08
Dez 2012

Der zunehmend abnehmende Wortvogel (6)

Themen: Diet Diary, Neues |

Sie sind vielleicht nicht die hässlichsten Schuhe, die ich je gesehen habe – mit Sicherheit sind sie aber die hässlichsten Schuhe, die ich je gekauft habe. Nike Laufschuhe, extrem leicht, extrem gut gepolstert, mit reflektierenden Klettriemen und Mesh-Bezug, gerade mal 300 Gramm pro Fuß. Gekauft 2003 in Las Vegas, so gut wie nie benutzt – wieder einmal war die hehre Absicht dem mangelnden Antrieb zum Opfer gefallen.

Jetzt kann ich sie wieder brauchen. Nach schlappen zehn Jahren.

Es ist weniger der Gedanke, dass ich nun dringend Sport treiben muss – mehr die Motivation, die ich den bisherigen Diät-Erfolgen verdanke. Ich fühle mich stärker und disziplinierter, nachdem ich meinen inneren Schweinehund in der Disziplin “Essverhalten” auf die Bretter geschickt habe. Nun geht es gegen den amtierenden Champion in der Disziplin “Trägheit”.

Auch hier gilt: nicht übertreiben, nicht am ersten Tag japsend in den Rabatten landen. Ich bin 44, leicht übergewichtig und völlig untrainiert, mein Gegner ist der eigene Körper, nicht Usain Bolt.

Eigentlich wollte ich vor einer Woche anfangen. Das ist schief gegangen, um es dezent auszudrücken. Am Dienstag davor war ich bei einem Zahnarzt, um mir den Kiefer für das benötigte Implantat aufbohren zu lassen. Wie eine Pussy hatte ich das lange genug vor mir her geschoben, dabei arbeitete mein Zahnarzt wie immer vorbildlich: fix, freundlich und fast fmerzfrei.

Tag drauf zog es in der Schulter, 24 Stunden später kam ein pochender, stechender Schmerz dazu, der sich bald vom Bizeps bis in den Nacken ausbreitete. An Schlaf war kaum noch zu denken, an Sport gleich gar nicht. ABC-Pflaster, Voltaren-Salbe, Dolomo – nichts half. Das Wochenende war die Hölle. Am Montag ging ich zum Sport-Orthopäden meines Vertrauens, ließ mich abtasten und röntgen. Ergebnis: ich hatte mich im Zahnarzt-Stuhl wohl derart verkrampft, dass meine Wirbel sich im Nackenbereich leicht verschoben hatten und der ganze Rücken davon in Mitleidenschaft gezogen worden war. Ich wurde wieder eingerenkt und bekam ein Mittel, um die Verkrampfungen zu lösen. Ganz schmerzfrei bin ich immer noch nicht, aber es wird langsam wieder besser.

Soviel dazu.

Ich werde mich nun am “Couch to 5k“-Programm versuchen, das ich schon ein paar Mal erwähnt habe. Es ist entwickelt worden, gänzlich unsportliche Menschen jeden Alters in neun Wochen fit für einen 5 Kilometer-Lauf zu machen. Mit insgesamt nur 27 Einheiten. Klingt heftig, scheint aber zu funktionieren. Charlie Brooker schwört drauf (lesenswertes Essay, btw).

Grundlage des Programms war ursprünglich ein Podcast, den man für jede Trainingswoche herunter laden kann. Eine Frau namens Linda leitet einen dabei durch die Laufinstanzen, spielt motivierende Musik und lädt auch zu Pausen ein. Das hat natürlich den Haken, dass man auf Linda nicht hören muss, wenn man nicht will. Mittlerweile kann man sich C25K-Apps für jedes mobile Gerät laden – und da wird der Beschiss schon schwieriger, weil die Programme dank GPS genau protokollieren, wie schnell und wie weit man läuft. Außerdem kann man seine Ergebnisse und Fortschritte uploaden und auf einer Webseite aufbereiten lassen.

Ich habe mich für die kostenpflichtige App von RunDouble entschieden, aber das ist letztlich Geschmackssache. Auch kostenlose Varianten mögen prima funktionieren.

Aus meinem üppigen MP3-Archiv habe ich mir Laufmusik primär aus der Rock-Ecke der 80er zusammen gestellt. Das sollte mich ausreichend antreiben, im Englischen Garten nicht rum zu luschen. Und in neun Wochen müsste ich demnach fünf Kilometer laufen können – bei meiner letzten Jogging-Phase Mitte der 90er war das Standard.

Und weil ich ein echter Nerd bin, werde ich mich nach dem Couch to 5k-Programm von Zombies durch den Englischen Garten jagen lassen. Nichts aktiviert schließlich so sehr die letzten Reserven wie nackte Todesangst.

Für die ganz hässlichen Tage, die Abstände zwischen den Läufen, für die “schnelle Einheit zwischendurch” habe ich meine Vibro Plate aus dem Keller geholt. Die fristete ein ähnliches Dasein wie die Laufschuhe – vor fünf Jahren begeistert gekauft, um damit aufwandfrei trainieren zu können, dann aber doch schnell eingemottet.

Ich glaube nicht an Wunder. Ich glaube deshalb auch nicht, dass die Vibro Plate mir in sechs Wochen das Sixpack und den Bizeps herbei zaubert. Aber zu Auflockerung und Straffung der Muskulatur, zur Anregung des Kreislaufs und des Gewebes sollte es reichen. Und für mehr brauche ich die Plate auch nicht.

Mit diesem Programm könnten beide Ziele sogar ungefähr zeitgleich auf Ende Februar fallen: 5 Kilometer und 85 Kilo. Aber das ist ein “best case scenario”. Ich werde weder mir noch dem Schicksal böse sein, wenn es doch länger dauert. Es ist noch kein Waschbrettbauch vom Himmel gefallen. Und das Luxushotel, das wir für 9 Tage im Januar gebucht haben, lockt mit sieben à la carte-Restaurants, einer Patisserie und diversen Nachtklubs. Da ist eine Diät-Pause nicht nur angemessen, sondern eigentlich Pflicht.

8.12.2012: 94,8 Kilo.



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Achim
Achim
8. Dezember, 2012 13:24

Da wünsch ich dir mal viel Erfolg und auch Durchhaltevermögen.

Wer laufen kann, soll es auch tun. Ich kanns nicht, üble Kopfschmerzen sind bei mir immer die Folge. Für mich gibts ja nur Fitnessstudio mit Crosstrainer, solche, mit geringem Hub, da sonst meine Knie böse auf mich werden.

Und diese Schuhe, die sind schon SEHR hässlich. Auf dem neuesten Stand sind sie zwar nicht, aber was 2003 gut war, warum soll das heute schlecht sein?

MWi
MWi
8. Dezember, 2012 14:05

Na dann mal viel erfolg, dass auch mit dem laufen durchzuhalten 🙂

ich bin ja eher so der fahrrad typ ^^ samstag vormittag mal ne lockere 80 kilometer runde fahren? kein ding. aber beim laufen hab ich dafür schon nach paar hundert metern kein bock mehr *g*

gerrit
gerrit
8. Dezember, 2012 14:17

Bei Laufschuhen ist scheiss egal, wie hässlich sie sind. Passen sollten sie. Und dann sollten sie entweder neu sein oder Dämpfung haben. Am besten beides. Mit Schuhen aus dem Keller tut sich niemand einen Gefallen. Ausser, man trägt sie als Alltagsschuhe und zieht zum Sport dann andere an. Echt wahr jetzt: Du wirst dir den Muskelkater Deines Lebens zuziehen.
Glückwunsch zum bisherigen Ver-
Lauf

comicfreak
comicfreak
8. Dezember, 2012 14:50

..boah, herzlichen Glückwunsch zum bisher erreichten und viel Spaß mit den Zombies 🙂

Peroy
Peroy
8. Dezember, 2012 14:58

Was zum Fick ist eine “Vibro Platte”… ?

edit: Sorry, “Vibrator Plate”…

edit2: Fuck it…

Wortvogel
Wortvogel
8. Dezember, 2012 15:23

@ gerrit: Mir mangelt in deinen Ausführungen die Erklärung, WARUM die vor zehn Jahren absolut hochwertigen, bis heute praktisch unbenutzten Laufschuhe von Nike ungeeignet sein sollen.

gerrit
gerrit
8. Dezember, 2012 17:17

Weil sie kaum Dämpfung haben, sind die sowieso schon mal nicht gut für ein Schwergewicht. Und das bisschen Dämpfung was sie hatten, baut sich durch Lagerung ab. Isso. Disclaimer: Läufer, nicht von der Sportschuhindustrie gesponsert.

Mencken
Mencken
8. Dezember, 2012 20:06

Im Winter würde ich lieber zunächst auf den Sportplatz gehen, durchgefrorener Boden geht ziemlich auf die Knie.

Wortvogel
Wortvogel
8. Dezember, 2012 20:09

@ gerrit: Ein leidenschaftlicher Marathonläufer hat die Schuhe letzten Monat inspiziert und meinte, sie seien nicht nur für einen Anfänger völlig in Ordnung. O-Ton: “Solange die dir nicht vonne Füsse fallen, brauchste keine neuen.”

@ Mencken: Sportplatz ist weit, Englischer Garten ist nah. Und durchgefroren ist der Boden glücklicherweise noch nicht.

milan8888
milan8888
8. Dezember, 2012 22:46

Bei so alten Schuhen kanns dir gerne mal die Sohle zerbrösseln. Mir schon einige Male passiert.

Wortvogel
Wortvogel
8. Dezember, 2012 23:00

@ Milan: Das habe ich natürlich ausgiebig getestet – die Schuhe sind in einem exzellenten Zustand. Zwei, drei Probeläufe haben das bewiesen.

milan8888
milan8888
8. Dezember, 2012 23:06

Ne Weile halten die dann auch aber dann gehts ratzfatz. Das Material ist dann einfach zu spröde.

Wortvogel
Wortvogel
8. Dezember, 2012 23:18

@ Milan: DANN laufe ich natürlich barfuß… 🙂

Exverlobter
Exverlobter
9. Dezember, 2012 05:28

“Und das bisschen Dämpfung was sie hatten, baut sich durch Lagerung ab.”

Schuhe sind doch nicht verderbliche Lebensmittel, die nach einiger Zeit das Schimmeln anfangen.

milan8888
milan8888
9. Dezember, 2012 08:45

Ist bei Autoreifen auch nicht anders…

gerrit
gerrit
9. Dezember, 2012 11:53

Exverlobter, ich will nicht persönlich werden, aber gibt es irgendein Gebiet, auf dem du Ahnung hast? Immer gegen den gesunden Menschenverstand zu argumentieren muss furchtbar schlauchen….

Wortvogel
Wortvogel
9. Dezember, 2012 11:58

In der Tat ist Exverlobters Argument Kappes – gerade Gummi wird spröde, reißt, bröselt. Sieht man auch am Fahrradreifen. Aber: meine Schuhe sind noch okay (ich hatte vor einer Stunde meinen ersten offiziellen Lauf, yay!). Wenn ich merke, dass sie es nicht mehr sind, kaufe ich neue. Zuerst einmal freue ich mich, überhaupt Laufschuhe zu haben. Und ein spezielles Lauf-Shirt hatte ich auch noch – aus der Zeit, als ich ein Laufband hatte. Aber das führt zu weit…

Exverlobter
Exverlobter
9. Dezember, 2012 12:48

Bei mir gab es einen ähnlichen Fall. 2004 ein Paar Turnschuhe gekauft. Die setzten dann 5 Jahre Staub an. 2009 holte ich sie dann aus dem Keller, und die waren wie neu, da bröselt nix.
Die benutze ich immer noch.

John Lenin
John Lenin
9. Dezember, 2012 17:59

Wenn ich kurz darf: es ist weniger eine Frage des Gummis, mehr des Schaums, der zur Dämpfung bei Laufschuhen verwendet wird und der nach ein paar Jahren so ausgehärtet ist, dass man tatsächlich neue kaufen sollte. Aber bei so leichten Trainingseinheiten, wie sie bei einem (nicht böse sein) Anfänger wie dem Wortvogel angesagt sind, sollte man da erstmal nichts merken. Das wird erst relevant, wenn man so viel läuft, dass nicht mehr die Muskeln weh tun, sondern die Gelenke.

Stony
Stony
9. Dezember, 2012 18:05

viel spaß und erfolg beim überwinden des inneren schweinehundes torsten.

ein paar tipps noch noch von jemandem der selbst lange lief:

– geh es ruhig an
– mach dich schlau
– erwarte nicht zuviel
– übertreib es nicht

gerade anfangs wirst du schnell verbesserungen erzielen, der körper paßt sich an und du fühlst dich gut (während und nach dem laufen – wenn du nicht übertreibst). aber das birgt auch die gefahr schnell ‘mehr’ zu wollen: schneller werden, längere strecken laufen. der körper braucht aber eine gewisse zeit um sich dauerhaft anzupassen, gerade die sehnen und bänder sind langsamer als das herz-kreislauf-system und somit verletzungsanfällig.
ganz gemächlich die leistung steigern und immer ordentlich erholen (passiv und aktiv). auch beim erholen kann man viel falsch machen, hier ist wissen sammeln und anwenden angesagt. dein körper wird es dir danken und deine motivation fällt nicht so leicht in den keller, wie sie es tun wird, wenn du dir ne verletzung zuziehst. 😉

ich hab das c25k-programm nur mal überflogen und gleich bild 2 beim stretching stieß mir arg auf: fußspitze greifen ist bullshit, nimm das fußgelenk, sonst machst du dir die patella im nu kaputt!^^

Wortvogel
Wortvogel
9. Dezember, 2012 18:27

@ John Lenin: Warum böse sein? Es stimmt ja. Ich bin blutiger Anfänger und über meine Leistung würde jeder geübte Läufer vermutlich nur müde lächeln. Damit kann ich leben. Und sollte ich das C25K-Programm durchhalten, belohne ich mich zur Woche 5 mit neuen Laufschuhen. Ich habe mich da schon schlau gemacht.

@ Stony: Alles soweit richtig. Ich habe seit der Diät ein gutes Gespür dafür, was ich mir zumuten kann, ohne übermütig oder leichtsinnig zu werden. Sport ist allerdings schwerer, weil er darauf angewiesen ist, dass man etwas TUT, während man bei der Diät nur etwas LÄSST.

Das C25K-Programm wurde von der britischen Gesundheitsbehörde entwickelt und ist millionenfach bewährt. Ich möchte deine Expertise nicht in Frage stellen, aber ich kann kaum glauben, dass da platte Fehler drin sind.

Stony
Stony
9. Dezember, 2012 19:24

ich wollte auch keineswegs dein gespür für zumutbarkeiten in zweifel ziehen, sondern nur sacht auf ein paar punkte hinweisen. erfahrungsgemäß steigt die kurve der leistungsfähigkeit (besonders bei anfängern/wiedereinsteigern) anfangs steil an, um dann schnell abzuflachen und sich der horizontalen anzunähern. die motivationskurve steigt anfänglich ebenso steil, fällt aber (u.U., nicht unbedingt) ebenso leicht wieder ab, wenn die leistungskurve nicht weiter steigt.

aber, und das wird mir gerade klar, kennst du das ja schon von der diät und auch geschichten wie der kauf der vibro-plate. am ende hilft nur dranbleiben wirklich weiter. dazu viel erfolg. 😉

zum c25k: ich will das programm keineswegs schlecht machen und ein wirklich ‘platter fehler’ ist das von mir monierte bild 2 (oberschenkel-stretching) sicher auch nicht.
allein: ich hatte des öfteren probleme mit den knien. eine besprechung mit dem sportmediziner meines vertrauens brachte dann klärung. mal abgesehen von meinen belastungen dehnte ich so wie es das bild bei c25k zeigt und er meinte das führe zu einer überdehnung der patellasehne. eine korrektur des griffs hin zum fußgelenk bzw. dem unteren teil des unterschenkels brachte zwar keine direkte besserung (der schaden war halt schon da), aber das problem verschlimmerte sich zumindest nicht weiter. letztlich soll ja der oberschenkel gedehnt werden und nicht das knie.
probier es einfach selbst mal aus, der unterschied ist deutlich spürbar. 🙂

noch ein kleiner tipp: wenn du nach dem laufen das bedürfnis hast zu essen, um deine ‘energiespeicher aufzuladen’: verkneiff es dir für 1-2 stunden, das hilft der fettverbrennung, mehr als mineralwasser brauchst du nicht…

Wortvogel
Wortvogel
9. Dezember, 2012 19:54

@ Stony: Besonders für den letzten Tipp danke ich dir, denn darüber habe ich mir Sorgen gemacht. Was bringt die Diät, wenn der Sport sie per Heißhunger torpediert? Heute ging es aber ganz gut.