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Sep 2012

Movie Mania 2012 (46): Popatopolis

Themen: Movie-Mania 2012 |

USA 2009. Regie: Clay Westervelt. Beteiligte: Jim Wynorski, Julie K. Smith, Julie Strain, Monique Parent, Glori-Anne Gilbert, Stormy Daniels, Antonia Dorian, Roger Corman, Andy Sidaris, Joe Souza, Lloyd Kaufman, Paul Coufos

Inhalt: Ein Filmteam begleitet 2005 den hartgesottenen Trashfilmer Jim Wynorski (“Chopping Mall”, “Vampirella”, “The Devil wears nada”) bei seinem neusten Projekt. In nur drei Tagen will er die Softsex-Parodie “The witches of Breastwick” runter kurbeln. Schon klar, dass das armselige Budget weder für eine anständige Crew noch für Catering reicht und selbst Porno-Diva Stormy Daniels wundert sich, in was für einem billigen Klump sie hier gelandet ist. Aber Wynorski ist entschlossen, seinen Film ohne Drehgenehmigung für Locations und notfalls gegen den Willen seiner großteils frontlastigen Darstellerinnen fertig zu stellen.

Kritik: Ich habe mir “Popatopolis” (denkt drüber nach, dann kommt ihr drauf) besorgt, um einen Ausgleich für “Screaming in High Heels” zu haben. Ich wollte endlich mal wieder eine Horror-Doku sehen, die nicht bloss von außen das Genre grob zusammen fasst und dabei auf die immer gleichen “talking heads” setzt. Westervelts Film geht einen anderen Weg: er setzt auf den Ausschnitt, auf das Allgemeingültige im Einzelnen. Für ihn sagen die sehr typischen Dreharbeiten eines dahingerotzten Tittenfilms mehr aus über die Branche als alle akademische Reflexion.

Und damit liegt er goldrichtig.

“Popatopolis” ist für jeden, der mit Regisseuren wie Wynorski, Ray und DeCoteau aufgewachsen ist, ein echter Volltreffer. Wir haben immer schon geahnt, dass am Set Schmalhans Kinoküchenmeister ist – aber unter welch unwürdigen Umständen Jim seine fragwürdigen Heuler dreht, erschüttert dann doch. Alle Beteiligten sind sich bewusst, dass sie hier keine Chance haben, einen guten Film oder auch nur eine zufällig gute Szene in den Kasten zu bekommen. Es herrscht eine angespannte präventive Enttäuschung, die kein “making of” der Welt freiwillig zeigen würde.

Zusätzliche Authentizität erlangt “Popatopolis” dadurch, dass zwar alle Beteiligten bereitwillig Auskunft geben, Wynorski selbst aber zu sehr in der Arbeit gefangen ist, um sich für die Dokumentarfilmer aufzuplustern. Er ist genau der fettleibige, schlecht gekleidete, mies gelaunte und am fertigen Produkt desinteressierte Schundfilmer, den wir erwartet haben.

Es sind nur wenige Branchenkenner, die außerhalb der Wynorski-Crew in Interview-Schnippseln Kontext geben, und die sind exzellent ausgesucht: Wynorskis Ziehvater Corman äußert sich ebenso wie B-Queen und Queen B Julie Strain. Auch Andy Sidaris, selbst Spezialist für preiswerte Kracher, hat ein paar konkrete Gedanken zum Thema.

Das heißt nicht, dass hier seligmachende Wahrheiten verkündet werden: Mit typischem LA-Tunnelblick versichern alle Beteiligten, der B-Markt sei tot und man könne sich nur noch mit übelstem Trash überhaupt halten. Das Fantasy Film Fest, auf dem ich mich kürzlich herumtrieb, beweist jedes Jahr aufs Neue das Gegenteil. Der B-Film ist “alive and kicking”, zumindest im Rest der Welt. Nur die LA-Variante, die auf billige Monster, noch billigere Schlampen und ein paar ausgediente Altstars in Gastrollen setzt, hat sich überlebt. Es mag das Problem von Corman, Wynorski und Strain sein, dass sie die Zeichen der Zeit nicht erkannt haben.

Und so kommt auch ein wenig Melancholie auf, weil man das Gefühl nicht los wird, dass Wynorski sich hier massiv unter Wert verkauft – er kann es bloß nicht anders. Aufhören kann er aber offensichtlich auch nicht.

Fazit: Ein ungeschönter, sehr konkreter Blick hinter die Kulissen einer vergessenswerten Trash-Produktion, der eine gewisse Tragik daraus bezieht, dass sich “Starregisseur” Wynorski konsequent dem Bodensatz entgegen arbeitet, während sein Umfeld ihm durchaus mehr zutraut.

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That guy
That guy
11. September, 2012 10:20

“”Der B-Film ist “alive and kicking” Rly? Sagt der Großteil Deiner FFF2012-Reviews nicht das genaue Gegenteil? Zwischen Dutzenden Rohrkrepierern nur gelegentlich ein paar Perlen?!

Wortvogel
Wortvogel
11. September, 2012 10:29

@ That guy: Ich spreche oben (sehr offensichtlich) vom Geschäftsmodell, nicht von der Qualität. Die schwankt naturgemäß.

Mencken
Mencken
11. September, 2012 11:36

“Nur die LA-Variante, die auf billige Monster, noch billigere Schlampen und ein paar ausgediente Altstars in Gastrollen setzt, hat sich überlebt. Es mag das Problem von Corman, Wynorski und Strain sein, dass sie die Zeichen der Zeit nicht erkannt haben.”

Ist das so? Asylum, der Sci-Fi (Sy-Fy) Channel und die anderen üblichen Verdächtigen scheinen mit dem Modell ja durchaus noch erfolgreich zu sein (und Corman hat die Produktion für das Fernsehen ja sehr frühzeitig begonnen, denke nicht, daß er die Zeichen der Zeit verpasst hat).

Film klingt aber sehr interessant, wobei ich Wynorski eigentlich nie mehr als Bodensatz zugetraut habe.

Wortvogel
Wortvogel
11. September, 2012 12:42

@ Mencken: Wynorski hat mit “Lost Empire”, “Chopping Mall”, “Not of this Earth” und einigen anderen Filmen sehr unterhaltsame B-Movies abgeliefert. Dem Bodensatz entgegen arbeitet er sich erst seit Mitte der 90er.

Das LA-Modell krepiert. Noch vor 10-12 Jahren haben die Syfy-Filme durchschnittlich 1,5-2 Millionen Dollar gekostet und das weltweit auch wieder eingespielt. Mittlerweile gehen die Budgets gen 500.000 Dollar, gerne auch weniger. Und international spielen die praktisch gar nix mehr ein.

Frank Böhmert
11. September, 2012 13:56

Holla, der Doku-Trailer macht ja richtig Lust auf mehr! Ich glaube, meta kann ich solche C-Movies genießen.

Der Karsten
Der Karsten
11. September, 2012 15:30

“Noch vor 10-12 Jahren haben die Syfy-Filme durchschnittlich 1,5-2 Millionen Dollar gekostet und das weltweit auch wieder eingespielt. Mittlerweile gehen die Budgets gen 500.000 Dollar, gerne auch weniger. Und international spielen die praktisch gar nix mehr ein.”

Siehe “Neverland”.. war eine Adaption von Peter Pan, die 2010 oder 2011 für SyFy produziert wurde. Was eine Grütze mit miesen Tricks.. selbst “normale” Serien sehen besser aus.

Mencken
Mencken
11. September, 2012 15:38

Interessant. Wo liegt denn das Problem? Marktübersättigung? Fehlende Abnehmer? Hätte gedacht, daß es eigentlich immer mehr Kabelsender weltweit geben müsste und dementsprechend auch eine steigende Nachfrage.

Wynorski Frühwerke kenne ich natürlich, finde aber, auch da sieht es bereits sehr nach routiniertem Handwerk aus, bei dem die Elemente, die die alten Corman-Filme seinerzeit reizvoll gemacht haben, einfach drin sind, weil das seinerzeit eben so erwartet wurde. Mehr Herzblut als in den neueren Werken sehe ich nicht, wobei gerade Wynorski ja auch schon in seiner Anfangszeit den Ruf hatte, sich nur für Titten zu begeistern, insofern vielleicht auch nicht verwunderlich.

Georg
Georg
11. September, 2012 15:59

“Westervelts Film geht einen anderen Weg: er setzt auf den Ausschnitt, auf das Allgemeingültige im Einzelnen….”

Hahaha… die Zweideutigkeit passt.

flippah
15. September, 2012 10:15

Wo bekommt man den denn her? Würde ich mir gern mal anschauen, aber ich finde keine Bezugsquelle.