06
Sep 2012

Movie Mania 2012 (44): Running Time

Themen: Movie-Mania 2012 |

USA 1997. Regie: Josh Becker. Darsteller: it Bruce Campbell, Jeremy Roberts, Anita Barone, William Stanford Davis, Gordon Jennison Noice u.a.

Story: Carl kommt frisch und angeblich geläutert aus dem Knast, steigt bei seinem Kumpel in den Laster – und macht sich gleich auf zum nächsten Coup: er will die Gelder vom korrupten Wäschereibusiness des Gefängnisdirektors einsacken. Dummerweise hat sein alter Freund nur Vollpfosten für den Raubzug aufgetrieben, der prompt an mehr Stellen schief geht, als man für möglich halten sollte. Schon bald ist Carl allein, angeschossen und ohne Geld auf den Straßen von Downtown Los Angeles unterwegs…

Kritik: Zur Movie Mania gehören auch ein paar DVDs, die ich im Euro-Shop abgegriffen habe. Normalerweise gehe ich nicht zu den Wühltischen, aber diesmal habe ich mich verführen lassen. Als Bruce Campbell-Groupie der ersten Stunde konnte ich von diesem 65 Minuten-Werk, von dem ich noch nie gehört hatte, natürlich nicht lassen – zumal die halbe Standard-Raimi-Crew (Josh Becker, Joe LoDuca) mit dabei ist. Ich gönne Bruce die entspannte Nebenrolle in der Serie “Burn Notice“, schlucke auch die Fan-Anbiederung mit Sachen wie “My name is Bruce” und “The man with the Screaming Brain” – aber ich warte immer noch auf den Film, der ihm gerecht wird. In dem er sich nicht zum Clown machen oder die zweite Geige spielen muss.

Ich habe ihn gefunden.

“Running Time” ist ein Herzensprojekt, gedreht von ein paar Kumpeln im Gewerbegebiet von LA für weniger als 200.000 Dollar, in schwarzweiß und (akzeptabel getürkter) Echtzeit. Ein Konzeptfilm, wie ihn normalerweise Filmschulabsolventen kurbeln, die sich in Hollywood empfehlen wollen. Der Cover-Verweis auf “24” und “Cocktail für eine Leiche” mag bei so einem No Budget-Projekt anmaßend sein, aber falsch ist er nicht.

Im Grunde genommen orientiert sich “Running Time” am Film Noir: Der Gangster, die Nutte, der Traum vom besseren Leben. Erst im Finale weicht Becker ab, setzt auf ein Happy End statt einen Abgang in Blut und Pulverdampf.

Nicht nur die überschaubare Laufzeit, auch die vollgepackte Handlung macht “Running Time” sehr kurzweilig. Im Schweinsgalopp werden die Figuren eingeführt und diverse Querverweise und Rückbezüge erlauben eine deutlich tiefere Charakterisierung, als man von Echtzeit-Filmen gewöhnt ist. Quasi “on the go” lernen wir über Carl, dass er an der Highschool mal ein “big shot” war, danach aber nie wirklich was aus sich machte, dass er bereut, aber auch vom Umfeld immer wieder runtergezogen wird. Bewundernswert, wie es Josh Becker gelingt, seinem Helden um den Raubzug herum sogar noch eine plausible, tragikomische Liebesgeschichte zu gönnen.

Vor allem lebt “Running Time” aber von Bruce Campbell, der hier noch schlank und rank beweisen darf, dass er in einem anderen Universum oder einem anderen Jahrzehnt (den 40ern vermutlich) ein großer B-Movie Leading Man hätte werden können. Er strahlt Autorität aus, Attraktivität, aber auch eine gewisse Frustration, die uns Carl sehr sympathisch macht, obwohl er ein scheinbar unbelehrbarer Kleinkrimineller ist. Ich lehne mich da gerne aus dem Fenster: Campbell war nie besser als hier, wo er endlich mal seine Tendenz zum Slapstick und zur Gummigesichtigkeit im Zaum halten darf/muss. Er kann auch eine Nummer kleiner – und glaubwürdiger.

Natürlich kann man “Running Time” kritisieren: manchmal müssen längere Dialoge helfen, notwendige Zeitspannen zu überbrücken, was den Fluss der Geschichte etwas stocken lässt. Und natürlich erfordert die (behauptete) Echtzeit ein paar räumlich und inhaltlich fragwürdige Klimmzüge. Aber die Souveränität von Hauptdarsteller, Kamera und Regie rückt solche Details locker in den Hintergrund.

Josh Becker, für “Running Time” verzeihe ich dir “Alien Apocalypse“.

Fazit: Kleiner Heist-Film in Pseudo-Echtzeit und im Pseudo-Noir-Stil, der seine begrenzte Laufzeit flüssig rum bringt und Bruce Campbell in Bestform an Bord hat.

Diesen Trailer habe ich euch nicht ohne Grund hochgeladen – er wird zwar dem Film nicht gerecht, schreckt aber besser als alles, was ich euch sagen könnte, von der unterirdischen Synchro ab:

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Ja genau: nicht nur ist die deutsche Stimme von Bruce Campbell völlig unpassend, man leistet sich auch Patzer wie “Warden” (Gefängnisdirektor) als Figurennamen misszuverstehen. Gottseidank hält die DVD auch die englische Tonspur vor.



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12 Kommentare
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Felix
Felix
6. September, 2012 15:05

Ist das nicht die deutsche Synchronstimme von David Hasselhoff (zumindest in Knight Rider)?

Visi
Visi
6. September, 2012 15:45

Wenn die deutsche Synchro so mies ist eine kleine Warnung: Die Neuauflage der DVD von New KSM / Starlight mit dem Titel “Der fast perfekte Überfall” hat keine englische Tonspur.

OnkelFilmi
OnkelFilmi
6. September, 2012 15:53

@Felix: Jupp, Andreas von der Meden aka Trapjaw aka Morton aka Skinny Norris aka Kermit der Frosch…

Howie Munson
Howie Munson
6. September, 2012 15:57

@Felix: ja das scheint Andreas von der Meden zu sein.

EDIT: zu langsam…

Baumi
Baumi
6. September, 2012 21:20

Die DVD-Hülle ist aber auch ein Fall für sich – die hätte schon fast einen Platz bei Photoshopdisasters verdient… Aber gut, bei No Budget ist es nur konsequent.

Wortvogel
Wortvogel
8. September, 2012 12:45

Jetzt darf der alte Plagiator Acula gerne noch mal vorbei kommen und Zähne knirschend bestätigen, dass ich natürlich Recht hatte:

http://www.badmovies.de/soap/client.php?title=Running_Time

Dr. Acula
8. September, 2012 12:47

Ich bestätige gar nix *schmoll*

Wortvogel
Wortvogel
8. September, 2012 12:52

@ Acula: Du brauchst nur zehn Seiten mehr, um zum gleichen Ergebnis zu kommen wie ich – loooooooooser!

Zumindest mit dem “Laser Mission”-Review wärst du mir voraus…

Dr. Acula
8. September, 2012 13:03

Meine Kundschaft erwartet nunmal kunstfertige Analysen. Die kann man nicht auf ‘ne halbe Seite klatschen *doppelschmoll*

Wortvogel
Wortvogel
8. September, 2012 13:05

@ Acula: In der Kürze liegt die Würze!

Was mich erinnert: In Kürze bin ich auch wieder in London. Braucht wer was?

Peroy
Peroy
8. September, 2012 13:40

“Was mich erinnert: In Kürze bin ich auch wieder in London. Braucht wer was?”

Einen amerikanischen Werwolf…

Dr. Acula
8. September, 2012 14:08

@Vogel
‘ne Prinzessin? Ein Exklusivinterview mit Nazi-Harry?
Sollte mir was einfallen, geb ich Dir Bescheid 🙂