tochter vielleicht. War es das wert?” Peng.
Jaja…das Beispiel ist sehr an den Haaren herbeigezogen, aber tatsächlich gibt es für die wünschenswerte Utopie vom Wortvogel eben keine Garantie. Selbst wenn alles glatt geht, die Super-Drogen ausbleiben, die Gesellschaft sich selbst reguliert…..in der Übergangszeit werden nicht wenige Menschen süchtig, die ansonsten nichts mit Drogen zu tun gehabt hätten. Darunter leiden deren Familien und Freunde. Den schlimmsten Fall solch einer Entwicklung mag ich mir noch nicht mal ausmalen….mag jemand von uns solch ein Wagnis wirklich eingehen?

jimmy1138
jimmy1138
13. Februar, 2013 13:36

Vorausgeschickt: wenn man’s international betrachtet – der “war on drugs” in den USA dürfte allen Anschein nach gescheitert sein, die Lage in Mexiko kann ich nicht wirklich einschätzen, aber Berichte verheißen nichts Gutes.
ad “Völlige Freigabe”: die gestellten Bedingungen staatliche Produktion und Vertrieb bzw (?verordnete?) ärztliche Aufsicht vertragen sich mMn nicht mit dem Adjektiv “völlig”. Aber genug mit Semantik…
Das Entstehen einer illegalen Szene (wo’s dann z.B. den “good stuff” gibt) wird wohl nicht zu verhindern sein bzw stellt sich natürlich die Frage, inwieweit die breite Masse bereit ist, in Zeiten der Budgetknappheit einer Minderheit Drogen zu finanzieren (was wohl heutzutage schon – aber nicht so offen – passiert). Das sind mMn aber eher technische, keine grundsätzlichen Fragen.
Interessant ist mMn primär, ob man Menschen wirklich ihrer eigenen Verantwortung überlassen kann oder soll – da gibt’s hier in Wien z.B. gerade eine heftige Diskussion, ob man das sog. “kleine Glücksspiel” verbieten soll, nachdem grindige Wettlokale Gegenden verschandeln und reihenweise Existenzen vernichten.
BTW: Etwas kurios finde ich auch, daß in der Drogenfrage der Wortvogel in etwa auf Linie der Libertarians einschwenkt…

Wortvogel
Wortvogel
13. Februar, 2013 13:46

@ Karsten: Hier mal nur die für mich markantesten Punkte:
“Hab jetzt schon mehrfach gelesen, dass man mit Drogen nur sich schädigt. Ich bin mir nicht sicher, ob dass die Familien und Freunde der Betroffenen auch so sehen.” – das sind die FOLGEN des Drogenkonsums, nicht der Drogenkonsum selber. Mir einen Schuss setzen betrifft nur mich selbst. Was das danach aus mir und meinem Umfeld macht, ist eine Frag sozialer Interaktion. Das hat aber nichts mit “Drogen legal oder illegal” zu tun, das ist heute schon so.
“Man munkelt, dass viele Ehen, Freundschaften und Familien an einer Sucht schon zerbrochen sind.” – noch mal: an den Folgen der Sucht. Und an den Folgen der Tatsache, dass Sucht in die Illegalität treibt. Familien zerbrechen daran, dass Junkies klauen und lügen müssen, dass Mädchen auf den Strich gehen, etc. Das ist nicht Schuld der Drogen.
“Ich spinne jetzt nur mal ein Bild zusammen von meiner noch ungeborenen Tochter, die mit ihren pubertierenden Freunden zusammen in eine “Feel free to be happy”-Shop dackelt, sich dort den ersten Schuss setzt, weil man in dem Alter halt ein paar Grenzen austesten muss.” – mir ist lieber, das Mädchen geht in einen “Feel free to be happy”-Shop als ins Klo auf dem Hauptbahnhof.
“Und ihr kennt das ja: Der Leistungsdruck wird mit jeder Generation immer größer (wenn man die jeweilige Generation fragt^^), die Schule ist so stressig, der Freund hat Schluss gemacht, die Eltern nerven….hey, und Drogen sind ja erlaubt….die Nebenwirkungen werden schon nicht so schlimm sein wie alle sagen. “Ich komme schon davon weg. Mir passiert sowas nicht.” Jugendlicher Leichtsinn halt, den man auch mit 18, 19 oder 25 nicht immer ablegt.” – das hat alles nichts mit legal oder illegal zu tun. Das sind die Gründe, warum Teenager HEUTE Drogen probieren.
“Ein paar Jahre später stehe ich dann vielleicht mit einer Schrotflinte vor der Tür des Politikers, der diese “neue Welt” ins Rollen gebracht hat, weil meine Kleine sich dank ihm eine Überdosis gesetzt hat.” – Bullshit. Die Kleine hat sich nicht “dank ihm” eine Überdosis gesetzt. Ich stehe auch nicht mit der Schrotflinte vor dem Verkehrsminister, weil ein Arschloch meine Oma überfahren hat. Und wieso stehst du nicht zuerst mal vor dem Dealer? Hört man sowieso selten.
“Aber das System hätte doch funktionieren müssen!” – ich habe oben geschrieben, dass es keinen Beweis gibt, dass es funktionieren kann, solange man es nicht versucht. Der Versuch kann scheitern – aber er ersetzt ein System, das JETZT SCHON und BELEGBAR nicht funktioniert.
“in der Übergangszeit werden nicht wenige Menschen süchtig, die ansonsten nichts mit Drogen zu tun gehabt hätten.” – Belege?
“mag jemand von uns solch ein Wagnis wirklich eingehen?” – neue Wege sind immer ein Wagnis. Die Frage sollte lauten: Wollen wir weiterhin Milliarden für den Kampf gegen Drogen ausgeben, der nachweislich keine Dämmwirkung besitzt? Wollen wir weiterhin Drogenbosse zu Milliardären machen und Terroristen finanzieren? Wollen wir weiterhin unsere Kinder an Dealer verlieren, die ihnen Dreck verkaufen? Wollen wir Minderjährige auf dem Babystrich sehen? Gefängnisse mit Leuten vollstopfen, deren einziges Verbrechen ist, dass sie gerne high sind? Wollen wir ständig neu definieren, was der Bürger sich selbst nicht zumuten kann?

DMJ
DMJ
13. Februar, 2013 13:55

@Karsten #47:
Mit dem vollkommen richtigen Familien-Argument sprichst du nun aber wieder die Moral und nicht die gesetzliche Zulässigkeit an. Seine Familie kann man auch durch Alkohol, Untreue oder Unfreundlichkeit schädigen, dennoch sollte man das nicht verbieten.
Wie gesagt, wir argumentieren hier nicht für den Drogenkonsum (den ich ja wie gesagt gering schätze), sondern nur für seine Legalität.
“Ein paar Jahre später stehe ich dann vielleicht mit einer Schrotflinte vor der Tür des Politikers, der diese “neue Welt” ins Rollen gebracht hat, weil meine Kleine sich dank ihm eine Überdosis gesetzt hat.”
“Dank ihm”? Sagen wir’s so… ohne ihn hätte sie sich die Überdosis halt noch früher mit dreckigem Zeug gegeben oder wäre von einem Freier aufgeschlitzt worden. Schließlich konnte sie ja nicht wissen, dass illegale Drogen schlimm ausgehen konnten, da ihrem Vater zufolge ja immer die anderen Schuld haben.

ceebee
ceebee
13. Februar, 2013 13:55

Hier meldet sich ein weiterer stiller Leser zu Wort:
Ich finde in diesem Zusammenhang den Blick zu unseren Nachbarn sehr interessant, bei denen der Cannabiskonsum zumindest in bestimmten Grenzen legalisiert ist. In den Niederlanden gibt es prozentual weniger Drogenabhängige, und es wird auch weniger Cannabis konsumiert als in europäischen Staaten, in denen Cannabis verboten ist. Ist das nicht geradezu erstaunlich bei dieser Verfügbarkeit?
http://www.uni-muenster.de/NiederlandeNet/nl-wissen/rechtjustiz/vertiefung/drogenpolitik/drogenstatistik.html
http://www.drogen-aufklaerung.de/drogenpolitik-und-cannabis#holland-zahl-der-drogentoten-gesunken

extroll
extroll
13. Februar, 2013 13:56

Ich weiß, ich hab hier manchmal ganz schön rumgetrollt – was ich mittlerweile bereue. Denn dieser Artikel verdient einen richtigen Kommentar. Allein die Mühe, diesen Gedankengang so auszuarbeiten: Respekt.
Und ich gebe dir Recht. Es gibt keinen Grund, dass der Staat an einigen Drogen gut verdient, und die Konsumenten anderer Drogen kriminalisiert.
ABER: Kriminalisierung bedeutet auch eine Hemmschwelle. Es gibt viele Menschen, die werden vielleicht nicht drogensüchtig, einfach weil es verboten ist, diese Drogen zu kaufen. Diese Menschen würden durch eine Freigabe gefährdet.
Ich würde stattdessen die Hemmschwelle bei den jetzt noch legalen Drogen erhöhen. Alkohol ist teil der “Volkskultur” – was man spätestens dann merkt, wenn man keinen mehr trinkt. Vom Bierchen nach dem Sport über das Sektchen beim Empfang und das Glühweinchen beim Betriebsausflug auf den Weihnachtsmarkt bis hin zu standardisierten Besäufnissen wie Silvester oder, gerade aktuell, Karneval. Alkohol ist nicht per se die gefährlichste aller Drogen. Alkohol hat aber durch seine Verfügbarkeit und durch seine Akzeptanz als legale Droge wohl mehr Menschen auf dem Gewissen als alle anderen Drogen zusammen.
Das gilt es zu bedenken bei den ansonsten durchaus anregenden Gedanken.
Für die Trollerei der letzten Monate möchte ich um Entschuldigung bitten, habe aber auch Verständnis, wenn das nicht gehen sollte.
Ich verschwind jetzt hier, versprochen, und wird nicht gebrochen.

Peroy
Peroy
13. Februar, 2013 14:39

” Wollen wir Minderjährige auf dem Babystrich sehen?”
Wollen wir Erwachsene auf dem Babystrich sehen…?

Karsten
13. Februar, 2013 14:55

Ich tue mich halt schwer damit, über eine Legalisierung der Drogen zu diskutieren und dabei die Folgen des Drogenkonsums nicht zu betrachten.
” mir ist lieber, das Mädchen geht in einen “Feel free to be happy”-Shop als ins Klo auf dem Hauptbahnhof.”
Die Frage ist ja: “Wäre sie denn in der jetzigen Zeit auf dem Klo gelandet?” Oder führte erst die Legalisierung der Droge zum Schuss. Um das herauszufinden bräuchte man ein Paralleluniversum, aber die machen sich ja immer rar, wenn man sie mal braucht. Ich bin mir aber sicher, dass alle Beteiligten, also Familie und Freunde, 100% sicher sein würden, dass das Kind nur durch die neue Legalität zur Droge gefunden hat. Dass damit also der Staat Schuld ist, der den Zugang ermöglicht hat. Spielt auch keine Rolle, ob ich, ihr oder die Politik dann in den Raum werfen “Bei einem intaktiven Familienverältnis und Eltern, die auf ihr Kind aufpassen, wäre das niemals passiert. Selbst Schuld also.”
““in der Übergangszeit werden nicht wenige Menschen süchtig, die ansonsten nichts mit Drogen zu tun gehabt hätten.” – Belege?”
Du weißt ganz genau, dass ich keine liefern kann 🙂 Ich würde kein Geld dagegen wetten und bin da bei Extroll. Illegalität ist oftmals sexy, ab und an aber eben auch eine Hemmschwelle, die von einem gewissen Typ Mensch nicht übertreten wird. Kann man Drogen legal an jeder Ecke erwerben, wird es Opfer geben, die im hier und jetzt keine Opfer gewesen wären – das glaube ich fest.
Ich verstehe was ihr wollt, dasselbe will ich auch. Gerade der Wunsch nach Mündigkeit und Freiheit ist mir wichtig und ich weiß, dass beides nicht nur positive Seiten mitbringt – eben auch die Freiheit, Fehler zu machen, etc.. Ich mag eigentlich nur einräumen, dass es durch so eine Änderung eine Menge Kollateralschaden und eine Menge neuer, trauriger Einzelschicksale geben könnte….ob mehr als jetzt? Keine Ahnung. Aber anscheinend bin ich zu sehr pussy, um solch einen gefährlich Weg verantworten zu wollen.
Noch was anderes, was mir eben im Kopf rumschwirrte:
Sagen wir, die Legalität der Drogen läuft an und die Straßen werden nicht überschwemmt von süchtigen und debil grinsenden Mitmenschen.
Mir macht es ein wenig Sorgen, in einer Gesellschaft aufzuwachsen, in der jede Art von Droge legal ist. Jetzt ist unsere Gesellschaft ja noch stark geprägt von der “bösen, süchtig-machenden Droge”. Doch da wir ja eh schon in so vielen Bereichen bewusst unseren Körper vergiften….wie lange werden Hemmschwellen wie
“Viele Menschen nehmen keine Drogen, weil es in ihrem Familien- und Freundeskreis nicht akzeptiert wird.”
halten? Wann wird es “in” sein, Drogen zu nehmen? Und wie schnell werden Unternehmen diesen Braten wittern und ins “Geschäft” einsteigen wollen? Klar, die Politik soll sich der Drogenverteilung annehmen. Aber bereits jetzt nehmen Wirtschaftsunternehmen viel zu großen Einfluss auf die Politik in der Welt….ich sehe es schon vor mir, wie der Markt mit unzähligen neuen Drogen überschwemmt wird. Unterschiedliche Wirkung, aber bitte immer süchtig machend. Vielleicht nur leicht und unterschwellig, aber der Rubel soll bitte rollen. Mhm…vielleicht sollte jemand mal über dieses Setting einen Roman schreiben 🙂

Howie Munson
Howie Munson
13. Februar, 2013 15:08

@Karsten (54): Alkohol gibt es doch an jeder Ecke. Man kann sich sogar totsaufen, wenn man das allein im Wald macht. (oder so betrunken von der Silversterfeier allein zu Fuß nach Hause geht, dass man nicht merkt, dass man erfriert, leider eine wahre Geschichte)
Und das Komasaufen mit Magenauspumpen machen genau diejenigen jetzt schon, die sich von Illegalität, aber nicht von gesundheitlichen Folgen abschrecken lassen.
Aber ich will auch nicht jede Droge an jeder Ecke frei verkäuflich haben, sie sollten halt nur genau so leicht verfügbar sein, dass sich dealen nicht mehr lohnt, aber dennoch so schwer verfügbar, dass es sich die meisten sehr genau überlegen und sei es nur weil sie stattdessen auch immer das allerneues Handy/ipad/was auch immer haben könnten.

Wortvogel
Wortvogel
13. Februar, 2013 15:08

@ Karsten: ich glaube, der Kern des Konflikts zwischen uns beiden ist folgender – du postulierst Probleme, die bei der Legalisierung auftreten könnten, die ich bereits als aktuelle Probleme sehe, die es zu beseitigen gilt. Wir die Legalisierung Drogen interessanter machen, weil sie eine Hemmschwelle abbaut, oder wird sie Drogen uninteressanter machen, weil der “Reiz des Verbotenen” wegfällt? Ich weiß es nicht, kann es nicht wissen. Aber ich sage es mal krass bildlich: wenn ich in die Scheiße getreten bin, sollte ich den Mut haben, daraus in die Pfütze daneben zu treten – auch wenn ich mir dabei das Hosenbein nass mache.

zu-schauer-lich
zu-schauer-lich
13. Februar, 2013 15:23

nun, ich kann prinzipiell der idee zustimmen, dass jeder mensch grundsätzlich für sein leben und wohl selbstverantwortlich ist. daher ist das verbot von drogen nicht notwendig und möglicherweise sogar kontraproduktiv. weil drogenkonsum auf den ersten blick keinem außer dem konsumenten schadet.
zwei einwände:
1) was sagen wir den menschen, die z.B. in Jugend und Kindheit unter einem drogensüchtigen Elternteil gelitten haben? was sagst du den personen, die in beziehungen zu drogensüchtigen stehen und deren leben, durch sucht zerstäört wurde, ohne, dass sie selbst konsumiert haben? drogen verändern menschen, ihre denkfähigkeit, ihr handlungsvermögen und – in zahlreichen fällen, ihre motorischen fähigkeiten. kurz: nicht nur die individuellen, sondern auch die intrapersonalen folgen des konsums von drogen berücksichtigen
2) wir sollten nicht zusehr darauf vertrauen, dass menschen bewusste “entscheidungen” für oder gegen den konsum von drogen treffen. menschen handeln in spezifischen kontexten und unter dem einfluss anderer. das verbot von drogen sorgt dafür, dass für viele menschen die hürde es auszuprobieren steigt – und obwohl sie möglicherweise eine disposition zum suchtverhalten haben, bei schokolade und zigaretten bleiben und nicht zu härteren mitteln greifen. möglicherweise könnte man also das illegale geschäft mit den drogen trockenlegen, gleichzeitig aber auch, den einstieg in den konsum vereinfachen. bei bestimmten substanzen reichen aber schon wenige versuche, um eine große körperliche abhängigkeit zu erzeugen (und plötzlich wird aus einer netten partynacht, eine biographische weichenstellung…)
ob diese punkte ausreichen, um für ein verbot zu sein? wer weiß. aber bedenkenswert finde ich sie

Howie Munson
Howie Munson
13. Februar, 2013 15:44

@zu-schauer-lich (57): Was sagst du zu Leuten, die unter Alkoholikern gelitten haben?
Wie möchtest du das Verbot von Tabak und Alkohol durchsetzen, oder soll alles was weniger schnell abhängig macht bzw. weniger schädliche Folgen hat, erlaubt sein?

Karsten
13. Februar, 2013 15:53

Faktisch hast du Recht Howie – emotional werden die Beteiligten die Situation aber vollkommen anders sehen:
Alk/Zigaretten => zu lange von der Gesellschaft akzeptiert, der Konsument bzw. die Droge ist Schuld
Plötzliche legale “harte” Drogen => bisher illegal und damit öffentlich verpönt => derjenige ist daran Schuld, der die Legalität der Drogen durchgeboxt hat.
Solch eine Trennung wird es in den Köpfen der Opfer mit Sicherheit geben. Kann man natürlich übergehen….wird dann halt die Frage sein, wie viele “neue” Opfer es gibt und wie gewaltig der Shitstorm sein wird.

Howie Munson
Howie Munson
13. Februar, 2013 16:55

@Karsten: Wie gesagt ich bin nicht ganz so auf der “völlig frei verfügbar” Seite wie der Hausherr. Und über Nacht würde ich das auch nicht umsetzen wollen.
Von mir aus muss man sich auch erst einen Drogenschein machen, der dann so ähnlich gehanhabt wird, wie die Theorie vom Führerschein oder “sofortmaßnahmen am Unfallort” um legal Drogen in Kleinstmengen besitzen zu dürfen und es muss auch nciht zwingend Heroin verteilt werden.
Was aber halt rein gar nix bringt ist leute am Bahnhof nach Haschisch zu filzen, um dann bei Glücksfunden von Kleinstmengen auch gleich eine Hausdurchsuchung durchzuführen. Dafür sind Beamtenstunden einfach zu teuer und die Breitenwikung zu gering.

DMJ
DMJ
13. Februar, 2013 19:00

@zu-schauer-lich #57:
“was sagen wir den menschen, die z.B. in Jugend und Kindheit unter einem drogensüchtigen Elternteil gelitten haben?”
Das gleiche, was wir denen sagen, deren Eltern Säufer oder Hurenböcke waren: Schlimmer Missbrauch der Freiheit. Aber diese Fälle gibt es wie gesagt auch schon jetzt. Wenn der Drogenkonsum aber zumindest legal und billiger wird, verschwinden sie nicht auch noch zeitweise im Knast, bzw. behalten vielleicht auch noch etwas Kohle für die Familie übrig.
– Vielleicht. Sicherheit hat hier keiner.
@Karsten #59:
“emotional werden die Beteiligten die Situation aber vollkommen anders sehen”
Wieso willst du immer wieder darauf hinaus, das manche Leute nicht selbst die Verantwortung übernehmen, sondern sie dem Staat zuschieben werden? Klar werden sie das – aber die beklagen sich auch über die Förderung von Frauen/Ausländern/Behinderten, ohne die es doch früher auch ging und darauf, dass Todes- und Prügelstrafe auch ewig in Gebrauch waren und darum für immer bleiben müssen.

paule
paule
13. Februar, 2013 19:10

Ich bin mobil unterwegs, weiß nicht welche Richtung die Diskussion während ihrer 60 Kommentare genommen hat, und lass sie deshalb außer acht. Ich möchte nur eins loswerden:
Lieber Wortvogel; Word.
Ich könnte dir zwei bis drei Dinge erklären, die dir mangels Erfahrung (lucky you 😉 ) unverständlich bleiben, aber alles in allem will ich dir nur aus ganzem Herzen zustimmen. Eine der großen Gesellschaftslügen, die viele nicht wahrnehmen, gekonnt entlarvt. Die utopische Lösung direkt hinteher. Du sprichst mir aus der Seele!
Das waren jetzt schon mehr Sachen als eine, deswegen mach ich hier Schluss. Hach, ich freu mich jetzt direkt doppelt auf meine Therapie!

Wortvogel
Wortvogel
13. Februar, 2013 19:23

@ Paule: Wenn der letzte Satz ernst gemeint ist, gibt es hier sicher niemanden, der dir nicht ehrlich die Daumen drückt.

Marcus
Marcus
13. Februar, 2013 19:36

Die Diskussion läuft schon zu lange, als dass ich mich jetzt noch großartig einklinken kann – es ist eine stressige Woche für mich.
Viele Dinge, die Torsten schreibt, sehe ich ähnlich, Stichwort “Freiheit”, Stichwort “nutzlose Kriminalisierung”. Subjektiv kann ich aber sagen, dass ich aus dem Bauch heraus vermuten würde, dass die negativen Folgen seines Vorschlags die positiven überwiegen werden.
Aber zwei Argumente gegen den Vogel möchte ich noch nachliefern, die mir hier bisher zu kurz kommen:
1.) Es gibt, so habe ich mir sagen lassen, Drogen (über Crack meine ich das besonders gehört zu haben), die man nicht “einfach mal ausprobieren” kann.
Körperliche oder psychische Abhängigkeit nach einmaligem Konsum ist nicht garantiert, aber SEHR wahrscheinlich.
2.) Frei verfügbare Drogen machen das “Ausprobieren” leichter. Es gehört gerade für Kinder und Jugendliche heute unbestritten mehr Aufwand dazu, sich Koks oder Hasch zu besorgen, als Alkohol – obwohl dessen Verkauf an Minderjährige auch verboten ist.
Wollen wir, dass Kinder so leicht, wie sie heute an Alkohol kommen, auch an Drogen kommen, deren einmaliger Konsum ihrem im Wachstum befindlichen Körper irreparable Schäden zufügen kann? Maximale Schadenswirkung fürs weitere Leben gerade bei denen, die am ehesten zu Unüberlegtheit und Verantwortungslosigkeit neigen – alles im Namen der Freiheit?

DMJ
DMJ
13. Februar, 2013 19:58

Letzteres Problem ist in der Tat eine wohl sichere Folge der Legalisierung. Aber ich denke, da wir da auch jetzt schon das Problem des Missbrauchs haben, sollte man lieber da ansetzen. Will sagen, dafür sorgen, dass solche Verkaufsbeschränkungen auch verdammt nochmal eingehalten werden.
Das ist natürlich einfacher, als gesagt, aber in jedem Fall müsste es natürlich spezielle Genehmigungen für den Drogenhandel geben und die müssten auch nach einem einzigen Verkauf an Jugendliche weg sein. Damit hätte man natürlich wieder etwas den Reiz des Verbotenen erhöht, aber wie gesagt: Selbst unsere Utopie ist natürlich kein reines Utopia, sondern nur ein Kompromiss, der hoffentlich etwas weniger schief geht, als der Kompromiss, den wir im Moment fahren.

milan8888
milan8888
13. Februar, 2013 20:09

Zu meiner Schulzeit war es leichter an Hasch zu kommen als an Alkohol – zumindest in der Schule…
Ich hab auch für ne Firma gearbeitet bei der es üblich war das Abends der Kopierer auf Firmenkosten eingepudert wurde. Das hatte aber nie was zwanghaftes sondern eher was von der Gratislieferdienstbestellung in anderen Firmen. Ich hab mal ne Arbeits-Woche mit “Hilfe” von Methamphetamin durchgemacht und am Ende hatte ich kaum noch Kraft die Maus zu bewegen. Hab danach meinen Konsum stark eingeschränkt weil mir das doch zu blöd war mich selber auszuschießen und im Endeffekt kaum mehr zu leisten. Vor etwa 10 Jahren hab ichs dann ganz gelassen. Ersatzdroge gibts für mich nicht, letzter Vollrausch ist ein Jahrzehnt her und seit dem trinke ich nur noch alle paar Wochen maximal 2-3 Cocktails oder Logdrinks. Geraucht hab ich vlt. 5 Zigaretten in meinem Leben.
Ich versteh aber nicht so ganz wie hier manche auf die Idee kommen dass eine Legalisierung zur Entwicklung von Superdrogen führen sollen. Warum sollten diese dann nicht jetzt schon verfügbar sein? Wer wäre die Zielgruppe?

Peroy
Peroy
13. Februar, 2013 20:10

“@ Paule: Wenn der letzte Satz ernst gemeint ist, gibt es hier sicher niemanden, der dir nicht ehrlich die Daumen drückt.”
Sprich du nur für dich.

McCluskey
13. Februar, 2013 20:58

Ich bin auf der anderen Seite der Mauer aufgewachsen und in der DDR wurden Drogen genauso verteufelt wie im Westen auch. Dies allerdings nicht in der Absicht, die Jugend von dem Zeug fernzuhalten. Denn bis vielleicht auf ein paar Möglichkeiten in Ostberlin kam man da gar nicht ran, selbst wenn man das gewollt hätte und wenn, dann auch nur maximal Haschisch. Nö, die “Aufklärung” diente dazu den Westen zu diskreditieren, indem man a) den Junkies die Flucht aus der sozialen Perspektivlosigkeit und b) “den Herrschenden” eine wohlwollende Duldung unterstellte, damit die dumme Masse bedröhnt vom Klassenkampf abgehalten werden würde. Das alles gab es freilich ausschließlich im Westen. Dafür wurde in der DDR gesoffen, was das zeug hielt und gerüchteweise experimentierten einige Lebensmüde mit vogelwilden Mixturen aus Alkohol, Medikamenten und Reinigungsmitteln. Wie auch immer, bei mir hat die ideologische Imprägnierung insofern dauerhafte Wirkung gezeigt, dass ich bis heute absolut null Interesse an irgendwelchen bewußtseinserweiternden Mitteln habe. Ist wie mit dem Rauchen: zwei Nikotintote in der unmittelbaren Verwandschaft innerhalb eines Vierteljahres in der Pubertät und schon hab ich auf den damaligen Gruppendruck gepfiffen und das bis heute durchgehalten.
Nun bin ich Mitglied einer *hüstel* derzeit nicht besonders wohlgelittenen Partei, die sich, zumindestens theoretisch, ein Höchstmaß an persönlicher Freiheit als Programm gegeben hat. Von daher müsste ich analog der wortvogelschen Argumentation für die Freigabe sein, ich gebe jedoch zu, dass ich mich innerlich sehr schwer damit tue.
Noch etwas zum Thema Kriminalität und derem prognostizierten Sinken nach einer Legalisierung: Kann sich ernsthaft einer vorstellen, dass vom Kleindealer bis zum Drogenboss alle schulterzuckend “Shit happens” murmeln und danach einer löblicheren Tätigkeit nachgehen?

Oibert
Oibert
13. Februar, 2013 21:03

Also zuerst mal geh ich völlig D’accord mit dem Wortvogel und bin für die völlige Legalisierung aller Drogen. Auch wennich seit 20 Jahren keinerlei legale oder illegale Drogen, nichtmal Koffein, zu mir genommen habe.
Den Entschluss habe ich mit 15 Jahren gefasst, nachdem ich zwischen 13 und 15 fast jedes Wochenende 2x blau war und wir sogar im Schulspind eine ganze Bar untergebracht hatten. Gekifft genauso, zumindest versucht. Gewirkt hat es allerdings nie.
Ich kenne auch mehr als genug Leute die sich alle möglichen Drogen einfahren, Ex-Junkies, Leute die auf LSD hängengeblieben sind auch auch noch ein Jahr nach dem letzten Trip gewirkt haben als ob sie ihn sich erst 20 Minuten vorher eingeworfen haben.
Und trotz all den negativen Beispielen sollte jeder die Freiheit haben es sich selbst auszusuchen wie und ob er sich abschießt.
Was mich wundert ist, dass noch niemand Tschechien erwähnt hat.
Da ist seit 1.1.2010 so ziemlich alles legal was es an Drogen gibt, z.B.
15 Gramm Marihuana, 1 Gramm Kokain, 1,5 Gramm Heroin, 4 Ecstasy-Pillen, 5 Einheiten LSD, 2 Gramm Amphetamine und so weiter.
Für den Eigenverbrauch halt. Siehe http://www.spiegel.de/panorama/grenzen-erweitert-tschechien-und-die-neue-drogenfreiheit-a-673127.html

Marcello
Marcello
13. Februar, 2013 21:42

Hallo zusammen,
ich bin nie mit den “harten” illegalen Drogen in Kontakt gekommen, verspüre auch nicht das Bedürfnis danach. Dennoch schließe ich mich Wortvogels Argumentation und utopischer Zukunftsvision an – ja, eine Legalisierung führt sicherlich zu weniger Kriminalität im Ganzen, Beschaffungskriminalität im Einzelnen und mit Sicherheit auch zu weniger gesellschaftlicher Ächtung – wenn man Alkohol trinkt, ist man heutzutage schließlich auch kein “Problemfall”, sondern eher der Normalzustand.
Was ich allerdings zu bedenken gebe: Natürlich führt die leichtere Beschaffbarkeit auch zu einer gewissen niedrigeren Hemmschwelle. Willst du heute als Teenie an Zigaretten kommen, wirst du schon vor ordentliche Herausfordungen gestellt. Damals ™ ging das an jedem Zigarettenautomaten relativ easy. Dennoch: Wer heute “illegal” rauchen will, findet Mittel und Wege – und wer die härteren Sachen bevorzugt auch. Insofern wäre die generelle Legalisierung nicht nur wünschenswert, sondern würde auch viele “Rand”-Probleme auf einen Schlag beseitigen.

paule
paule
14. Februar, 2013 01:34

Awww ich wurde von Peroy ge…äh…trolled? …dissed? Weiß ich nicht, aber dein Anti-Daumen-Drücken zählt genausoviel wie das ernst gemeinte Drücken der Anderen! :p
Ich gehe im Sommer stationär, habe die Entscheidung Ende letzten Jahres getroffen und durchlaufe jetzt die Vorbereitungen. Spannende Sache, das!
Und der vom WV vorgeschliegene Ansatz würde viele, viele Jugendliche tatsächlich abhalten, trotz der erwähnten niedrigeren Beschaffungsschwelle. Ich und mein Freundeskreis haben uns damals damit einfach radikal abgegrenzt, haben es aus Lebenslust und gegen die Norm gemacht.
Und, was man ganz klar dazu sagen muss: Nach meiner Erfahrung muss man suchtveranlagt sein. Ich kenne Leute von früher, die damals schon härtere Sachen genommen habe als ich bis heute, die teilweise immer noch nehmen und die Partydrogen schmeißen wie Smarties – mittlerweile aber trotzdem ihr Traumstudium abgeschlossen haben, arbeiten, undwasweißichnochalles für respektable Dinge mehr. Und: Sie tendieren mit jedem weiteren Lebensjahr dazu, Drogen nicht mehr so exzessiv zu nehmen.
Ich denke, es hat ganz viel damit zu tun, wie sehr man in sich selbst ruht. Hätte ich früher andere Problemlösungswege gefunden um meinen Konflikten beizukommen, wäre es niemals so weit gekommen, dass ich die Droge brauchte, um mich bei der Stange, auf Normalzustand zu halten.
Deswegen plädiere auch ich dafür, dass man mit Drogen einfach anders umgehen muss. Wenn man in eine Schule geht, in der Drogen verteufelt werden, das Lernen keinen Spaß macht und Individualität und Interesse am kritischen Denken bestraft wird, erscheinen einem Drogen als geeigneter Weg zu rebellieren.
Ich glaube, dass auf diesem Weg viele, viele Menschen vor der Suchtfalle bewahrt werden könnten.
Aber wenn ich mir das hier alles so durchlese, wenn ich mitkriege, wie in Drogenberatungsstellen, ambulanten und stationären Therapiezentren damit umgegangen wird, wenn ich merke, wie durchweg positiv mein Umfeld auf meine Entscheidung reagiert – dann hab ich schon noch Hoffnung. Irgendwie.

Little Feller
Little Feller
14. Februar, 2013 01:35

@marcus
“Körperliche oder psychische Abhängigkeit nach einmaligem Konsum ist nicht garantiert, aber SEHR wahrscheinlich.”
Ich habe mich im rahmen des studiums auch mit dem thema beschäftigt und hatte mal eine liste von drogen und ihrer suchtwirkung(physisch, psychisch,beides…). Leider weiss ich nicht mehr so genau wo was zuzuordnen war, alkohol war aber zb eine droge, die physisch und psychisch abhängig macht. Im gegensatz zu cannabis zB. Das problem bei der “einstiegsdroge” cannabis ist, dass man zur besorgung auch zum dealer muss, und der zum “anfixen” auch mal ein tütchen was anderes mitgibt, so als dreingabe. Und da würde die legalisierung dann schon greifen, in dem man eben nicht an irgendwelche dealer gerät die da ein geschäftsinteresse haben. Eine generelle legalisierung aller drogen halte ich dennoch für problematisch, eine, für uns, halbwegs vernünftige realisierbare lösung allerdings konnte ich noch nichtmal mit meinem kollegen ferarbeiten 🙂

hilti
hilti
14. Februar, 2013 02:02

Der Artikel stellte eine These auf, von der er selbst konstatierte, dass sie der Drogenpolitik der Regierung Probleme bereiten könnte: Drogensucht ist endlich. Irgendwann kann der Rausch auch mit größten Dosen nicht mehr erreicht werden, die Gewöhnung des Körpers geht in eine natürliche Entwöhnung über. Daraus folgert: wird der Körper lange genug mit “sauberen” Drogen in kontrollierter Menge versorgt, ebbt die Sucht in vielen Fällen wieder ab. Der Junkie muss es nur bis dahin überleben.

Hört sich erstmal plausibel an, aber mit Blick auf Raucher und Alkoholiker abwegig.
@Vogel 29

“Allerdings sehe ich es auch so wie du, dass Konsumenten nicht bestraft, sondern therapiert werden sollten. Abschreckung durch Strafe funktioniert in der Regel nicht. Deshalb würde ich die Illegalität nur auf die Herstellung und den Handel beschränken.” – du kannst aber nicht ernsthaft den Besitz und den Konsum von etwas legalisieren, ohne auch die Herstellung und den Handel zuzulassen. Damit schaffst du nämlich das aktuelle Problem – Herstellung und Handel liegen in den Händen von hoch professionellen Kriminellen, kosten Milliarden und Menschenleben. Ein Verbot verhindert Herstellung und Handel nicht, es macht sie nur zum Verbrechen. Damit ist nichts gewonnen.

Natürlich ist mit der Legalisierung von Konsum und Besitz in kleinen Mengen was gewonnen. Konsumenten/Süchtige werden nicht mehr kriminalisiert. Das entlastet Polizei und Gerichte und wer nicht mehr verknackt werden kann kann im Knast auch nicht mehr mit richtigen Verbrechern in Kontakt kommen. Passender Telepolis-Link steht ja schon oben.

Howie Munson
Howie Munson
14. Februar, 2013 06:29

Noch etwas zum Thema Kriminalität und derem prognostizierten Sinken nach einer Legalisierung: Kann sich ernsthaft einer vorstellen, dass vom Kleindealer bis zum Drogenboss alle schulterzuckend “Shit happens” murmeln und danach einer löblicheren Tätigkeit nachgehen?

Also viele Kleindealer sind das doch nur geworden, um sich den eigenen Stoff zu finanzieren oder seh ich da was falsch? Und die großen Fische haben eh noch andere Dinge laufen, aber um die ging es auch nicht, die überfallen keine Omas und klauen auch keine Autoradios.

Dietmar
Dietmar
14. Februar, 2013 08:23

@Wortvogel:

Ich bleibe dabei – die Genetik kann allenfalls in engen Grenzen die Wahrscheinlichkeit beeinflussen, nach der wir an bestimmten Krankheiten erkranken, wie leicht wir süchtig werden, wie einfach unser Körper auf Diät oder Sport anspricht. Aber das ist kein Schicksal, sondern nur ein Zünglein an der Waage – die Masse unserer Entscheidungen ist ein Ergebnis von sozialem Umfeld, Bildung, Intelligenz, erfahrener Wärme, Status, etc.

Äh, ja, etwa das wollte ich gesagt haben. Aber: Dass das eine genetische Veranlagung ist, macht eine Drogensucht weniger vorwerfbar, womit die staatliche Sanktionierung fragwürdig wird. Natürlich humpelt mein Vergleich mit der Homosexualität, ich wollte das ja auch nicht gleichsetzen, sondern sie nur beleghaft als Vergleich nutzen (“man könnte das ähnlich sehen”), dass die Sanktionierung anlagebedingter Handlungen zu hinterfragen ist.

Dietmar
Dietmar
14. Februar, 2013 08:26

@Matthias:

@Dietmar
“Warum erst jetzt?”
Weil ich von vielen anderen Themen dieses Blogs wenig bis gar keine Ahnung habe.

Mich hält das nicht ab … 😉

Peroy
Peroy
14. Februar, 2013 09:03

Krokodil würde ich unbedingt als erstes freigeben… das wird witzig…

Kettensägenhorscht
Kettensägenhorscht
14. Februar, 2013 13:48

@Peroy:
Normalerweise würde ich dir wohl, wie es auch korrekt wäre, antworten:
Deine Mudder würde ich unbedingt als erstes Freigeben.
Da wir aber hier nicht bei BM sind:
Krokodil = selbstgepanschtes Desomorphin.
Bei legaler Verfügbarkeit vergleichbar potenter bzw potenterer Opiate/Opioide, die vergleichbares emetisches und sedierendes Potential aufweisen, würde kaum jemand noch darauf zurückgreifen, wenn man bspw. problemlos pharmazeutisches Diacetylmorphin (den Wirkstoff des Heroins, dessen Anteil in Straßenstoff in Europa im Durchschnitt wohl 3-9 % ausmachen soll, der Rest ist irgendwelcher Streckstoff) beziehen könnte.
Hinzu kommt, dass du dir ausgerechnet einen Stoff als Beispiel ausgesucht hast, der selbst in der deutschen Junky-Szene einen miserablen Ruf hat, während Diacetylmorphin – sofern keine Überdosierung verabreicht wird – mit Ausnahme der Suchtentwicklung und der hiermit verbundenen körperlichen Symptome bei Entwöhnung (die allerdings auch in vergleichbarer Form bei Benzodiazepinen existieren), keine nennenswerten Schäden physischer Art hinterlässt.
Anders ausgedrückt: Wozu sollte man sich noch halblegale Cannabinoide, Tryptamine oder Phenetylamine in Form von “Räuchermischungen”, “Badesalzen” usw. usf. kaufen, deren Risikopotential erheblich höher liegt, wenn der gewünschte Effekt bei deutlich geringerem gesundheitlichen Risiko verfügbar wäre?

Mencken
Mencken
14. Februar, 2013 14:05

@Wortvogel: So leicht funktioniert die Trennung aber eben leider nicht. Wie ist es denn mit Leuten, die nicht genug Sport treiben / zuviel Fastfood essen oder Krebs aufgrund anderer ungesunder Vorlieben bekommen? Dann ist da noch die Frage, warum jemand, der genetisch eine höhere Chance hat, Krebs zu bekommen, besser gestellt werden sollte, als jemand, der eine Veranlagung zur Sucht mitbringt. Weiter gedacht könnte man dann j z.B.a auch Asbest und ähnliche Stoffe für Eigenheimbauer mit geringem Budget freigeben oder auf Lebensmittelkontrollen verzichten, ist ja alles letztendlich auch nur freie Entscheidung.
Persönlich bin ich immer noch der Ansicht, dass der Staat auch eine moralische Vorbild(und Schutz-)funktion hat, dementsprechend kann ich mich mit einer Kapitulation vor der vermeindlich unabänderlichen Realität auch nicht anfreunden (Konflikte und Kriege werden oft ja auch gerne mit der Natur des Menschen gerechtfertigt, Sexismus, Rassismus etc. ebenso) und die positiven Folgen zweifele ich auch an (Amsterdam ist mir da Warnung genug, wer die Niederlande lobt, hat dort vermutlich noch nie länger gelebt und z.B. die Crack-Abhängigen in Rotterdam oder Amsterdam begutachten dürfen), aber will dennoch nicht abstreiten, dass so ein Ansatz sogar funktionieren könnte, bzw. auch erhebliche Vorteile bietet.

Wortvogel
Wortvogel
14. Februar, 2013 14:19

@ Mencken: Der Staat hat eine Vorbild- und Schutzfunktion. Das finde ich auch. Er kann mich warnen, kann Unternehmen an die Kandarre nehmen, damit sie mich nicht gefährden. Er kann eindeutig krank machende Substanzen verbieten. Er kann bestimmte Handlungen und Vorgänge Jugendlichen unzugänglich machen. Das ist seine Aufgabe. Aber wie hier ausgiebig erwähnt wurde: Drogen bieten (im Gegensatz zu Asbest und Fingernägeln in der Lasagne) einen “Gegenwert” für den Konsumenten. Wer bereit ist, den Preis zu zahlen, hat auch das Recht dazu. Und genau deshalb hat der Mensch auch ein Anrecht auf Fastfood und Faulheit. Weil er die Vorteile für sich persönlich höher wertet als die Nachteile.
Die soziale und wirtschaftliche Kontrolle gibt es ja trotzdem: Versicherungen haben mittlerweile Dutzende Klauseln, nach denen Raucher, Nicht-Sportler und Freunde von Extremsportarten schlechter gestellt sind. Das wäre in meinem Entwurf mit Drogen nicht anders.
Drogenkonsumenten sollen nicht besser gestellt werden – sie dürfen nur nicht schlechter gestellt werden.
Und was die “Kapitulation” angeht: es ist keine. Es ist ein Strategiewechsel. Natürlich kann man jede Änderung einer Richtung willkürlich als Kapitulation denunzieren. Aber “weitermachen wie bisher” scheint mir der erheblich dümmere und destruktivere Ansatz.

Peroy
Peroy
14. Februar, 2013 16:04

@Horacht: Tja, ihr kennt euch halt alle mit Drogen besser aus als ich…
Im Sinne der Gleichberechtigung aller Drogen sollte es aber natürlich trotzdem freigegeben werden. Der Konsument sollte die Wahl haben. Eigenverantwortung und so…

Mencken
Mencken
14. Februar, 2013 22:38

@Wortvogel: Alles richtig, aber die derzeitige soziale und wirtschaftliche Kontrolle ist stark beschränkt und die Kosten für das System sind immer noch so hoch, dass die Kontrollfunktion eigentlich erheblich härter ausgeübt werden müsste. Drogen bieten nebenbei auch nicht mehr Gegenwert als Asbest (eigentlich ein Superstoff, wenn nur die Nebenwirkungen nicht wären, aber das gilt ja auch für Drogen) oder andere Dinge und Stoffe, die mittlerweile verboten sind, was davon im Einzelfall besonders ansprechend ist, ist dann einfach eine Frage der persönlichen Präferenz (Fingernägel in der Lasagne sind hingegen wie gestreckte Drogen ein anderer Aspekt).
Zwischen “weitermachen wie bisher” und Legalisierung gibt es ja ausserdem auch noch diverse andere Möglichkeiten und ich denke, Kapitulation trifft die Sache schon, weil letztendlich doch immer eingeräumt werden muss, dass der Staat nicht in der Lage ist, seiner Schutzfunktion gerecht zu werden, und dementsprechend nur auf Eigenverantwortung setzen kann. Ein Strategiewechsel ist es jedenfalls nicht, da sich auch das Ziel ändert. Einzig wenn man auf ein Recht auf Rausch und Selbstzerstörung abstellt, wäre dies nicht der Fall. Historisch gesehen spricht auch wenig für ein nachlassendes Interesse im Legalisierungsfall, interessanterweise ist gerade das oft angebrachte Beispiel der Prohibition in den USA schon ein netter Beleg für das Gegenteil, weil dort nämlich -anders als in Filmen suggeriert und heutzutage meist angenommen- tatsächlich ein positiver Effekt des Verbots nachzuweisen ist (was auch für Dry Country bereiche usw. gilt, die heutzutage ja auch noch durchaus vielfach Anwendung finden). Bei Zigaretten fährt man mit der klassischen Abschreckungsmethode ebenso gut (stark sinkende Zahlen), vorteilhaft ist Legalisierung tatsächlich immer nur für die “harten” Junkies gewesen, allerdings immer um den Preis einer weitaus höheren Zahl von “casual usern”.

Exverlobter
Exverlobter
15. Februar, 2013 10:18

„Der Vergleich mit Waffengesetzen kommt nicht ganz hin. Denn wie gesagt, mit Waffen steigt primär die Gefahr für andere, bei Drogen primär die für einen selbst. Und sich selbst sollte man eigentlich schädigen dürfen. Viele der Sekundärschäden von Drogen, die auch andere treffen, entstehen eben erst durch die Illegalität derselben.“
Das Waffen gefährlicher als Drogen sind, hatte ich ja selbst schon klargestellt. Trotzdem ist der Vergleich berechtigt, da sowohl Drogen als auch Waffen ein Gefahrpotential darstellen. Bei Drogen primär für den Süchtigen selbst, und bei Waffen auch noch für andere Leute.
Wo Menschen nicht vor sich selbst geschützt werden, steigen die Todesstatistiken signifikant an. Nehmen wir als Beispiel mal Brücken. Ein klassisches Mittel für Selbstmörder. Und wo sind die Suizidraten am höchsten? Klar, auf der Golden-Gate-Bridge, die so schlecht gesichert ist, dass jedes Kleinkind von der Brücke springen könnte. Und genau dort hast du im Schnitt jede zweite Woche einen Suizid. Einmalig in der Welt. Und welche Berufsgruppen sind u.a. stärksten Suizid betroffen? Soldaten und Ärzte/Apotheker. Weil Soldaten leichten Zugang zu Waffen und Ärzte leichten Zugang zu gefährlichen Substanzen haben, mit denen sie sich das Leben nehmen können.
Wo kein Zugang ist, da ist IMO auch kein, oder wenigstens signifikant reduziertes Gefahrenpotential. Klar, früher hatte jeder zweite von uns auf dem Pausenhof heimlich geraucht. Aber an Spritzen etc. hat keiner von uns im Traum gedacht, eben weil sich gerade zu anstrengen muss, um an solche harten Drogen zu kommen. Von möglichen Problemvierteln mal abgesehen, kommt der durchschnittliche Jugendliche dann mit sowas gar nicht erst in Kontakt. Genausowenig wie man im Internet rein zufällig auf Kinderpornos stößt, obwohl man was normale Pornos anbelangt mit zwei einfachen Klicks schon geradezu beiläufig konfrontiert werden kann.
Will sagen, wo erschwerter Zugang ist, da wird von vornherein ein großer Prozentsatz vom Gefahrenpotential ausgeschlossen. Klar eine Minderheit, die es darauf anlegt kommt immer ran. Sowie ein Selbstmörder, der unbedingt sterben will auch nicht auf die Golden-Gate-Bridge angewiesen ist (von der übrigens die meisten wohl überstürzt gesprungen sind, und es sich anders überlegt hätten, wenn es ihnen nicht so einfach gemacht worden wäre)
Und genauso verhält es sich wohl bei den Drogentoten IMO auch so.

Wortvogel
Wortvogel
15. Februar, 2013 10:40

@ Exverlobter: Oh Mann, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll…
“Bei Drogen primär für den Süchtigen selbst, und bei Waffen auch noch für andere Leute.” – und genau um den Unterschied geht es. Gefahr für andere? Eine Aufgabe der Gemeinschaft. Gefahr für mich selbst? Mein Bier. Und darum ist es NICHT vergleichbar.
“Wo Menschen nicht vor sich selbst geschützt werden, steigen die Todesstatistiken signifikant an.” – Belege?
“Nehmen wir als Beispiel mal Brücken. Ein klassisches Mittel für Selbstmörder. Und wo sind die Suizidraten am höchsten? Klar, auf der Golden-Gate-Bridge, die so schlecht gesichert ist, dass jedes Kleinkind von der Brücke springen könnte.” – das ist nicht nur unbelegt, sondern auch albern. Die Golden Gate Bridge ist nicht schlecht gesichert, ihre Selbstmordrate rührt daher, dass Selbstmörder sich ein einfaches und bekanntes Ziel für den Absprung suchen. Das verspricht Sicherheit und gleichzeitig Aufmerksamkeit, wenn man eigentlich doch gerettet werden will.
“Und genau dort hast du im Schnitt jede zweite Woche einen Suizid. Einmalig in der Welt.” – weil es die bekannteste Brücke der Welt ist. Nicht, weil sie schlecht gesichert ist.
Abgesehen davon ist das ein Scheingefecht: in meinen Augen sollte Suizid sowieso straffrei sein. Nach welchem Maßstab habe ich denn nicht das Recht, mir das Leben zu nehmen, wenn ich andere dabei nicht gefährde? Welches Recht hat der Staat, mich in diesem Fall “vor mir selbst zu schützen”?
“Und welche Berufsgruppen sind u.a. stärksten Suizid betroffen? Soldaten und Ärzte/Apotheker. Weil Soldaten leichten Zugang zu Waffen und Ärzte leichten Zugang zu gefährlichen Substanzen haben, mit denen sie sich das Leben nehmen können.” – was nur beweist, wie viel strikter man Arzneimittel und Waffen kontrollieren muss.
Das mit den Soldaten hätte ich außerdem gerne belegt. Ich finde nur dieses: “Ein erhöhtes Suizidrisiko weisen Berufe wie Mediziner (besonders Zahnärzte), Manager, Metzger, Dachdecker, Maler und Land- und Forstwirte auf.”
Wie erklärst du Maler und Landwirte?
“Wo kein Zugang ist, da ist IMO auch kein, oder wenigstens signifikant reduziertes Gefahrenpotential. Klar, früher hatte jeder zweite von uns auf dem Pausenhof heimlich geraucht. Aber an Spritzen etc. hat keiner von uns im Traum gedacht, eben weil sich gerade zu anstrengen muss, um an solche harten Drogen zu kommen. Von möglichen Problemvierteln mal abgesehen, kommt der durchschnittliche Jugendliche dann mit sowas gar nicht erst in Kontakt.” – wenn jedes Jahr tausend Menschen an harten Drogen sterben und zigtausend süchtig sind, kann das nicht stimmen. QED.
“Genausowenig wie man im Internet rein zufällig auf Kinderpornos stößt, obwohl man was normale Pornos anbelangt mit zwei einfachen Klicks schon geradezu beiläufig konfrontiert werden kann.” – hanebüchenster Vergleich der Woche. Ich versuche es aber gerne noch mal: Kinderpornographie hat Opfer. Die Kinder. Und damit auch Täter. Der Konsum von Drogen nicht.
“Will sagen, wo erschwerter Zugang ist, da wird von vornherein ein großer Prozentsatz vom Gefahrenpotential ausgeschlossen.” – das bleibt unbelegt und blendet auch den Reiz des Verbotenen sträflich aus.
“(von der übrigens die meisten wohl überstürzt gesprungen sind, und es sich anders überlegt hätten, wenn es ihnen nicht so einfach gemacht worden wäre)” – ha! Hammer-Aussage! Ich bin sicher, du kannst das an Interviews mit den Toten belegen.
“Und genauso verhält es sich wohl bei den Drogentoten IMO auch so.” – nein.
Es wäre der Diskussion förderlich, wenn du beim Thema bleiben würdest und nicht irgendwelche albernen, unbelegten Zusammenhänge zu konstruieren versuchst.

Dietmar
Dietmar
15. Februar, 2013 10:55

was nur beweist, wie viel strikter man Arzneimittel und Waffen kontrollieren muss.

´n bisschen frustmeckern: Das gäbe eine Debatte mit Muriel ….

Peroy
Peroy
15. Februar, 2013 10:58

“Wie erklärst du Maler und Landwirte?”
Farbdämpfe und Jauche… schlägt aufs Hirn.

Howie Munson
Howie Munson
15. Februar, 2013 11:57

Wenn man meint Haus und Hof wegen Mißernte zu verlieren, braucht auch nicht sonderlich viel auf’s Hirn zu schlagen um verzeifelt zu sein.
Gelegenheiten gibt es auch genug: Stricke, Leitern und Maschinen mit schnellrotierenden Achsen sind wohl überall anzutreffen…. Oder man wählt Kohlenmonoxid- oder Schwefelwasserstoffvergiftung.
(und wenn man es wie einen Unfall aussehen läßt, zahlt die Versicherung unter Umständen mehr, bzw. muss diese u.U. weniger zahlen, wenn sie “beweisen” kann, dass es Vorsatz war….)

Peroy
Peroy
15. Februar, 2013 11:59

“Wenn man meint Haus und Hof wegen Mißernte zu verlieren, braucht auch nicht sonderlich viel auf’s Hirn zu schlagen um verzeifelt zu sein.”
Aber es schadet auch nicht…

Exverlobter
Exverlobter
15. Februar, 2013 12:00

„Es wäre der Diskussion förderlich, wenn du beim Thema bleiben würdest und nicht irgendwelche albernen, unbelegten Zusammenhänge zu konstruieren versuchst.“
→Ich arbeite gern mit Vergleichen. Da du dich von vornherein mit einem fokussierten Teilgebiet dieses Themas wie du sagst schon seit Jahren beschäftigt hast, muss ich Zusammenhänge mit halbwegs vergleichbaren Aspekten herstellen, um in möglichst kurzer Zeit eine Argumentationslinie aufbauen zu können. Natürlich darf man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Aber worin die Differenz zwischen dem Gefahrenpotential von Drogen und Waffen besteht, hatte ich in meinem ersten Post ja schon selbst dargestellt.
„und genau um den Unterschied geht es. Gefahr für andere? Eine Aufgabe der Gemeinschaft. Gefahr für mich selbst? Mein Bier. Und darum ist es NICHT vergleichbar.“
→ Nochmal, es geht mir primär darum, dass von beiden eine Gefahr ausgeht. Und dass deiner Meinung nach die Gefahr für einen selbst nicht relevant ist, sehe ich nicht so. Aber das würde in eine wertende Diskussion abgleiten, u.a. inwiefern es berechtigt ist, die Leute vor sich selbst zu schützen. In meinen Augen ja, aber das ist normativ, und momentan wohl ein zu weites Feld, kann aber ggf. noch diskutiert werden.
BTW, wenn man die indirekten Effekte von Drogen wie z.B. den potentiellen negativen Einfluss auf die Familien, geschlagene Kinder etc. mit einbezieht, dann stellt sich die Frage ob die strikte Trennung „Waffen sind eine Gefahr für andere, Drogen eher für denjenigen selbst“ so noch gerechtfertigt ist.
„– das ist nicht nur unbelegt, sondern auch albern. Die Golden Gate Bridge ist nicht schlecht gesichert, ihre Selbstmordrate rührt daher, dass Selbstmörder sich ein einfaches und bekanntes Ziel für den Absprung suchen. Das verspricht Sicherheit und gleichzeitig Aufmerksamkeit, wenn man eigentlich doch gerettet werden will.“
„weil es die bekannteste Brücke der Welt ist. Nicht, weil sie schlecht gesichert ist.“
„ha! Hammer-Aussage! Ich bin sicher, du kannst das an Interviews mit den Toten belegen.“
→Ich will das nicht allzu breit ausschlagen, da hier in der Tat die Gefahr besteht, am Thema vorbeizureden. Mein Wissen über Selbstmorde der Golden Gate Bridge beziehe ich u.a. von der Doku „The Bridge“ von Eric Steel. Da wurden die Suizide heimlich gefilmt. Man sieht dass es oftmals ad hoc Entscheidungen der Selbstmörder sind (u.a. läuft ein Jogger die Brücke entlang, geht ans Handy, erfährt am Tel. irgendeine schlechte Nachricht, und springt innerhalb von Sekunden aus dem heiteren Himmel die Brücke runter)
Zur Aussage der „Toten“. In der Doku wurde einer der Überlebenden befragt, und der sagte, dass er bereits im Sturzflug seine Entscheidung bereut hat. Solche Aussagen sind auch von anderen Überlebenden gemacht worden.
Nun zur Aussage, dass die Brücke Leute anzieht, nur weil sie berühmt ist. Laut einem Spiegel-Artikel sprang der erste Selbstmörder bereits wenige Wochen nach der Eröffnung. Normalerweise dauert es doch etwas länger bis so ein Bauwerk eine Art Mythos aufgebaut hat, also für mich eher ein Indiz, dass es eher an der schlechten Sicherung lag. Und in der bereits jahrelangen Diskussion um SUicide-Barriers, wird dieser Grund oftmals als eine der wichtigsten Ursachen für die hohe Selbstmordrate ausgemacht.
Aber zurück zum eigentlichen Thema.
„Das mit den Soldaten hätte ich außerdem gerne belegt.“
→http://www.heise.de/tp/artikel/38/38362/1.html
http://www.sueddeutsche.de/politik/selbsttoetungen-mehr-tote-us-soldaten-durch-suizid-als-durch-kampfhandlungen-1.1573507
Klar, der eigentliche Grund sind Traumata durch Auslandseisätze. Aber der leichte Zugang zu Waffen macht es dieser Berufsgruppe halt leichter ihr Vorhaben auch in die Tat umzusetzen.
Und hier was zum Selbstmordrisiko von Ärzten
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-61366572.html
„wenn jedes Jahr tausend Menschen an harten Drogen sterben und zigtausend süchtig sind, kann das nicht stimmen. QED.“
→Das ist in der Tat größtenteils eine subjektive Einschätzung von jemandem, der in einem Kuhkaff mit 5000 Einwohnern aufgewachsen ist. Ich habe ja aber eingeräumt, dass in Problemvierteln die Sache etwas anders aussehen mag. Zumindest hatte keiner von uns das Bedürfnis sich Spritzen reinzujagen. Ausnahmen gibt es immer. Aber dass harte Drogen gesellschaftsfähig werden, wird so IMO verhindert.
„hanebüchenster Vergleich der Woche. Ich versuche es aber gerne noch mal: Kinderpornographie hat Opfer. Die Kinder. Und damit auch Täter. Der Konsum von Drogen nicht.“
→Nochmals, ich versuche eine Argumentationslinie aufzubauen. Was ich damit meine: Dadurch dass es mir praktisch unmöglich gemacht wird Kinderpornos zu konsumieren (und mit Ausnahme von Kinderpornos hab ich schon den kränksten Scheiß im Internet gesehen, teilweise durch Zufall, Stichwort Scat etc.) kann ich erst gar nicht in Versuchung kommen.
„“Will sagen, wo erschwerter Zugang ist, da wird von vornherein ein großer Prozentsatz vom Gefahrenpotential ausgeschlossen.” – das bleibt unbelegt und blendet auch den Reiz des Verbotenen sträflich aus.“
→Das mag unbelegt sein, ist aber für mich persönlich meine Schlussfolgerung. Sollte ich eine wissenschaftliche Arbeit zum Thema anfertigen, werde ich mich noch detaillierter mit der Thematik beschäftigen. Vielleicht komme ich ja dann zu einem anderen Schluss.

Wortvogel
Wortvogel
15. Februar, 2013 12:22

@ Exverlobter: Ich halte deinen Ansatz für fundamental falsch, weil er die These in den Raum stellt, dass sich Leute eher umbringen, wenn eine Brücke um die Ecke ist, oder eher Drogen nehmen, wenn sie leichter dran kommen, oder eher zur Schrotflinte greifen, weil eine im Schrank steht. Wer Menschen töten will, findet Wege. Wer Drogen konsumieren will, findet Wege. Wer sein Leben beenden will, findet Wege. Sollen wir es Leuten schwer machen, sich etwas anzutun, seien es Drogen oder die Kugel im Kopf? Nein. Weil jeder das für sich selbst entscheiden muss. Die Gesellschaft hat nur die Pflicht, den Menschen vor ANDEREN Menschen zu schützen.

DMJ
DMJ
15. Februar, 2013 18:20

@Exverlobter #84
Die Waffensache hatte ja schon der Hausherr als den vollamputierten Vergleich gekennzeichnet, der sie ist, darum überspringe ich sie mal hier.
“Und welche Berufsgruppen sind u.a. stärksten Suizid betroffen? Soldaten und Ärzte/Apotheker. Weil Soldaten leichten Zugang zu Waffen und Ärzte leichten Zugang zu gefährlichen Substanzen haben, mit denen sie sich das Leben nehmen können.”
Das muss natürlich der einzige Grund sein.
Ist ja nicht so, als wenn Berufe, bei denen es um Leben und Tod gibt, vielleicht auch bessere Chancen haben, einen Anlass für Suizid zu schaffen. In der Versicherung gemobbt werden oder Flashbacks zu dem Tag, an dem man nach dem Ausheben eines Massengrabs versehentlich einen Zivilisten erschoss haben? – Ist doch im Endeffekt das gleiche.
Davon abgesehen (um mal wieder zu den Drogen zurück zu kommen) sind Drogen nun ja auch ziemlich zugänglich. Ja, ich wüsste jetzt nicht, wo ich etwas herbekomme (weil ich mich eben auch nie dafür interessiert habe), aber ich wüsste, wer wen kennt.
Wir Befürworter der Freigabe sagen ja nicht, dass Drogen toll oder harmlos sind. Wir sehen nur darauf, wie schlecht es jetzt, mit Verboten geht, und meinen, dass vielleicht (vielleicht!) ein anderer Weg weniger schädlich ist. Schlicht, weil die Gegebenheiten eben nicht gerade eine Erfolgsgeschichte sind.
#90
“Aber worin die Differenz zwischen dem Gefahrenpotential von Drogen und Waffen besteht, hatte ich in meinem ersten Post ja schon selbst dargestellt.” – Ja, aber nicht den Schluss daraus gezogen, wieso diese Parallele hier einfach keinen Sinn ergibt.
Wenn du einfach nur auf dem Standpunkt stehst, jeder Mensch müsse vor sich selbst geschützt werden, dann könnte man fragen, wer denn da entscheiden darf, wovor, aber darum geht es nicht. Der Standpunkt an sich ist okay. – Aber dann kannst du auch nicht mit uns über einen anderen Punkt diskutieren, wenn wir schon durch unterschiedliche Prämissen getrennt sind.
Beispiel: Jemand der von der buchstäblichen Wahrheit der Bibel überzeugt ist und alles auf dieser Grundlage betrachtet, BRAUCHT nicht mit jemanden, der sich mit Evolution beschäftigt hat zu reden, weil einfach keine Chance besteht, dass sie überein kommen. Schließlich haben sie unvereinbare Grundsätze.
So auch hier: Wir meinen, der Mensch sollte sich schädigen dürfen, du meinst, er sollte es nicht. Ist legitim! Nur bei unseren Überlegungen kannst du da nichts beitragen, weil du eben andere Grundannahmen hast.
“In der Doku wurde einer der Überlebenden befragt, und der sagte, dass er bereits im Sturzflug seine Entscheidung bereut hat. Solche Aussagen sind auch von anderen Überlebenden gemacht worden.”
– Dass sich während des Sturzes der Überlebensinstinkt nochmal meldet, bezweifelt wohl kaum jemand. Zudem wundert mich nicht, dass vor allem Leute überleben, die eigentlich nicht sterben wollen. Der Wille zu überleben kann auch den Körper mehr aushalten lassen. Aber vor allem sagt es wieder mal nichts über die Verhältnismäßigkeiten, die du wieder mal errätst.
Aber komme ich dir mal entgegen: Ja, auch ich glaube, das viele Selbstmorde Impulstaten sind, die nicht begangen würden, wenn Zeit zum nachdenken wäre. Wer also schon eine Waffe/Brücke zur Hand hat, kann sich da schneller umbringen als jemand, der erst eine kaufen/aufsuchen müsste. Insofern WIRD der Zugang tatsächlich die Menge erhöhen.
Nur hier endet wieder mal die Vergleichbarkeit, da drogensüchtig zu werden keine einzelne schnelle Impulshandlung ist. Ja, einmal nimmt man vielleicht eine Ladung Koks, nur weil sie bei Edeka verkostet wird, aber ob man es öfters tut, hat man Zeit zu überlegen. Das ist keine Sache eines einzelnen impulsiven Moments, wie es ein Selbstmord sein kann.

Exverlobter
Exverlobter
16. Februar, 2013 01:27

“Wie sollen Waffen für andere Leute eine Gefahr darstellen, haben die etwa ein Eigenleben?!”
Schon mal was von Newtown gehört?

hilti
hilti
16. Februar, 2013 02:33

Der Exverlobte hat nicht Unrecht, schafft es aber wieder mal nicht auf den Punkt zu kommen obwohl er viel schreibt und lenkt mit seinen Vergleichen mehr ab als seinen Punkt zu verdeutlichen…
Mensch braucht Wille und Gelegenheit um etwas zu machen. Wenn der Wille schwach ist und sich die Gelegenheit nicht bietet, dann wirds halt nicht gemacht. Ist ja etwas anderes wenn ich beim Einkaufen spontan zum Tabak ein bisschen Hasch dazunehme oder zum Sekt etwas Koks oder ob ich extra einen Dealer suchen muss. Oder ob sich abends auf ner Party eine Schnappsidee eben schnell umsetzen lässt oder nicht.
Es stimmt, dass viele Suizide Impulstaten sind. Dazu fällt mir ein was ich (bei Spon glaub ich) letztens gelesen habe. In Großbritannien soll die Packungsgröße bestimmter frei verkäuflicher Schmerzmittel verringert werden, um Impulsselbstmorde zu erschweren, bei denen spontan die komplette Hausapotheke eingeworfen wird.
Noch was zum ursprünglichen Thema. Ich bein gegen die völlige Freigabe aller Drogen. Hauptsächlich, weil es ein gewaltiges Experiment wäre, dessen Konsequenzen unabsehbar wären. Du hast die Risiken selbst genannt. Ich bin dafür wie in Portugal die Konsumenten/Süchtigen zu entkriminalisieren, indem der Besitz kleiner Mengen per Gesetz straffrei gestellt wird. Und nicht so ein Unfug wie derzeit, wo “geringfügige Mengen” in Nrw und Bayern unterschiedlich groß sind, weil die Staatsanwälte unterschiedliche Anweisungen von oben bekommen. Und obwohl es mir eigentlich lieber wäre, wenn auch der Tabak verboten wäre: “Gebt das Hanf frei!”. Wie Little Feller in 72 schon geschrieben hat, damit es nciht mehr als Einstiegsdroge dient.

Trantor
Trantor
18. Februar, 2013 13:14

Artikel im aktuellen Spiegel:
“Legalize it! – Warum immer mehr Politiker und Experten fordern: Gebt die Drogen frei!”
Sag mal, WV, hast Du spezielle Connections, seherische Fähigkeiten oder hat da ein Autor bei Dir etwa sogar geguttenbergt? 🙂

TimeTourist
TimeTourist
19. Februar, 2013 12:28

Klingt abgedroschen – zugegeben – aber ich kann mich deinen Ausführungen nur anschließen. Das ein oder andere Detail müsste zwar noch angepasst werden aber im Großen und Ganzen würde ich dein Parteiprogramm wählen 🙂
Ich selbst nehme keine Drogen, fröne hin und wieder (maßlos) dem Alkohol. Dennoch werden Milliarden in Löcher geworfen, welche sich nie schließen lassen. Aber das ist Deutschland!

Campfire
Campfire
21. Februar, 2013 17:51

Da wollte ich auch mal aus meinem Lurker-Dasein ausbrechen und was schreiben, aber der Herr Trantor war schneller. Interessantes Interview, lesen!

sergej
sergej
24. April, 2013 11:38

Der tolerierte Rausch
Portugal hat vor zwölf Jahren den Konsum weicher wie harter Drogen entkriminalisiert – der beachtliche Erfolg spricht für den Schritt.
http://www.fr-online.de/politik/kampf-gegen-drogen-der-tolerierte-rausch-,1472596,22522906.html

FlashGordon
FlashGordon
14. Juni, 2013 19:48

Ich weiß ja, dass ich ein ganz schneller bin, aber ich guck hier eher selten rein.
Ich habe hauptsächlich ein Problem mit der völligen Freigabe von Drogen aller Art, die sich auf folgende Folge von Randall Munroe bezieht: http://what-if.xkcd.com/40/ Was ist das schlimmste, was einem Druckkochtopf passieren kann? – Wissenschaft.
Stell dir einfach mal vor, was eine Horde von gut ausgebildeten Wissenschaftern alles “designen” kann, um die Menschen in Abhängigkeit zu führen. Ich glaube, kein Pharmaunternehmen der Welt würde sich diesen (deutschen) Markt entgehen lassen. Und die Frage ist dann nicht, ob neue Drogen auf den Markt kommen, sondern welche Firma die hat, die am schnellsten abhängig macht, mit den geringsten Nebenwirkungen. Und wenn wir dann alle die Ketracel-White Schläuche haben, ist unsere neu gewonnene Freiheit auch wieder dahin.
Ich fürchte, sollten meine Überlegungen zutreffen, dann wird es immer eine Grenze geben, die man nicht überschreiten darf. Die viel bessere Frage ist mMn, ob es sinnvoll wäre, gewisse Drogen zu legalisieren, bsp. Mariuhana.

Campfire
Campfire
18. Juni, 2013 10:53

Ich bin ja nicht zuletzt wegen diesem Artikel für die Legalisierung von Drogen, aber man sollte vielleicht eine Kennzeichnungspflicht einführen:
http://saschalobo.com/2013/06/17/marusha-merkel-und-das-deutsche-problem/
“Wegen dieses Artikels”? “Wegen diesen Artikel”? Mann, wer hat sich das ausgedacht…

Dietmar
Dietmar
18. Juni, 2013 11:01

“Wegen diesen Artikels”. Ha! 😉

Wortvogel
Wortvogel
18. Juni, 2013 11:05

@ Dietmar: Der Lobo-Artikel ist WIRKLICH lesenswert.

Dietmar
Dietmar
18. Juni, 2013 11:22

umpuschelt von einer milden Form des Irrsinns.

😀
Erster Lobo-Artikel, den ich gelesen habe. Doch, der ist gut.

Howie Munson
Howie Munson
18. Juni, 2013 13:34

Ich frag mich aber echt wieso die Welt ein Interview mit Marusha veröffentlicht, verschreckt das nicht die Stammleser?? Also die sich eben nie auch nur “halbvegetarisch” ernähren würden….

Wortvogel
Wortvogel
21. Oktober, 2013 21:25