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Aug 2012

FFF Movie Mania 2012 (17): Thale

Themen: Fantasy Filmf. 12, Movie-Mania 2012 |

NORWEGEN 2012 / 76 MIN / NORWEGISCHE OMEU
REGIE ALEKSANDER NORDAAS

DARSTELLER MORTEN ANDRESEN / ERLEND NERVOLD / SILJE REINÅMO / JON SIGVE SKARD

Offizielle Synopsis: Zwei Freunde mit einem ungewöhnlichen Job: Für die Reinigungsfirma “No Shit Cleaning Services” ziehen die Jungs aus, um Tatorte von menschlichen Überresten zu säubern. Ob glibberig oder flüssig, der sympathisch-schluffige Leo lässt sich durch nichts aus der stoischen Ruhe bringen oder gar den Appetit verderben. Ganz anders ergeht es seinem alten Kumpel Elvis, der nur aus Geldnot einspringt und mit seinem aufmüpfigen Magen angesichts über den Fußboden verteilter Hirnmasse und literweise geronnenem Blut nicht unbedingt eine große Hilfe ist. Ihr neuester Auftrag führt das liebenswert kauzige Duo in ein Haus tief in den Wäldern Norwegens. Aber das, was ihnen hier unterkommt, darauf kann selbst die größte Berufserfahrung nicht vorbereiten. Eine verborgene Tür führt sie in ein verzweigtes Kellergewölbe, vollgestellt mit bizarrem Zeug: veraltete Laborausrüstung, anatomische Zeichnungen, verstaubte Essenskonserven mit seit Jahrzehnten abgelaufenem Verfallsdatum. Urplötzlich springt ihnen eine geheimnisvolle Frau entgegen! Die Schöne spricht kein Wort – erst die Stimme des verblichenen Hausbesitzers vom Band verrät etwas mehr darüber, was ihre großen, unschuldigen Augen verheimlichen …

Kritik: “Thale” ist nicht für Gorebauern, nichts für Actionfetischisten und auch nichts für die Regenmantel-Fraktion (die Hauptdarstellerin ist hübsch und über weite Strecken nackt, dennoch verkneift sich der Film jeden voyeuristischen Blick). Aber erinnert ihr euch, dass ich deshalb so gerne zum FFF fahre, weil man dort genau jene Perlen findet, von denen man vorher nie gehört hat? Argentinische Zeitreisedramen und spanische Barbarenallegorien? In genau diese Kategorie fällt “Thale”, ein sympathisches, wenn auch nicht von hoher Energie getriebenes Fantasy-Märchen aus Norwegen, wo es die Natur der Menschen zu sein scheint, auch bizarrste Entdeckungen mit einer bekifften Ruhe hinzunehmen, als wäre die Entdeckung einer neuen Spezies zu vergleichen mit der Entsorgung von Altglas im Container.

Man merkt in jeder Einstellung, dass nicht viel Geld vorhanden war, aber alle Beteiligten mühen sich nach Kräften und weitgehend erfolgreich, das auszugleichen. Die Stärke der Charaktere und Dialoge ist genug, auch die Schwächen in der (wenigen) CGI zu umspielen und ich stimme daher wieder mal gerne mein altes Klagelied an: Warum kommt bei den Norwegern sowas dabei raus, wenn eine Story mit “Gehen zwei Typen in den Wald…” anfängt, während bei unseren Low Budget-Filmern “Gehen zwei Typen in den Wald…” schon eine Garantie fürs Fremdschämen ist?

“Thale” baut seine kleine, räumlich begrenzte Geschichte mit Rückblenden und Requisiten zu einer faszinierenden Mini-Mythologe von einem Menschenstamm aus, der sich vor Jahrtausenden abgekoppelt hat und nun als seltsame Wildwesen in den weiten Wäldern lebt. Die Konfrontation von Zivilisation und Ur-Natur ist dabei nie direkt, sondern wird geschickt am Beispiel Thales erzählt, die ein gequältes und bemitleidenswertes Bindeglied zwischen den Welten ist.

“Thale” macht es dabei dem Gelegenheitszuschauer nicht einfach, es gibt immer wieder Stimmungs- und Tempiwechsel, die den Film nicht schneller machen, aber desorientierend. Am Anfang wähnt man sich in einer Krimikomödie mit herrlich beiläufigen Dialogen, dann schleichen sich Mystery und Thrill ein, bevor es am Ende eher in eine Sinnsuche bei allen Beteiligen umschlägt (mit der Einführung einer neuen Fraktion, die “Thale” sogar ein wenig an “Universal Soldier” heran führt). Das Ende ist dann kein großer Knall, keine emotionaler Durchbruch, sondern logische wie sympathische Konsequenz.

Somit ist “Thale” nichts für Nebenbeigucker oder Leute, die ihre DVDs nach der Genreangabe auf dem Cover aussuchen. Er hat kein großen “Wow”-Faktor und buhlt nicht mit Exzessen um die Gunst des Zuschauers. Er ist kein cineastisches Popcorn. Aber wer auch mal begeistert in Sachen beißt, die komisch riechen und von denen er noch nie gehört hat, der kann seine filmischen Geschmacksnerven ruhig an diesem stillen Leinwandgericht testen.

Fazit: Ein kleines, lakonisches Melodram über die Konfrontation zweier stoischer Großstädter mit einem psychisch labilen Fabelwesen. Nicht jedermanns Sache (Chainsaw Horst fand ihn schwach) und in der Technik immer wieder mit dem geringen Budget hadernd, repräsentiert er doch genau die Sorte Außenseiterfilm, von der man sich auf dem Fantasy Film Fest gerne überraschen lässt.

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Peroy
Peroy
24. August, 2012 00:02

“Nicht jedermanns Sache (Chainsaw Horst fand ihn schwach)”

Dann ist er das auch. Liest sich eh wie “Monsters: Reloaded”…

DerTim
24. August, 2012 01:27

Thale war auch mein Einstieg in das FFF hier in Hamburg. Ein schöner Film, der mit seinen 76min auch genau die richtige Länge hatte und in mir die Neugierde auf mehr Filme über Norwegens mythologische Figuren geweckt hat.

Schade nur, daß der Trailer mal wieder ein bißchen viel verrät…

Marko
24. August, 2012 07:59

Ich krieg ja jedes Mal einen Herzaussetzer, wenn ich sehe, das jemand was zum Thema “Fabelwesen in echt” verwurstet … irgendwann klaut mir noch jemand meine Buchidee. Verdammt.

heino
heino
24. August, 2012 09:07

Hm, den hatte ich bisher nicht auf dem Schirm, der klingt aber doch recht interessant. Vielleicht kommt er doch noch auf die Liste….

Wortvogel
Wortvogel
24. August, 2012 09:14

@ Marko: Genau, was ist denn damit?!

Marko
24. August, 2012 10:13

@ Wortvogel: Wärest Du auf Facebook unterwegs, wüsstest Du mehr. 😉

Aber ich schulde Dir eh noch einen allgemeinen Statusbericht, ich schreib Dir demnächst, versprochen!

Und zum Buch: Es geht voran. Nicht so schnell wie gewünscht, aber: Es geht voran.

Wortvogel
Wortvogel
24. August, 2012 10:17

@ Marko: Von diesem Facebook höre ich immer wieder, scheint ja eine ganz interessante Sache zu sein…

Marko
24. August, 2012 10:22

Jaja. ^^

Thies
Thies
24. August, 2012 10:24

Ich ärgere mich gerade, dass ich mich gestern spontan umentschieden habe und statt wie geplant in “Thale” dann in “Universal Soldier – Day of Reckoning 3D” ging. Allerdings hatte ich nach drei Misteryfilmen mal Lust auf etwas Deftigeres. Klingt aber als wäre das hier die lohnendere Erfahrung gewesen.

Zwar wird “Thale” nochmal wiederholt, aber dann müsste ich auf das “Chinese ghost story”-Remake verzichten. 🙁

Wortvogel
Wortvogel
24. August, 2012 10:29

@ Thies: Das Programm liegt hier in Berlin etwas günstiger – ich kann alle drei schauen. Mir hilft aber auch, dass es weltweit schon diverse der Filme auf DVD bzw. BlueRay gibt.

Kurioses Problem: Es gibt eine Dopplung von Filmen, die ich beide nicht kenne – bei denen ich mich aber nur deshalb nicht entscheiden kann, weil mich BEIDE nicht interessieren. “Replicas” und “Dinosaur Project” klingen für mich wie “Dumb & Dumber”…

Thies
Thies
24. August, 2012 10:36

@Wortvogel

Davon gibt es in Hamburg auch ein paar Slots. Bei der Wahl zwischen “King of Pigs” und “Portrait of a zombie” frage ich mich auch ob ich die Dauerkarte wirklich bis zum Äussersten ausreizen sollte oder zwischendurch einfach mal gemütlich einen Kaffee trinken gehe.

Wortvogel
Wortvogel
24. August, 2012 10:38

@ Thies: Ich empfehle Kaffee – mein Review zu “Portrait of a Zombie” kommt gleich…

DMJ
DMJ
24. August, 2012 10:39

Hm… glaube ich hier dem Wortvogel oder dem Horst? Bzw. wem misstraue ich mehr? 😛

Na gut, dann die übliche Methode: Ich will den Film mögen, er klang gleich interessant, dann wird wohl der Horst irren und der Vogel recht haben. So.

Dragonrage
24. August, 2012 22:00

Hallo
Hast du beobachtet Universal Soldier Day of Reckoning am Festival? Und wenn du getan hast … wie war es?

Sorry for my bad German 🙂

flippah
25. August, 2012 11:05

Fies! Warum kannst du so gut beschreiben, warum mir der Film gefallen hat?

heino
heino
9. September, 2012 11:30

Der war wirklich gut. Der lakonische Humor, die einfache, aber effektiv
erzählte Geschichte ohne jegliches überflüssiges Brimborium, das ebenso einfache wie schon unheimlich wirkende Setting, die Musik – nur die CGI hat etwas geschwächelt. Das Ende war etwas zu sehr auf Friede Freude Eierkuchen getrimmt, aber letztlich ist das ein Märchen, da geht das in Ordnung.

Marcus
Marcus
14. September, 2012 10:44

Ich verweise auf den Vogel und auf heino: what they said. 7/10