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Mrz 2011

Das eigenwillige Interview: Katja Bienert

Themen: Film, TV & Presse, Neues |

Katja Bienert 001Für alle, die unter 30 sind oder generell hinter dem Mond leben: Katja Bienert war ein Erotiksternchen in den späten 70ern, frühen 80ern. Nach “Die Schulmädchen vom Treffpunkt Zoo” und “Schulmädchen-Report 13” drehte sie diverse Filme mit dem Kult-Trashregisseur Jess Franco. Später ging es dann ins Fernsehen, u.a. konnte man Katja in der Anfangsphase von “Gute Zeiten, Schlechte Zeiten” 1993 sehen – und passenderweise in der Erotik-Sitcom “Schloss Pompom Rouge” neben Elisabeth Volkmann und Sibylle Rauch. Seither ist es ein bisschen stiller um sie geworden. Neulich kam mir die Idee, sie für die TV Sünde mal um ein Interview anzugehen.

Ehrlich gesagt: Ich hatte erwartet, ein verblühtes und vom Leben enttäuschtes Ex-Starlet zu treffen, das seiner Jugend und seiner “Karriere” nachweint und sich permanent fragt, warum keine großen Regisseure mehr anrufen. Da war ich aber schief gewickelt: Katja Bienert ist extrem aufgeräumt, super freundlich, intelligent und gesellig. Sie steht mitten im Leben und lässt sich von wirklich keiner Frage aus der Spur werfen. Vor allem aber: Sie schämt sich für nichts, was sie getan hat, und versucht auch nichts im Nachhinein schönzureden oder zu rechtfertigen. Das hat mich schwer beeindruckt.
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Darum habe ich mich auch entschieden, das für die TV Sünde stark eingekürzte Interview hier in voller Länge zu bringen. Es gibt aber ein paar Kleinigkeiten zu beachten: Aufgrund der Zielgruppe des Magazins drehen sich übermäßig viele Fragen um das Thema Lust und Erotik. Biographische Details habe ich fast komplett außen vor gelassen, denn gut geführte Interviews zu Katjas Filmen gibt es hier und hier im Internet – und hier sogar fast eine Stunde lang auf Video:

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Ich musste also einen anderen Ansatz finden und entschied mich, Katja mehr nach ihren persönlichen Einstellungen und Befindlichkeiten zu befragen. Das bitte ich bei der Lektüre zu berücksichtigen.

Wegen dezent schweinkramischer Bilder geht es erst nach dem Break los:

Liest man andere Interviews mit Dir, gibt es nie ein schlechtes Wort zu hören, weder zu Jess Franco noch zu Andreas Bethmann. Höflichkeit oder einfach Dein sympathisches Wesen?

Ja, ich bin freundlich und geduldig wie ein Benediktiner-Mönch… Und man kann sich ja auch nur mit den Menschen auseinander setzen, die man vorfindet. Jess Franco ist ein Macho und hört selbst nie gerne die Bezeichnung “König der B-Pictures”, hat aber letztendlich für sein Lebenswerk den Goya erhalten. Bethmann versucht, ihm nachzueifern und macht auch gern aus einem Film mehrere, indem er auch heikle Szenen mit anderen Darstellern einfügt. Das konnte ich nicht gutheißen und bin da schon etwas laut geworden. Wenn mich etwas stört, spreche ich es direkt an. Letztendlich begegnet man sich immer zweimal im Leben und die Filmwelt ist relativ klein.
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Du hast deine ersten Nacktszenen mit 11 Jahren gedreht, für „Die Schulmädchen vom Treffpunkt Zoo“. Dass Du kein Problem damit hattest, ist bekannt. Aber war das nicht auch rechtlich riskant?

Das Risiko ist Lisa-Film gerne eingegangen….es war ein großer finanzieller Erfolg für sie, zumal ich zeitgleich von Uli Edel und dem Autor Horst Rieck für die Verfilmung von “Wir Kinder vom Bahnhof Zoo” angefragt wurde. Aber auf mehrere Hochzeiten kann man ja nicht tanzen…

Wie kann man Kind sein, aber eine (junge, noch dazu nackte) Frau spielen?

Schauspielkunst und Mutter Natur, die es vorzeitig gut mit mir gemeint hat.

Wie ernst war es Dir damals mit der Schauspielerei als Kunst und Handwerk?

Mein Herz hing an der Schule und am lebenslangen Lernen. Meine Großmutter hat im Schloss Hellerau-Laxenburg bei Wien Tanz- und Schauspiel unterrichtet, meine Mutter eine Künstler- und Stuntmen-Agentur geführt und eine eigene Jazz-Gruppe, die “Messengers” gehabt, klassische Musiker. Kreativität, Kunst und Handwerk habe ich täglich eingeatmet und mir abgeguckt.
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Hast Du das Gefühl gehabt, dass man Dich sehr über Deine Bereitschaft definiert, die Lolita zu geben?

Ich hatte eher Sorge, während der Dreharbeiten in Latein etwas zu verpassen…. Und wie gesagt. Man kann nur das spielen, was man vorfindet. Filme wie “Bilitis” oder “Zärtliche Cousinen” waren gerade in Mode.

War die Erotik ein Kapital, das Du auch bewusst eingesetzt hast?

Ich hatte im wahrsten Sinne des Wortes nur eine schwache Ahnung von “Tuten und Blasen” (haha!), war allenfalls gefallsüchtig. Nein, raffiniert war ich nie!
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Stört man sich eigentlich an einem Label wie „Erotiksternchen“?

Nein. Mühsam erarbeitet oder aber in der Jugend nachgeworfen; eine Marke mit Verfallsdatum – wie bei einer Leberwurst…

Die Zeitschrift „Cinema“ hatte Dich 1981 auf dem Cover – topless natürlich. Fandest Du das nicht manchmal scheinheilig?

Heilig war mir nur die Zusammenarbeit mit Jim Rakete, der für Cinema das Cover schoss… Der “Kitzel” an der Erotik ist ja ein bisschen die Scheinheiligkeit, die Doppelmoral und was heute im Nachmittagsprogramm schon zu sehen ist, war vor 30 Jahren ein Tabu.

Hattest Du das Gefühl, mit deiner Nacktheit Objekt der Männer zu sein – oder sie darüber zu kontrollieren?

Keine Ahnung. Ich hatte mit 17 meinen ersten Freund und habe vorab die Männer gar nicht wahrgenommen.

Als du im 13. „Schulmädchen-Report“ mitgespielt hast, warst Du schon etwas älter. Hast Du Dir Gedanken gemacht, wer sich so etwas anschaut – und warum?

Nicht einen Gedanken daran verschwendet: Shame upon me!
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Wie entwickelt man die eigene Persönlichkeit/Erotik, nachdem man sie im Film schon ständig fremdgesteuert gespielt hat?

Tja, da müsste man die Anderen Fragen… Keine Klagen und Dankesbriefe aus aller Welt!

Würdest Du sagen, Du hattest eine „normale“ Jugend?

Ja, sehr behütet und verwöhnt, sehr abenteuerlich, mit vielen, vielen Reisen… Gerne würde ich die Zeit zurückdrehen!

Warst Du damals stolz auf die Lust der Männer, auf Deine erotische Anziehungskraft

War mir dessen nicht bewusst und demzufolge nicht stolz, nein – unbedarft!

Hast du bei Skripts manchmal gedacht „nöh, nicht schon wieder ausziehen“?

Tja, als mir Schlingensief ein merkwürdiges Drehbuch (Kettensägenmassaker, spielte in Afrika, mit Udo Kier) zusandte und Ulrike Ottinger mich gerne als Zwitter-Wesen nackt mit Dalmatinerpunkten durch die Mongolei geschickt hätte, wurde es schon etwas seltsam. Auch Tinto Brass wollte mich für eine Lesbenszene in “Paprika” und für das Stück “Headless in a Topless Bar” von Peter Koper an der Freien Volksbühne als Tabledancerin war ich auch zu feige, zu jung oder zu prüde.
K Bienert
Du warst ja nicht allein in der Trash/Exploitation-Ecke: Uschi Buchfellner, Olivia Pascal – bauen sich da Freundschaften auf? Oder ist es eine Frage von Konkurrenz?

Olivia Pascal sieht auch heute noch blendend aus und hat mich mal in Franco’s “Säge des Todes” aus Zeitgründen ersetzt, persönlich kenne ich sie gar nicht. Elisabeth Volkmann, mit der ich in “Pompom Rouge” lange zusammengearbeitet habe, war ein Herz auf zwei Beinen. Mit Uschi Buchfellner bin ich locker über Rolf Eden – mit dem ich die CD “Tribute to a Playboy” produziert habe – befreundet. Sie sieht heute noch mädchenhaft schön aus, ist sehr diszipliniert.

Internationale Lolita-Darstellerinnen wie Brooke Shields und Phoebe Cates haben den Sprung ins „seriöse“ Kino geschafft – warst Du manchmal neidisch?

Ich bin nie neidisch. Wir haben alle nur eine begrenzte Lebenszeit, die man möglichst nett gestalten sollte. Da ich mich auch mit den Filmhochschulen um den Nachwuchs kümmere , habe ich automatisch mit jungen, engagierten und attraktiven Menschen zu tun – alles hat seine Zeit, auch der Erfolg. Brooke Shields war mit einer alkoholkranken Mutter gestraft und hatte zu ihr ein schwieriges Verhältnis, hatte postnatale Depressionen und – soweit ich mich erinnere – auch ziemliche Schwierigkeiten nach der Calvin Klein-Jeanskampagne… Licht und Schatten! Im Übrigen habe ich auch in seriösen Kinofilmen mitgespielt oder lange Personenporträts a la VIP-Schaukel gemacht mit Daniel Libeskind, Kent Nagano, George Stefan Troller, Norbert Blüm, Dr. Carl Djerassi (komisch, nur Männer…). Das war zwar nett, hat aber längst nicht soviel “Lärm” gemacht wie das Ausziehen.
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Hattest Du nie Sorge, dass die Exploitation-Filme irgendwann in eine Ecke abdriften, aus der Du nicht mehr rauskommst (siehe z.B. das Schicksal von Sybille Rauch)?

Man sollte schon Herr über sein Schicksal sein und eben nicht alles annehmen. Habe für RTL vor Jahren in “Pompom Rouge” mit Sybille gedreht und sie als sehr warmherzig wahrgenommen – schade, dass sie nicht beim “Eis-am-Stiel”-Klamauk geblieben ist.

Gab es Angebote, die Du abgelehnt hast, weil sie für dich zu weit gingen?

Siehe Kettensägenmassaker etc…

Schaust Du manchmal noch die alten Filme?

Nein. Bin zwar sentimental, aber schaue eher nach vorn. In letzter Zeit hat es viele Revival-Anfragen gegeben.  Jess-Franco-Filmabende und Festivals, da wird man mit sich selbst konfrontiert und kommt sich schon vor wie ein ausgestopftes Fossil…

DSCI0343Wie sieht Katja Bienert 2011 die Katja Bienert von 1980?

Um zwei Kleidergrößen schmaler…

Anruf vom Playboy: Sechs Seiten neue Nacktaufnahmen! Reizvoll?

Lachend auf dem Wege zu meiner Bank: Ja!

Was hat sich in Sachen Erotik geändert – sind wir wieder prüder als 1980?

Prüder, blöder, überreizter – es gibt viel zu viele Bilder, die auf einen einstürzen!

Wenn Du es Dir aussuchen kannst, was soll in zehn Jahren hinter deinem Namen stehen? Filmemacherin? Schauspielerin? Erotiksternchen? Rebellin?

Genießerin.



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DMJ
DMJ
25. März, 2011 17:54

Tz…gerade den Schlingensief hat sie abgelehnt. 🙁

gerrit
gerrit
25. März, 2011 20:03

War die Erotik ein Kapital, dass Du auch bewusst eingesetzt hast?
das minus s. Ansonsten: danke

Achim
Achim
25. März, 2011 20:06

“War die Erotik ein Kapital, dass Du auch bewusst eingesetzt hast?”
Bitte das ‘dass’ nochmal überdenken! 😉
nachtrag:
Hups, da war einer schneller

comicfreak
25. März, 2011 20:16

..Frau Bienert wird sich gefreut haben, dass sich mal einer eigene Gedanken gemacht und Fragen überlegt hat, statt nur das Schema XXX abzuarbeiten 🙂
Sehr schön, vielen Dank!

Dietmar
Dietmar
25. März, 2011 20:48

Wow! Wieder mal: Wenn die Leute reden, ergibt sich gerne mal ein ganz anderes Bild als das, das ich vorher hatte.
Vielen Dank!

Thomas Thiemeyer
25. März, 2011 21:01

Sympathisch…

Anderl
25. März, 2011 23:49

Ganz ehrlich: ich bin 37 und hab heute zum ersten Mal von der Frau gelesen. Ist aber interessant und zeigt eine bodenständige Frau mittleren Alters. Wenn das Bild aktuell und repräsentativ ist: eine attraktive bodenständige Frau mittleren Alters.
Achja, “Die Schulmädchen vom Treffpunkt Zoo” oder “Bahnhof Zoo”?

Peroy
Peroy
26. März, 2011 00:34

Ich hab’ mich als Kind immer gefragt, warum man einen Bahnhof in einen Zoo reinbaut… das macht doch die Tiere bekloppt…

sergej
sergej
26. März, 2011 10:05

“Ehrlich gesagt: Ich hatte erwartet, ein verblühtes und vom Leben enttäuschtes Ex-Starlet zu treffen, das seiner Jugend und seiner “Karriere” nachweint und sich permanent fragt, warum keine großen Regisseure mehr anrufen.”
Warum hast du das erwartet?

Wortvogel
Wortvogel
26. März, 2011 11:26

@ sergej: Weil Ex-Starlets, die nicht rechtzeitig reich geheiratet haben, meistens so sind. In den letzten 20 Jahren habe ich ein paar von denen getroffen. Und nein, ich werde keine Namen nennen.

Peter
Peter
26. März, 2011 12:11

Zwischendurch ein bisschen kurz die Antworten, finde ich. Wirkt eher wie ein Fragebogen zum selber ausfüllen. Ich mag Interviews die aus dem Gespräch entstehen, wo der Fragende auch auf die Antworten der vorherigen Fragen eingeht.
Dennoch sehr interessant 🙂

Baumi
26. März, 2011 12:19

@#9 + #10:
Und gerade da sie anscheinend knapp an kulturell “angeseheneren” Filmen vorbei geschrammt ist (“Kinder vom Bahnhof Zoo”, Schlingensief), könnte sie sich ganz leicht in eine Jammer-Rolle a la “hätte ich doch damals nur die Chancen genutzt” zurückziehen.
Macht sie zum Glück nicht. Sie ist anscheinend völlig zufrieden mit dem, was sie gemacht hat und wohin es sie gebracht hat. Find ich gut.

Wortvogel
Wortvogel
26. März, 2011 14:27

@ Peter: Das Interview wurde ja auch nur per Email geführt. Klar ist es da schwierig, “follow ups” zu machen. Persönliche Interviews sind immer besser.

Peter
Peter
27. März, 2011 14:00

@Wortvogel: Oh, ok. Das fänd ich durchaus interessant zu wissen bevor ich das Interview lese, denn dann kommt mir das nicht so desinteressiert vor.
Ein Treffen fand aber schon statt?

Magineer
Magineer
28. März, 2011 11:44

Sympathisches Interview. Die Bethmann-Erfahrung scheint ja wohl eher traumatisch gewesen zu sein, aber bei Uli Edel und Tinto Brass hätte ich Katja Bienert schon gern gesehen. Bei Schlingensief natürlich auch, hier wirft sie aber wohl sein “Deutsches Kettensägenmassaker” mit “United Trash” durcheinander. Udo Kier spielt natürlich in beiden mit, aber nur “Trash” hat was mit Afrika zu tun (und hat zwei weitere gewichtige Argumente in Form von Kitten Natividad).

sabine
sabine
14. April, 2013 13:25

katja ist und bleibt eine liebe sympatische frau. ich mag sie gern 🙂

ralf neumann
6. September, 2015 04:13

ich finde diech schon .ich mag dich

Howard Morgenstern
Howard Morgenstern
25. März, 2016 21:38

Katja is a beautiful friend on the inside and the outside. I love her dearly.