21
Aug 2011

Fantasy Film Fest 2011: On the Ice

Themen: Fantasy Filmf. 11, Neues |

USA 2011 / DCP / 96 MIN / ENGLISCHE OV

REGIE Andrew Okpeaha MacLean

DARSTELLER Frank Qutuq Irelan / Adamina Kerr / Teddy Kyle Smith / John Miller / Josiah Patkotak / Rosabelle Rexford / Sierra Jade Sampson

Story (offizielle Synopsis): Weiter nördlich kommt nur noch das große weiße Nichts: Die besten Freunde Qalli und Aivaaq leben im hintersten Winkel Alaskas. Der 5000-Seelen-Ort Barrow ist allerdings nicht von gestern; es haben dort längst hochtourige Schneemobile, Hip Hop und Drogen Einzug gehalten. Zwar stehen die Jungs im Rappen ihren Altersgenossen in Los Angeles und New York in nichts nach, doch die Jagd auf Seehunde gehört immer noch zu ihrem Alltag. Bei einer solchen Tour ins ewige Eis laden die Freunde eine schreckliche Schuld auf sich, die sie unerbittlich verfolgen wird…

Kritik: Manchmal klopft man sich auf die Schulter, weil man sich auf dem FFF Filme aus Argentinien ansieht, Kroatien, Israel, Korea. Das ist so weltmännisch, kosmopolitisch. Wir sind ja keine Kulturbanausen, schauen auch gerne mal über den eigenen Tellerrand. Aber ein Eskimo-Thriller, gedreht von und mit Inuit? Das ist selbst für das Festival eine Außenseiterproduktion. Was passiert bei den Eskimos schon groß?

“On the Ice” beantwortet diese Frage so kompetent wie ausgiebig. Im Grunde genommen ist die Siedlung Barrow, vom ewigen Eis mal abgesehen, nicht anders als die Arbeiterkäffer von New Jersey oder die ehemaligen Malocherviertel von Bochum. Es gibt wenig Perspektiven, die Langeweile vertreiben sich die Teenager mit Sex und Drogen, bevor sie am Ende genau so werden wie ihre Eltern. Der Geschmack bei Musik, Mode und Marihuana ist weltweit gleichgeschaltet.

“On the Ice” gönnt sich eine halbe Stunde, seine Figuren sorgfältig einzuführen. Darum verstehen wir auch, warum Qalli und Aivaaq, als ein Ausflug GANZ schief geht, genau das Falsche tun: Sie vertuschen etwas, das nicht vertuscht werden müsste und machen erst damit aus einem Unglück ein Verbrechen. Was sie verrät ist nicht die Tat oder eine Reihe von Indizien – sie sind es selbst, nervös und dumm, überfordert und aufgekratzt. In einer Episode von “Der Kommissar” habe ich mal eine sehr schöne Beschreibung dieses Phänomens gehört: “Mord verändert einen Menschen. Ich habe nicht die Leiche gesehen, aber die Veränderung.”
All das erzählt der Film mit einer behäbigen Zwangsläufigkeit, so genau beobachtet wie präzise inszeniert. Hier gibt es keine unnötigen dramaturgischen Schlenker, keine Überraschungen, keine großen Konfrontationen. Genau genommen ist “On the Ice” weniger die Geschichte eines Mordes, sondern die Geschichte einer zerfallenden Freundschaft angesichts einer Lüge, die zu groß für die gegenseitig Loyalität geworden ist.

Das ist lobenswert und aufrichtig auch ohne den Exotenbonus. Aber trotzdem würde ich “On the Ice” nur sehr bedingt empfehlen, denn über den einfachen Plot hinaus bietet der Film nicht wirklich viel Entertainment. Es ist ein Film ohne nennenswerte Höhepunkte, dessen Leistung zwar konstant, aber nie wirklich aufsehenerregend ist. Ein “slow burner” für die Fraktion, die gerne mal etwas abseits des Weges nach Perlen sucht. Kleinen Perlen.

Fazit: Sehr langsam, aber psychologisch glaubwürdig erzähltes Krimidrama vor einem ungewöhnlichen Hintergrund.

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5 Kommentare
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Brandenburgerin
Brandenburgerin
21. August, 2011 20:44

Mannoman, was Du für ein Pensum abspülst…. Ich les eine Rezension durch, gehe zurück auf Start und da ist schon wieder ein neuer Artikel – Respekt!
Zu Inuit fällt mir immer nur der seltsame Spruch ein: “Die haben tatsächlich 20 (oder 30?) verschiedene Wörter für Schnee.” Der hatte mich nie beeindruckt. Wir haben hier mindestens 5 Wörter für Schnee und 10 für Regen…
Können bei diesem Film nicht mal Landschaftsaufnahmen beeindrucken? Du hast nichts in der Richtung erwähnt…

Wortvogel
Wortvogel
21. August, 2011 20:46

@ Brandenburgerin: Angeblich HABEN die Eskimos gar nicht soviel Worte für Schnee. Das ist wohl eine Legende.
Nun gut, es gibt viel Eis zu sehen. Your mileage may vary…

Brandenburgerin
Brandenburgerin
21. August, 2011 21:10

@Gregor: wow. Danke für den Beitrag! Sehr interessante Aufarbeitung. Ich steh auf diese Art von Sprachwissenschaften 🙂

Gregor
21. August, 2011 22:39

Anatol Stefanowitsch ist einer meiner persönlichen Helden. *schwärm*