18
Aug 2011

Fantasy Film Fest 2011: Red State

Themen: Fantasy Filmf. 11, Neues |

USA 2011 / 35 MM / 97 MIN / ENGLISCHE OMDU

REGIE Kevin Smith

DARSTELLER Michael Parks / John Goodman / Melissa Leo / Michael Angarano / Kerry Bishé / Nicholas Braun / Kyle Gallner / Kevin Pollak / Stephen Root

Story (offizielle Synopsis): Ein Date zu dritt, noch dazu mit der absoluten Traumfrau! Aufgeregt ziehen drei Jungs los zu der Adresse, die ihnen auf der Dating-Plattform genannt wurde. Doch mit dem ersten Drink wird der heiße Liebestreff zum scheußlichen Albtraum. Sie erwachen in den Fängen einer ultrakonservativen Sekte, die dem zügellosen Sex den Kampf angesagt hat. Während die Jungs um ihr Leben bangen, rüstet sich eine Spezialeinheit zum Sturm auf die mittlerweile zum Staatsfeind erklärte Sekte und die Five Points Trinity Church kollabiert in einem Inferno aus Blei und Blut.

Kritik: Ich sitze in der Lounge des Cinemaxx, niemand außer mir da, lila-grünes Dekor, im Hintergrund dudelt eine der großen unterschätzten Balladen der 80er: „Your eyes“ von Cook da Books aus „La Boum“ (fuck „Dreams are my reality“!). Genau die richtige Umgebung, um meinen ersten Review „on the fly“ zu schreiben…

Was blieb Kevin Smith eigentlich noch? Big Budget-Hollywood hat den schrägen Comedy-Comic-Filmer nie ins Herz geschlossen, seine „Superman“- und „Green Hornet“-Projekte blieben Pipe Dreams. Ewig „Jay & Silent Bob“ geht auch nicht, spätestens mit der TV-Zeichentrickserie war das Konzept eigentlich durch und ausverkauft. „Jersey Girl“? Romantische Komödien ohne Eier können andere augenscheinlich besser.


Also noch mal: Was blieb Kevin Smith? Seine Antwort: Ein schmutziger, gewalttriefender, zynischer, politischer, schmerzhafter wie komischer Rundumschlag, der ihn als Regisseur und Auto neu definiert, als habe er gerade die Filmhochschule verlassen und wollte Hollywood mal kräftig in die Eier treten. Das hat soviel Wut, soviel Schub, soviel Befreiung, dass man unwillkürlich denkt: “Warum hast du das so lange in dir brodeln lassen?”

“Red State” müht sich redlich, nicht an der Oberfläche zu bleiben, obwohl seine atemlose Dramaturgie (bis auf zwei, drei gewollt statische Szenen) kaum Raum für Grundsatzdiskussion lässt: Wir sehen, dass die Fundamentalisten zwar verrückt wie Scheißhausratten sind, aber in ihrer eigenen verwirrten Welt “die Guten” sein wollen. Sie sehen sich in einer Welt aus Sünde und Gewalt gefangen, mit Gott auf ihrer Seite. Und das Polizeiaufgebot? Handelt politisch, denkt an die Medien und Waco, will gemachte Fehler mitsamt der Zeugen aus der Welt schaffen. Es geht nicht um Gerechtigkeit oder “rule of law” – die Staatsmacht muss die Gewalthoheit zurück erobern. Wer zwischen die Fronten gerät, ist gefickt. Soviel Zynismus war außerhalb des Torture Porn lange nicht mehr.

Dabei ist Smith clever genug, uns immer wieder aus der Spur zu stoßen: Auch prominent besetzte Charaktere können nach 20 Sekunden eine Kugel im Kopf haben, auch sauber eingeführte Protagonisten werden fast schon beiläufig aus der Handlung geballert. Es gibt kein “Gut gegen Böse”, schon gar keine Unschuldigen – es ist ein Massaker.

Getragen wird “Red State” auch von ein paar unglaublich intensiven schauspielerischen Leistungen, allen voran der etwas abgespeckte, aber dadurch nur noch intensiver wirkende John Goodman und Michael Parks, der hier die Rolle seines Lebens spielt. Es ist der Part, den Tarantino ihm immer geben wollte. In einer gerechten Welt wäre “Red State” für Michael Parks das, was “Cop Land” für Stallone war.

Bis in die Nebenrollen großartig besetzt, immer extrem nah an der Action, kompromisslos und perfekt inszeniert. Ein großer “kleiner” Film.

Fazit: Ein knallharter “Waco/Westboro baptist Church”-Kracher, mit dem sich Kevin Smith neu erfindet und endlich für größere Aufgaben empfiehlt. Ein Highlight.

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P.S.: Jetzt läuft hier “Sounds like a melody” von Alphaville. Ich bin im Himmel.



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Dietmar
Dietmar
18. August, 2011 15:18

“der Smith als Regisseur und Auto neu definiert”
Den würde ich so stehen lassen, weil er hübsch ist. 🙂
Das ist jetzt der erste Film, der mich sehr interessieren würde, was vor allem an Kevin Smith liegt.
Na, und deshalb: “Wir sehen, dass die Fundamentalisten zwar verrückt wie Scheißhausratten sind, aber in ihrer eigenen verwirrten Welt “die Guten” sein wollen.” Interessant!

Dietmar
Dietmar
18. August, 2011 15:25

Schon der Trailer schüttelt einen durch …

Dietmar
Dietmar
18. August, 2011 15:25

Schon der Trailer schüttelt einen durch …

Dietmar
Dietmar
18. August, 2011 15:26

Irgendwie ist mein Computer mir nicht wohlgesonnen …
Aber auch so kommt man auf 666 🙂

heino
heino
18. August, 2011 15:41

Klingt vielversprechend, da bin ich mal gespannt. Du brauchst aber dringend mal einen neuen Musikgeschmack:-))

DMJ
DMJ
18. August, 2011 15:54

Jaaaaa! Schon Gregor war ja begeistert, aber ich bin doch froh, wenn ich eine zweite Meinung (noch dazu von jemanden, der kein Schweizer ist) höre und es freut mich, dass Smith es nun wohl endlich geschafft hat, sich vernünftig weiter zu entwickeln.
Ich habe ihn immer gemocht und gerade deshalb war es so unendlich traurig, zu sehen, wie er nach dem verunglückten und krampfhaft bemühten “Jersey Girl” mit hängendem Kopf ein “Clerks 2” drehte, welches ja nun gar nicht schlecht war, aber eben deutliches Zeichen seiner Niederlage.
Nun endlich klappt es anscheinend in einer ganz anderen Richtung.

reptile
reptile
18. August, 2011 15:58

DAS sieht sehr interessant aus. Grimmig und böse. Yeah!

Montana
Montana
18. August, 2011 18:07

Jetzt läuft hier “Sounds like a melody” von Alphaville. Ich bin im Himmel.
Oh ja! Hoffentlich in der Special Long Version. “By the hour of the wolf in a midnight dream” – passt doch zum FFF.

Gregor
18. August, 2011 18:47

Wie DMJ schrob, der Film hat auch mit von den Socken gehauen. Ich hab mir das Ding ja angesehen, ohne die geringste Ahnung zu haben, worum es eigentlich geht (Kevin Smith halt, ne?), und war dann ziemlich überrascht.

Peter Krause
Peter Krause
18. August, 2011 19:03

„Your eyes“ von Cook da Books
Wahre Worte. Ich hab den Film überhaupt nur geschaut, weil das Lied da drin war.

gerrit
gerrit
18. August, 2011 19:31

Scheisse, sieht das geil aus.

bbronx
bbronx
18. August, 2011 20:27

Seit Ewigkeiten hier nur stiller Mitleser, aber wow, that looks genius. Noch viel fun beim fff, leider nicht die Zeit und Möglichkeit das wahrzunehmen.

Wizball
Wizball
19. August, 2011 09:25

Zu “Your Eyes”: Der Song hat natürlich den entscheidenden Vorteil, dass er nicht bis zum Erbrechen im Radio totgenudelt wurde wie “Reality” und daher auch nicht dessen Abnutzungserscheinungen aufweist.
Ich mag trotzdem beide Songs (und die Filme sowieso).

Howie Munson
Howie Munson
19. August, 2011 17:07

Ich mag beide “Feten”-Songs und -Filme nicht sonderlich *duck*
Sounds like a melody schon eher…
(nein ich mach nicht den Ersatzparott *ggg*)
BTT: Kommt Red State auch allgemein in deutsche Kinos?

heino
heino
19. August, 2011 17:58

Ich bin da ganz bei dir Howie. Ich fand sowohl die Filme als auch die Musik öde. Aber ich mag ja auch Breakfast Club nicht.

heino
heino
25. August, 2011 01:46

Der hat richtig Spass gemacht. So einen zynischen Hassbrocken hätte ich dem sonst eher leise ironischen Smith nicht zugetraut. Und das Ende ist so richtig schön abgefuckt und fies, dabei aber wirklich naheliegend. Toller Film:-)

Marcus
Marcus
25. August, 2011 02:22

Ja, der war gut. Das übliche Smith-Dialoggold am Anfang, etws Humor, gegen Mitte regelrecht bretthart und so fies, dass man sich denkt “Keule, wenn das ‘ne Komödie sein will, failt es gerade”, und dann…. das Ende. HÄHÄHÄ!
Großes Tennis. 9/10

Peroy
Peroy
25. August, 2011 03:03

Also scheisse. Schade, hab’ mir von dem viel erhofft…

Marcus
Marcus
25. August, 2011 10:18

Gräm dich nicht, Peroy, kommt ja bald “Ghost Rider 2″….

heino
heino
27. August, 2011 17:01

“Also scheisse. Schade, hab’ mir von dem viel erhofft…”
Wie du aus ausnahmslos positiven Wertungen diesen Schluss ziehen kannst, ist mir echt ein Rätsel……..

Peroy
Peroy
27. August, 2011 17:16

“Gräm dich nicht, Peroy, kommt ja bald “Ghost Rider 2″….”
Yes, der wird rocken! Flammenwerfer-Pisse! 8)

Peroy
Peroy
27. August, 2011 17:18

““Also scheisse. Schade, hab’ mir von dem viel erhofft…”
Wie du aus ausnahmslos positiven Wertungen diesen Schluss ziehen kannst, ist mir echt ein Rätsel……..”
Ich lese halt zwischen den Zeilen. Und die US-Reviews. Und ich habe die letzten Smith Filme gesehen. Aber den Deckel zugemacht hat “und dann…. das Ende. HÄHÄHÄ!”
Erwarten se nix, dann werden se auch net enttäuscht…

heino
heino
30. August, 2011 00:36

“Ich lese halt zwischen den Zeilen. Und die US-Reviews. Und ich habe die letzten Smith Filme gesehen. Aber den Deckel zugemacht hat “und dann…. das Ende. HÄHÄHÄ!”
Erwarten se nix, dann werden se auch net enttäuscht…”
Dann hast du da aber was reininterpretiert, was keiner gesagt hat. Der Film ist gut und macht Spass. Kein Grund, die Erwartungen runterzuschrauben. Und wenn du deinen letzten Satz als regelmässiges Motto verwendest, müsstest du ja eigentlich jeden Film gut finden…..

Will Tippin
Will Tippin
8. September, 2011 23:36

Jepp, guter Film, auch schauspielerisch große Klasse. Nach etwa 20 Minuten kam mir der Gedanke: “Moment mal, höre ich mir gerade seit zehn Minuten gebannt die Predigt eines durchgeknallten Fanatikers an?”. Vielleicht der beste Film des Festivals.

Peroy
Peroy
13. September, 2011 10:46
Wortvogel
Wortvogel
13. September, 2011 11:10

@ Peroy: Ich finde den Cinema Snob nicht halb so smart, wie er sich selber findet (auch wenn er ein solides Verständnis für Dramaturgie hat) – und sein Kumpel ist ein Depp.

Peroy
Peroy
13. September, 2011 11:14

“@ Peroy: Ich finde den Cinema Snob nicht halb so smart, wie er sich selber findet (auch wenn er ein solides Verständnis für Dramaturgie hat) – und sein Kumpel ist ein Depp.”
Och, das sind beides Vollidioten. Aber darum geht’s ja nicht…

XXX
XXX
28. Oktober, 2011 15:24

Finde den Film in Ansätzen gut, aber die 12-Minuten-Predigt des irren Fundis (nach etwa 14 Minuten Laufzeit) ist der totale Showstopper.

Wortvogel
Wortvogel
28. Oktober, 2011 15:35

@ XXX: Sehe ich erwartungsgemäß anders – es ist ein packender Einblick in eine Welt, die uns sonst verborgen bleibt. Gerade durch die lange Rede wird verdeutlicht, wie diese Fundis die feindliche Außenwelt wahrnehmen. Im Rohschnitt soll die übrigens doppelt so lang gewesen sein.

XXX
XXX
28. Oktober, 2011 15:49

Den Punkt hätte man auch mit einer dreiminütigen Rede rüberbringen können. So wirkt es wie Füllmaterial, um die ohnhin nicht sehr lange Laufzeit des Films zu strecken. Alles wiederholt sich bis zu dem Punkt, da man den Fernseher anschreien will, dass man schon kapiert hat, was Smith uns hier zeigen will.
Dass die die Außenwelt als feindselig wahrnehmen, lässt sich leichter darstellen. Und dass sie absolut radikale Fundis sind, wird auch schon vor der Predigt dem Zuschauer vermittelt.

Wortvogel
Wortvogel
28. Oktober, 2011 16:13

@ xxx: Wie schon angemerkt: Das sehe ich anders. Und mein Eindruck im Kino war, dass die meisten Zuschauer es auch gut fanden. Aber das ist natürlich subjektiv.

Will Tippin
Will Tippin
28. Oktober, 2011 20:30

Also ich hatte da im Kino auch fasziniert zugehört und irgendwann gedacht: “Moment mal, höre ich da gerade seit zehn Minuten der Predigt eines Irren zu und langweile mich nicht?”

milan8888
milan8888
18. November, 2011 22:15

Grad gesehn. Von mir aus hätte die Predigt auch länger sein können. Half etwas sich in die Spinner hinein zu versetzen und so war ich mehr im Film drin als wenn einfach nur irgendwelche Bad Guys weg geballert worden wären.

Peroy
Peroy
18. November, 2011 22:51
milan8888
milan8888
18. November, 2011 23:10
Peroy
Peroy
18. November, 2011 23:51

“Speed Racer” ist ja auch toll…

TomHorn
TomHorn
19. November, 2011 01:20

Ach ja, Moonshade hat aber auch “Command Performance” 2/10 gegeben. Der wabert in seiner Kritik & seiner Wertung immer sehr hin & her…

Peroy
Peroy
19. November, 2011 01:23

“Ach ja, Moonshade hat aber auch “Command Performance” 2/10 gegeben. Der wabert in seiner Kritik & seiner Wertung immer sehr hin & her…”
Schmierwurscht…

Peroy
Peroy
17. Dezember, 2011 06:17

“Red State” ist Müll. Ja, ich weiß, sehr aufschlussreiche Analyse, aber es ist spät…

Rex Kramer
20. Dezember, 2011 08:56

Viele gute Ansätze machen leider noch keinen guten Film. Die Figuren bleiben seltsam blass, die Handlung ist nicht zwingend, was dazu führt, dass keine Spannung aufkommen will (das betrifft besonders die Motivation Goodmans, die mir einfach zu dünn ist) und die politische Aussage wirkt abgeschwächt (es sind halt ein paar Verrückte, mit denen nicht mal die Neonazis was zu tun haben wollen). Wirkt fast so, als hätte Kevin Smith auf halbem Weg doch noch Angst vor der eigenen Courage bekommen.
Schade.
Unterm Strich bleibt ein tolles Thema (das mir jedoch zu halbherzig angegangen wurde), tolle Darsteller (allen voran Michael Parks, dessen oft bemängelte Predigt für mich das Kernstrück des Films ist) und einige gut plazierte Überraschungsmomente (besonders, was das Ableben einiger vermeintlicher Hauptpersonen betrifft 😉 )
Unterhaltsam, aber kein “must see”.

TimeTourist
TimeTourist
11. Juli, 2012 08:55

Der Film hat mich seltsam unbefriedigt zurückgelassen. Fand ihn ehr Durchschnitt. Beim FFF war er sicher herausragend.

Nikolai
Nikolai
12. Juli, 2012 08:11

Mir hat auch etwas gefehlt.
Das war wie ein Burger mit Allem drauf was dazu gehört und dann….ne Tofubulette.